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TEILDOKUMENT:
1907 Die Fluktuation bei den Gewerkschaftsmitgliedern ist immer noch sehr stark. So stellt der Maurerverband in einem Rückblick fest, daß dem Maurerverband im Zeitraum von 1891 bis 1907 mehr als 600.000 Mitglieder beigetreten waren. Diese Zahl ist doppelt so hoch wie die Zahl der Maurer, die selbst während der Hochkonjunktur innerhalb eines Jahres im Baugewerbe beschäftigt gewesen waren: "Es ist also nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß bis auf einen winzigen Rest die übergroße Mehrzahl aller deutschen Maurer schon einmal, viele Tausende mehrere Male Mitglieder unseres Verbandes gewesen sind."
Eine neue Berufszählung zeigt u.a. folgende Ergebnisse: Die Erwerbsquote der Bevölkerung in Deutschland liegt bei 45,5 Prozent gegenüber 41,9 Prozent 1882.
Auch in diesem Jahr werden Lohnbewegungen der Gewerkschaften mit Aussperrungen bekämpft, so vor allem in der deutschen Holzindustrie, bei den Schneidern und Hamburger Hafenarbeitern. Bei Streiks zahlt der Fabrikarbeiterverband dem Mitglied nach einem Jahr Organisationszugehörigkeit eine Unterstützung von 12 Mark bei einem durchschnittlichen Wochenverdienst von 22 Mark, weiblichen Mitgliedern eine von 8 Mark bei einem Wochenverdienst von durchschnittlich 11 Mark. In der "Holzarbeiter-Zeitung" faßt Adolf Braun alle gewerkschaftlichen Argumente für Tarifverträge zusammen: Einschränkung der Streiks, dadurch Stärkung der finanziellen Kraft der Gewerkschaften; Beständigkeit der oft bei guter Konjunktur errungenen tariflichen Arbeitsbedingungen, vor allem Schutz vor Lohnsenkungen bei Verschlechterung der Wirtschaftslage; Anerkennung der Gewerkschaften und der Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital durch die Unternehmer; verbesserte taktische Ausgangslage zur Durchsetzung vorteilhafter Arbeitsbedingungen, da die Arbeitgeber angesichts der gewerkschaftlichen Bereitschaft zu einem längeren Arbeitsfrieden ein höheres Entgegenkommen zeigten. Die Vorstände des Fabrikantenverbandes und des Zentralverbandes der Schuhmacher einigen sich, Konflikte, welche wegen Personen und Organisationsfragen entstehen, vor einer eventuellen Arbeitseinstellung durch gemeinsame Verhandlungen einer friedlichen Lösung zuzuführen. Der "Arbeiter-Samariter-Bund" wird gegründet, der sich 1909 in Magdeburg seine endgültige Organisationsstruktur gibt. Die Aufgaben des Bundes liegen u.a. in der Ausbildung der Hygiene, Krankenpflege und Erster Hilfe sowie in Hilfeleistungen bei Unfällen und Erkrankungen sowie in der Überwachung von Arbeitsschutzbestimmungen. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges zählt der ASB 5.500 Mitglieder. Auf seiner Generalversammlung verabschiedet der "Bund der Industriellen" Leitsätze zum Tarifvertragswesen: "Der Abschluß von Tarifverträgen in geeigneten Industrien kann befürwortet werden. Obwohl unter den gegebenen Verhältnissen nicht empfehlenswert, kann die Verhandlung der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern von Koalition zu Koalition grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Die Ablehnung ist vielmehr von Fall zu Fall zu entscheiden." 12. Januar / 11. Mai 1907 In Berlin werden nach ergebnislosen Tarifverhandlungen über 8.000 Holzarbeiter ausgesperrt. Diese Kampfmaßnahmen werden im April auf 12 weitere Städte ausgedehnt, enden aber mit einem Erfolg des Holzarbeiterverbandes. In 13 örtlichen Tarifverträgen erreichen sie Arbeitszeitverkürzungen und Lohnerhöhungen. 25. Januar 1907 Nach einem Wahlkampf mit sehr starken nationalistischen Parolen - die sogenannten Hugenottenwahlen - gewinnt die SPD bei den Reichstagswahlen dennoch 250.000 Stimmen. Trotz des Stimmengewinns verliert die Partei beinahe die Hälfte ihrer Mandate und zieht nur noch mit 43 Abgeordneten, das sind 10,8%, in den neuen Reichstag. Das Zentrum erhält 104 Mandate, obwohl mehr als 1 Million Stimmen weniger für diese Partei abgeben werden.
