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TEILDOKUMENT:
1917 1. Januar 1917 Zwischen dem Lederarbeiterverband und dem Verband der Lederhandschuhfabrikanten tritt eine Vereinbarung in Kraft, deren Zweck in der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Unternehmer und Arbeiter der Lederhandschuhindustrie besteht. 6. Januar 1917 Das "Correspondenzblatt" schreibt in seinem "Rückblick auf das Jahr 1916":
16. Januar 1917 Die Generalkommission und die Vorstände von fünf Gewerkschaften versichern dem Reichskanzler, daß sie nach der Ablehnung des deutschen Friedensangebots vom 12. Dezember 1916 seitens der Entente noch fester hinter der Regierung stehen und alle Kräfte "in dem Kampf um die Existenz des Landes" einsetzen werden. 18. Januar 1917 Der Parteiausschuß beschließt die organisatorische Trennung der sozialdemokratischen Mehrheit von der Minderheit mit 29 gegen 10 Stimmen. 1. Februar 1917 Deutschland eröffnet den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Alle Schiffe in einem vom deutschen Admiralstab festgelegten Seegebiet um England und Frankreich sind durch warnungslose Torpedierung bedroht. Die Regierung der USA antwortet am 3. Februar mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und der Androhung der Kriegserklärung an Deutschland. 14. Februar 1917 Im preußischen Abgeordnetenhaus wird die Reform des Wahlrechts während des Krieges abgelehnt. Der konservative Sprecher erklärt, die Konservativen würden an einer Reform nach dem Kriege mitarbeiten, vorausgesetzt, daß der Grundsatz "Wahlrecht nach Leistung" Berücksichtigung finde. 16./22. Februar 1917 In Bergwerken und Metallbetrieben des Ruhrgebietes kommt es zu Streiks. 21. Februar 1917 Die Generalkommission, der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften, der Verband der Gewerkvereine, die Polnische Berufsvereinigung, die Arbeitsgemeinschaft für das einheitliche Angestelltenrecht und die Arbeitsgemeinschaft der technischen Verbände protestieren in Eingaben an den Reichskanzler und das Kriegsernährungsamt gegen die völlig unbefriedigende Regelung der Ernährungsverhältnisse während der Kriegszeit. Sie erkennen die Ursachen nicht nur in der Knappheit der Lebensmittel, sondern auch im Mangel einer strengen Durchführung gerechter Verteilung der vorhandenen Vorräte. 23. Februar 1917 Die Fraktion der Mehrheitssozialdemokraten stimmt der Vorlage für Kriegskredite zu. F. Ebert erklärt, "solange die Eroberungsziele der Feinde bestehen und Deutschland niedergeschmettert werden soll" bekunde die deutsche Sozialdemokratie erneut ihre feste Entschlossenheit auszuhalten bis zur Erreichung eines die Lebensinteressen des deutschen Volkes sichernden Friedens. März 1917 Die Vorstände des Verbandes Deutscher Buchbindereibesitzer und des Deutschen Buchbinderverbandes, vereinbaren die Fürsorge für die Unterbringung der kriegsbeschädigten Berufsgenossen im bisherigen Beruf und wenn möglich auch im gleichen Betrieb.
10. März 1917 In Rußland bricht die Revolution aus. Das zaristische Regime wird beseitigt, der Krieg gegen Deutschland und Österreich-Ungarn zunächst fortgesetzt. 16. März 1917 Die Generalkommission, der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften und der Verband der Gewerkvereine richten eine gemeinsame Eingabe an den Reichskanzler zur Monopolgesetzgebung, in der sie auf die bedeutsamen sozialen Seiten der Monopolfragen aufmerksam machen.
20./22. März 1917 Die Vertreter der Verbandsvorstände erklären auf ihrer Konferenz in Berlin, "daß die von dem preußischen Landwirtschaftsminister in den Sitzungen des Preußischen Landtags vom 7., 8. und 15. März 1917 gegen die Eingaben der Gewerkschaften erhobenen Angriffe die Berechtigung ihrer Forderungen in der Ernährungsfrage nicht erschüttern können. Am allerwenigsten können sie sich zu der Auffassung bekehren, daß die einseitige Politik des Landwirtschaftsministers zugunsten der Produzenten den Interessen der Verbraucher entspräche.
