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TEILDOKUMENT:




1918

1. Januar 1918

Die Generalkommission errichtet ein eigenes Sekretariat für ostjüdische Arbeiter, um die Interessen der aus den von deutschen Truppen besetzten Ostgebieten in das Reich einwandernden jüdischen Arbeiter wahrzunehmen. Aufgabengebiete des Sekretariats sind die Entgegennahme von Beschwerden, die Gewährung von Rechtsschutz, die Auskunftserteilung über Fragen der Arbeitsvermittlung und die gewerkschaftliche Organisation dieser Arbeiter.

5. Januar 1918

In dem "Rückblick auf das Jahr 1917" schreibt das "Correspondenzblatt":
"Unbeirrt durch [das] Versagen der Internationale hat sich die deutsche Arbeiterschaft in den Dienst der Friedenspropaganda gestellt. Sie hat die Genugtuung, die Reichstagsmehrheit und selbst die Regierungen für ihre Auffassung gewonnen zu haben. Vom Friedensaufruf der deutschen Sozialdemokratie bis zu den Friedensangeboten des Deutschen Kaisers und dem Friedenswillen des Deutschen Reichstages besteht ein kausaler Zusammenhang, der jetzt in den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk seine Anerkennung findet. Die deutsche Arbeiterschaft hat durch ihre Vertretungen auf den internationalen Konferenzen zu Stockholm und Bern die Friedenshand geboten und ihre Schuld ist es nicht, daß die internationale Sozialistenkonferenz zu Stockholm nicht zustande kam. Die deutsche Arbeiterschaft begnügt sich indes nicht mit diesem Erfolge; sie hat zur Propaganda der Friedensziele in Deutschland selbst einen Volksbund gegründet, um den friedensschädlichen Treibereien der Annexionisten entgegenzuwirken und zugleich auch die Verwirklichung der inneren Neugestaltung Deutschlands sicherzustellen.
Diese innere Neugestaltung ist eine unserer ernstesten Sorgen. Wir zweifeln keineswegs an dem guten Willen der verbündeten Regierungen, ihr Versprechen einzulösen. Es sind auch schon einige kleine Abschlagszahlungen erfolgt. Aber starke Kräfte sind am Werke, die "Neuorientierung" zu verhindern."

7. Januar 1918

Auf seiner ersten Kundgebung verabschiedet der "Volksbund für Freiheit und Vaterland" in Berlin eine Resolution, in der es u.a. heißt:
"Solange der Vernichtungswille der Feinde nicht gebrochen ist, muß unser Volk wie an den Fronten so auch in der Heimat in treuer Einigkeit und in Dankbarkeit gegen unsere Brüder im Waffenrock zur Verteidigung des Vaterlandes zusammenstehen, um in äußerster Anspannung aller Kräfte die feindlichen Anschläge zu vereiteln.
Um diese Einigkeit unseres Volkes und die Anspannung seiner Kräfte zu stärken, ist es ein in der Gerechtigkeit wurzelndes Gebot höchster Staatsnotwendigkeit, sofort den eingeleiteten freiheitlichen Ausbau in Reich und Staat fortzuführen, um die Gleichberechtigung aller Staatsbürger und ihre Mitarbeit an den öffentlichen Aufgaben zu sichern. Insbesondere fordert der Volksbund die schleunige Durchführung des gleichen, direkten, geheimen, allgemeinen Wahlrechts für das Abgeordnetenhaus und eine volkstümliche Reform des Herrenhauses in Preußen. ... Nicht minder muß noch während des Krieges im Reich die Koalitionsfreiheit gewährt, das Vereinsrecht gesichert, die Vertretung von Arbeitern und Angestellten in Arbeitskammern gesetzlich geordnet und dementsprechend eine Vertretung der Beamten in geeigneten Körperschaften herbeigeführt werden.
Die freiheitliche Entwicklung im Innern bietet zugleich eine feste Grundlage für eine klare und offene Politik nach außen. Wir lehnen einen Verzichtfrieden ebenso entschieden ab wie einen Gewaltfrieden, der den Keim künftiger Kriege in sich birgt. Wir wollen einen Frieden der Verständigung, der Ehre, Leben und Entwicklung unseres Volkes sichert, unbeschadet etwa zu vereinbarender Grenzverschiebungen, von gewaltsamen Gebietserweiterungen und Kriegsentschädigungen absieht und das Selbstbestimmungsrecht der Völker aufrichtig wahrt."

8. Januar 1918

USA-Präsident W. Wilson verkündet seine 14 Punkte. Als Richtlinien für den Weltfrieden schlägt W. Wilson darin u.a. vor: Öffentlichkeit aller internationalen Vereinbarungen; Freiheit der Meere; Freiheit des Welthandels; Rüstungsbeschränkung; internationale Regelung der Kolonialfragen; Räumung von Rußland, Frankreich, Belgien, Rumänien, Serbien und Montenegro; Abtretung Elsaß-Lothringens; Bildung eines unabhängigen polnischen Staates und Gründung eines Völkerbundes.

13./14. Januar 1918

Die Konferenz des Vorstandes des Ausschusses und der Gauleiter des Glasarbeiterverbandes beschließt, daß sie sich mit der Haltung der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands in den Fragen des Hilfsdienstgesetzes und im Ernährungsbeirat nicht einverstanden erklären kann. "Dasselbe ist der Fall in bezug auf ihre Stellung zum Koalitionsrecht der Arbeiter. Die Konferenz ist der Meinung, daß die Generalkommission in den genannten Fragen nicht konsequent und energisch genug die Stellung der Arbeiterschaft vertreten hat. Die Konferenz erwartet, daß die Generalkommission der Regierung gegenüber ihren ganzen Einfluß zugunsten der Arbeiterschaft zur Geltung zu bringen sucht unter verstärkter Betonung der unberechenbaren Dienste und Opfer, die der Gesellschaft von der ganzen Arbeiterklasse geleistet werden."

14. Januar 1918

In Österreich beginnt ein Massenstreik, an dem sich fast eine Million Arbeiter beteiligen und der bis zum 23. Januar dauert.
Ph. Scheidemann berichtet im Hauptausschuß darüber, daß F. Ebert und er als Landesverräter bezeichnet würden und täglich Droh- und Schmähbriefe erhielten, weil sie für einen Verständigungsfrieden einträten. Die Urheberschaft dafür läge bei der Vaterlandspartei.

18. Januar 1918

Emil Döblin, geboren am 27. November 1853 in Stendal, Setzer, seit Juli 1873 Mitglied des Buchdruckerverbandes, in den 80er Jahren Gauvorsitzender in Berlin, seit 1. September 1888 Vors. d. Buchdruckerverbandes, seit 1. Januar 1903 Mitglied d. Generalkommission, in Berlin gestorben.