16. Februar 1907 Nach einer Übersicht im "Correspondenzblatt" über "Die Ferienverhältnisse des Personals der Staatseisenbahnen in Deutschlands" gewähren neun Eisenbahnverwaltungen Urlaub von 3 Tagen bis 5 Wochen (nur für Beamte der beiden höchsten Gehaltsgruppen).
17. Februar 1907 Mit einer Bundesratsverordnung werden die Arbeitsschutzbestimmungen für die Tabak- und Zigarrenherstellung etwas verbessert. Reine Familienbetriebe (Hausindustrie) sind von der Geltung der Vorschriften weiter ausgeschlossen. Der neu gegründete "Werkmeisterverband der Schuhindustrie" mit Sitz in Frankfurt a. Main organisiert die "Betriebsbeamten" der Schuh- und Schäftefabrikation: Betriebsleiter, Obermeister, Werkmeister, Meister, Modelleure, Hilfsmodelleure, Hilfsmeister, Meisterinnen und Hilfsmeisterinnen. 1914 hat der Verband 2.262 Mitglieder in 51 Bezirksvereinen. Der Verband arbeitet von Anfang an eng mit dem Zentralverband der Schuhmacher zusammen. Der Verband gibt die "Schuh-Post" heraus. 17. Februar / 23. Februar 1907 Der Verbandstag der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen in Leipzig beschließt einen Landestarifvertrag anzustreben. Für außerordentliche Anlässe wird ein Verbandsbeirat gebildet. 23. Februar 1907 Nach einer Übersicht im "Correspondenzblatt" ist in 6 Tarifverträgen (Holz 1x, Steinmetzen 2x, Schläger 2x, Schlosser 1x) eine 8stündige Arbeitszeit vereinbart. März 1907 Der Zentralrat der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine erklärt zu den Gründungen "gelber Werkvereine": "In der Entstehung und verhältnismäßig raschen Ausbreitung der sogenannten "gelben" Gewerkschaften erblickt der Centralrat eine Folge des überradikalen Vorgehens der sozialdemokratischen Gewerkschaften, gleichzeitig aber eine überaus große Gefahr für die gedeihliche Entwicklung der Organisation der Arbeiter und für die gesunde Arbeiterbewegung überhaupt. Um dem weiteren Vordringen jener schädlichen Gebilde Einhalt zu tun, empfiehlt der Centralrat den Generalräten bezw. Hauptvorständen der deutschen Gewerkvereine, mit allen Mitteln, selbstverständlich unter entschiedener Wahrung unserer Grundsätze bei den Unternehmerverbänden die volle Anerkennung unserer Organisation zu erwirken. Zugleich werden die Gewerkvereinsmitglieder aufgefordert, ihre Mitarbeiter nachdrücklichst auf die durch die gelben Gewerkschaften heraufbeschworenen Gefahren aufmerksam zu machen und zu warnen, nur scheinbarer Vorteile wegen, das gesetzlich gewährleistete Koalitionsrecht preiszugeben."
9. März / 22. April 1907 In Hamburg werden mehr als 5.000 Hafenarbeiter ausgesperrt, weil sie sich weigern unbegrenzte Nachtarbeit auszuführen.
