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Himpel, Friedrich (1864 - 1926)

Geboren am 18. Oktober 1864 in Wolfen als Sohn eines Tagelöhners, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Arbeitete nach der Volksschule als "Hausknecht" in seiner Heimat. Verzog im Juli 1883 nach Hamburg; arbeitete als Hilfsarbeiter in einer Fabrik. Trat am 1. Juli 1890 dem wenige Tage früher begründeten "Verband der Fabrik-, Land- und gewerblichen Hilfsarbeiter Deutschlands" bei (Umwandlung im gleichen Jahr in: "Verband der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands"). Im Oktober 1891 Umzug nach Altona, arbeitete dort als Verkäufer. Der Wechsel der Arbeitsstätte veranlaßte Himpel, [1893] dem "Verein der Hausknechte und Comptorboten Hamburgs" beizutreten. Am 24. Juli 1894 verschmolz sich Himpels Lokalverein mit dem "Verein der Kutscher Hamburgs und Vororten von 1890" zum "Verein aller im Transport und Handel beschäftigten Hilfsarbeiter". Wahl zum Beisitzer in den Vorstand auf der Gründungsversammlung.

Die Vereinsgründer wählten Himpel außerdem in eine Kommission, die dem Reichsamt des Inneren (Kommission für Arbeiterstatistik) über die Arbeitsverhältnisse der Hamburger Handelshilfsarbeiter berichten sollte; agitierte in Hamburg für eine enge Anlehnung des Vereins an die Sozialdemokratie. Im März 1895 übertrugen die Hamburger Kollegen und Kolleginnen Himpel federführend die Arbeit zur Überwachung der Sonntagsruhe in der Hansestadt und die Erstellung einer Statistik über Lohn-, Wohnungs- und Arbeitsverhältnisse (1895: 210 Mitglieder im Verein). Nahm im Oktober des gleichen Jahres als Delegierter an den Verhandlungen über die Verschmelzung des "Kutscherklubs von 1883" teil. Der statistisch begabte Handelshilfsarbeiter präsentierte im Februar 1896 die erste umfängliche Arbeit über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Hamburger Transport- und Handelshilfsarbeiter, die gleichzeitig einen detaillierten Einblick in das berufliche Rekrutierungsfeld vermittelte. Anhänger einer verbandseigenen Arbeitslosenunterstützung ("Hauptmittel an die indifferenten Kollegen heranzutreten"). Hamburger Delegierter auf dem 2. Kongreß aller im Handels- und Transportgewerbe beschäftigten Hilfsarbeiter Deutschlands vom 24. bis 26. Mai 1896 in Halberstadt. Referat über die "Fachpresse". Anhänger der Idee einer zentralisierten Gewerkschaft mit einheitlicher Kassenführung und einheitlicher Leitung. Unterlag als Minderheitenvertreter der lokalistischen Kongreßmehrheit mit 24 zu 14 Stimmen. Auf dem Kongreß zum Vorsitzenden der Preßkommission gewählt (mit Sitz in Hamburg), deren Funktion weitgehend eingeschränkt blieb, weil das Fachblatt ("Handelshilfsarbeiter") nach wie vor im Besitz der Berliner Lokalorganisation verblieb. Bestätigung im Amt des Vorsitzenden der Preßkommission auf der örtlichen Mitgliederversammlung am 21. Juni 1896. Am 7. Juli 1896 auf der Hamburger Generalversammlung zum Vorsitzenden der Lokalorganisation gewählt (410 Mitglieder). Heftige Konflikte zwischen dem Vorsitzenden der Preßkommission einerseits, und dem gewählten Vertrauensmann für ganz Deutschland (Carl Alboldt) und der Berliner Lokalorganisation andererseits, signalisierten im Frühherbst 1896 schwere Auseinandersetzungen um die zweckmäßigste gewerkschaftliche Organisationsform in Deutschland. Himpel - in Hamburg selbst nicht unumstritten - gehörte zu den Unterstützern eines außerordentlichen Berufskongresses vom 25. bis 27. Dezember 1896 in Altenburg.

