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Finke, Albert (1902 - 1988)

Geboren am 7. Oktober 1903 in Bochum, als Sohn eines Arbeiters, verheiratet, katholisch. Der Vater war einer der Mitbegründer der christlichen Gewerkschaften im Ruhrgebiet. Besuchte von 1909 bis 1917 die Volksschule in Bochum. Erlernte anschließend den Beruf eines Bäckers. Trat 1919 als Lehrling in den "Zentralverband der Nahrungs- und Genußmittelarbeiter-Industriearbeiter Deutschland" ein, der aus dem "Zentralverband christlicher Bäckerei- und Konditorgehilfen" erwachsen war. Albert Finke legte im April 1920 in Bochum die Gesellenprüfung für das Bäckerhandwerk mit der Note gut ab. Die berufliche Perspektivlosigkeit führte zu einem Berufswechsel: Seit [1920] arbeitete er unter Tage und trat dem "Gewerkverein Christlicher Bergarbeiter" bei. In dessen Bezirksleitung Bochum übernahm er im Mai 1929 hauptamtlich das Sachgebiet Arbeits- und Sozialrecht. Besuchte mehrere Lehrgänge auf der Gewerkschaftsschule Königswinter der christlichen Gewerkschaften. In der Bergarbeiterstadt erlebte er schmerzlich die Zersplitterung der Gewerkschaften. ("Untereinander führten wir einen harten Existenzkampf - der Reibungsverlust war außerordentlich.") Von 1920 bis 1933 politisch bei der Deutschen Zentrumspartei organisiert, dessen Arbeitnehmerflügel er stärkte. Von den Nationalsozialisten entlassen.

Vom 1. Mai 1933 bis zum 1. September 1934 arbeitslos. Vom 1. September 1934 bis zum 1. Mai 1941 verdingte sich der gelernte Bäcker als Selbständiger im Handel. Am 1. Mai 1941 als Luftschutzpolizist eingezogen, diente bis zum 1. Dezember 1942. Während des gesamten Krieges hielt er informelle Kontakte zu oppositionellen christlichen Gewerkschaften. Zum 1. Dezember 1942 wechselte Albert Finke als Feuerschutzpolizist in den Dienst der Stadt Bochum. Das Kriegsende erlebte er als Oberwachtmeister. Zum 1. Mai 1945 bei der städtischen Berufsfeuerwehrmann als beamteter Bezirksoberwachtmeister angestellt. Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär richtete zunächst seine Kraft darauf, die demokratischen Betriebsvertretungen zu stärken. Von dem englischen Bochumer Stadtkommandanten mit Gefängnis bedroht, weil er ohne Zustimmung der Besatzungsmacht mit anderen Kollegen einen Betriebsrat bei der Stadtverwaltung Bochum ins Leben gerufen hatte. Wahl zum Vorsitzenden des Betriebsrates der Berufsfeuerwehr und der Stadtverwaltung Bochum. Am 18. August 1946 von 179 Delegierten gegen eine Stimme zum Ortsvorsitzenden der "Industriegewerkschaft Öffentliche Betriebe und Verwaltungen" gewählt. Auf der Gründungsversammlung setzte sich der neue Vorsitzende dafür ein, nominellen NSDAP-Mitgliedern keinen Einfluß in den gewählten Körperschaften zu geben. Im gleichen Jahr hauptamtliche Anstellung als besoldeter Geschäftsführer der Ortsverwaltung Bochum. Nach den schmerzlichen Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur überzeugter Anhänger der Idee der konfessionell übergreifenden Einheitsgewerkschaft, die Arbeiter, Angestellte und Beamte vereinigen sollte. Gründungsmitglied der CDU Bochums. Der von der britischen Besatzungsmacht gewünschte dezentrale gewerkschaftliche Aufbau führte in Westfalen zur besonderen Zersplitterung; in 6 Bezirken konkurrierten für sich autonome Industrieverbände um die Mitglieder im öffentlichen Dienst.

