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TEILDOKUMENT:
1906 Der wirtschaftliche Aufschwung setzt sich fort. Die Lebenshaltungskosten steigen um 4,7%. Mit umfangreichen Aussperrungen u.a. bei den Buchbindern, den Steinsetzern, den Töpfern und Ofenfabrikanten - eine geplante Aussperrung von rund 300.000 Metallarbeitern wird im letzten Moment gestoppt - versuchen die Arbeitgeber das überdurchschnittliche Wachsen der Gewerkschaftsbewegung aufzuhalten. In ihrer Schrift "Massenstreik, Partei und Gewerkschaften" kritisiert Rosa Luxemburg, durch die "geschäftsmäßige bürokratisch geregelte Leitung des Gewerkschaftsbeamten" werde die Arbeiterschaft "zur urteilsunfähigen Masse degradiert, der hauptsächlich die Tugend der 'Disziplin', das heißt des passiven Gehorsams, zur Pflicht gemacht wird". In einem Gesetzentwurf verlangt die SPD im Reichstag erneut die Errichtung eines Reichsarbeitsamtes, von Arbeitskammern und Einigungsämtern. Für das Malergewerbe wird in Berlin der erste größere Bezirkstarifvertrag abgeschlossen. Die "Zentralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen" wird als "Zentralstelle für Volkswohlfahrt" zu einem öffentlich rechtlichen Verein mit Sitz in Berlin mit der Auflage umgestaltet, die bisherige Zentralstelle solle die Zwecke des ursprünglich geplanten Volkswohlfahrtsamts miterfüllen. Hauptschwerpunkte der neuen Zentralstelle liegen im ländlichen Bereich, dem Bau- und Wohnungswesen, Fragen der Hygiene und Ernährung, der Jugendpflege und zunehmend im Bereich der Volksbildung. Von den rund 20,7 Millionen Unfallversicherten entfallen noch 54% auf die Land- und Forstwirtschaft, auf die Industrie 42%, auf den öffentlichen Dienst 4%.
Mit der "Berliner Konvention" wird im ersten internationalen Arbeitsschutzabkommen auf Regierungsebene eine Begrenzung der Frauenarbeitszeit erreicht. Der wirschaftsfriedliche Berufsverband "Bund der Bäcker-(Konditoren) Gesellen Deutschlands" wird gegründet. Er will die friedliche Verständigung mit den Meistern praktizieren und tritt für den Schutz des Kleingewerbes ein. Er stößt auf beachtliche Resonanz und hat 1913 mehr als 15.000 Mitglieder. In einigen Orten werden von sozialdemokratischen Frauen Kinderschutzkommissionen gebildet, die auf die genaue Durchführung der Vorschriften des gesetzlichen Kinderschutzes achten wollen. 1. Januar 1906 Die vom "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften" herausgegebene Zeitschrift "Przyjaciel Robotnikow" erscheint wöchentlich. Die erste Ausgabe des dreimal wöchentlich erscheinenden "Korrespondenzblatt des Verbands der deutschen Gewerkvereine" erscheint. Die von der Generalkommission herausgegebenen "L´Operaio Italiano" und "Oswiata" erscheinen jetzt wöchentlich. Ende 1906 erreicht die italienische Zeitung eine Auflage von 12.300, die polnische von 6.000 Exemplaren. 15. Januar 1906 Die erste Ausgabe der vom "Internationalen Metallarbeiter-Bund" herausgegebenen "Internationale Metallarbeiter-Rundschau" erscheint in deutscher, französischer und englischer Sprache. 16./17. Januar 1906 Vertreter von 291 Hilfskassen mit 850.000 Mitgliedern protestieren auf einem Kongreß gegen die in einem Reichsgesetzentwurf vorgesehene faktische Aufhebung des Hilfskassengesetzes, da die Hilfskassen unter das Privatversicherungsgesetz gestellt werden sollen. 17. Januar / Ende Februar 1906 In Berlin findet eine von den freien Gewerkschaften und dem Büro für Sozialpolitik gemeinsam veranstaltete Heimarbeiterausstellung statt. Doch es kommt im Verlauf der Ausstellung zu Differenzen. In ihrem Bericht an den Kongreß 1908 erklärt die Generalkommission: "Ein dauerndes Zusammenarbeiten mit den an der Sache beteiligten Organisationen und Personen sei unmöglich, weil die Gegensätze in den politischen Anschauungen zu groß sind. Selbstverständlich werden jeder Zeit die Gewerkschaften zu einer gemeinsamen Aktion zur Bekämpfung der Heimarbeit bereit sein". 21. Januar 1906 Das Büro der sozialistischen Internationale schlägt diesen Tag als Gedenktag für die Opfer des "Blutsonntags" von St. Petersburg am 22. Januar 1905 vor.