10./13. März 1907 Die Generalversammlung der Bäcker in Kassel hebt den Zentralarbeitsnachweis des Verbandes auf. An dessen Stelle werden in allen Bezirken Arbeitsnachweise errichtet, denen auch die Arbeitsvermittlung für die Konsum- und Genossenschaftsbäckereien übertragen wird.
20. März 1907 Der "Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller" beschließt einstimmig, daß einzelne Arbeitgeber "auf keinen Fall" mit einer Arbeiterorganisation verhandeln und Verhandlungen von Organisation zu Organisation möglichst vermeiden sollen. Dagegen können streikende Arbeiter eine Kommission wählen, deren sieben Mitglieder "nicht sämtlich direkt" am Arbeitskampf beteiligt zu sein brauchen. Dem hinzugezogenen "Dritten", d.h. dem Gewerkschaftsfunktionär, darf jedoch die Formulierung der Vereinbarung nicht überlassen werden. Dieses Verfahren setzt sich in den folgenden Jahren trotz anfänglicher Widerstände durch.
30. März / 4. April 1907 Der Verbandstag der Portefeuiller- und Ledergalanteriearbeiter in Berlin ist mit einer Verschmelzung des Verbandes mit dem der Sattler einverstanden.
31. März 1907 Auf der Generalversammlung des Werkmeisterverbandes in Mainz wird die Gründung einer Sparbank und einer Stellenlosenversicherung beschlossen.
31. März / 6. April 1907 Die Generalversammlung des Centralverbandes der Glaser in Penzig beschließt, das Verbandsorgan "Der Fachgenosse" vom Redakteur zu kaufen und künftig in eigener Regie herauszugeben. Der Redakteur wird ständiger Mitarbeiter. April 1907 Die Generalkommission fordert die Vorstände der Zentralverbände und die Gewerkschaftskartelle in einem vertraulichen Rundschreiben auf, die gelben Gewerkschaften intensiv zu beobachten. "Bei den Mitteln, die es sich der Reichsverband und das organisierte Unternehmertum kosten lassen, diese Gebilde groß zu ziehen, ist sicher damit zu rechnen, daß vorläufig die Entwicklung derselben noch nicht abgeschlossen ist, sondern noch weitere Fortschritte machen wird." Der Kampf gegen die "gelbe Pest" wird in den folgenden Jahren von den freien Gewerkschaften mit steigender Erbitterung geführt. 1./4. April 1907 Die Generalversammlung des Deutschen Senefelder-Bundes (Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe) in Hannover beschließt auf Grund des Reichsgerichtsurteils nach einer lebhaften Diskussion, die beiden Organisationen zu trennen. 1./6. April 1907 Der Verbandstag des Centralverbandes der Maurer in Köln stimmt der Aufnahme des Stukkateurverbandes zu, während die des Bauhilfsarbeiterverbandes noch nicht akut sei. Erneut wird eine Beseitigung der Akkordarbeit gefordert. 2./5. April 1907 Der Verbandstag des Verbandes der Hoteldiener in Leipzig erklärt seine Zustimmung zur Verschmelzung mit dem Verband der Gastwirtsgehilfen.
2./6. April 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Kupferschmiede in Breslau lehnt einen Zusammenschluß mit dem Metallarbeiterverband ab. Der Verband führt unter Anrechnung anderer Unterstützungen eine Erwerbslosenunterstützung ein.
5. April 1907 Ein Kongreß der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe in Hannover beschließt eine neue Gewerkschaft zu gründen: den "Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe (Deutscher Senefelder-Bund)". 7./13. April 1907 Der Verbandstag der baugewerblichen Hilfsarbeiter in Hamburg hält die ablehnende Haltung des Maurerverbandes für die Entwicklung einer Gesamtorganisation der Arbeiter der Bauberufe für hemmend. Er sieht vielmehr in einem Zusammenschluß aller im Baugewerbe beschäftigten Arbeiter die einzig wirksame Organisation.
8./13. April 1907 Die Generalversammlung der Vereinigung der Maler und Berufsgenossen in Leipzig protestiert dagegen, daß zahlreiche Unternehmer das Gesetz gegen die Verwendung von Bleiweiß nicht einhalten.