19. Januar 1918

Das "Correspondenzblatt" kritisiert die "Verschleppungsmanöver" und die "Obstruktion" der preussischen "wahlrechtsfeindlichen Landtagsmehrheit": "Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, das die preussische Reaktion treibt, und wir hoffen, daß die Regierung ihr jederzeit mit den geeigneten Maßnahmen entgegentritt, ehe unabsehbares Unheil damit angerichtet wird."

28. Januar 1918

Die Haltung der deutschen Vertreter bei den Verhandlungen von Brest-Litowsk löst eine große Unruhe bei der Arbeiterschaft aus. In den Rüstungsbetrieben Berlins und Umgebung bricht ein Streik aus, an dem sich bereits am ersten Tag 100.000 Arbeiter beteiligen. Die Zahl steigt weiter an und erreicht nach Aussage des Innenministers 180.000, nach der der Streikleitung 300.000. Der Streik hat von Beginn an politischen Charakter. Ein Arbeiterrat aus 250 Vertrauensleuten wählt zur Leitung der Streikbewegung einen Aktionsausschuß, dem im Laufe des Tages W. Dittmann, H. Haase, G. Ledebour von der USPD und O. Braun, F. Ebert sowie Ph. Scheidemann seitens der SPD beitreten. Doch vor dem Beitritt der letzten beiden werden von der Streikleitung folgende Forderungen erhoben: Rasche Herbeiführung des Friedens ohne Annexionen; Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Friedensverhandlungen; ausgiebigere Lebensmittelversorgung; Aufhebung des Belagerungszustandes sowie aller Ausnahmebestimmungen, der Zensur und der Militarisierung der Betriebe; Freilassung aller wegen politischer Vergehen Inhaftierter und Verurteilter und durchgreifende Demokratisierung der gesamten Staatseinrichtungen, zunächst aber die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle Männer und Frauen vom 20. Lebensjahr ab für den preußischen Landtag. Die Beteiligung der Generalkommission wird von der USPD strikt abgelehnt.
Auch in anderen Städten kommt es unter dem Eindruck der Berliner Vorgänge zu Streiks, so in Hamburg, Kiel, Bremen, Danzig und Leipzig. In München fordern Streikende nach einer Rede von K. Eisner die sofortige Beendigung des Krieges. K. Eisner wird verhaftet und wegen Landesverrats angeklagt.

30. Januar 1918

Alle Versammlungen werden in Berlin verboten, das Gewerkschaftshaus polizeilich geschlossen, der Arbeiterrat aufgelöst, die Bildung einer neuen Streikleitung untersagt und der "Vorwärts" verboten. Die Generalkommission verhält sich neutral, da nach ihrer Ansicht die Streikbewegung eine rein politische Angelegenheit sei. Es werden infolgedessen keine Streikgelder gezahlt.
Der Parteiausschuß der Sozialdemokratie stellt fest, daß sich der Streik nicht gegen die Landesverteidigung richte, sondern aus einer tiefen Mißstimmung durch die Ernährungsschwierigkeiten und den Druck des Belagerungszustandes entstanden sei. Da alle Warnungen und Ratschläge der Partei ungehört verhallt seien, wäre dieser Ausbruch der Volksstimmung unvermeidlich geworden. Der Eintritt der Abgeordneten beider sozialdemokratischer Fraktionen in die Streikleitung biete die volle Gewähr, die Bewegung in geordnetem Rahmen zu halten und sie rasch, ohne Schäden der Allgemeinheit, zu Ende zu bringen. Die Verantwortung für die Entwicklung der Dinge treffe jene Stellen, die sich vor Ausbruch des Streiks und während seiner Dauer beharrlich geweigert hätten, die Stimme der Vernunft zu hören und deren Politik offensichtlich auf die Erzwingung eines Macht- und Gewaltfriedens gegen die eigene Bevölkerung hinsteuere.
Die Reichsregierung solle sich eindeutig für die ausgiebigere Lebensmittelversorgung, für die rasche Aufhebung des Belagerungszustandes und alle das Vereinsrecht und die Presse einschränkenden Maßnahmen, für die Aufhebung der Militarisierung der Betriebe, die schnellste Durchführung der Wahlrechtsreform in Preußen und für einen allgemeinen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts der Völker einsetzten.

31. Januar 1918

Nach ernsten Zusammenstößen in Moabit, Charlottenburg und Spandau werden der verschärfte Belagerungszustand über Berlin verhängt und außerordentliche Kriegsgerichte eingesetzt.

1. Februar 1918

Der Oberbefehlshaber in den Marken gibt bekannt, daß 7 Betriebe unter militärische Leitung gestellt werden. Den Arbeitern wird befohlen, die Arbeit bis zum 4. Februar wieder aufzunehmen; Zuwiderhandelnde würden nach den Strafgesetzen des Belagerungszustandes bestraft, die Wehrpflichtigen unter ihnen außerdem eingezogen.

Nach einer ausführlichen Diskussion bekunden die Vertreter der Verbandsvorstände auf einer Konferenz in Berlin gegen 3 Stimmen "die Auffassung, daß für die jetzigen politischen Streiks in erster Linie die innerpolitischen Verhältnisse und die Haltung der Regierung verantwortlich zu machen sind.
Die Gewerkschaften stehen diesen Streiks fern, ihre Leitungen sind an ihnen in keiner Weise beteiligt. Wohl aber sind von den Gewerkschaftsleitungen die entscheidenden Stellen im Reiche seit Monaten mündlich und schriftlich ersucht worden, die Ursachen zu beseitigen, welche die steigende Erbitterung der arbeitenden Bevölkerung hervorgerufen haben. Leider haben diese Warnungen keine genügende Beachtung gefunden.
Die Anordnungen der stellvertretenden Generalkommandos, die der Arbeiterschaft die Ausübung des Vereins- und Versammlungsrechts beschränken oder völlig unmöglich machen sowie die freie Meinungsäußerung durch die Presse verhindern, sind nicht gemildert, sondern zum Teil verschärft worden.
... Die unzureichende Ernährung der großen Masse des Volkes ist nicht allein auf den Mangel an Nahrungsmitteln, sondern zum großen Teil auf die ungenügende Organisation zu ihrer Erfassung zurückzuführen.
Auch dem Verlangen nach einem baldigen Frieden der Verständigung, das die große Mehrheit des deutschen Volkes mit der Arbeiterschaft teilt, hat die Regierung nicht ausreichend Rechnung getragen. Sie hat unterlassen, den annexionistischen Bestrebungen der sogenannten 'Vaterlandspartei' und ähnlicher Gruppen eine unzweideutige Absage zu erteilen.
Die Verhandlungen im Verfassungsausschuß des Preußischen Landtages über die Wahlrechtsvorlage haben die Empörung in der Arbeiterschaft schließlich so gesteigert, daß es zu den Arbeitseinstellungen gekommen ist.
Das jetzige Verbot aller Versammlungen der Streikenden durch die Militärbehörden trägt weiter zur Vermehrung der Erbitterung bei und macht es zugleich unmöglich, eine geregelte Wiederaufnahme der Arbeit herbeizuführen.
Um so entschiedener müssen die Gewerkschaften gegen die von den militärischen Stellen gegen die streikenden Arbeiter getroffenen Maßnahmen den schärfsten Protest erheben. Nicht durch Gewaltdrohungen und Gewaltmaßnahmen, sondern nur durch ein offenes Verständnis für die seelische und wirtschaftliche Bedrängnis der arbeitenden Volksschichten können innere Konflikte vermieden werden.
Die Vertreter der Gewerkschaften werden nach wie vor ihre Kraft einsetzen, die Landesverteidigung zu sichern und halten es deshalb für ihre Pflicht, in dieser Stunde nochmals die ernste Mahnung an die Regierung und die Militärbehörden zu richten, den Wünschen und Bedürfnissen der Arbeiterschaft in dem erforderlichen Umfange Rechnung zu tragen."
Zuvor wird ein Antrag des Handlungsgehilfenverbandes, die Mitglieder der Generalkommission sollen wegen ihrer Haltung beim Massenstreik zurücktreten, gegen eine Stimme abgelehnt.
Auf Anordnung der Militärbehörden wird die Veröffentlichung dieses Beschlusses verboten, da der Text geeignet ist, den Streik nicht zu beenden, sondern vielmehr ihn "neu anzufachen".

