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Böhm, Hans (1890 - 1957)

Geboren am 8. April 1890 in Hochspeyer (Pfalz) als Sohn eines Steinmetz und einer Hebamme, verheiratet, Dissident. Besuchte von 1896 bis 1903 die Volksschule in Hochspeyer. Als jüngstes von vier Kindern mußte er als Zehnjähriger bei einem Bauern aushelfen, da sein Vater bereits 1894 starb. Um das Familieneinkommen zu verbessern, arbeitete er von 1903 bis 1904 als ungelernter Ziegeleiarbeiter. Absolvierte von 1904 bis 1906 eine Lehre als Möbelpolierer. Nach Beendigung der Lehre 1906 Eintritt in den "Deutschen Holzarbeiter-Verband". War von 1907 bis 1908 in verschiedenen Orten Deutschlands in seinem erlernten Beruf tätig. Zur Verbesserung seiner Berufsperspektive wechselte der Pfälzer in die Metallindustrie über. 1913 ging er als Hüttenarbeiter zur Friedrich Krupp AG nach Essen. Im gleichen Jahr Übertritt in den "Deutschen Metallarbeiterverband" (DMV). Seit 1911 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Im Februar 1916 als Frontsoldat zum Kriegsdienst eingezogen, den er bis zum letzten Tag mitmachte. Behielt nach einer Verletzung ein chronisches Kriegsleiden zurück. Der Metallarbeiter zählte zur innerparteilichen Kriegsopposition innerhalb der SPD. 1918 Mitglied der Spartakusgruppe; seit 1919 Mitglied der KPD. Im Dezember 1918 zum Mitglied des Arbeiterausschusses der Krupp-Werke gewählt. Gehörte dem Gremium bis zu seiner Auflösung im Februar 1920 an. Nach Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes im März 1920 in den Betriebsrat gewählt. Als Sechsunddreißigjähriger von seinen Betriebsratskollegen zum Betriebsratsvorsitzenden des wichtigsten deutschen Metallbetriebes gewählt. Böhm verließ während des "ultralinken" Kurses der KPD die Partei, da er ihren gewerkschaftsfeindlichen Kurs nicht teilte. 1925 Rückkehr zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Zu Beginn des Jahres 1922 auf der Mitgliederversammlung in den Vorstand der Verwaltungsstelle Essen des DMV gewählt. Von 1924 bis 1928 zweiter ehrenamtlicher Vorsitzender einer der wichtigsten DMV-Verwaltungsstellen. Von 1926 bis 1933 fungierte er in Essen als Arbeitsrichter. Nahm an allen wichtigen wirtschafts- und lohnpolitischen Kongressen der größten deutschen Einzelgewerkschaft teil.

Im Februar 1928 wechselte Böhm als besoldeter Geschäftsführer der Ortsverwaltung Essen zum "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" über. Der Gemeindearbeiterverband litt im Westen Deutschlands stets unter einem Funktionärsmangel und griff oft auf erfahrene Kollegen aus der Metallbranche zurück. Böhm trat in die Fußstapfen Josef Orlopps, der 1928 in den Vorstand des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" aufrückte und deren enge persönliche Verbindung aus der gemeinsamen Zeit im Arbeiterausschuß der Essener Krupp AG datierte. Nach der Fusion der organisierten Gemeinde- und Staatsarbeiter mit anderen Gewerkschaften zum "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" übernahm Böhm im Juni 1930 den Bezirk östliches Westfalen mit Sitz in Bielefeld. Die enge Beziehung Hans Böhms zur Angestellten- und Beamtenbewegung datiert aus seiner frühen Bielefelder Gewerkschaftszeit. Seit 1930 aktive Mitarbeit im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der Eisernen Front, um der nationalsozialistischen Gefahr zu begegnen. Im Herbst 1932 als Stadtverordneter auf der Liste der SPD gewählt; im November 1932 als Ratsherr in den Rat der Stadt Bielefeld gewählt. Am 2. Mai 1933 von den Nationalsozialisten entlassen und einige Tage inhaftiert. Bis 1935 stand der ehemalige Funktionär des Gesamtverbandes unter Polizeiaufsicht und blieb arbeitslos.