12./17. April 1907 Der Verbandstag der Töpfer in Berlin beauftragt den Vorstand, einen Zusammenschluß mit dem Porzellan- und dem Glasarbeiterverband zu einer Organisation der Keramikarbeiter anzubahnen.
14./18. April 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Schiffszimmerer in Hamburg lehnt alle Anträge ab, die eine Unterstützung der wegen der Maifeier Gemaßregelten verlangen.
14./20. April 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Zimmerer in Köln ist der Ansicht, daß besondere Organisationen zur Wahrung der Interessen der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen nicht zweckmäßig sind; die Aufgabe fällt den gewerkschaftlichen Organisationen zu. Auf die Erziehung der Jugendlichen im Sinne der sozialistischen Weltanschauung ist mehr Wert als bisher zu legen.
15. April 1907 Der Parteivorstand rät ab, dort die Arbeit am 1. Mai ruhen zu lassen, wo mit Aussperrungen zu rechnen sei. Die Lohnstreiks in dieser Zeit sollen nicht erschwert werden. 23./26. April 1907 Der Verbandstag der Zivilberufsmusiker in Dresden lehnt die Einführung einer Krankenunterstützung ab. Der Sitz des Verbandes wird nach Berlin verlegt. 25. April 1907 G. Noske bestätigt im Reichstag, daß die Sozialdemokratie ihr Vaterland im Falle eines Angriffs auf Deutschland verteidigen werde. 5./9. Mai 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Bergarbeiter in Dortmund erachtet ein Reichsgesetz für dringend notwendig, denn die größten Mißstände bestehen nach wie vor, die Zahl der Betriebsunfälle steigt ständig an. Hauptforderungen für das Berggesetz sind u.a.: die Höchstdauer für die Schichtzeit soll 8 Stunden betragen; die Frauenarbeit im Bergbau ist zu verbieten; Einheitlichkeit des Knappschaftswesens und geheime Wahl bei den Knappschaftswahlen; Einführung von Grubenkontrolleuren, die von den Arbeitern gewählt werden.
12. Mai 1907 Der Bundestag des Bundes technisch-industrieller Beamten in Berlin verabschiedet ein umfangreiches sozial-politisches Programm, in dem der gesetzliche 8-Stundentag, Mindestgehälter, Koalitions- und Vereinsfreiheit, die Reform des technischen Schulwesens, Kündigungsfristen, Dienstkautionen, die Konkurrenzklausel, der gesetzliche Schutz an den Erfindungen und einen gerechten Anteil - mindestens ein Drittel - am Nutzen und die Ausdehnung der Zuständigkeit der Gewerbegerichte auf alle technischen Angestellten eine wesentliche Rolle spielen.
19. Mai 1907 In Berlin wird der "Bund vaterländischer Arbeitervereine" gegründet, der dem Reichsverband gegen die Sozialdemokratie nahesteht. Seine Bedeutung bleibt sehr gering. 1911 hat er rund 30.000 Mitglieder.
19./22. Mai 1907 Der Verbandstag der Mühlenarbeiter in Mainz verpflichtet den Vorstand, der Gründung eines Lebensmittelarbeiter-Verbandes wieder näher zu treten.
19./24. Mai 1907 Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Berlin beauftragt den Vorstand mit dem Lederarbeiterverband über einen Übertritt zu verhandeln. Die Löhne sind für zwei Drittel aller Verbandsmitglieder tariflich festgelegt. 20./23. Mai 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Lagerhalter und Lagerhalterinnen in Leipzig hält eine Verschmelzung mit dem Verband der Handlungsgehilfen für nicht akut. 20./25. Mai 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter in Berlin diskutiert ausführlich Grenzstreitigkeiten mit anderen Verbänden und verurteilt das Verhalten des Brauerverbandes, der die Organisation der Bierfahrer beansprucht.