2. Februar 1918

Der Reichskanzler empfängt unter anderen F. Ebert, H. Haase, G. Ledebour und Ph. Scheidemann zu einer Besprechung über den Streik, nachdem die Regierung es abgelehnt hatte, mit Vertretern der streikenden Arbeiter direkt zu verhandeln. Er verweigert in der Unterredung die Zustimmung zu einer geschlossenen Versammlung der Streikenden.

4. Februar 1918

Die Streikenden nehmen fast vollzählig wieder die Arbeit auf. Im Laufe des Februar werden die im Zusammenhang mit dem Streik erlassenen Verbote wieder aufgehoben.
W. Dittmann wird durch das außerordentliche Kriegsgericht wegen versuchten Landesverrats in Tateinheit mit Vergehen gegen das Gesetz über den Belagerungszustand zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

19. Februar 1918

Nach einer neuen deutschen Offensive erklärt sich die Sowjetregierung zur unverzüglichen Unterzeichnung der Friedensbedingungen bereit.

25./27. Februar 1918

Die Generalversammlung des Kürschnerverbandes in Hamburg protestiert mit 13 gegen 6 Stimmen mit aller Entschiedenheit gegen die ganze Haltung der Politik der Gewerkschaftsinstanzen und fordert zur Rückkehr zu einer selbständigen Arbeiterpolitik auf. Ganz besonders wird ein selbständiges Vorgehen zur Herbeiführung des allgemeinen Friedens verlangt, der jede Eroberungspolitik sowie Zahlung von Kriegsentschädigungen ausschließt und das Selbstbestimmungsrecht aller Völker garantiert.

26. Februar 1918

Ph. Scheidemann erklärt im Reichstag, daß die Politik, die gegenüber Rußland getrieben werde, nicht die der Sozialdemokratie sei. "Schaffen wir keine Zustände, die nach Ablauf der revolutionären Bewegung eine Revanchestimmung gegen uns erzeugen. Wird der Friede kein wahrer Friede, dann haben wir die Revolution ... Es ist eine schamlose Lüge, daß dem Berliner Streik landesverräterische Absichten zugrunde gelegen hätten. Den Arbeitern war nicht, wie der Vaterlandspartei, Versammlungsfreiheit gegeben. Sie wurden auf die Straße getrieben und dort mit der Waffe behandelt."

3. März 1918

In Brest-Litowsk wird ein Friedensvertrag zwischen den Mittelmächten und der Sowjetregierung unterzeichnet.

11./16. März 1918

Der Verbandstag des Bauarbeiterverbandes in Nürnberg lehnt gegen drei Stimmen einen Antrag ab, der Generalkommission wegen ihrer Politik die schärfste Mißbilligung auszusprechen.

18. März 1918

Für die Lederhandschuhbranche wird ein Reichstarifvertrag abgeschlossen. Die Arbeitszeit beträgt maximal 55 Stunden. Die Einführung des freien Sonnabendnachmittags bleibt örtlichen Regelungen vorbehalten. Ferien müssen an alle mindestens ein Jahr beschäftigten Personen "in der Dauer von mindestens zwei Tagen" gewährt werden. Für jede weiteren drei Beschäftigungsjahre kommt mindestens ein Tag, bis zur Höchstdauer von 14 Tagen, hinzu.

22. März 1918

Der Reichstag nimmt gegen die Stimmen der Unabhängigen Sozialdemokraten die neue Kriegskreditvorlage an. F. Ebert erklärt, daß sich Deutschland gegenüber dem Westen immer noch in der Verteidigung befinde.
In der gleichen Sitzung wird der Friedensvertrag mit Rußland gegen die Stimmen der Unabhängigen Sozialdemokraten und bei Stimmenthaltung der Mehrheitssozialdemokraten angenommen. Die Stimmenthaltung begründet Ph. Scheidemann damit, daß die Sozialdemokratie mit der Art des Zustandekommens des Vertrages, bei dem der Reichstag ausgeschlossen war und mit wesentlichen Teilen seines Inhalts nicht einverstanden sei. Da aber mit diesem Vertrag der Kriegszustand im Osten tatsächlich beendet werde, wolle die Partei den Vertrag nicht ablehnen.
Nachdem die Reichsregierung kritisiert worden war, bei dem Friedensvertrag Fragen der internationalen Sozialgesetzgebung unberücksichtigt gelassen zu haben, stimmt der Reichstag mit großer Mehrheit einem Antrag von F. Ebert zu, den Reichskanzler zu ersuchen, "beim Abschluß der künftigen Friedensverträge dahin zu wirken, daß Vereinbarungen über eine Mindestforderung auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes und der Sozialversicherung zwischen den vertragschließenden Staaten herbeigeführt werden und für die Ausgestaltung eines internationalen Arbeiterschutzes und der Sozialversicherung die Grundlage einer weiteren Entwicklung geschaffen wird".

25./26. März 1918

Die Konferenz der Vertreter der Verbandsvorstände in Berlin stimmt Leitsätzen zur gesetzlichen Regelung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung zu. Diese Leitsätze berät die Generalkommission in den kommenden Monaten mit Vertretern der anderen Richtungsgewerkschaften und den Angestelltenverbänden.
Die Konferenz stimmt dem Beitritt der Generalkommission zur Gesellschaft für soziale Reform zu. Der durch den Tod von E. Döblin freigewordene Sitz in der Generalkommission wird bis zum nächsten Gewerkschaftskongreß nicht besetzt.