29. oder 30. März 1917 Die sozialdemokratische und die nationalliberale Reichstagsfraktion beantragen die Einsetzung eines Ausschusses zur Vorbereitung von Reformen zur politischen Neuordnung im Deutschen Reich (Verfassungsausschuß). Der Reichstag stimmt zu. 1. April 1917 Die Brotrationen werden auf 170 g pro Tag und die Kartoffelrationen auf 2.500 g pro Woche gekürzt. Für Erwachsene gibt es daneben pro Woche 80 g Butter, 250 g Fleisch, 180 g Zucker und ein halbes Ei. 3. April 1917 Alle Gewerkschaftszentralen wenden sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die beabsichtigte Gründung von eigenen Organisationen der Kriegsbeschädigten. 6. April 1917 Die Vereinigten Staaten erklären Deutschland den Krieg. 6./8. April 1917 In Gotha wird auf einer Reichskonferenz der sozialdemokratischen Opposition die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)" gegründet.
16./23. April 1917 In Berlin treten 319 Betriebe mit 300.000 Arbeitern in den Streik gegen die mangelhafte Lebensmittelversorgung und aus Protest gegen die Verhaftung des Leiters der Dreherbranche im Metallarbeiterverband, R. Müller. Der Streik wird von den revolutionären Obleuten, oppositionellen Gewerkschaftsfunktionären, deren Kern die Metallarbeiter bilden, gegen den Willen der Gewerkschaften organisiert. Bereits am zweiten Tag beschließt die Vertreterkonferenz der Gewerkschaften, die Arbeit wieder aufzunehmen, nachdem die Regierungs- und Militärbehörden zusätzliche Lebensmittelrationen versprochen und die Zusage gegeben haben, daß niemand wegen der Teilnahme am Streik zum Militärdienst eingezogen werde. In Berlin wird vereinbart, daß Vertreter der Arbeiter künftig bei der Verteilung der Nahrungsmittel mitwirken sollen. Ein Teil der Betriebe streikt weiter und wird daraufhin unter militärische Leitung gestellt.
19. April 1917 Der Bundesrat stimmt dem Reichstagsbeschluß zu, den § 12 des Reichsvereinsgesetzes, den sog. Sprachenparagraphen, zu streichen.
Vertreter der sozialdemokratischen, christlichen und der Hirsch-Dunckerschen Tabakarbeiterorganisationen treffen in Frankfurt a. Main zusammen, um über die gegenwärtigen Lohnverhältnisse und die durch die Rohtabaksteuer verursachten Produktionseinschränkungen zu sprechen. Die Konferenz verlangt wesentliche Lohnerhöhungen und sieht in der weiteren Einschränkung des Rohtabakverbrauchs eine schwere Schädigung der bodenständigen Tabakarbeiter. 20. April 1917 Der Vorstand der christlichen Gewerkschaften veröffentlicht einen Aufruf, in dem er sich hinter die Politik der Regierung stellt und sich gegen jede Arbeitsniederlegung wendet. 21. April 1917 Das "Correspondenzblatt" schreibt "Zur gegenwärtigen Situation":
23. April 1917 Die Generalkommission stellt an die Zentralvorstände in einem Rundschreiben zu den Streiks fest:
25. April 1917 Reichskanzler Th. v. Bethmann Hollweg verfügt in einem Erlaß, daß künftig jeder Streik in kriegswichtigen Betrieben, jede Aufforderung und jeder Versuch dazu und die Absicht, Streikbrecher von der Arbeit abzuhalten, als Vorschubleistung für eine feindliche Macht oder als Schädigung der Kriegsmacht des Deutschen Reiches angesehen werden. 