29./31. Januar 1906 Ein Kongreß der Tabakarbeiter aller Branchen und Organisationen in Berlin beklagt die miserable soziale Lage der Tabakarbeiter: Hungerlöhne, überlange Arbeitsdauer, die in der Heimarbeit auch die Familienmitglieder trifft, Wohnungsmisere, schlimme Gesundheitsverhältnisse. Die Delegierten protestieren energisch gegen die geplante Erhöhung der Tabaksteuer und des damit verbundenen befürchteten Rückgangs der Produktion und große Arbeitslosigkeit. 11. Februar 1906 In Karlsruhe wird der "Verband der jungen Arbeiter Deutschlands (Sitz Mannheim)" gegründet. In ihm sind die süddeutschen Arbeitervereine vereinigt. Ihre Zeitschrift wird "Die junge Garde", die ab 1. April erscheint, Gründer und Redakteur: Ludwig Frank. Auf der ersten Generalversammlung am 30. Oktober 1906 wird der Verband umbenannt in "Verband junger Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands (Sitz Mannheim)". 16. Februar 1906 Zwischen Vertretern des SPD-Parteivorstandes und der Generalkommission findet eine vertrauliche Aussprache über das Problem des Massenstreiks statt. Der Parteivorstand rechnet mit dem Ausbruch wilder Streiks. Er will eine Grundlage für eine in solchen Situationen einzuhaltende übereinstimmende Taktik mit den Gewerkschaften schaffen. A. Bebel erklärt in der Sitzung, der Parteivorstand habe nicht die Absicht, den politischen Massenstreik zu propagieren, sondern wird, soweit es ihm möglich ist, einen solchen zu verhindern suchen. Wenn dennoch ein solcher Streik ausbrechen sollte, so müßte derselbe von der Partei geführt werden, und die Gewerkschaften hätten sich offiziell nicht daran zu beteiligen. Für den Fall eines solchen Streiks sollten die Gewerkschaften dieser Bewegung nicht in den Rücken fallen und nicht gegen diese Bewegung wirken. Die Unterstützung der Streikenden und die Kosten für die Folgen müsse Aufgabe der Partei sein. Wenn Aussperrungen und Streiks als Folgen dieses Streiks zurückbleiben sollten, so wäre zu empfehlen, daß die Gewerkschaften für die Unterstützung eintreten. 19./23. Februar 1906 Die Konferenz der Vertreter der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschließt, daß Differenzen über die Organisationsbereiche von den betroffenen Gewerkschaften unter Anerkennung des gegenwärtigen Besitzstandes durch besondere Vereinbarungen - Kartellverträge - zu regeln sind. Für betriebsfremde Arbeiter soll die Organisation des Berufes nicht des Betriebes zuständig sein. Bei gemeinsamen Streiks soll jede Organisation nur die eigenen Mitglieder unterstützen. "Unlautere Agitation" ist zu unterlassen.
26. Februar / 2. März 1906 Der Verbandstag der Hafenarbeiter in Stettin vereinbart einen Kartellvertrag zwischen den Verbänden der Seeleute, der Eisenbahner, der Handels- und Transportarbeiter sowie der Maschinisten und Heizer, um sich gegenseitig zu unterstützen.
28. Februar 1906 Die SPD-Reichstagsfraktion bringt einen Gesetzentwurf zum Schutz der Heimarbeiter im Reichstag ein. 1. März 1906 Ein neuer Zolltarif tritt in Kraft. Die Lebensmittelpreise steigen dadurch beachtlich an. 19./23. März 1906 In Berlin tagt ein Schutzkongreß für alle in der Schiffahrt und im Schiffsbau beschäftigten Arbeiter, an der außer den Gewerkschaftsvertretern auch Delegierte von Berufsvereinen teilnehmen.
26. März / 27. Mai 1906 5.000 Bergarbeiter streiken im Braunkohlengebiet von Meuselwitz-Weißenfels-Zeitz für höhere Löhne und Schichtverkürzung. Die Arbeiter erzwingen die Neunstundenschicht, Erhöhung der Schicht- und einiger Gedingelöhne sowie Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. 2./6. April 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Steinarbeiter in Nürnberg beschließt, gegen das die Arbeiter stark schädigende Entlohnungsmethode - das wilde Akkordsystem - den Kampf mit aller Schärfe aufzunehmen.