20./26. Mai 1907 Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in München diskutiert ausführlich Änderungen des Statuts, die sich auf das Delegationsrecht, die Unterstützungen, die Schiedsgerichtsverfahren und die Beiträge beziehen. Die Einführung von Staffelbeiträgen wird abgelehnt. Jugendliche Mitglieder unter 18 Jahren zahlen den gleichen Beitrag wie weibliche Mitglieder, welcher bei ca. 40% des Beitrags männlicher Mitglieder liegt.
20./27. Mai 1907 Der Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in Berlin diskutiert die Politik der Gewerkvereine; zahlreiche Delegierte u.a. A. Erkelenz fordern weniger Friedfertigkeit und Harmonie, da in der Gegenwart der Kampf überwiege, da die Arbeitgeber sich dem friedlichen Vorgehen durchaus unzulänglich gezeigt hätten.
22./26. Mai 1907 Der Internationale Handschuhmacherkongreß in Stuttgart beschließt, das Sekretariat von Brüssel nach Berlin zu verlegen. 25. Mai 1907 Der Geschäftsführer des Bergbauvereins stellt auf der Generalversammlung des Vereins fest: "Die großen Bewegungen in den letzten Jahren ..., unser Bergarbeiterstreik im Jahre 1905, alle diese Kämpfe galten nicht der Hebung der wirtschaftlichen Lage der Leute, es waren reine Klassenkämpfe und als solche sind sie auch von den Gewerkschaften geführt worden." 3./9. Juni 1907 Die Generalversammlung des Centralvereins der Hutarbeiter in Guben stimmt der Einführung der Erwerbslosenunterstützung für weibliche Mitglieder zu, eine sofortige Einführung für alle Mitglieder erhält nicht die erforderlichen zwei Drittel Mehrheit.
Mitte Juni 1907 In den vom Centralverband der Brauereiarbeiter abgeschlossenen Tarifverträgen wird für 413 Betriebe mit 20.170 Beschäftigten Urlaub ohne Lohnabzug vereinbart. Die Urlaubsdauer reicht von einem Tag bis 14 Tagen und ist abhängig von einer bestimmten zeitlichen Betriebszugehörigkeit. 16./19. Juni 1907 Die Generalversammlung des Verbandes der Graveure und Ziseleure in Nürnberg beschließt den Anschluß an den Metallarbeiterverband. 17./20. Juni 1907 Auf dem Genossenschaftstag in Düsseldorf kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften. Der Genossenschaftstag erklärt: Genossenschaftliche Lohn- und Arbeitstarife können nicht auf solchen Prinzipien aufgebaut werden, deren Durchführung bei den konkurrierenden Privatbetrieben in weiter Ferne liegt.
24./29. Juni 1907 Der Verbandstag des Verbandes der Buchbinder in Nürnberg beschließt, die Krankenunterstützung auch für Männer einzuführen. Die Einführung von Staffelbeiträgen soll Buchbindern in Gegenden mit geringen Verdienstmöglichkeiten den Beitritt erleichtern. Erneut wird betont, daß der Vorstand rechtzeitig über geplante Lohnbewegungen zu informieren ist, damit dieser "in wirksamer Weise beratend, fördernd und - wenn es sein muß - warnend eingreifen kann".