1935 konnte Böhm beruflich wieder Tritt fassen. Zunächst arbeitete er als Kastelan im Volkshaus Sudbrack der Baugenossenschaft Gallershagen. Von 1938 bis 1940 hatte er eine Gastwirtschaft in Bielefeld gepachtet, ehe er schließlich 1940 bis zum Kriegsende die Werkskantine im Bekleidungsdepot der Luftwaffe in Bielefeld pachten konnte. Im August 1944 als bekannter Regimegegner mehrere Wochen inhaftiert. Nach Kriegsende zählte Böhm zu den aktivsten Gewerkschaftern in Westfalen, die den Wiederaufbau maßgeblich prägen sollten. Nach Besprechungen in Bielefelder Betrieben beauftragten Anfang Juni 1945 die Betriebssprecher Hans Böhm, "die Aufgabe der Gewerkschaftsbildung in die Hand zu nehmen". Böhm nahm bereits am 15. Juni 1945 erste Kontakte zur Militärregierung, zum Bielefelder Oberbürgermeister und berufenen Vertretern der christlichen Arbeitnehmervertretung auf. Nach längerer Verzögerung durch die Militärinstanzen trat am 21. Oktober 1945 im Speisesaal der Oetker-Werke in Bielefeld die Gründungsversammlung des "Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Bielefeld" zusammen. Wahl Böhms mit der höchsten Stimmenzahl (668 von abgegebenen 688 Stimmen) in den "Vorläufigen geschäftsführenden Ausschuß" der Bielefelder Gewerkschaft. Programmatisch stellte Böhm bei seiner Wahl den Wiederaufbau der Versorgungsbetriebe in den Vordergrund; eine zentrale Rolle bei der Demokratisierung billigte er den gewählten Betriebsräten zu. Der Organisationsplan des Freien Gewerkschaftsbundes wurde maßgeblich von Hans Böhm entworfen, seine organisatorischen Vorstellungen strahlten weit über Bielefelds Grenzen und der Region Westfalen hinaus. Die "Wirtschaftsgruppe Öffentliche Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" sollte sich in die Fachgruppen Reichsbahn, Reichspost, städtische Betriebe und Verwaltungen und den Handel und Verkehr gliedern. Teilnehmer auf den Konferenzen (unter Teilnahme von Vertretern der Militärregierung) am 19. Dezember 1945 in Münster und am 31. Dezember in Herford, die für den Gewerkschaftsaufbau wichtige Entscheidungen fällten. In Herford wurde der wegweisende Beschluß zur Errichtung von Industrieverbänden unter gleichzeitiger Zusammenfassung unter einer Dachorganisation gefällt. Wahl Böhms zum Leiter der Gewerkschaftsbewegung für Westfalen und Minden-Lippe.

Auf der 1. Gewerkschaftskonferenz der britischen Zone vom 12. bis 14. März 1946 im Katholischen Vereinshaus in Hannover-Linden in den vorläufigen Zonenvorstand der Gewerkschaft der britischen Zone delegiert. Vorsitzender der wichtigen Organisationskommission. Am 30. Mai und 1. Juni 1946 fand in Senne bei Bielefeld die entscheidende Sitzung des von der Zonenkonferenz in Hannover eingesetzten Zonenvorstandes und -ausschusses statt. Dieser beschäftigte sich mit dem weitreichenden Tagesordnungpunkt "Organisationsfragen". Böhm, ursprünglich Anhänger des Konzepts der zentralen Einheitsgewerkschaft, schlug im Namen des Zonenvorstandes das Industriegewerkschaftsmodell als verbindliche Organisationsform für die ganze britische Zone vor, wie es sich in Nordrhein-Westfalen im Aufbau befand. Er hatte somit entscheidend Anteil bei der Durchsetzung der dauerhaften Organisationsstruktur der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Wahl in den sechsköpfigen Zonenvorstand auf der Gewerkschaftskonferenz der britischen Zone vom 21. bis 23. August 1946 in Bielefeld, die er als Gastgeber begrüßte.