5. April 1906 H. Meister, geboren 2. Oktober 1842 in Hildesheim, Zigarrenarbeiter, einer der Gründer des ADAV in Hannover, seit 1884 Reichstagsmitglied, 1889 in die Parteileitung und den Fraktionsvorstand gewählt und seit 1893 Vorsitzender der Kontrollkommission, in Berlin gestorben. 14./17. April 1906 Der Verbandstag des Zentralverbandes der Glaser in Mannheim lehnt den Anschluß an den Holzarbeiterverband ab. Die Funktionäre der Organisation werden vom Verbandstag verpflichtet, überall da, wo es irgend angängig, die Kollegen zur Arbeitsruhe zu veranlassen. Maifeiern als Demonstration am ersten Sonntag im Mai kann der Verbandstag nicht befürworten. Die Generalversammlung des Verbandes der Textilarbeiter in Mühlhausen erblickt im Abschluß von Tarifverträgen ein nicht unbedeutendes Mittel zur Regelung und Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und verabschiedet einen umfangreichen Normenkatalog. Neu eingeführt wird eine Sterbeunterstützung. 15./16. April 1906 Die Generalversammlung des Verbandes der Maschinisten und Heizer in Mannheim erweitert die Arbeitslosenunterstützung und beschließt die feste Anstellung des Verbandsvorsitzenden. 16./18. April 1906 Die Generalversammlung des Verbandes der im Vergoldergewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Leipzig beschließt den Anschluß an den Holzarbeiterverband. Ein Kongreß der Handelshilfsarbeiter in Berlin fordert u.a. eine reichsgesetzliche Festlegung der Arbeitszeit auf 9 Stunden, einheitliche gesetzliche Durchführung des Achtuhrladen-, Geschäfts- und Arbeitsschlusses für alle Handelsbetriebe, vollständige Sonntagsruhe für alle kaufmännischen Betriebe, die Ausdehnung der Unfallversicherung auf das gesamte Handelsgewerbe, Verbot des Kost- und Logiszwanges, Verbot der Verwendung jugendlicher Arbeiter unter 21 Jahren als Transportradfahrer und Errichtung von Handelsinspektoren. Der Verbandstag des Kürschnerverbandes in Weißenfels beschließt eine Kranken- und Sterbeunterstützung einzuführen. Der erste Vorsitzende wird fest besoldet. 16./19. April 1906 Die Generalversammlung der Sattler in Dresden ändert das Streikreglement. Alle Streiks bedürfen der Zustimmung des Vorstandes. Vorbedingung der Genehmigung ist, daß vier Fünftel der betroffenen Mitglieder in geheimer Abstimmung sich für einen Streik entschieden haben. Die Bestimmungen über die Genehmigung von Abwehrstreiks nur bei Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder, die mindestens ein halbes Jahr dem Verband angehören, wird gestrichen. Bei Aussperrungen infolge der Maifeier und sonstigen Aussperrungen gelten die Bestimmungen für die Unterstützung wie bei Abwehrstreiks. Weibliche Mitglieder, in Heimarbeit beschäftigt, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung.
Der Kongreß der "Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften" in Berlin nimmt ein Programm an, das sich zum "Klassenkampf im Sinne des revolutionären Sozialismus bekennt. Das Programm fordert die Bildung und den Ausbau "solcher Gewerkschaften, die sowohl den auf Verbesserung der Lebenshaltung und Arbeitsbedingungen gerichteten Tageskampf führen, wie auf die auf Beseitigung der Klassenherrschaft gerichteten Bestrebungen unterstützen, die begründet sind in der sozialistischen Weltanschauung und ihren Ausdruck finden in der Propaganda für die Idee der Massen- resp. Generalstreiks. Zur Freien Vereinigung können nicht gehören solche Gewerkschaften, die den Klassenkampf verleugnen und statt der Gegensätzlichkeit eine Gemeinsamkeit der Interessen zwischen Unternehmern und Arbeitern anerkennen und erstreben."
16./21. April 1906 Der Verbandstag der Stukkateure, Gipser, Pflasterer und verwandten Berufsgenossen in Leipzig beauftragt den Vorstand, mit dem Maurerverband Übertrittsbedingungen zu vereinbaren, über die die Mitglieder in einer Urabstimmung zu entscheiden haben. 24./28. April 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Gastwirtsgehilfen in Köln unterstützt alle Bestrebungen zum Aufbau kommunaler oder öffentlich-rechtlicher paritätischer Arbeitsnachweise, um die gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung im Gastwirtsgewerbe damit einzudämmen oder zu beseitigen. Ende April 1906 Der "Verein Deutscher Arbeitgeberverbände" weist die ihm angeschlossenen Verbände und Einzelmitglieder darauf hin, daß gemäß dem vom Vorstand am 2. Mai 1901 gefaßten Beschluß das unentschuldigte Fernbleiben der Arbeiter am 1. Mai als Bruch des Arbeitsverhältnisses und als Streik aufzufassen sei. Anfang Mai / Ende Juli 1906 Die Teilnahme an den Maidemonstrationen sehen die Buchbindereiunternehmer als Kontraktbruch an und sperren zunächst in Berlin alle Buchbinder aus, kurz darauf in Leipzig und Stuttgart. Am 27. Juli wird der "Drei-Städte-Tarif" wiederhergestellt und die Akkordsätze erhöht. 13./17. Mai 1906 Die Generalversammlung des Verbandes aller in der Schmiederei beschäftigten Personen in Berlin lehnt einen Übertritt zum Metallarbeiterverband ab. Sie betrachtet die Berufsorganisation als diejenige, welche die größte Werbekraft dem Unorganisierten gegenüber besitzt, andererseits dem Unternehmertum dieselbe Widerstandsfähigkeit bietet wie der angestrebte Industrieverband.
20./26. Mai 1906 Der Verbandstag des Holzarbeiterverbandes in Köln beschließt eine Krankenunterstützung einzuführen.