29. Juni 1907 Die "Lokalisten" lehnen weitere Versuche des SPD-Parteivorstandes, eine Einigung mit der Generalkommission zu erzielen, ab. Zum ersten Mal erscheint die "Statistische Beilage des Correspondenz-Blattes". 30. Juni / 1. Juli 1907 Eine internationale Konferenz der Vertreter der Buchbinder-Verbände in Nürnberg beschließt die Gründung eines "Internationalen Buchbindersekretariats" mit Sitz in Berlin. Der Vorsitzende des Buchbinderverbandes Emil Kloth wird zum Sekretär gewählt. Die angeschlossenen Verbände aus 7 Ländern beschließen einen Gegenseitigkeitsvertrag zur Unterstützung reisender Mitglieder. Mitte 1907 68 Stadtverwaltungen gewähren ihren Arbeitern Urlaub unter Fortzahlung ihre Lohnes, 1909 sind es bereits 146 Gemeinden. Meistens wird nach dreijähriger Dienstzeit ein Urlaub zwischen drei Tagen und einer Woche gewährt. Im Brauereigewerbe ist in Tarifverträgen für 413 Betriebe mit 20.170 Beschäftigten Urlaub, vor allem für die Bierfahrer, vereinbart, der nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit gewährt wird. Juli 1907 Der Holzarbeiterverband und der Arbeitgeberverband für die Holzindustrie vereinbaren ein Musterregulativ für paritätische Arbeitsnachweise in der Holzindustrie. 1. Juli 1907 Die Verbände der Bäcker und der Konditoren schließen sich zum "Verband der Bäcker, Konditoren, Lebküchler, Arbeiter und Arbeiterinnen in der Kakes-, Zuckerwaren- und Schokoladenindustrie" zusammen.
13. Juli 1907 Die "Holzarbeiterzeitung" schreibt: "Gewerkschaften müssen Kampfesorganisationen sein. Entbehren sie dieses Charakters, so erfüllen sie in der gegenwärtigen Zeit nicht ihre Aufgabe.
11./16. August 1907 Der internationale Tabakarbeiterkongreß in Stuttgart beschäftigt sich mit der Regelung der Gegenseitigkeitsverhältnisse, der Einführung obligatorischer Unterstützungsbeiträge bei den Arbeitseinstellungen und Aussperrungen. 12./15. August 1907 Der internationale Metallarbeiterkongreß in Brüssel erklärt die Schaffung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses zwischen allen dem Bund angeschlossenen Organisationen für dringend notwendig. Es soll die Erhaltung der Mitgliedschaft im Ausland, die Erhaltung der Rechte auf Unterstützung im Ausland und gegenseitige Unterstützungen bei Streiks und Aussperrungen, die die Mittel der Landesorganisationen in außerordentlichem Maß beanspruchen, umfassen. Die britischen Metallarbeiter stimmen diesem Beschluß nicht zu, da ihre Organisationsstruktur die Annahme verbiete. 16./17. August 1907 In Stuttgart wird eine "Internationale Union der Schuhmacher" gegründet. Sekretär wird Josef Simon. 16./19. August 1907 Die internationale Maurerkonferenz in Stuttgart beschließt ein internationales Sekretariat einzurichten und wählt Bömelburg zum internationalen Sekretär.
18./24. August 1907 Der Internationale Sozialisten-Kongreß in Stuttgart. Der Kongreß verpflichtet nach lebhafter Diskussion die sozialistischen Parteien, mit allen Kräften gegen die Rüstungen zu kämpfen und die Jugend der Arbeiterklasse im Geiste der Völkerverbrüderung und des Sozialismus zu erziehen. Die Internationale sei jedoch außerstande, die in den verschiedenen Ländern naturgemäß verschiedenen, der Zeit und dem Ort entsprechenden Aktionen der Arbeiterklasse gegen den Militarismus in starre Formen zu bannen.
24./25. August 1907 Der erste internationale Kongreß der Bäcker und Konditoren in Stuttgart beschließt, ein internationales Sekretariat in Hamburg einzurichten. Der Kongreß ist der Auffassung, daß ein entschiedener Kampf für den gesetzlichen Arbeitsschutz geführt werden muß. Die Forderungen der Bäcker und Konditoren faßt der Kongreß in einer umfangreichen Resolution zusammen. 24./26. August 1907 Auf der 1. Internationalen Konferenz der sozialistischen Jugendorganisation in Stuttgart wird die Sozialistischen Jugendinternationale gegründet und ein Internationales Büro geschaffen. 25. August 1907 Die erste internationale Konferenz der Staats- und Gemeindearbeiter in Stuttgart verlangt die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht für die Arbeiter in öffentlichen Betrieben. Die Konferenz beschließt, ein internationales Sekretariat mit Sitz in Berlin einzurichten.