Eine besondere Rolle spielte Böhm bei der Organisation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im westfälischen Landesteil des neuen Bundeslandes. Obgleich Böhm Ende 1946 gegen eine rasche Vereinigung der existierenden Gewerkschaften der Bereiche Transport, Verkehr und öffentlicher Dienst nichts einzuwenden hatte, respektierte er den Willen der Besatzungsmacht und den Wunsch vieler westfälischer Kollegen, über die Konstituierung eines westfälischen Landesverbandes eine Fusion mit der als übermächtig empfundenen Gewerkschaftsbewegung der Provinz Nordrhein zu erreichen. Vorsitzender einer sechsköpfigen Kommission, die Ende 1946 die "Verschmelzungsarbeit" in Westfalen unter den diversen Gewerkschaften koordinieren sollte. Auf der 1. Konferenz des "Industrieverbandes Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr" in Westfalen im Herner Volkshaus von 130 Delegierten einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Böhm betonte in Herne, die Lösung der Wirtschaftsprobleme erfordere es, "daß Arbeiter und Angestellte sich auf Organisationen stützen können, die wirtschaftspolitisch ausgerichtet sind und die Interessen ihrer Angehörigen auf das wirksamste vertreten". Die Austarierung im Vorstand der Gewerkschaft ÖTV Nordrhein-Westfalens sollte im Verhältnis 4:1 zu Gunsten des Bezirks Nordrhein erfolgen. Der Zusammenschluß wurde für den 1. Februar 1947 vereinbart. Auf einer Vorstandskonferenz am 9. Februar 1947 in Krefeld wurde beschlossen, Hans Böhm als Vorstandsmitglied der Gewerkschaft ÖTV Nordrhein-Westfalens für die Vorstandsarbeit des neu zu schaffenden "Deutschen Gewerkschaftsbund" (Britische Zone) "abzustellen" und zu beurlauben. Als abgeordnetes Vorstandsmitglied habe er jederzeit das Recht, wieder in die hauptamtliche Tätigkeit innerhalb des Verbandes zurückzukehren.

Auf dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Britische Zone) vom 22. bis 25. April 1947 in Bielefeld als hauptamtlicher Beisitzer in den Bundesvorstand gewählt. Leiter der Abteilung IV: Werbung, Presse und Rundfunk. Teilnehmer auf dem Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der britischen Zone vom 9. bis 12. September in Krefeld, auf der er vergeblich für Bielefeld als künftigen Sitz der ÖTV warb. Nahm zu seinem ureigenen Thema - der inneren Organisation der kommenden Gewerkschaft - das Wort. Das DGB-Vorstandsmitglied griff in die personalpolitische Debatte ein und nahm scharf gegen Heinrich Malina als künftigem Vorsitzenden der Organisation Stellung. Mit dem Wuppertaler Robert Daum präsentierte er einen Gegenkandidaten, der in einer Kampfabstimmung nur knapp unterlag. Neben seiner Gewerkschaftstätigkeit spielte Böhm innerhalb der SPD eine herausragende Rolle. Von 1947 bis 1948 wiederum SPD-Stadtverordneter in Bielefeld. Als Vorsitzender des Finanz-, Personal- und Betriebsausschusses der Stadtverwaltung brachte er viel von seinem Wissen aus seiner Zeit als hauptamtlicher Bielefelder Gewerkschafter zur Geltung. Seit dem 20. April 1947 bis zum 5. Mai 1950 Mitglied des ersten gewählten Landtages von Nordrhein-Westfalen, arbeitete von Juli 1949 bis zu seiner Auflösung im "Arbeitsausschuß" mit. Als Vertreter der SPD saß der Bielefelder vom 11. Juni 1947 bis zum 29. Juni 1948 als Mitglied des Zweiten Zonenbeirates für die britische Zone. Vom 23. Juni 1948 bis zum 18. Oktober 1949 vertrat er den DGB (Britische Zone) im Personalausschuß bei dem Personalamt der Verwaltung der Vereinigten Wirtschaftsgebiete mit Sitz in Frankfurt am Main.