26. Mai 1906 Eine Konferenz der Vertreter des Personals der Kranken- und Irrenhäuser in Mainz fordert die Unterstellung des Anstaltspersonals unter die Reichsgewerbeordnung, Ausdehnung der gesetzlichen Kranken-Unfallversicherung auf das Anstaltspersonal, Gewährung eines Urlaubs unter Fortsetzung des Lohnes und angemessener Entschädigung für Kost und Logis, Trennung des Nachtdienstes vom Tagesdienst durch Einführung von Doppelschichten und Ablösung, Abschaffung des Trinkgelderunwesens und das gesetzliche Verbot der weiblichen Pflege auf Männerstationen öffentlicher Anstalten. 27. Mai / 1. Juni 1906 Der Verbandstag der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten in Mainz erklärt, daß der Verband die zuständige Organisation für die in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Personen sei.
Juni 1906 Nach der Entlassung von über 50 Arbeitern, die für den christlich-sozialen Metallarbeiter geworben hatten, protestieren rund 2.000 saarländische Hüttenarbeiter durch einen Streik. Aus Geldmangel sind sie jedoch bereits nach wenigen Tagen gezwungen, die Arbeit bedingungslos wieder aufzunehmen. Die 57 Gemaßregelten werden nicht eingestellt. Der Generaldirektor der Hütte läßt am 11. Juni 1906 durch Toranschlag bekanntgeben, die Mitglieder der Fachabteilungen der katholischen Arbeitervereine und des Christlich-sozialen Metallarbeiterverbandes seien nicht wegen ihrer Verbandszugehörigkeit, sondern "lediglich wegen Agitation im Betriebe" entlassen worden. Die Hütte erkenne jedoch keinerlei Verpflichtung an, "Mitglieder beliebiger Vereine bei sich zu beschäftigen". Sie werde weder "Sozialdemokraten beschäftigten noch Mitglieder von Vereinen, welche den Kontraktbruch lehren". Auch künftig werde sie es ablehnen, "irgend einen Arbeitersekretär als Vertreter ihrer Arbeiter anzuerkennen".
3./4. Juni 1906 Eine Konferenz der in Ziegeleien beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Magdeburg erkennt den Fabrikarbeiterverband als die allein zuständige Organisation an. 4. Juni 1906 Auf der ersten Generalversammlung der Fachabteilungen des "Verbandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin)" wird mitgeteilt, daß sich Gewerkschaften der Bergarbeiter, Bauarbeiter, Textilarbeiter, Verkehrs- und Hilfsarbeiter, Stein- und Erdarbeiter, Arbeiter der Bekleidungsindustrie, Leder-, Holz-, Glas-, Metall-, Tabakarbeiter, sowie der Maler gebildet haben.
4./5. Juni 1906 Die Generalversammlung des Centralverbandes der Handlungsgehülfen und Gehülfinnen in Chemnitz beauftragt den Vorstand, mit den Verbänden der Handels- und Transportarbeiter und Bureauangestellten ein Kartellverhältnis anzubahnen, um in gemeinsamen Angelegenheiten zusammen vorzugehen. 4./6. Juni 1906 Der Verbandstag der Konditoren in Hamburg verlangt, daß die Heimarbeit in der Nahrungsmittelindustrie verboten wird, weil sie für die Konsumenten sehr große Gefahren berge. Auch für die Konditoren ist die Arbeitsruhe am 1. Mai die würdigste Form der Maifeier. 5./8. Juni 1906 An dem internationalen Kongreß der Bergarbeiter in London nehmen auch Vertreter des christlichen Gewerkvereins teil. Der Kongreß verlangt Arbeiterinspektoren, die das Recht haben müssen, so oft sie wollen, die Bergwerke zu kontrollieren. Erneut fordert der Kongreß auf Antrag der deutschen Delegierten das Verbot der Frauen- und der Kinderarbeit. In Oberschlesien arbeiten nach Aussage des deutschen Delegierten aus dieser Region noch 15.000 Frauen an und in den Gruben. 11./16. Juni 1906 Die Generalversammlung des Verbandes der Schuhmacher in Nürnberg beschließt, daß die Arbeitsruhe die würdigste Form der Maifeier ist. In den Betrieben, in denen drei Viertel der Arbeiter Mitglied sind, ist über eine Arbeitsruhe abzustimmen. Kommt es dadurch zu Aussperrungen wird Streikunterstützung gezahlt.
12./17. Juni 1906 Der Verbandstag des Centralverbandes deutscher Brauereiarbeiter in Köln beschließt einen wöchentlichen Extrabeitrag für den Streikfonds. Die Brauerzeitung ändert ihren Titel in "Brauereiarbeiter-Zeitung".
18./20. Juni 1906 Der Genossenschaftstag des Centralverbandes deutscher Konsumvereine in Stettin billigt den mit dem Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiterverband abgeschlossenen Tarifvertrag und die Bildung eines paritätischen Tarifamtes zur Durchführung und Überwachung aller zwischen Gewerkschaften und Centralverband vereinbarten Tarifverträge. 19. Juni 1906 Mit einer Berggesetz-Novelle werden die Bestimmungen über die Knappschaftsvereine geändert. Die Leistungen sollen durch die Schaffung leistungsfähiger Vereine gesichert werden.