26. August 1907 Die erste internationale Konferenz der Friseurgehilfenorganisation in Stuttgart beschließt die Bildung eines internationalen Sekretariats und ein sozialpolitisches Programm; Unterstellung des Friseurgewerbes unter die Gewerbeinspektion, Beseitigung des Kost- und Logiszwangs, gesetzliche Anerkennung der Tarifverträge, eine höchste wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden, Erlaß hygienischer Vorschriften für die Arbeitsräume. 1./5. September 1907 Die Generalversammlung des Gärtnervereins in Dresden beschließt, den Mitgliedern nur dort eine Arbeitsruhe am 1. Mai zu empfehlen, wo dies ohne Schädigung der Beteiligten und der Organisationen möglich ist. Unterstützung an Ausgesperrte kann nicht gewährt werden. 2./5. September 1907 Der Verbandstag der Fleischer in Frankfurt a. Main fordert den 12stündigen Arbeitstag und die Beseitigung der sanitären Mißstände im Beruf.
15./16. September 1907 Die internationale Konferenz der Sekretäre der gewerkschaftlichen Landeszentralen in Kristiania erachtet die Fragen des Militarismus und Generalstreiks als solche, die nicht von einer Konferenz von Gewerkschaftsfunktionären, sondern nur von der Vertretung der Gesamtheit des internationales Proletariats, von den regelmäßig stattfindenden internationalen Sozialistenkongressen zu erledigen sind.
15./21. September 1907 Der SPD-Parteitag in Essen ermächtigt den Parteivorstand, die Verhandlungen mit der Generalkommission über den 1. Mai weiterzuführen. Es gehe darum, die Arbeitsniederlegung am 1. Mai bei drohender Aussperrung nicht zu praktizieren und um die Unterstützung für anläßlich des 1. Mai Ausgesperrte.
16./20. September 1907 Auf dem internationalen Bergarbeiterkongreß in Salzburg kommt es zu Diskussionen über die nationalen Vertretungen und deren Stimmrecht, da aus Deutschland alle drei Bergarbeiterverbände anwesend sind.
19./21. September 1907 Der internationale Kongreß der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe in Kopenhagen beschließt, das Sekretariat nach Berlin zu verlegen und ein dreimonatliches Bulletin in drei Sprachen herauszugeben.
Herbst 1907 Beginn einer wirtschaftlichen Depression. 29. September 1907 Eine außerordentliche Generalversammlung des Senefelderbundes in München beschließt die Auflösung des Bundes. Dies wird auf einer anschließend durchgeführten außerordentlichen Generalversammlung des Lithographenverbandes bestätigt, so daß die 1905 schon einmal beschlossene Vereinigung nun endgültig vollzogen wird. Der Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe verfügt damit über das beste gewerkschaftliche Unterstützungsystem in Deutschland. 1. Oktober 1907 Der 1897 gegründete Verband der Graveure und Ziseleure schließt sich dem "Deutschen Metallarbeiterverband" an. 5. Oktober 1907 Die Generalkommission ruft die "Arbeiter und Arbeiterfrauen" auf, nicht nach acht Uhr abends und sonntags einzukaufen, um die Forderung der Handelsangestellten nach einer gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit zu unterstützen. 14./20. Oktober 1907 Die Generalversammlung des Tabakarbeiterverbandes in Bielefeld hält den Gesetzentwurf zur Zigarrenherstellung in Heimarbeit für unzureichend und fordert erneut das gänzliche Verbot der Hausarbeit in der gesamten Tabakindustrie.