14. April 1918

Auf einer Kundgebung der Gesellschaft für soziale Reform in Berlin richten die Teilnehmer an Reichstag und Bundesrat eine Kundgebung:
"Der Krieg hat in Feld und Heimat ein mannhaftes Volk gefunden. Von natürlicher Vaterlandsliebe beseelt und dem Staate dank seiner jahrzehntelangen Sozialpolitik innerlich verbunden, haben die Millionen deutscher Arbeiter und Angestellten, geschult in der Zucht ihrer Berufsvereine, Hervorragendes geleistet, sich aufs glänzende bewährt. Dies ohne Verkleinerung dessen, was andere Stände geleistet und gelitten haben, anzuerkennen, gebieten Dankbarkeit und Gerechtigkeit um so mehr, als die Arbeitnehmerschaft den zerstörenden Einflüssen des Krieges ohne wirtschaftlichen Rückhalt ausgesetzt und darum von der Not mit am härtesten betroffen war. ...
Die Eingliederung des Arbeiter- und Angestelltenstandes in den staatlichen Neubau, wie er aus dem Weltkrieg hervorgehen soll, ist nur auf dem Wege der vollen tatsächlichen Anerkennung seiner wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gleichberechtigung und durch die Heranziehung seiner Organisationen zur Mitwirkung auf allen Gebieten des Wirtschafts- und Kulturlebens zu erreichen. Sie muß höchstes Ziel staatspositiver Innenpolitik sein."

15. April 1918

Für die Schuhmacher, die Zivilschuhwerk herstellen, wird ein Reichstarifvertrag abgeschlossen, dessen Inhalt dem der Militärschuhmacher entspricht.

19. April 1918

Im Reichstag wird der Entwurf eines Arbeitskammergesetzes eingebracht, der jedoch wichtige gewerkschaftliche Forderungen, wie gemeinsame Kammern für Arbeiter und Angestellte und der Einbeziehung der Landarbeiter, unberücksichtigt läßt.

2. Mai 1918

Im preußischen Abgeordnetenhaus wird mit 235 gegen 183 Stimmen bei vier Stimmenthaltungen das gleiche Wahlrecht abgelehnt, obwohl die Regierung mehrmals betont hatte, daß die Reformvorlage nun annehmbar sei, wenn in ihr das gleiche Wahlrecht enthalten sei.
Am 17. Mai ruft der SPD-Parteivorstand zu Massenversammlungen auf, in denen die Auflösung des preußischen Landtages gefordert werden soll.

4. Mai 1918

Der Reichstag nimmt mit Mehrheit die Regierungsvorlage an, den § 153 der Gewerbeordnung zu streichen.

5./11. Mai 1918

Die Generalversammlung des Verbandes der Bäcker, Konditoren und verwandten Berufsgenossen in Leipzig kann sich - nach lebhafter Diskussion - "nicht mit allen Maßnahmen der Generalkommission während des Krieges einverstanden erklären. Sie erklärt, daß oberster Grundsatz gewerkschaftlicher Politik die Neutralität sein muß, und daß daher politische Streitigkeiten innerhalb der Partei auszutragen sind. Der Vorstand wird beauftragt, bei der Generalkommission dahin zu wirken, daß dieselbe nur gewerkschaftliche Interessen vertritt."
Der Verbandstag beschließt eine Pensionskasse für invalid gewordene Verbandsangestellte.
Der Verband soll mit allen Mitteln darauf hinarbeiten, das dauernde gesetzliche Verbot der Nachtarbeit zu erreichen.

27. Mai / 1. Juni 1918

Die außerordentliche Generalversammlung des Buchdruckerverbandes in Würzburg lehnt die Zahlung eines vom Buchdruckerverein geforderten Schadenersatzes für die Beteiligung der Berliner Gehilfenschaft an den Streiks im Januar ab, da nach ihrer Auffassung nicht gegen den Organisationsvertrag verstoßen worden ist.
Nach einer Aussprache stellt der amtierende Verbandsvorsitzende Graßmann fest, daß die Generalversammlung mit der Tätigkeit der Generalkommission einverstanden ist.

31. Mai 1918

Der SPD-Parteiausschuß tadelt aufs schärfste die zögernde und nachgiebige Haltung der Regierung gegenüber dem volks- und vaterlandsfeindlichen Vorgehen der agrarischen und schwerindustriellen Parteien, die einen Verständigungsfrieden verhinderten.

Juni / September 1918

In Deutschland finden in zahlreichen Orten Streiks gegen die schlechte Lebensmittelversorgung statt.

11. Juni 1918

Im preußischen Abgeordnetenhaus wird mit den Stimmen der Konservativen, der Nationalliberalen und einem Teil des Zentrums anstelle des gleichen das Pluralwahlrecht angenommen.

14. Juni 1918

F. Ebert wird zum Vorsitzenden des Hauptausschusses des Reichstages, G. Stresemann zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

8./12. Juli 1918

Der Verbandstag des Centralverbandes der Schuhmacher in Würzburg erkennt die inzwischen vereinbarten Reichstarifverträge in der Militär- und in der Zivilschuhmacherei an, kritisiert aber, daß keine weitere Arbeitszeitverkürzung und keine Regelung der Ferienfrage erfolgt ist. Mit 13 gegen 10 Stimmen lehnt der Verbandstag Anträge ab, die Beiträge an die Generalkommission wegen deren Kriegspolitik zu sperren. Der Verbandstag erklärt jedoch, daß mit dieser Abstimmung keine Zustimmung zur Politik der Generalkommission verbunden ist.