23. Juni 1906 Die "Einigkeit", das Organ der Berliner lokalistischen Gewerkschaften, die in Opposition zu den zentralen Gewerkschaften und der Generalkommission stehen, veröffentlicht die Aufzeichnungen über das Februar-Gespräch zwischen Partei- und Gewerkschaftsführern. Erneut beginnt eine heftige Diskussion, unter anderem auch über die Interpretation der Gespräche. Dem Parteivorstand wird unter anderem der Vorwurf gemacht, die Wahlrechtsbewegung unnötig gebremst zu haben. Mitte 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Eisenbahner spricht sich für die Vereinigung aller dem Verkehrswesen dienenden Organisationen wie Eisenbahner, Seeleute, Hafenarbeiter und Transportarbeiter aus.
Anfang Juli 1906 Der preußische Unterrichtsminister erklärt in einer Verfügung: "Das Vorhandensein der sittlichen Tüchtigkeit für Unterricht und Erziehung ist bei allen Mitgliedern der sozialdemokratischen Partei zu verneinen." 2./4. Juli 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Tapezierer in Frankfurt a. Main beklagt, daß die Mißstände sich überhaupt nicht gebessert haben. Er verpflichtet die Mitglieder erneut, entschieden gegen diese Mißstände einzutreten.
12. Juli 1906 Das Reichsgericht entscheidet, daß Boykott im Lohnkampf nicht rechtswidrig ist.
16. Juli 1906 Nach einer Aufstellung des "Centralblattes der christlichen Gewerkschaften" bestehen in 145 Orten Kartelle der christlichen Gewerkschaften. 22./25. Juli 1906 Der Kongreß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften in Breslau - an ihm nimmt auch der Oberpräsident von Schlesien teil - erklärt die Ortskartelle für sehr wichtige Einrichtungen zur Verfolgung der gemeinsamen Interessen der christlich organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen eines Ortes oder Bezirkes. Als Aufgaben werden u.a. bezeichnet: planmäßige und einheitliche Agitation unter Mitwirkung der Verbandsvorstände, Förderung des Arbeitsnachweises und des Herbergswesens, Aufnahme von Statistiken, Pflege des Rechtsschutzes, Verkehr mit den gewerblichen Aufsichtsbeamten, Vorarbeiten und Beteiligung an sozialen Wahlen, Betätigung in der Kommunalpolitik, Förderung der Bildung durch Unterrichtskurse, Veranstaltung von Volksunterhaltungsabenden und Beeinflussung der Presse. Dagegen sollen die Regelung von Grenzstreitigkeiten, Entscheidungen bei Lohnbewegungen nicht den Kartellen, sondern den Verbänden zufallen. Ebenso dürfen die Kartelle nicht als solche sich an kommunalen Wahlen beteiligen, sollen sich vielmehr von allen parteipolitischen Aktionen streng fern halten.
August 1906 Th. Leipart schreibt in den "Sozialistischen Monatsheften": "Bei einem jeden ernsthaften Streik ist es nicht etwa nur der erhoffte materielle Gewinn, welcher die Köpfe und Herzen der Streikenden erfüllt und sie in Einigkeit und Entschlossenheit zusammenhält, sondern es ist daneben ein hohes Maß von Idealismus, die Überzeugung von der absoluten Notwendigkeit und Berechtigung der aufgestellten Forderungen als Klassenforderungen der Arbeiter, die Erkenntnis des Klassengegensatzes, kurz, das Klassenbewußtsein. Nach meiner Meinung ergibt der einfache Sinn des Wortes, was Klassenkampf ist: nämlich der Kampf einer bestimmten, sich ihrer Lage bewußten Klasse in der heutigen Klassengesellschaft, gerichtet auf eine Hebung ihrer Lage und die Beseitigung jeder Herrschaft und Bevormundung durch eine andere Klasse. In diesem Sinne verdient vielleicht die Gewerkschaftsbewegung noch mehr als die sozialdemokratische Parteibewegung die Bezeichnung Klassenkampf, weil sie mehr als letztere nur die Angehörigen einer Klasse, der Arbeiterklasse, in den Kampf führt. Die Tarifverträge heben den Klassenkampfcharakter der Gewerkschaftsbewegung keineswegs auf, denn sie sind keine Freundschaftsbündnisse mit dem Unternehmertum, sonder nur Waffenstillstandsverträge, wie sie die Arbeitgeberzeitung selbst richtig genannt hat." Beim Kongreß des Xylographen-Verbandes in Frankfurt a. Main wird ein Anschluß an den Senefelderbund noch nicht für ratsam gehalten. 5./11. August 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen in Leipzig beschließt, daß sich der Organisationsbereich des Verbandes auf die Ziegeleien, die chemische Industrie, die Papierherstellung, die Zuckerfabrikation, die Molkereien, Brennereien und ähnliche Betriebe erstrecken soll.