Erst Ende 1946 erfolgte in Westfalen eine gewerkschaftliche Konzentration. Delegierter auf dem 1. Verbandstag des "Industrieverbandes Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Westfalen" am 21. Dezember 1946 in Herne. Es waren die Komplexe Sozialversicherung, Bevorratung der Haushalte mit Hausbrand, Ernährungsfragen, aber auch die geplante Sozialisierung der Grundstoffindustrie, die den ehemaligen Bergmann in zahlreichen Nachkriegsversammlungen beschäftigten. Am 15. Januar 1947 kamen rheinische und westfälische Vertreter überein, zum 1. Februar 1947 die Gewerkschaft ÖTV für das Land Nordrhein-Westfalen ins Leben zu rufen. Hauptamtliche Anstellung Finkes als Sekretär des "Gebietes" Westfalen zum 1. Juli 1947, dessen organisatorische Zugehörigkeit lange umstritten blieb. Der Bochumer übernahm die stellvertretende Leitung des Bezirks Westfalen, der sich nach schwierigen Konferenzabsprachen mit den rheinischen Kollegen seit März 1948 Nordrhein-Westfalen II nannte. Finke selbst hatte gegen die Leitung der ÖTV der Britischen Zone heftig dafür gekämpft, daß Westfalen eine eigene Verwaltung bekam und sich zum Sprecher der regionalen Sonderinteressen gemacht. Am 3. Juli 1948 übernahm Albert Finke nach einem Vorstandsbeschluß der Bezirksleitung selbst die Leitung des Bezirks und löste damit Erich Meyer ab. Mit dieser Wahl war er einer der einflußreichsten Christdemokraten in der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung. Delegierter auf dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Britische Zone) vom 22. bis 25. April 1947 in Bielefeld. Nach der anschließenden Konstituierung der Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen in den Bezirksbeirat des DGB gewählt.

Ebenfalls Delegierter auf dem Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der britischen Zone vom 9. bis 12. September 1947 in Krefeld. Nahm an allen wichtigen Besprechungen und Konferenzen in Nordrhein-Westfalen teil, die den Konzentrationsprozeß der Gewerkschaften steuerten. Gewähltes Mitglied der Satzungskommission auf dem Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart. Als Bezirksvorsitzender in den Hauptvorstand der ÖTV gewählt. Auf allen Bezirkstagen bis 1961 mit überwältigender Mehrheit zum Bezirksleiter gewählt, jeweils statuarische Bestätigung als Vorstandsmitglied auf allen Gewerkschaftstagen. In dieser Eigenschaft Mitglied des Verbandsbeirates. Sein spezifisches Interesse galt der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger. Bereits vor Wiedereinführung der Selbstverwaltung im Jahre 1952 gehörte er dem 1949 von der Aufsichtsbehörde in Hamburg bestellten vorläufigen Beirat der Hamburg-Münchener Ersatzkasse an. Als der Gesetzgeber auf dem Gebiet der Sozialversicherung die Selbstverwaltung wieder ins Leben rief, wählte die erste Vertreterversammlung Albert Finke am 25. März 1953 in den Vorstand, dessen stellvertretender Vorsitzender er im Jahr 1962 wurde. Am 7. Juli 1966 übernahm er den Vorsitz im Vorstand der Kasse; gleichzeitige Wahl als Mitglied des Vorstandes des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen.

Als im September 1953 CDU/CSU-Sozialausschüsse, katholische und evangelische Arbeitnehmerverbände scharfe Forderungen zur weltanschaulichen und parteipolitischen Neutralität im DGB erhoben, stellte sich Finke - bei aller Kritik im Detail - hinter die Idee der Einheitsgewerkschaft und sprach dem DGB das Recht zu, die Regierungskoalition in allen Fragen zu kritisieren, wo sie bei der Realisierung "wirklicher Arbeiterfragen" versagt habe. Tarifpolitisch gehörte der Bochumer zu den Kräften, die seit Mitte der fünfziger Jahren Tarifverhandlungen regionalisieren wollte. Gegen den Widerstand des Hauptvorstandes plädierte er für die Ausweitung bezirklicher Tarifabschlüsse. Im Juni 1952 vom geschäftsführenden Hauptvorstand als stellvertretendes Mitglied des DGB-Bundesausschusses gewählt. Gesellschafter der Vermögensverwaltung der Gewerkschaft ÖTV GmbH. Auf der Tagung von Hauptvorstand und Beirat vom 24.bis 26. April 1957 in München in eine zwölfköpfige Studienkommission gewählt, die den organisatorischen Aufbau der Gewerkschaft überprüfen sollte und dem Gewerkschaftstag 1958 Reformvorschläge unterbreiten sollte, um das Arbeiterelement in der Gewerkschaft angemessen zu repräsentieren. Politisch fühlte sich Albert Finke stets dem Ahlener Programm der CDU von 1947 verbunden; seine gewerkschaftspolitischen Argumente zog er aus den Sozialenzykliken der katholischen Kirche. In der für christliche Gewerkschafter der Weimarer Republik typischen Sprache bekämpfte er "Liberalkapitalismus" und die "Konzentration des Reichtums in wenigen Händen" und klagte den "gerechtfertigten Anteil an dem gestiegenen Sozialprodukt" für die Arbeitnehmer ein. Einer von 14 Gesellschaftern der Vermögensverwaltung der Gewerkschaft ÖTV. Teilnehmer einer mehrwöchigen Studienreise deutscher Gewerkschafter im Frühjahr 1957 in die USA.