27. Juli 1918

Unter der Überschrift "Am Ende des vierten Kriegsjahres" schreibt das "Correspondenzblatt":
"Ungeheuer viel hat das deutsche Volk ertragen. Und mehr denn einmal hofften die, die auf seinen Zusammenbruch spekulierten, es würde eines Tages unter der Last der Bürde zusammenbrechen. Wenn diese Spekulation versagte, so weil die Erkenntnis unser Volk aufrechterhielt, daß, wenn dieser Zusammenbruch eintreten würde, eine noch viel schlimmere Leidenszeit hereinbrechen müßte, als die Kriegszeit uns auferlegt. Wir sehen in dem wüsten Treiben unserer Gegner, die mit kalter Berechnung die wirtschaftlichen Leiden unseres Volkes steigerten, um höhnend den Zeitpunkt festzustellen, wann das deutsche Volk vor Hunger kraftlos zusammenbrechen würde, einen gefühllosen Kampf gegen wehrlose Frauen und Kinder ...
Die Völker der Mittelmächte sind von diesem Empfinden getragen. Die Friedenssehnsucht nimmt uns gefangen. Aber nicht um die Hoffnungen im Lager der Gegner zu erfüllen, die des naiven Glaubens sind, unser Volk würde verräterisch im eigenen Lande die Geschäfte derjenigen besorgen, die bereit sind, uns ihre militärische Macht fühlen zu lassen. Wenn Ihr Arbeiter im Ausland glaubt, daß wir zu diesem verräterischen Streich fähig wären, so irrt Ihr Euch und Ihr dürft weder auf diese Hoffnung Euren Sieg aufbauen, noch wird der Friede mit Deutschland jemals so geschlossen werden. Ihr werdet nicht triumphieren über ein Volk, das moralisch für immer gerichtet wäre, wenn es einer aus aller Welt zusammengeholten Soldateska unsere Familie preisgeben würde. ...
Wenn die großen Kulturstaaten Europas, die die Führenden in diesem Kampfe sind, während 44 Jahre innerhalb ihrer Staatsabgrenzung leben konnten, sich wirtschaftlich und kulturell entwickelten, dann ist es der helle Wahnsinn, um eines vermeintlich mit Recht zu beanspruchenden Landbesitzes Millionen von Menschen zu opfern und Länder zu verwüsten, die auf viele Jahre ihres Wohlstandes beraubt sind. Klar und offen haben wir wiederholt dieses Friedensprogramm aufgestellt, aber bis heute vermissen wir die Zustimmung, auf die wir hofften."

14. August 1918

Bei Besprechungen im Großen Hauptquartier wird festgestellt, daß Deutschland und Österreich-Ungarn militärisch außerstande seien, den Kriegswillen des Gegners zu brechen und gezwungen seien, dieser Kriegslage in der Führung der Politik hinfort Rechnung zu tragen. Am 21. August werden die Parteiführer in Berlin über diese Besprechung informiert.

9. September 1918

Generalkommission und SPD-Parteivorstand richten an den Reichskanzler eine Denkschrift über die Lebensmittelfrage, in der die Regierung aufgefordert wird, mit jeder Begünstigung der Produzenteninteressen zu brechen und den Lebensbedürfnissen des Volkes Rechnung zu tragen, da sonst das Deutsche Reich einem verhängnisvollen Zustand entgegentreibe.

12. September 1918

Fünf Vorsitzende von der Generalkommission angeschlossenen Gewerkschaften und C. Legien berichten dem Reichskanzler über die Stimmung und Wünsche der Arbeiter und die Zustände im Lande. Behandelt werden die Ernährungslage, die Preiserhöhungen, die preussische Wahlrechtsfrage, die Zensur-Maßnahmen der Militärbehörden und die Ablehnung jeder Annexionspolitik. Die Vertreter der Verbandsvorstände hatten auf ihrer Sitzung am 10. und 11. September die Entsendung einer Delegation beschlossen.

21. September 1918

General E. Ludendorff verlangt von der Reichsregierung, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen mit den USA aufzunehmen.

23. September 1918

Die Reichstagsfraktion und der Parteiausschuß der SPD beschließen in gemeinsamer Sitzung aber getrennter Abstimmung mit 55 gegen 10 und 25 gegen 11 Stimmen, den Eintritt von Parteimitgliedern in eine etwa neu zu bildende Regierung unter folgenden Bedingungen zu billigen:
Uneingeschränktes Bekenntnis zur Friedensresolution vom 19. Juli 1917 mit der Bereitschaftserklärung, einem Völkerbund beizutreten, der auf der Grundlage der friedlichen Behandlung aller Streitfälle und der allgemeinen Abrüstung beruhe.
Wiederherstellung Belgiens, Serbiens und Montenegros, Autonomie Elsaß-Lothringens. Sofortige Einführung der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten; bei Friedensschluß sind alle besetzten Gebiete freizugeben.
Für alle Bundesstaaten das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht. Der preußische Landtag sei aufzulösen, wenn das gleiche Wahlrecht abgelehnt werde.
Einheitlichkeit der Reichsleitung, Berufung von Regierungsvertretern aus der Parlamentsmehrheit oder von Personen, die der Parlamentsmehrheit entsprechen.
Sofortige Aufhebung aller Bestimmungen, durch die Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden; die Zensur dürfe nur auf militärische Fragen angewandt werden.
Ein Eintritt in das Kabinett G. Hertling wird grundsätzlich abgelehnt.

28. September 1918

SPD, Zentrum und Fortschrittliche Volkspartei einigen sich auf ein gemeinsames Regierungsprogramm, das die Forderungen der SPD enthält.

28./29. September 1918

Im Kronrat fordert die Oberste Heeresleitung ein sofortiges Waffenstillstands- und Friedensgesuch. Zu diesem Zweck solle die Reichsregierung auf breiterer Grundlage umgebildet werden. Wilhelm II. stimmt zu.

30. September 1918

In einem Erlaß an Reichskanzler G. Hertling wünscht Wilhelm II., daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlandes mitarbeite. Es sei daher sein Wille, daß Männer, die vom Vertrauen des Volkes getragen seien, in weitem Umfang an den Rechten und Pflichten der Regierung teilnehmen.

2. Oktober 1918

Die SPD-Reichstagsfraktion stimmt gegen sieben Stimmen (unter anderen Ph. Scheidemann) dem Eintritt von Sozialdemokraten in die Regierung zu. F. Ebert schildert in der Sitzung die Lage Deutschlands als außerordentlich ernst und betont die Pflicht der Parteien, dem deutschen Volke in diesen unendlich entscheidungsschweren Tagen ihre Kraft in jeder Beziehung zur Verfügung zu stellen.

In einer Konferenz zwischen Gewerkschaftsvertretern - C. Legien, A. Schlicke und G. Bauer - und Vertretern der Unternehmerverbände wird eine grundsätzliche Einigung darüber erzielt, daß zwischen Unternehmen und Gewerkschaften eine Arbeitsgemeinschaft gebildet werden müsse, um der zu erwartenden schwierigen wirtschaftlichen Lage nach Beendigung des Krieges Herr zu werden.

3. Oktober 1918

Wilhelm II. ernennt den Prinzen Max v. Baden zum neuen Reichskanzler.

An den amerikanischen Präsidenten W. Wilson wird ein deutsches Friedens- und Waffenstillstandsangebot auf der Basis der 14 Wilsonschen Punkte gerichtet, nachdem E. Ludendorff erklärt hatte, "48 Stunden kann die Armee nicht mehr warten".