13./16. August 1906 Der Internationale Hutmacher-Kongreß in Frankfurt a. Main beschließt, das Sekretariat von Paris nach Altenburg zu verlegen, da die Delegierten mit dessen bisheriger Arbeit unzufrieden sind.
13./18. August 1906 Der Verbandstag des Verbandes der Schneider, Schneiderinnen und verwandten Berufsgenossen in Berlin beschließt, daß keine Verwaltungsstelle ohne Zustimmung des Vorstandes eine Lohnbewegung beginnen kann.
18. August 1906 Das "Correspondenzblatt" kommentiert die Rede von Giesberts auf dem Breslauer Kongreß der christlichen Gewerkschaften: "Und dieser Mann, der die Notwendigkeit der Klassenorganisation der Arbeiter so entschieden vertritt, an das Klassenbewußtsein der Arbeiter appelliert, leugnet die Notwendigkeit des Klassenkampfes und kann doch nicht umhin, die Einsichtslosigkeit der besitzenden Klasse zu beklagen und den rücksichtslosen Klassenkampf der Kapitalsherren einzugestehen. Der brutale Kapitalismus, wie er im Ruhrrevier herrscht, ist verantwortlich für den Radikalismus in unseren Reihen, rief er aus. Und was ist es anders, als die Anerkennung des Klassenkampfes, wenn er erklärt: Weder die Arbeitgeber, noch die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, noch der Staat haben ihre Pflicht gegen die Arbeiter erfüllt; keinem Menschen würde es eingefallen sein, Sozialpolitik zu treiben, wenn die Arbeiter nicht selbst ihre Unzufriedenheit zu erkennen gegeben hätten, und stets hätten die unteren Klassen um ihre Rechte kämpfen müssen, - deshalb müssen auch wir kämpfen! In der Tat war die Rede Giesberts eine Anerkennung des Klassenkampfes; nur mit den Konsequenzen desselben vermag er sich nicht zu befreunden." 20. August 1906 Im Berliner Gewerkschaftshaus beginnen die ersten von der Generalkommission organisierten Kurse im wesentlichen für "besoldete Gewerkschaftsbeamte". Die Anzahl der Teilnehmer ist auf 50 beschränkt. Jeder Kurs dauert 4 Wochen. Die Teilnehmer sind verpflichtet, sämtliche Vorträge und Diskussionen zu besuchen. Über die Teilnehmer wird ein Kontrollbuch geführt. Die Ausgaben für die Schule und die Lehrkräfte bestreitet die Generalkommission, die Aufenthaltskosten sind von den entsendenden Organisationen zu tragen. Folgende Themen werden behandelt: Theorie und Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung; die gegnerischen Gewerkschaftsorganisationen in Deutschland; die Gewerkschaftsbewegung im Auslande; die Versicherungsgesetzgebung; die Arbeiterschutzbestimmungen; die Gewerbeordnung; Einführung in die Nationalökonomie; Kartelle und Unternehmervereinigungen; Vorbedingungen der Statistik; Einführung in die gewerkschaftliche Literatur sowie Buchführung und kaufmännischer Verkehr.
Vertreter der Handschuhmacher, Kürschner, Lederarbeiter, Portefeuiller, Sattler und Schuhmacher beraten in Berlin über eine Verschmelzung der Verbände der Lederindustrie. Sie nehmen einstimmig eine Resolution an, in der es u.a. heißt: Die Verschmelzung ist keine Frage des Prinzips, sondern der Taktik. Sie darf vor allem nicht nur durch Kongreßbeschlüsse herbeigeführt werden, sondern muß getragen werden von einem wirklichen Bedürfnis, das auch der wirtschaftlichen Entwicklung und den Erfahrungen aus den Kämpfen mit den Unternehmern entspringt.
21./25. August 1906 Auf dem Katholikentag in Straßburg erklärt J. Giesberts, "die christlichen Arbeiter (wollen) den Klassenkampf nicht, sondern die Versöhnung der Stände und deren sozialen Ausgleich, aber in dem Sinne, daß man sie als gleichberechtigten Stand im Rahmen des Ganzen anerkenne." 7./8. September 1906 Die Verbände der Handels- und Transportarbeiter, der Hafenarbeiter, der Seeleute und der Eisenbahner schließen sich auf einer Konferenz in Hamburg zum "Deutschen Transportarbeiter-Verband" zusammen. Die einzelnen Berufsgruppen bilden Sektionen. Der Sitz des Verbandes ist Berlin. 10./13. September 1906 Die Generalversammlung des christlichen Textilarbeiterverbandes in Frankfurt a. Main verlangt den zehnstündigen Maximalarbeitstag, einen gesetzlichen Minimallohn und die gesetzliche Einschränkung der Frauen-Fabrikarbeit.
