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Betnareck, Richard (1891 - 1959) (1)

Geboren am 12. Oktober 1891 in Berlin-Steglitz, verheiratet, protestantisch. Absolvierte nach der Volksschule eine kaufmännische Lehre, die er mit der Handlungsgehilfennprüfung abschloß. Trat vor 1914 als Schutzpolizist in den Dienst des preußischen Staates ein. Teilnehmer am I. Weltkrieg. Vom 18. November bis 3. Dezember 1918 Angehöriger des Soldatenrates bei der Obersten Heeresleitung. Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Seit [1918] Mitglied des 1915 gegründeten "Verbandes der Kameradenvereine", nach seinem Vorsitzenden Ernst Schrader meist "Schrader-Verband" gerufen. Auf dem Verbandstag vom 1. bis 2. Mai 1919 erfolgte die Umbenennung in "Verband der Polizeibeamten Preußens". Im Konflikt zwischen den kommunalen Polizeiverbänden und den staatlichen Schutzpolizeiverbänden sprach sich Betnareck gegen die Gründung des "Landesverbandes Preußens der Schutzpolizeibeamten" aus.

Selbst Angehöriger der "grünen" Schutzpolizei, verteidigte Betnareck die gemeinsame Organisation von kommunalen ("blauen") und staatlichen ("grünen) Polizeibeamten und votierte gegen die "grüne" Sonderorganisation. Seit dem 1. Januar 1921 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Im Februar 1921 Delegierter auf dem Bezirksverbandstag seiner Organisation. Am 10. Juni 1921 Wahl zum 2. Schriftführer der Berliner Ortsgruppe 1 (Mitte). Machte sich in Berlin einen Namen im Kampf gegen die Benachteiligung der unteren Gehaltsgruppen. Wahl zum 1. Vorsitzenden der Fachgruppe Schutzpolizei des Bezirksverein Groß-Berlin des "Verbandes der Polizeibeamten Preußens". Seine Kameraden machten sich im "Schrader-Verband" für die Zuwahl von Schutzpolizisten im Berliner Bezirksverband stark, um der Absplitterung der neuen Schutzpolizeibeamtenorganisation entgegenzuwirken. Auf dem 4. außerordentlichen Bezirkstag am 22. Februar 1922 als Beisitzer in den Bezirksvorstand gewählt. Wahl zum Beisitzer der Ortsgruppe Berlin-Mitte am 18. Oktober 1922. Am 20. bis 21. Februar 1923 wurde auf einer Tagung in Berlin die Vereinigung des "Verbandes der Polizeibeamten Preußens" mit dem "Landesverband Preußens der Schutzpolizeibeamten" zum "Verband Preußischer Polizeibeamten" mit insgesamt rund 52.000 Mitglieder vollzogen. Auf einer Vorstandssitzung der geeinten preußischen Polizeibeamtenorganisation als Vorstandsmitglied kooptiert. Schriftführer des Werbeausschusses sozialdemokratischer Polizeibeamter des Bezirksverbandes Groß-Berlin und Schriftführer der 41. Abteilung der SPD. Innerhalb des Deutschen Beamtenbundes (DBB) verkörperte der "Verband Preußischer Polizeibeamten" das strikt republikanische Element mit virulent "linken" Unterströmungen.

Auf dem Elberfelder Verbandstag im Mai 1925 beschlossen die Delegierten den Austritt aus dem konservativen "Preußischen Beamtenbund" (und damit aus dem DBB). Da der Beschluß weitgehend folgenlos blieb, machten sich innerhalb des Verbandes - vor allem in Berlin - deutliche Sezessionsbestrebungen bemerkbar. Über 200 Vertrauensmänner versagten im Sommer 1925 der alten Führung die Gefolgschaft und gaben Richard Betnareck ein Mandat zur freigewerkschaftlichen Verbandsgründung. 1. Provisorischer Vorsitzender des neuen "Allgemeinen Preußischen Polizeibeamten-Verband" und hauptamtlicher Schriftleiter der "Allgemeinen Preußischen Polizeibeamten-Zeitung", die am 25. September 1925 mit der ersten Nummer erschien. Der alten Organisation warf Betnareck vor, "jede Besserung der Lage der unteren Besoldungsgruppen verhindert" zu haben; die Polizeibeamten im DBB wurden kritisiert, weil sie "entsprechend der Haltung des DBB das Zusammengehen mit den Arbeitnehmern und Angestellten zur Besserung der Löhne und Gehälter und zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen" ablehnten. Der Kampf für eine Entmilitarisierung der Schutzpolizei zählte zu den weiteren programmatischen Grundforderungen des neuen Vorsitzenden. Dem "Betnareck-Verband" gelang es bis Ende 1925 6.O71 Beamte zu organisieren und konnte bei den Berliner Beamtenausschußwahlen 1929 ca. 20% der Stimmen auf sich vereinigen, ohne die Monopolstellung des "Schrader-Verbandes" letztlich in Frage zu stellen. Wiederwahl Betnarecks zum Vorsitzenden auf dem 1. Verbandstag des "Allgemeinen Preußischen Polizeibeamtenverbandes" am 12. bis 13. April 1927, dem 2. Verbandstag am 13. April 1928 und dem 3. Verbandstag am 15. bis 16. April 1930. Der 1. Verbandstag gab der jungen Organisation Struktur und Halt.