Einer der 18 Delegierten, die den "Zentralverband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands" aus der Taufe hoben. Wahl zum Vorsitzenden der Preßkommission, die Beschwerden gegen das neugegründete Zentralorgan "Der Courier" entgegennehmen sollte. Bestätigung im Kontrollamt durch die Hamburger Mitglieder im Februar 1897, gleichzeitig vom provisorischen Zentralvorstand zum neuen Bevollmächtigten für Hamburg ernannt. Am 7. März 1897 von den Hamburger Berufskollegen zum Vorsitzenden der Ortsverwaltung des Zentralverbandes gewählt; auf der gleichen Versammlung in das Hamburger Gewerkschaftskartells delegiert, in dem Himpel alsbald eine führende Rolle spielen sollte. Am 4. Juni 1902 erstmals in die Kartellkommission (= Vorstand) des Hamburger Gewerkschaftskartell gewählt, das die Aktivitäten der Hamburger Einzelgewerkschaften koordinierte. Wahl zum 2. Kassierer am 27. Mai 1903, im Frühjahr 1904 zum 2. Schriftführer der Kartellkommission gewählt. Erst mit Himpels Wegzug aus Hamburg erlosch sein Mandat. Machte sich im Kartell vor allem für den Genossenschaftsgedanken stark, nachdem er bereits in den neunziger Jahren eine kleine Milchgenossenschaft gegründet hatte. Unterstützte im Dezember 1898 als maßgeblicher Funktionär der gewerkschaftlich organisierten Handelshilfsarbeiter die Resolution zur Gründung der Hamburger Konsumgenossenschaften, die dem Genossenschaftsgedanken in Deutschland viel Rückenwind geben sollte. In der Frühphase der Zentralorganisation bewährte sich Himpels Rolle als Vorsitzender der Preßkommission insofern, als er dem ökonomisch bedrohten Blatt "Courier" mehrfach mit Mitteln der Hamburger Organisation unter die Arme griff und vor dem endgültigen Zusammenbruch bewahrte. Wiederwahl als Vorsitzender der Preßkommission auf der 1. Generalversammlung vom 25. bis 28. Dezember 1898 in Kassel. Teilnehmer an der von der Generalkommission der Gewerkschaften einberufenen Konferenz am 11. Dezember 1898 in Berlin, die konkrete Schritte zur Vereinigung der widerstreitenden "Lokalisten" und "Zentralisten" einleiten sollte. Von den Delegierten der "Einigungskonferenz" vom 2. bis 5. April 1899 in Leipzig als künftiger Vorsitzender der Preßkommission vorgesehen, ehe die Einigungsbemühungen letztlich an Nebensächlichkeiten scheiterten. Im Januar 1898 verzichtete Himpel auf den Vorsitz der Hamburger Verwaltungstelle und übernahm als Kassenwart neue Verantwortung; mit der neuen Funktion erfolgte gleichzeitig seine Festanstellung als erster besoldeter Funktionär in der Hamburger Organisation. Am 25. März 1898 bei den Wahlen zum Hamburger Gewerbegericht als Beisitzer gewählt. Im Juli 1897 in den Hamburgischen Staatsverband aufgenommen, erwarb im gleichen Monat das Bürgerrecht. Beginnend mit den Junistreiks des Jahres 1898, als die gewerkschaftlich organisierten Hausknechte und Ausfahrer in den Lohnkampf der Hamburger Bäckereiarbeiter verwickelt waren, betreute Himpel eine Reihe von Arbeitskämpfen in der Hansestadt, die ihm den Ruf eines beinharten Interessenvertreters einbrachte. Mit Hilfe des Hamburger Gewerkschaftskartells gelang es ihm mehrfach, erfolgreich Boykottmaßnahmen gegen kleinere Handelshäuser durchzusetzen. Überregionales Interesse erregten 1903 der Streik der Droschkenkutscher und Straßenbahner und 1904 der Streik der Hamburger Bierkutscher (gemeinsam mit den übrigen Brauereiarbeitern). Zum 1. Juni 1900 - dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Zentralisten und Lokalisten - übernahm Himpel erneut den Posten eines besoldeten 1. Vorsitzenden, wobei der Zentralvorstand einen Teil der Unkosten übernahm. Dafür mußte Himpel "nebenbei" die Agitation im Gau Schleswig-Holstein und Mecklenburg übernehmen, eine Aufgabe, die er bereits Mitte 1901 wegen Arbeitsüberlastung nicht mehr ausfüllen konnte.