15. September 1906 Rosa Luxemburg beendet ihre Schrift "Massenstreik, Partei und Gewerkschaften". In ihr legt sie ihre Erkenntnisse aus der Revolution in Rußland für die Taktik des Klassenkampfes dar. Für die Partei wie für die Gewerkschaften bezeichnet sie den revolutionären Massenkampf als wichtigstes Entwicklungselement. 17. September 1906 Auf einer internationalen Arbeitsschutzkonferenz in Bern werden die seit der letzten Konferenz im Mai 1905 überarbeiteten Übereinkommen zum "Verbot der industriellen Nachtarbeit der Frauen" und zum "Verbot des giftigen Phosphors für die Zündholzindustrie" vorgelegt, denen aber nur ein Teil der Staaten u.a. auch Deutschland zustimmt. 22./23. September 1906 Die Konferenz sozialdemokratischer Frauen Deutschlands in Mannheim fordert das Wahlrecht für Frauen und die Beseitigung aller Ausnahmegesetze für Landarbeiter und Dienstboten, besonders der Gesindeordnungen. 23./29. September 1906 Der SPD-Parteitag in Mannheim bestätigt nach Referaten von A. Bebel und C. Legien mit 386 gegen 5 Stimmen den Beschluß von Jena und stellt fest, daß der Beschluß des Kölner Gewerkschaftskongresses dazu nicht in Widerspruch stehe. Sobald der Parteivorstand die Notwendigkeit eines politischen Massenstreiks für gegeben erachte, habe derselbe sich mit der Generalkommission in Verbindung zu setzen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um die Aktion erfolgreich durchzuführen. Die Gewerkschaften sind unumgänglich notwendig für die Hebung der Klassenlage der Arbeiter innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Dieselben stehen an Wichtigkeit hinter der sozialdemokratischen Partei nicht zurück.
Die Generalversammlung des Centralvereins der Bildhauer in Frankfurt a. Main lehnt einen Übertritt zum Holzarbeiterverband ab, da dann die Steinbildhauer und Modelleure nicht übernommen werden. Tarifverträge werden befürwortet, vor allem in den Holz-Spezialbranchen.
27./29. September 1906 Der Kongreß der "Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz" in Genf, an der auch "christlich-nationale" Gewerkschafter aus Deutschland teilnehmen, beschließt, daß die nationalen Sektionen dem Internationalen Arbeitsamt u.a. über die Einrichtungen zum Arbeiterschutz, den Umfang der Kinderarbeit und die zum Schutz der Kinder bestehenden gesetzlichen Bestimmungen berichten.
28. September 1906 Der "Allgemeine Deutsche Arbeitgeberschutzverband für das Bäckergewerbe" wird gegründet. Sein Zweck ist, die Bäckermeister bei Streiks und Lohnkämpfen zu unterstützen, ihre Arbeitskampfmaßnahmen zu koordinieren, finanzielle Verluste mit abzudecken und Aussperrungen zu koordinieren. Ende 1913 hat der Verband 10.000 Mitglieder. 30. September 1906 Auf der ersten Generalversammlung des "Verbandes junger Arbeiter Deutschlands" in Mannheim referiert Karl Liebknecht über "Jugend und Militarismus". Nach einer Statutenänderung können jetzt auch Mädchen Mitglieder werden. Der Name des Verbandes wird jetzt in "Verband junger Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" geändert. Ende September 1906 Bei den Verhandlungen für einen neuen Tarifvertrag für Buchdrucker vereinbaren die Parteien den Einbau einer Klausel in den Vertrag, die die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes zur Beschäftigung ausschließlich von Gewerkschaftsmitgliedern verpflichtet, während andererseits die im Buchdruckerverband organisierten Gehilfen nur noch in Mitgliedsbetrieben des Unternehmervereins Arbeit annehmen dürfen.
11. Oktober 1906 Die "Soziale Praxis" zitiert aus einem Geschäftsbericht eines regionalen Arbeitgeberverbandes von Eisen- und Stahlindustriellen dessen Argumente gegen Tarifverträge.