26. April 1917 Nachdem Generalfeldmarschall P. v. Hindenburg jede noch so unbedeutend erscheinende Arbeitseinstellung als eine unverantwortliche Schwächung der Verteidigungskraft verurteilt hatte, antworten die Vorstände aller Gewerkschaftsbünde, daß Arbeitseinstellungen in der gegenwärtigen Stunde zu vermeiden sind. Erhaltung und Sicherheit des Reiches stünden an erster Stelle. Nach allen Kundgebungen der Gegner Deutschlands unterliege es keinem Zweifel, daß nicht eine Verminderung, sondern nur eine Erhöhung der Widerstandskraft Deutschlands einen baldigen Frieden bringen könne. Die Vorstände weisen aber darauf hin, daß die mangelhafte Ernährungslage, unzureichende Entlohnung, unnötige Härten bei der Durchführung des Hilfsdienstgesetzes und die alten Methoden der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitern zu einer Mißstimmung in der arbeitenden Bevölkerung geführt haben. 28. April 1917 Die Generalkommission und der SPD-Parteivorstand sprechen sich gegen jede Arbeitsruhe am 1. Mai aus, nachdem die "Gruppe Internationale" zu einem Kampftag für Frieden, Freiheit und Brot aufgerufen hatte. Mai 1917 In mehreren deutschen Staaten erklären sich die Regierungen zur Änderung der Verfassung und der Landtagswahlrechte bereit, so in Bremen, Lübeck, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Mecklenburg-Schwerin und Sachsen. 8. Juni 1917 Eine internationale gewerkschaftliche Konferenz in Stockholm, auf der neun Länder (Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande, Norwegen, Oesterreich, Schweden, Ungarn) vertreten sind, erachtet die Sicherung der Arbeiterrechte, des Arbeiterschutzes und der Arbeitersicherung als eine der wichtigsten Bestimmungen eines Friedensvertrages.
9. Juni 1917 Für die Militärschuhmacher wird von allen drei Schuhmacherverbänden ein Tarifvertrag abgeschlossen, der die wöchentliche Arbeitszeit auf 54 Stunden und einen Mindestlohn festlegt. Die Bezahlung der Furnituren durch die Arbeiter wird beseitigt. 12. Juni 1917 Die nach Stockholm zu einer Besprechung über eine Friedenskonferenz der Sozialistischen Internationale entsandte Delegation der SPD legt ihre Auffassungen in einer umfangreichen Denkschrift "Die deutsche Sozialdemokratie und der Frieden" nieder. Danach strebt die SPD einen Frieden der Verständigung ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen sowie dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen an. 24./27. Juni 1917 Eine außerordentliche Generalversammlung des Textilarbeiterverbandes in Augsburg hält eine wesentliche Erhöhung der Einkommen der Textilarbeiter und -arbeiterinnen im Arbeiter- wie im Gemeininteresse für unbedingt erforderlich.
27./30. Juni 1917 Die Generalversammlung des Deutschen Metallarbeiterverbandes in Köln lehnt nach harten Auseinandersetzungen mit 73 gegen 44 Stimmen die Anträge ab, das Verhalten der Gewerkschaftsvertreter im Reichstag zu mißbilligen, gegen die Festlegung der Gewerkschaften auf die Politik des 4. August zu protestieren und eine Beitragssperre gegen die Generalkommission durchzuführen.
30. Juni 1917 Die Generalkommission, der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften, der Verband der Gewerkvereine, die Polnische Berufsvereinigung, die Arbeitsgemeinschaft für einheitliches Angestelltenrecht und die Arbeitsgemeinschaft der technischen Verbände übermitteln dem Reichstag und dem Bundesrat ihre umfangreichen Forderungen für den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft. Sie verlangen die Beteiligung von Gewerkschaftern am Reichskommissariat für Übergangswirtschaft, das am 3. August 1916 gegründet wurde. 8. Juli 1917 Die Vertreter einer Konferenz der Land-, Forst- und Waldarbeitergewerkschaften aller drei weltanschaulichen Richtungen in Berlin erklären erneut, "daß sie mit allen Kräften dazu beitragen wollen, die landwirtschaftliche Produktion zu fördern. Sie erwarten aber, daß zukünftig bei den zu erlassenden Bestimmungen vorher die Vertreter der organisierten Landarbeiterschaft gehört werden. ...