Auf dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes in München vom 12. bis 14. Oktober 1949 mit 393 von abgegebenen 473 Stimmen als Beisitzer in den geschäftsführenden Bundesvorstand gewählt. Böhm trug künftig die Verantwortung für die Hauptabteilung Angestellte und Beamte (Abteilung X). Für die Zeitschrift "Der deutsche Beamte" zeichnete er verantwortlich. Am 7. September 1949 im Wahlkreis 139 (Bielefeld-Stadt-Ost und Süden) mit einem Stimmenanteil von 46,6 % in den ersten Bundestag gewählt. Bis zum 12. Dezember 1949 Mitglied des Bundestagsausschusses für ERP-Fragen und bis zum 11. Mai 1951 Mitglied des Ausschusses für Arbeit. Seit dem 12. Dezember 1949 gehörte er dem Ausschuß für Beamtenrecht an und avancierte rasch zum profiliertesten Sprecher des Gremiums. In diesem Ausschuß setzte sich Böhm für die gesetzliche Verankerung des Berufsbeamtentums ein; für das die Gewerkschaften seit 1946 unzweideutig eingetreten waren. Zu den weiteren Schwerpunkten seiner Ausschußarbeit zählte der Einsatz für die Gleichberechtigung von Beamten und Angestellten in der Frage der Mitbestimmung sowie die Demokratisierung der Verwaltung. Das 1955 verabschiedete Personalvertretungsgesetz war einem Gutteil seiner parlamentarischen Arbeit zu verdanken. Seit März 1953 hatte er engagiert im Ausschuß zur Beratung des Personalvertretungsgesetzes gewirkt. Ferner Mitglied des Richterwahlausschusses des Deutschen Bundestages. Am 6. September 1953 Wiederwahl in den Bundestag im Wahlkreis Bonn (über die SPD-Landesliste Nordrhein-Westfalen). Während der ganzen Legislaturperiode ausschließlich Mitarbeit im Ausschuß für Beamtenrecht. In der Gewerkschaftspresse wurde vor allem sein erfolgreiches Bemühen um die Angleichung der Ruhegehälter und der Hinterbliebenenbezüge an die allgemeine Einkommensentwicklung herausgestrichen.

Wiederwahl in den geschäftsführenden Bundesvorstand auf dem 2. ordentlichen Bundeskongreß in Berlin vom 13. bis 17. Oktober 1952. Zu Beginn der fünfziger Jahre löste Böhm das Vorstandsmitglied Hans vom Hoff als Repräsentant der DGB-Spitze in den internationalen Gremien der Angestelltenorganisationen ab. Seit Februar 1952 Mitglied im beratenden Ausschuß für Angestellte und geistige Arbeiter bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Delegierter auf dem 2. ordentlichen Kongreß des "Internationalen Bundes der Privatangestellten" (IBP) vom 23. bis 27. Juni 1952 in Oslo, der eine Satzungsänderung auf Vorschlag des DGB genehmigte, daß Verbände mit über 200.000 Angestelltenmitglieder im Vorstand des IPB vertreten sein müssen. Seit der Osloer Konferenz vertrat Hans Böhm seine Organisation im internationalen Berufssekretariat. Seit 1951 stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der Deutschen Beamten-Versicherung, Aufsichtsratsmitglied des Klöckner Hüttenwerkes in Hagen-Haspe, Vorstandsmitglied des Beamten-Heimstättenwerkes und Mitglied des "Deutschen Rates der Europäischen Bewegung". Per Akklamation auf dem 3. Bundeskongreß des DGB vom 4. bis 9. Oktober 1954 in Frankfurt am Main wiedergewählt. Der 3. Bundeskongreß brachte für Böhms Verantwortungsbereich insofern eine Änderung, als per Beschluß je eine Hauptabteilung Beamte und Angestellte errichtet wurde, die allerdings beide Böhm unterstellt blieben. Besonders stark engagierte sich der Bundestagsabgeordnete für die Errichtung des Berufsfortbildungswerkes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das im Januar 1954 in Düsseldorf ins Handelsregister eingetragen wurde. Seit dieser Zeit Vorsitzender des Verwaltungsrates des Bildungswerkes. Aus Altersgründen stellte sich Böhm auf dem Gewerkschaftskongreß nicht mehr zur Wiederwahl. Er starb am 18. Juli 1957 in Leonberg bei Stuttgart an den Folgen eines Verkehrsunfalls.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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