Nach der neuen Arbeitsteilung nahm Betnareck vielfältige Aufgaben wahr: Obmann der Organisationskommission, als verantwortlicher Schriftleiter Mitglied der Pressekommission, Mitglied der Rechtsschutzkommission und der Beamtenrechtskommission, ferner zeichnete er für die Referentenvermittlung verantwortlich. Am 17. November 1929 auf der Liste der SPD in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt: Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Beamten, Lehrer und Festangestellten, Stellvertreter der Deputation für das Feuerlöschwesen, Mitglied der Deputation für das Stadtreinigungs- und Fuhrwesen, Stellvertreter der Deputation für den Vieh- und Schlachthof und Mitglied der gemischten Deputation zur Durchführung der bis zum 31. März 1931 angeordneten Stellenbesetzungssperre. Die empfundene Ohnmacht gegenüber dem "Schrader-Verband", der 1930 rund 80% des Personals der gesamten preußischen Polizei in sich vereinigte, die republikanische Ausrichtung der Konkurrenzorganisation und die politische Nähe zur sozialdemokratischen Führung der "Mutterorganisation" ließen Richard Betnareck am Fortbestehen einer eigenen freigewerkschaftlichen Polizeigewerkschaft zweifeln.

Seit Frühjahr 1931 war unübersehbar, daß Betnareck auf eine Vereinigung hin arbeitete. Vorstand und Verbandsausschuß beschlossen am 7. Juni 1931 - entgegen einer Entschließung einer Funktionärskonferenz vom 22. Mai 1931 ("Der Allgemeine Preußische Polizeibeamten-Verband betrachtet die Vorschläge des Preußischen Polizeibeamten-Verbandes als keine geeignete Grundlage für Verhandlungen. Er steht unverbrüchlich zur freien Gewerkschaftsbewegung") - den kooperativen Übertritt zum "Schrader-Verband", wobei Betnareck bei der "Wiedervereinigung eine tragende Rolle spielte. Der statuarisch höchst zweifelhafte Coup wenige Tage vor einem Verbandstag isolierte Betnareck innerhalb der Berliner SPD, die beamtenprogrammatisch streng freigewerkschaftlich ausgerichtet war. Er verlor innerhalb seiner Abteilung alle Ehrenämter und spielte im "Verband Preußischer Polizeibeamten" keine ersichtliche Rolle mehr. 1933 verhaftet. Saß vom 26. August 1933 bis zum 17. Dezember 1933 im KZ Sachsenhausen ein. Arbeitete ab [1935] bis in die frühen vierziger Jahre als Versicherungsvertreter in Berlin-Tempelhof. Nach 1945 erneut Polizeidienst im Rang eines Kriminal-Oberkommissar.1946 Mitglied der SED. Betriebsrat und Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) der Kriminalpolizei Berlin. Fungierte zeitweise als 2. Vorsitzender der Gewerkschaftsleitung. Arbeitete bis Ende der fünfziger Jahre als Oberrat im Präsidium der Deutschen Volkspolizei (DVP) in Ost-Berlin. Betnareck verstarb am 15. März 1959.


Fußnote:

1Der Artikel wurde im Juli 2004 - nach Eingang ergänzender Hinweise von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand - aktualisiert.
Eine weitere Korrektur wurde im November 2006 nach Hinweis eines Internetbenutzers ergänzt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 / Überarbeitet: Juli 2004; November 2006

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