11. Juli 1917 Wilhelm II. fordert, daß der Gesetzentwurf zur Änderung des preußischen Wahlrechts das gleiche Wahlrecht enthalten müsse. 13. Juli 1917 Th. v. Bethmann Hollweg wird gestürzt. Sein Nachfolger wird G. Michaelis. 19. Juli 1917 Bei der Beratung neuer Kriegskredite bringen die Reichstagsfraktionen des Zentrums, der Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozialdemokraten eine Resolution ein. - M. Erzberger hatte am 6. Juli im Hauptausschuß eine Friedenskundgebung des Reichstages vorgeschlagen, die sich ausdrücklich auf das Wort aus der Thronrede vom 4. August 1914 bezieht: "Uns treibt nicht Eroberungssucht". In der Kundgebung sollte bekundet werden, daß der Reichstag einen Frieden der Verständigung und dauernden Aussöhnung der Völker anstrebe. Mit einem solchen Frieden seien alle erzwungenen Gebietsabtretungen, politische, wirtschaftliche und finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Nachdem Reichskanzler G. Michaelis diese berühmte Friedensresolution akzeptiert hat mit der entwertenden Bemerkung, "wie ich sie auffasse", wird sie gegen die Stimmen der Konservativen und der Nationalliberalen und bei Stimmenthaltung der Unabhängigen Sozialdemokraten, die eine eigene Resolution eingebracht hatten, angenommen.
24./26. Juli 1917 Einstimmig beschließt die Konferenz der Vertreter der Verbandsvorstände in Berlin folgende Zustimmung zur Friedenskundgebung des Deutschen Reichstages:
2. August 1917 Ca. 400 Matrosen verlassen trotz Verbotes ein Linienschiff in Kiel und halten in der Stadt eine Protestversammlung gegen den Krieg ab. Hauptsprecher ist der Matrose A. Köbis. Die Matrosen nehmen Verbindung mit Vertretern der beiden sozialdemokratischen Parteien auf. 4. August 1917 Das "Correspondenzblatt" veröffentlicht einen Artikel "Drei Jahre Weltkrieg":
25. August 1917 Im Prozeß gegen die aufrührerischen Matrosen werden fünf zum Tode, vier zu je 10-15 Jahren Zuchthaus und fünfzig Matrosen zu insgesamt 400 Jahren Zuchthaus verurteilt. Ende August 1917 Ein freier Ausschuß aus Vertretern der Parteien und des Reichstages wird gebildet, zunächst um die Antwort auf die päpstliche Friedensnote zu beraten. Seine Zuständigkeitsgrenzen sollen später näher festgelegt werden. 2. September 1917 Die deutsche Vaterlands-Partei wird gegründet. Die Partei erstrebt den sogenannten "Siegfrieden" mit umfassenden Annexionen. Sie führt eine überaus heftige Propaganda gegen alle Vertreter des Verständigungsfriedens. 5. September 1917 Die Matrosen A. Köbis und M. Reichpietsch werden hingerichtet. 15. September 1917 Mit den Steinsetzern beschließt die sechste Gewerkschaft aus Protest gegen die Politik der Generalkommission ihren Austritt aus dem Leipziger Gewerkschaftskartell. Nach den Streiks in der Munitionsindustrie im April hatten bereits die lokalen Vertretungen der Metallarbeiter, der Asphalteure und Pappdecker, der Handlungsgehilfen, der Kupferschmiede und der Schneider ihren Austritt beschlossen. Herbst 1917 Die "Arbeitsgemeinschaft für das einheitliche Angestelltenrecht" bildet ein festeres Kartell und nennt sich nun "Arbeitsgemeinschaft für Angestelltenverbände" (AfA). Im Mittelpunkt des Aktionsprogramms steht die gemeinsame Vertretung der ihr angeschlossenen Verbände auf der Grundlage eines "reinen und einheitlichen Arbeitnehmer-Standpunktes".