4. Oktober 1918

Die neue Reichsregierung wird gebildet. Ph. Scheidemann, A. Gröber (Zentrum) und M. Erzberger (Zentrum) werden mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Staatssekretärs beauftragt und bilden zusammen mit dem Reichskanzler, dem Vizekanzler F. Payer (liberal) und R. Friedberg (nationalliberal) das engere Kabinett.
Die neue Regierung einigt sich u.a. auf folgende Ziele:
Uneingeschränktes Bekenntnis zu der Entschließung des Reichstages vom 19. Juli 1917.
Einwandfreie Erklärung über Wiederherstellung Belgiens und Verständigung über Entschädigung.
Bisher geschlossene Friedensverträge dürfen kein Hindernis für den allgemeinen Friedensschluß bilden.
Unverzügliche Durchführung der Wahlrechtsreform in Preußen. Gleiches Anstreben solcher Reform in denjenigen Bundesstaaten, die sie noch entbehren.
Einheitlichkeit der Reichsleitung; Berufung von Regierungsvertretern aus dem Parlament zur Durchführung einer einheitlichen Reichspolitik; strenge Einhaltung aller verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten; Beseitigung aller militärischen Einrichtungen, die der politischen Beeinflussung dienen.

Die sozialpolitische Abteilung des Reichswirtschaftsamtes wird zu einem selbständigen Reichsarbeitsamt umgestaltet; Gustav Bauer, der 2. Vorsitzende der Generalkommission, dessen Leiter. Der Leiter des Zentralarbeitersekretariats Rudolf Wissell übernimmt den stellvertretenden Vorsitz der Generalkommission, ohne jedoch formelles Mitglied der Generalkommission zu werden.

Die Vertreter der Verbandsvorstände erklären sich einmütig mit der Berufung von G. Bauer zum Staatssekretär einverstanden.

5. Oktober 1918

Das "Correspondenzblatt" schreibt über "Die politische Lage":
"Der Kaiser will also eine wirksamere Mitarbeit des Volkes an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlands, was nur durch die Berufung solcher Männer in die Regierung, die das Vertrauen des Volkes besitzen, möglich ist. Das ist der Uebergang zum parlamentarischen Regierungssystem...
Indem der Kaiser diese Sachlage anerkennt ..., hilft er ... mit, die Kluft zwischen dem alten und dem neuen Deutschland schneller zu überwinden und dem Vaterlande die Bahn zu einer neuen Zukunft zu ebnen.
Freilich stehen wir erst am Anfange, und niemand täuscht sich über die Schwierigkeiten, die uns bevorstehen. Der Widerstand im Innern muß schleunigst gebrochen und die noch vorhandenen Zöpfe müssen abgeschnitten werden. Auch ist es ein Gebot dringender Notwendigkeit, die neuen Grundsätze in der Verfassung sicherzustellen, um sie gegen spätere Angriffe zu schützen. Die Reform in Preußen gehört zu den ersten Aufgaben der neuen Regierung. ...
Neben den großen Aufgaben auf dem Gebiete der inneren Politik sind die noch größeren auswärtigen Probleme zu lösen. Die nationale Verteidigung muß mit größter Kraft durchgeführt und den neuen Anstürmen der Feinde Halt geboten werden. Es darf auch im Auslande kein Zweifel darüber aufkommen, daß das deutsche Volk keine Sekunde daran denkt, sich von den Feinden überwinden zu lassen. Mit der Uebernahme der Regierung auf die Mehrheitsparteien des Reichstags und der damit verbundenen schnellen Durchführung der inneren Reformen hoffen wir einen so erheblichen Kraftzuwachs zu gewinnen, daß der feindliche Uebermut sich legen muß. ...
Neben der Landesverteidigung ist der baldige Friedensschluß vorzubereiten und zu fördern. ...
Und daher gilt es für uns alle, neben der Durchführung der Demokratie im Reiche und in Preußen auch den Kopf kühl zu halten und ruhige Nerven zu bewahren, um die feindlichen Anstürme abzuwehren. Wir wollen den Frieden der Verständigung, aber nicht den Frieden um jeden Preis. Die Demokratisierung wird uns helfen, einen Frieden zu erringen, der die Entwicklung unserer Wirtschaft und unseres Volkes sicherstellt, ohne die anderer Völker zu beeinträchtigen."

7. Oktober 1918

Die Spartakusgruppe fordert die Arbeiter und Soldaten auf, sich mit der Parlamentarisierung nicht zufrieden zu geben, sondern die sozialistische Revolution in Deutschland vorzubereiten, in der die Arbeiter- und Soldatenräte die Gewalt übernehmen sollen.

9. Oktober 1918

Führende Industrielle in Düsseldorf meinen, daß nur ein Bündnis mit den Gewerkschaften die Sozialisierung und die Revolution verhindern können.

12. Oktober 1918

Personen, die wegen politischer Vergehen, insbesondere wegen Teilnahme an Streiks, Straßendemonstrationen, Lebensmittelunruhen bestraft wurden, werden amnestiert.

14./18. Oktober 1918

Der Verbandstag der Steinarbeiter in Leipzig diskutiert die Politik der Gewerkschaften seit Kriegsanfang, ohne einen Beschluß dazu zu fassen. Die Delegierten stimmen der Zusammenfassung der Kranken- und Arbeitslosenunterstützung zur Erwerbslosenunterstützung zu.

17. Oktober 1918

Der SPD-Parteivorstand erklärt in einem Aufruf "An Deutschlands Männer und Frauen!", daß Deutschland auf dem Wege vom Obrigkeitsstaat zum Volksstaat ist. "In Preussen ist das gleiche Wahlrecht gesichert und damit der erste entscheidende Schritt zur Zertrümmerung der Junkerherrschaft getan. ...
Leider mußte sich die außenpolitische Lage unseres Landes erst so ungünstig gestalten, um diese Umwälzung ... herbeizuführen. ... Jetzt ist die Lage unseres Landes bitter ernst. ...
Deutschland und das deutsche Volk ist in Gefahr, das Opfer der Eroberungssucht englisch-französischer Chauvinisten und Eroberungspolitiker zu werden.
Was wir am 4. August 1914 erklärt haben: 'In der Stunde der Gefahr lassen wir unser Vaterland nicht im Stich', gilt heute in verstärktem Maße. Mit einem Frieden der Vergewaltigung, der Demütigung und der Verletzung seiner Lebensinteressen wird sich das deutsche Volk nie und nimmer abfinden.
Nur um unser Land und sein Wirtschaftsleben vor dem Zusammenbruch zu bewahren, haben Vertreter unserer Partei das Opfer auf sich genommen und sind in die Regierung eingetreten. ...
Die Regierung, der Sozialdemokraten angehören, muß eine Regierung des Friedens und der demokratischen Ausgestaltung unseres Landes sein. Nur solange sie es ist, werden ihr Sozialdemokraten angehören.
Um das entsetzliche Morden zu beenden, hat die neue Regierung schnellstens einen Waffenstillstand angeboten und sich bereit erklärt zu einem Frieden des Rechts und der Völkerversöhnung ...
Schon regen sich gegen diese friedliche Revolution die dunkeln Mächte der Gegenrevolution:
Jene alldeutsch-konservativ-schwerindustriellen Eroberungs- und Interessenpolitiker, jene chauvinistischen Demagogen und Phantasten ...
Gegen [deren] verderbliche[s] Treiben muß das deutsche Volk wie ein Mann Front machen. ...
Auch alle jene Treibereien durch bolschewistische Revolutionsphrasen ..., die die Arbeiter zu jetzt sinn- und zwecklosen Demonstrationen gegen die Regierung aufzuputschen versuchen, erschweren den Frieden und die Demokratisierung Deutschlands und arbeiten, wenn vielleicht auch ungewollt, den alldeutschen Kriegstreibern und Feinden der Demokratie in die Hände. ...
Nicht durch die Herbeiführung eines bolschewistischen Chaos, durch Entfesselung des Bürgerkrieges ..., kann die innere Erneuerung Deutschlands erfolgen.
Nein, wie die berufenen Vertreter der Sozialdemokratischen Partei immer erklärt haben, im Wege friedlicher Umwälzung wollen wir unser Staatswesen zur Demokratie und das Wirtschaftsleben zum Sozialismus überleiten."