Auf dem 4. ordentlichen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 25. Juni bis 1. Juli 1961 in Berlin in den geschäftsführenden Hauptvorstand gewählt. Die relativ niedrige Zahl der Ja-Stimmen (251 Stimmen bei 482 abgegebenen Delegiertenstimmen) signalisierte viele Reserven gegen CDU-Mitglieder in den eigenen Reihen nach Auseinandersetzungen über die "richtige" Oppositionshaltung gegenüber der Bundesregierung. Im Hauptvorstand künftig zuständig für die Bereiche Schulung und Bildung, Werbung, die Jugendabteilung, das Archiv und die Hauptfachabteilung II K, die die kommunalen Bediensteten betreute. Seit November 1961 Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Mitbestimmung. Finke bemühte sich um eine mitgliedernahe Bildungsarbeit, zu dem ihm eigenen Verständnis von gewerkschaftlicher Bildung gehörte es, daß er als Sekretariatsleiter selbst häufig in den drei Bildungsstätten der Gewerkschaft zu Gast war. Intern gehörte er zur Gruppe, die dem Vorsitzenden Kummernuss mit gewissen Reserven gegenüberstand. Am 19. November 1962 vom geschäftsführenden Hauptvorstand in den Ausschuß für Bildungswesen, den Ausschuß für Berufsbildung und -fortbildung und den Ausschuß für Werbung und Publizität beim DGB-Bundesvorstand delegiert. Zwei Wochen später in die Fachkommission Kulturpolitik entsandt. Der 5. ordentliche Gewerkschaftstag vom 28. Juni bis 4. Juli 1964 genehmigte eine Satzungsänderung und beschloß die Einrichtung zweier Stellvertreterposten im geschäftsführenden Vorstand. Wahl Finkes zu einem der beiden stellvertretenden Vorsitzenden mit 428 von 510 abgegebenen Stimmen. Ein Votum, das seine uneingeschränkte Akzeptanz in der Organisation verdeutlichte. Zu seinem "Sekretariat 3" gehörten die Betreuung der Bereiche Bildungspolitik, Jugendsekretariat, ÖTV-Schulen, Erholungsheim GmbH und die Vermögensverwaltung GmbH. Die Neugründungen von Kommissionen beim Hauptvorstand erbrachte für den stellvertretenden Vorsitzenden die Übernahme weiterer Ämter: im Oktober 1964 vom Hauptvorstand als Vorsitzender der Kommission für Finanz- und Vermögensfragen und als Vorsitzender für die Kommission für Bildungsarbeit gewählt.

Am 28. September 1965 vom Gewerkschaftsbeirat in die "Beiratskommission zur Neuregelung des Unterstützungswesens" delegiert, die ein steckengebliebenes Reformwerk zum guten Ende führen sollte. In seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender einer der Geschäftsführer der Vermögensverwaltung der ÖTV und der Erholungsheim GmbH. Ordentliches Mitglied im DGB-Bundesausschuß. Besonderen Wert legte er auf eine ordentliche Ausstattung der Erholungsheime. Seiner Initiative entsprang vor allem der Neubau des Erholungsheims Niedersfeld. Als Organisationspraktiker bestimmte er maßgeblich die Diskussionen über die Neuordnung der Gewerkschaft ÖTV mit, die 1968 realisiert wurde. Vor seinem Ausscheiden auf dem 6. ordentlichen Gewerkschaftstag vom 30. Juni bis 6. Juli 1968 in München wünschte er sich in einer "Rückschau" und einem "Ausblick" die "heilsame politische Bewegung unserer Tage" zu verstehen, "um mit ihr eine Änderung der bestehenden Verhältnisse herbeizuführen". Nach seinem altersbedingten Ausscheiden kehrte Albert Finke nach Bochum zurück. Er starb in seiner Heimatstadt am 22. Oktober 1988.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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