1./4. Oktober 1917 Eine internationale Gewerkschaftskonferenz in Bern, auf der zehn Nationen - Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Norwegen, Oesterreich, Schweden, Schweiz, Ungarn und Vertreter der tschechoslowakischen Gewerkschaften ohne Stimmrecht - vertreten sind, nimmt gewerkschaftliche Forderungen zum Friedensvertrag an, die Gemeingut der internationalen Gesetzgebung werden sollen: zum Koalitionsrecht, zum Freizügigkeitsrecht, zur Arbeitsvermittlung, zum Arbeiterschutz, zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsaufsicht, zur Arbeitszeit, zur Hygiene und Unfallversicherung, zur Heimindustrie, zum Kinderschutz zum Seemannsrecht und -schutz.
12. Oktober 1917 Nachdem Vertreter der christlichen Gewerkschaften und der Gewerkvereine bereits der Obersten Heeresleitung Bedenken gegen Verordnungen von Militärbehörden vorgetragen hatten, die die gewerkschaftliche Arbeit beschränken, tun dies auch C. Legien und G. Bauer für die Generalkommission in einem Gespräch mit General E. v. Ludendorff.
14./20. Oktober 1917 Auf dem Parteitag der SPD in Würzburg teilt F. Ebert mit, daß nach den Feststellungen der letzten Wochen von 38 Bezirksorganisationen mit 357 Wahlkreisen sechs Bezirke und 38 Wahlkreise sich der USPD angeschlossen haben.
28./30. Oktober 1917 Der Deutsche Arbeiterkongreß in Berlin fordert "die Vertretung der Arbeiter und Angestellten im Beirat für Uebergangswirtschaft ..., paritätisch geleitete [gesetzliche] Arbeitsnachweise mit einer Reichscentrale, für die vom Heeresdienst Entlassenen und durch Umstellung der Wirtschaft arbeitslos Gewordenen Arbeitslosenunterstützung bzw. Fortzahlung der staatlichen Gebührnisse, Arbeitskammern und Schlichtungsorgane mit Einbeziehung der Staatsarbeiter, gesetzlichen Arbeiterschutz für die weiblichen und jugendlichen Arbeiter während des Krieges, Durchführung des Heimarbeitsgesetzes und Unterstellung der Kriegsbeschädigtenrenten unter das Rechtsverfahren der Reichsversicherung." Das Koalitionsrecht müsse von allen hemmenden Fesseln befreit und der § 153 der Gewerbeordnung aufgehoben werden. 1. November 1917 Rücktritt des Reichskanzlers Michaelis. An seiner Stelle wird der bayerische Staatsminister Graf v. Hertling ernannt. Die Mehrheitsparteien machen ihre Zustimmung zu seiner Ernennung von der Erfüllung einer Reihe von Forderungen abhängig, unter anderem: der Einbringung der preußischen Wahlrechtsfrage und der Vorlage eines Arbeitskammergesetzes. 7. November 1917 In St. Petersburg übernehmen die Bolschewisten unter W. I. Lenin die Macht. - Russische Oktoberrevolution. 22./24. November 1917 Die Vertreter der Vorstände der in der Generalkommission vereinigten Gewerkschaften beschließen ein "Sozialpolitisches Arbeitsprogramm", in dem sie u.a. fordern: die Errichtung eines Reichsarbeitsministeriums; paritätisch besetzte Arbeitskammern; das uneingeschränkte Koalitionsrecht für alle Arbeitnehmer; die gesetzliche Anerkennung der Tarifverträge; die Einführung des Achtstundentages; die Einrichtung öffentlicher Arbeitsnachweise; die Errichtung eines paritätischen Reichseinigungsamtes zur Schlichtung von Arbeitskämpfen; ein einheitliches Arbeitsrecht; paritätische Arbeitsgerichte; eine reichseinheitliche Regelung des Arbeitsschutzes; gesetzliche Regelung eines Reichswohnungsgesetzes; die Sozialisierung des Kohlenbergbaues und -großhandels, des Kalibergbaus und der Aufbereitung der Kalilsalze, der Gewinnung und Fernübertragung elektrischer Kraft und des Getreidehandels; langfristige Handelsverträge; ein System der Meistbegünstigung; allmähliche Herabsetzung der Zölle; den Abbau der indirekten Steuern auf Artikel des Massenverbrauchs; ein internationales Schiedsgericht für Wirtschaftsstreitigkeiten; reichsgesetzliche Regelungen des Gesundheitswesens; Verstaatlichung des Ärztewesens und der Apotheken; Vereinheitlichung der gesamten Arbeiter- und Angestelltenversicherung auf der Basis der Dreiteilung der Beiträge zwischen Versicherten, Unternehmern und Reich, und auf paritätischer Verwaltung und Rechtsprechung sowie eine vom Reich getragene Arbeitslosenversicherung; internationale Verträge zur ausgleichenden Regelung der Arbeitsgesetzgebung in allen Ländern; reichsgesetzliche Regelung des Schulwesens auf der Einheitlichkeit und Weltlichkeit der Schule und Unentgeltlichkeit des Unterrichts und der Lernmittel; Errichtung von Schul- und Volksbibliotheken; staatliche Förderung der Bühnenkultur und die Schaffung von Kulturkammern.