18. Oktober 1918

In einer gemeinsamen Konferenz erkennt der Zechenverband die vier Gewerkschaften der Bergarbeiter als Vertreter der Arbeitnehmer an.

24. Oktober 1918

Das preussische Herrenhaus stimmt der Einführung des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts und damit dem Ende des Dreiklassenwahlrechts zu.

26. Oktober 1918

Der Reichstag verabschiedet eine Reihe verfassungsändernder Gesetze: zur Kriegserklärung und zum Abschluß eines Friedens ist die Zustimmung des Reichstages erforderlich; der Reichskanzler benötigt zu seiner Amtsführung das Vertrauen des Reichstages. Die Militärgewalten werden wieder der Zivilregierung unterstellt.
Die Gesetze werden am 28. Oktober von Wilhelm II. unterzeichnet.

29./30. Oktober 1918

Die Absicht der deutschen Flottenleitung, noch einmal aktiv in den Krieg einzugreifen, wird durch die Befehlsverweigerung der Matrosen verhindert. Die Matrosen wenden sich gegen weiteres Blutvergießen und die Verlängerung des Krieges. Mehrere hundert Matrosen werden verhaftet. Aus dem Protest gegen diese Verhaftung entwickelt sich der Aufstand in Kiel.

Anfang November 1918

In den Bundesstaaten werden die Verfassungen im demokratischen Sinn geändert und neue Regierungen gebildet, in die auch Sozialdemokraten eintreten.

1. November 1918

Die Vertreter der Verbandsvorstände stimmen auf ihrer Konferenz in Berlin den bisherigen Verhandlungen mit führenden Unternehmern der Großindustrie zu und beauftragen die Generalkommission, mit den Unternehmern weiter zu verhandeln, um im Interesse des Wirtschaftslebens durch gemeinsames Zusammenarbeiten bei der Demobilmachung und der Umstellung der Industrie von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft einen möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
Die Konferenzteilnehmer billigen die mit den Vertretern der anderen Richtungsgewerkschaften diskutierten und akzeptierten "Leitsätze zur gesetzlichen Regelung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung nach dem Kriege":
"Dem erwerbslosen Arbeiter und Angestellten, dem im Wege der Arbeitsvermittlung keine für ihn geeignete Beschäftigung nachgewiesen werden kann, ist durch die Gesetzgebung ein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung sicherzustellen. Der geeignete Weg zur Verwirklichung dieses Anspruchs ist die gesetzliche Einführung der Arbeitslosenversicherung innerhalb des Deutschen Reiches.
... Die Versicherungspflicht soll sich erstrecken
- auf alle Arbeiter, die gegen Lohn nicht bloß vorübergehend beschäftigt sind;
- auf alle Angestellten, soweit sie der Versicherungspflicht nach der Angestelltenversicherung unterliegen;
- auf Hausarbeiter und Hausgewerbetreibende, sofern sie nur mit eigenen Familienangehörigen arbeiten oder nicht mehr als zwei Hilfskräfte beschäftigen.
Die Mittel für die Reichsarbeitslosenversicherung werden durch Beiträge der Versicherten und deren Arbeitgeber sowie durch Zuschüsse des Reiches aufgebracht. ...
Für die Zwecke der Arbeitslosenversicherung [werden regionale] Arbeitslosenversicherungskasse[n] geschaffen, deren Verwaltung paritätisch aus gewählten Vertretern der Arbeiter und Angestellten sowie der Arbeitgeber unter Leitung eines vom Reich bestellten unparteiischen Vorsitzenden besteht. ... " Gewerkschaften können auch die Auszahlung der Unterstützung übernehmen.
"Der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung beginnt nach 26wöchiger Beitragszahlung. Für Ausländer, die nicht mindestens ein Jahr im Inlande ihren Wohnsitz haben, beträgt diese Wartefrist 52 Beitragswochen, sofern keine Gegenseitigkeitsvereinbarung mit ihrem Herkunftsstaat besteht, der deutschen Reichsangehörigen gleichwertige Rechte sichert.
Die Unterstützungen werden nach Lohnklassen abgestuft. ...
Die Unterstützung wird gewährt, wenn der Versicherte arbeitslos wird und ihm eine seinen Kräften und Fähigkeiten und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit entsprechende Arbeit zu angemessenen Bedingungen nicht nachgewiesen werden kann. ... " Die Unterstützung endet nach 20 Wochen.
"Wird dem Arbeitslosen durch den Arbeitsnachweis eine seinen Kräften und Fähigkeiten und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit entsprechende Beschäftigung nachgewiesen, und lehnt er diese ohne triftige Gründe ab, so kommt die Arbeitslosenunterstützung in Wegfall. ...
Wer die Arbeitslosenunterstützung für volle 20 Wochen hintereinander erhalten hat, gilt als ausgesteuert und erlangt den Anspruch auf neue Arbeitslosenunterstützung erst nach 26wöchiger Beitragszahlung."
An allen Sitzen der Arbeitslosenversicherungskassen ist ein Arbeitsamt zu errichten. Die Zentrale bildet das Reichsarbeitsamt.
"Dem Arbeitsamt sind alle Arbeitsnachweise ... zu unterstellen. Das Arbeitsamt wird zu gleichen Teilen zusammengesetzt aus Vertretern der Arbeitnehmer und Unternehmer ... Das Arbeitsamt steht unter der Leitung eines unparteiischen Vorsitzenden. ...
Dem Arbeitsamt sind alle An- und Abmeldungen über Eintritt und Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu melden. Es dient zugleich als Meldestelle für die Krankenversicherung. Dem Arbeitsamt sind für die vom Reichsarbeitsamt geführte Statistik der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosigkeit durch die Arbeitsnachweise bzw. Arbeitslosenversicherungskassen des Bezirks die geforderten Angaben zu übermitteln. ...
Im Bezirk des Arbeitsamtes sind öffentliche Arbeitsnachweise, möglichst mit beruflicher Gliederung, zu errichten und von den Gemeinden zu unterhalten. ...
Die Arbeitsvermittlung hat unentgeltlich zu geschehen. Ausländische Arbeitskräfte dürfen nur herangezogen werden, wenn keine einheimischen auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind."