Unter seiner Führung profitierte die Hamburger Organisation vom allgemeinen Aufstieg des Transport- und Verkehrsgewerbe und den organisatorischen Erfolgen der freien Gewerkschaften. Von 1900 bis 1905 stieg die Zahl der Mitglieder von 1.889 auf 4.209, wobei knapp 500 ehrenamtliche Funktionäre das organisatorische Rückgrat bildeten. Im April 1902 gelang ihm die Verschmelzung mit der Verwaltungsstelle Altona. Im gleichen Jahr schlossen sich die Lokalvereine der Fensterputzer, Kolporteure und Leitergerüstarbeiter der Hamburger Verwaltungsstelle des Zentralverbandes an. Himpels "Wirkung" auf die Hamburger Mitglieder beruhte auf einer breiten Versammlungsdemokratie, zeitweise referierte er jeden zweiten Tag vor Hamburger Funktionären, Mitgliedern oder der interessierten Öffentlichkeit, wobei seine intimen Kenntnisse der Arbeits- und Lebensbedingungen seine Stärke ausmachten. Delegierter auf der 2. Generalversammlung vom 6. bis 10. April 1901 in Nürnberg und der 3. Generalversammlung vom 10. bis 11. April 1903 in Hamburg, auf der er die organisatorischen Erfolge in der Hansestadt präsentieren konnte. Gewisse organisatorische "Reibungen" mit der Zentrale in Berlin kultivierte der spröde Hamburger Handelshilfsarbeiter in diversen Zeitungsrepliken. Auf der 4. Generalversammlung vom 8. bis 13. Mai 1905 in Frankfurt am Main zum besoldeten Sekretär in den Hauptvorstand gewählt. Umzug nach Karlshorst bei Berlin. Leitete künftig die statistische Abteilung und die Lohnbewegungsabteilung, Bereiche, in denen er Kompetenz und Sachverstand in der Vergangenheit hinreichend nachgewiesen hatte. Verbandsintern galt er als "Kriegsminister" der Organisation. Neben Oswald Schumann einer der Delegierten der deutschen Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter auf dem 5. Internationalen Transportarbeiterkongreß vom 24. bis 28. Juni 1906 im Heim der lombardischen Eisenbahner. Himpel, der sich in Hamburg sehr lange und sehr militant gegen Tarifverträge gesperrt hatte, brachte auf der 5. Generalversammlung vom 20. bis 25. Mai 1907 in Berlin eine Resolution ein, die auf eine Verrechtlichung der Arbeitsbeziehung hinauslief und die Tarifpolitik straff zentralisierte. Himpel nutzte seine neuen tarifpolitischen Handlungsspielräume auf den regelmäßigen Konferenzen der Gau- und Ortsvorstände. Hier sammelte er ökonomische Daten und plante die kommenden Lohnbewegungen im voraus, um ein "ausbluten" durch wilde Streiks zu verhindern.

Seit 1906 arbeitete er eng mit dem Reichsamt für Statistik zusammen, von dessen exakter Dokumentation der Arbeitsbedingungen er sich viel erhoffte. Gleichzeitig zeichnete er für den statistischen Teil des Jahrbuchs seiner Organisation verantwortlich, das zu den solidesten sozialstatistischen Quellen innerhalb der freien Gewerkschaftsbewegung zählte. Wiederwahl zum Sekretär in den Vorstand seiner Organisation bis 1925. Zu seinem Lebenswerk zählte der Abschluß eines Tarifvertrages mit dem "Zentralverband deutscher Konsumvereine". Nach langen Verhandlungen schlossen Gewerkschaft und Zentralverband 1906 einen Gehaltstarif ab. Nach Erneuerung des Vertrages im Jahr 1909 rückte Himpel in das "Tarifamt" (einer Art gemeinsamer Schiedskommission) ein. Fungierte gemeinsam mit den gewerkschaftlichen Bäckervertretern alternierend als Schriftführer im Tarifamt. Mit dem Tarifvertrag erkannten die Verbrauchergenossenschaften den Arbeitsnachweis der Gewerkschaften als alleinige Vermittlungsinstanz an, ein Zugeständnis von zentraler organisationspolitischer Bedeutung. Himpel galt als "Vater" weiterer 5 Bezirksarbeitsnachweise, die von den lokalen und regionalen Genossenschaftsorganisationen genutzt wurden. 1922, nach dem Todes des gewerkschaftlichen Vorsitzenden im Tarifamt (Johann Dreher), übernahm Himpel den Vorsitz. Der ehemalige Hamburger gehörte jeweils zum engeren Kreis seiner Organisation, der den gewerkschaftlichen Konzentrationsprozeß steuerte. Einer von 5 Delegierten seiner Organisation auf der Konferenz der Zentralvorstände der Verbände der Eisenbahner, Hafenarbeiter, Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter, Maschinisten und Heizer und Seeleute vom 7. bis 8. September 1906 in Hamburg, die erste Absprachen für eine Bündelung der gewerkschaftlichen Kräfte traf. Ebenfalls einer der Verhandlungsführer auf der Konferenz der Vertreter des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" und der Vertreter des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes", die dem schwer um seine Existenz ringenden Eisenbahnerverband eine sichere Heimstatt unter dem Dach des großen Verbandes verschaffte. Himpels Zeit als Tarifexperte kam nach der Novemberrevolution. Aus einer "tarifarmen" Organisation entwickelte sich mit seiner Hilfe eine der "tarifreichsten" Gewerkschaften (1920: 2.117 Tarifverträge in 63.486 Betrieben mit 687.025 Beschäftigten). Der Ausgestaltung von "Soziallöhnen" konnte er allerdings nichts abgewinnen. Himpel kehrte im Juli 1921 kurzfristig in seine alte Heimat zurück, um interimistisch die Reichsabteilungsleitung der Seeleute zu übernehmen, nachdem der Vorsitzende Paul Müller mit dem gesamten Abteilungsvorstand ins "rechte Lager" abgeschwenkt war. Engagierte sich seit [1919] als Bezirksabgeordneter kommunalpolitisch für die SPD, seit [1924] hatte er weiterhin Funktionen im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold innen. Friedrich Himpel starb am 10. November 1926 in Berlin an einer schweren Lungenentzündung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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