3. Dezember 1917 Alle Gewerkschaftsbünde übermitteln dem Reichstag einen gemeinsamen Entwurf für ein Arbeitskammergesetz. Da die Gewerkschaften auf der Forderung von Arbeiterkammern, die übrigen Gruppen auf der von Arbeitskammern bestehen, schlagen die Gewerkschaften als Kompromiß paritätische Kammern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor, "den Arbeitnehmerabteilungen indes das Recht zustehen soll, zwecks eigener Interessenvertretung für sich allein zusammenzutreten, Anträge zu stellen, Eingaben zu machen, Gutachten abzugeben und Erhebungen zu veranstalten. Die Kammern sollen territorial aufgebaut werden, aber auch besondere Berufsabteilungen für die Land- und Forstwirtschaft, sowie für kaufmännische und technische Angestellte erhalten und neben dem Recht der Antragstellung, Begutachtung und Erhebung auch allgemein wirtschaftliche und soziale Wohlfahrts-, sowie Verwaltungsaufgaben erhalten. Im besonderen sollen sie bei der Regelung des gewerblichen Schulwesens und Lehrlingswesens mitwirken, den Abschluß von Tarifverträgen sowie von Fachausschüssen für die Hausindustrie fördern, deren Tätigkeit bei der Regelung der Löhne und Arbeitsbedingungen unterstützen und den von diesen festgestellten Lohnsätzen durch Beschluß unabdingbare Kraft verleihen. Sie sollen ferner Einigungsämter und Schlichtungsstellen errichten und die Mitglieder des Einigungsamts aus ihrer Mitte wählen. Der Entwurf regelt zugleich die obligatorische Einsetzung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen für alle Betriebe mit mindestens 20 Personen, deren Wahl und Aufgaben, sowie die Wahl der Beisitzer der Schlichtungsstellen und die Aufgaben der Einigungsämter." Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Deutschland, seinen Verbündeten und Rußland in Brest-Litowsk. Am 5. Dezember wird eine 10tägige Waffenruhe, am 15. Dezember ein 28tägiger Waffenstillstand abgeschlossen. 5. Dezember 1917 Die preussische Regierung bringt im Landtag Vorlagen zur Reform des preussischen Dreiklassenwahlrechts ein. 17./20. Dezember 1917 Der Verbandstag des Fabrikarbeiterverbandes in Hannover lehnt gegen 6 Stimmen einen Antrag ab, wegen der Haltung der Generalkommission während "des Rüstungsarbeiterstreiks und gegenüber den Regierungskörperschaften und Kapitalisten" keine Beiträge mehr an sie zu zahlen. 22. Dezember 1917 Das "Correspondenzblatt" veröffentlicht einen Aufruf des am 4. Dezember gegründeten "Volksbundes für Freiheit und Vaterland", der ein Gegengewicht gegen die Vaterlandspartei bilden soll und dem alle gewerkschaftlichen Spitzenverbände angehören: "Nur ein Volk, in dem für die freie und verantwortungsfreudige Mitarbeit aller Schichten und Stände am Staatswesen Raum geschaffen wird, ist machtvoll nach außen. Innerer Neuaufbau und äußere Kraftentfaltung der Nation sind nicht zu trennen. ...
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