12. November 1906 Die Reichsregierung legt dem Reichstag einen Gesetzentwurf vor, nach dem Berufsvereinen die Rechtsfähigkeit gegeben werden kann, wenn sie sich als "eingetragener Berufsverein" in das bei Amtsgerichten geführte Vereinsregister eintragen lassen. Die sozialdemokratischen Gewerkschaften lehnen den Entwurf entschieden ab, weil die damit verbundenen wesentlichen Einschränkungen gewerkschaftliche Arbeit wesentlich behindern würden. 15. November 1906 In Berlin wird die Parteischule der SPD eröffnet. Bis zum ersten Weltkrieg erhalten ca. 200 von Partei- und Gewerkschaftsorganisationen delegierte Mitglieder in sieben Halbjahreslehrgängen Unterricht. Der Lehrplan umfaßt folgende Wissensgebiete: Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie; Historischer Materialismus und soziale Theorien, Geschichte der politischen Parteien, Arbeiterrecht, soziale Gesetzgebung, Gesinderecht und Verfassung; Strafrecht, Strafprozeß, Strafvollzug, Bürgerliches Recht, Gewerkschaftswesen, Genossenschaftswesen, Kommunalpolitik; Mündlicher und schriftlicher Gedankenaustausch, Zeitungstechnik. Mitte November 1906 In ganz Deutschland finden Protestversammlungen gegen "Fleischnot und Zollwucher" statt. 26./27. November 1906 Auf der Konferenz der Vertreter der Centralvorstände in Berlin spricht C. Legien zur Frage der Jugendorganisation, daß die Generalkommission, durch die Berliner Jugendorganisation zur Stellungnahme veranlaßt, mit dem Parteivorstande über diese Frage verhandelt habe, da eine einheitliche Behandlung der letzteren seitens der politischen und der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung erwünscht sei. Die Generalkommission halte eine besondere Centralisation der Jugendlichen nicht für zweckdienlich, weder in der Vertretung wirtschaftlicher Interessen, noch auf dem Gebiete der Jugenderziehung, sondern eher als nachteilig. Nicht die Schaffung einer Jugendorganisation, sondern eine zweckentsprechende Organisation der Jugenderziehung müsse die Aufgabe sein, an der Partei und Gewerkschaften gleicherweise arbeiten sollten. Die Organisierung der jugendlichen Arbeiter müssen sich die Gewerkschaften mehr angelegen sein lassen. Die einzelnen Gewerkschaftsvorstände und Verbandstage sollten sich eingehend mit der Frage befassen, wie die Jugendlichen zu den Gewerkschaften besser heranzuziehen und in diesen zu erhalten seien. Dann müsse der nächste Gewerkschaftskongreß besonders sich mit der Frage der jugendlichen Arbeiter und des Lehrlingswesens beschäftigen.
13. Dezember 1906 Der Reichstag lehnt mit den Stimmen des Zentrums und der Sozialdemokraten die Bewilligung eines Nachtragsetats für die Kolonien ab. Darauf wird er aufgelöst. 20. Dezember 1906 Der Zentralrat der Gewerkvereine fordert alle Mitglieder zur Ausübung des Wahlrechts auf und erklärt: "In Wahrung der Neutralität unserer Organisation lassen wir unseren Verbandsgenossen selbstverständlich völlig freie Hand in der Wahl, erwarten aber, daß kein Gewerkvereiner einen Feind unserer Organisation wählt, auch keinen Lebensmittelverteuerer oder Gegner des bestehenden Reichstagswahlrechts. Alle deutschen Gewerkvereiner müssen sich vielmehr ernstlich bemühen, daß Reichstagsabgeordnete gewählt werden, die Freunde unserer Bestrebungen und eines freien Koalitionsrechts sind und Gewähr dafür bieten, daß ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, mit der Sache der Arbeiter auch die des Volkes und Vaterlandes auf allen geistigen und wirtschaftlichen Gebieten kraftvoll vorwärts zu bringen." 22. Dezember 1906 Das Reichsgericht bestätigt ein Urteil des Oberlandesgerichts, daß die Ausdehnung der Zwecke des Senefelderbundes auf Gewerkschaftsaufgaben ungültig ist. Danach muß der Senefelderbund eine Unterstützungsorganisation sein. 25./26. Dezember 1906 Die norddeutschen sozialdemokratischen Jugendvereine beschließen, eine lose Verbindung - die "Vereinigung der freien Jugendorganisationen Deutschlands" (Sitz Berlin) - zu bilden. Sie soll die Bestrebungen der Vereine koordinieren. 27. Dezember 1906 Die Stadt Straßburg beschließt, den in der Stadt ansässigen Gewerksorganisationen ab 1. Januar 1907 Zuschüsse zu deren Arbeitslosenunterstützung zunächst für ein Jahr zu zahlen. Zum ersten Mal wird damit in Deutschland das in Belgien und Frankreich schon länger praktizierte sog. "Genter System" eingeführt. 31. Dezember 1906 Anläßlich der Reichstagswahl veröffentlicht der Vorstand des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften eine Erklärung, in der unter Hinweis auf den Charakter der christlichen Gewerkschaften als interkonfessionelle und politisch unparteiische Organisationen betont wird, daß in dem bevorstehenden Wahlkampfe weder die Gewerkschaftspresse sich in den Dienst bestimmter Parteien stellen, noch in den Versammlungen parteipolitische Propaganda geduldet werden dürfe, daß aber dadurch die Mitglieder nicht gehindert werden, außerhalb der Verbände energisch ihre Pflichten als Staatsbürger wahrzunehmen. Ende 1906 Der Generalkommission sind 65 Gewerkschaften mit 1.799.290 Mitgliedern, davon 118.900 weiblichen, angeschlossen. Mit über 300.000 neuen Mitgliedern erreichen diese Gewerkschaften den höchsten Mitgliederzuwachs innerhalb eines Jahres.
Die 19 christlichen Gewerkschaften haben 247.000 Mitglieder, davon 21.650 weibliche. Gegenüber 1905 mit 188.100 Mitgliedern erreichen sie damit ebenfalls ihren höchsten Mitgliederzuwachs innerhalb eines Jahres.
Die 21 Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine haben 118.500 Mitglieder.
Die Generalkommission registriert 2.265 Angriffsstreiks, 1.048 Abwehrstreiks und 560 Aussperrungen mit über 180.000 Beteiligten.
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