3./4. November 1918

In Kiel kommt es bei einem Demonstrationszug von Arbeitern und Matrosen zu blutigen Zusammenstößen. Die Aufständischen wählen einen Soldatenrat, der die weitere Leitung der Bewegung in die Hand nimmt.
Am 4. November stellen die Matrosen ihre Forderungen auf: u.a. sofortige Beendigung des Krieges; Abdankung der Hohenzollern; Aufhebung des Belagerungszustandes; Freilassung der bei den Unruhen Ende Oktober verhafteten Matrosen und aller politischen Gefangenen. Sie verlangen aber auch die einheitliche Menage für Mannschaften und Offiziere; die Abschaffung der Grußpflicht gegenüber den Offizieren außer Dienst und in Punkt 9: "Die Anrede 'Herr Kapitän usw.' hat nur am Anfang eines Satzes zu dienen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs fällt sie weg, und ich rede den Vorgesetzten mit Sie an!" Staatssekretär K. Haußmann und G. Noske nehmen am Abend die Forderungen an und versprechen rasche Durchsetzung bei der Regierung.

4. November 1918

Der Vorstand der SPD rät ab, den durch unterschriftslose Flugblätter und Mundpropaganda ergangenen Aufforderungen Folge zu leisten, Straßendemonstrationen durchzuführen. Die USPD fordert einen sofortigen Frieden und ruft die Arbeiterklasse auf, sich zum Eingreifen bereitzuhalten.

5. November 1918

Die Arbeiter der Kieler Großbetriebe treten in einen Sympathiestreik, die Streikbewegung greift auf ganz Deutschland über.

6. November 1918

Reichstagsfraktion und Parteiausschuß der SPD fordern den sofortigen Abschluß des Waffenstillstandsvertrages, die unverzügliche Demokratisierung der Regierung und Verwaltung Preußens und der anderen Bundesstaaten und die Amnestie für alle militärischen Vergehen.
Der SPD-Parteivorstand stellt in einem Aufruf an die Arbeiter und Arbeiterinnen fest:
"Die Demokratie ist auf dem Marsche und nicht mehr aufzuhalten. Ihr Sieg schafft die Vorbedingungen zur Verwirklichung des Sozialismus. Aber dieser gewaltige Umbau der Gesellschaft kann nicht in Tagen und Wochen vollendet werden, dazu wird noch viel Kampf und Arbeit notwendig sein. ...
Wir sind eine Macht, wenn wir einig sind, machen wir von dieser Macht Gebrauch! Aber hüten wir uns, leichtfertig und ohne Not ein Chaos hervorzurufen, in dem wohl auch unsere Gegner, aber auch wir aufs schwerste leiden müssen!
Darum richten wir an Euch den Ruf: Tretet in Massen ein in die politische Organisation der Sozialdemokratie, in die modernen, freien Gewerkschaften! In diesen Organisationen könnt Ihr das vorwärtstreibende Element sein. Aber hütet Euch vor Zersplitterung, vor Arbeiter-Bruderkrieg und vor den Ratschlägen unverantwortlicher Elemente, die Euch zu unbesonnenem Losschlagen gegen Euer eigenes Interesse verleiten wollen. Folgt nicht den Parolen kleiner Gruppen und unbekannter Drahtzieher. ...
Wahrt die Einigkeit, die Besonnenheit, die Disziplin der Organisation. Keine russischen Zustände, sondern das Ganze geschlossen vorwärts zu den Zielen der Demokratie und des Sozialismus!"

7. November 1918

Der SPD-Parteivorstand und die SPD-Reichstagsfraktion stellen folgende Forderungen an den Reichskanzler, bei deren Nichterfüllung sie aus der Regierung treten: Freigabe der verbotenen Versammlungen, Anweisung an Militär und Polizei zur äußersten Besonnenheit, Rücktritt des Kaisers und Kronprinzen bis zum 8. November, Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses in der Regierung, Umgestaltung des preußischen Ministeriums im Sinne der Mehrheitsparteien des Reichstages.

In München rufen SPD und USPD gemeinsam zu einer Massendemonstrationsversammlung auf. Am Abend wird ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, zu dessen Vorsitzenden K. Eisner gewählt wird. Der bayerische König verläßt München.
Auch in anderen Städten kommt es zu Erhebungen und der Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten.

8. November 1918

In München wird die Republik ausgerufen und eine provisorische Regierung gebildet, an deren Spitze K. Eisner (USPD) steht. In den anderen deutschen Ländern werden nach dem Ende der Monarchien ebenfalls neue Regierungen gebildet.

Das Ultimatum der SPD an den Reichskanzler wird bis zum Abschluß des Waffenstillstandes verlängert.

9. November 1918

Der Arbeiter- und Soldatenrat von Berlin verkündet den Generalstreik unter gemeinsamer Leitung von SPD und USPD.
Die SPD-Mitglieder treten aus der Reichsregierung aus. Prinz M. v. Baden veröffentlicht die Abdankung Wilhelm II. und überträgt F. Ebert die Geschäfte des Reichskanzlers. F. Ebert fordert ihn auf, die Regentschaft zu übernehmen, doch Ph. Scheidemann ruft die freie deutsche Republik aus. Wenig später proklamiert K. Liebknecht die sozialistische Republik Deutschland.
F. Ebert beruft Ph. Scheidemann und O. Landsberg in die Regierung. F. Ebert erläßt zwei Aufrufe: An die Volksernährung zu denken und sie nicht durch Unruhen zu stören und an die Beamten, auf ihren Posten auszuharren.
Eine Nationalversammlung wird angekündigt, in deren Hände die Regierung ihre Machtbefugnisse zurücklegen werde.
In vielen Städten bilden sich in den Novembertagen spontan Arbeiter- und Soldatenräte. Auf der ersten Sitzung des von den "revolutionären Obleuten" gebildeten provisorischen Arbeiter- und Soldaten-Rates unter Vorsitz von E. Barth (SPD) erklären sie, daß alle gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt in den Händen der Vertreter der Arbeiter und Soldaten liege.


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