20./22. Oktober 1907 Auf dem "Zweiten Deutschen Arbeiterkongreß" in Berlin, auf dem rund 100 Organisationen der christlichen Gewerkschaften, von Berufsvereinen, evangelischen und katholischen Arbeitervereinen vertreten sind - die Gewerkvereine lehnen eine Teilnahme erneut ab -, betont der Vorsitzende Behrens, die Stellung der christlich-nationalen Arbeiter zu der Sozialdemokratie sei ein grundsätzlicher und unüberbrückbarer Gegensatz; trotzdem könne es vorkommen, daß man hier und da mit sozialdemokratischen Organisationen eine Wegstrecke zusammenginge. Die Hauptaufgabe sei nicht der Kampf gegen die Sozialdemokratie, sondern der Standpunkt der christlichen Weltanschauung, die Treue zu Kaiser und Reich zu verteidigen und für die sittliche, soziale und wirtschaftliche Hebung der deutschen Arbeitnehmer überall positiv einzutreten. Zahlreiche Delegierte beklagen, daß die Regierung die Forderungen von 1903 nicht erfüllt habe.
21./25. Oktober 1907 Der Verbandstag des Seemannsverbandes in Hamburg stimmt der Bildung eines Transportarbeiterverbandes zu.
28. Oktober 1907 Der Zentralverband deutscher Industrieller legt auf einer Tagung in Anwesenheit zahlreicher Regierungsvertreter seine Forderungen vor, dazu gehören u.a.: Bekämpfung der Sozialdemokratie, als der gefährlichsten Feindin der wahren Interessen des Arbeiterstandes; Reorganisation der Krankenkassen im Sinne eines veränderten Stimmenverhältnisses; Änderung der Arbeiterversicherungsgesetze im Sinne der Zusammenlegung, ohne Einschränkung des Bestandes und der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften; Zustimmung zur Pensionsversicherung der Privatangestellten unter der Voraussetzung, daß die Konkurrenzklausel für technische und kaufmännische Beamte auch ferner aufrechterhalten wird; Erhaltung der Hausindustrie; Einspruch gegen die weitgesteckten sozialpolitischen Ziele, insbesondere gegen Belastung der Industrie durch Beschränkungen und Einengung der Betriebe, Entziehung von Arbeitskräften, Verkürzung der Arbeitszeit, achtstündige Schichten, Beschränkung der Höchstarbeitszeit der Arbeiterinnen; Zurückweisung jeder Beschränkung der Sonntagsarbeit, die zur Erhaltung der Betriebe und Fortsetzung der Arbeit erforderlich ist; weitere Bekämpfung aller Tarifverträge unter Hinweis auf seinen bereits im Jahre 1905 geführten Beschluß; Abwehr aller Bestrebungen, die autoritative Stellung des Unternehmers in seinem Betriebe anzutasten; keine weitere Ausdehnung des Koalitionsrechts, dafür aber gesetzliche Maßnahmen, um die Freiheit der Arbeit wirkungsvoller als bisher zu schützen und die der Schreckensherrschaft der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften noch nicht verfallenen Arbeiter von dieser zu befreien.
Oktober / November 1907 In der Wochenschrift "Die neue Gesellschaft" wird die Gründung einer Gewerkschaftsbank vorgeschlagen. 19. November 1907 Eine außerordentliche Frauenkonferenz der SPD in Berlin befaßt sich ausschließlich mit der Organisierung der Dienstboten, nachdem in einigen Städten so u.a. in Nürnberg, Hamburg und Berlin seit März 1906 Vereine für Dienstmädchen, Wasch- und Putzfrauen gegründet worden waren. Diese Absichten werden von der Generalkommission nicht unterstützt, da sie gegen eine Zentralisierung der Dienstbotenbewegung ist. 22. November 1907 Eine Konferenz von Vertretern der Verbände der Bäcker, Brauereiarbeiter, Fleischer und Mühlenarbeiter in Hannover stimmt im Prinzip der Bildung eines Industrieverbandes zu. Die Frage soll in den Mitgliederversammlungen erörtert werden. Dezember 1907 Der "Koalitionszwang" im Buchdrucker-Tarifvertrag wird geändert: Für die Mitglieder des "Deutschen Buchdruckervereins" soll in Zukunft nicht mehr die Gewerkschaftszugehörigkeit, sondern nur noch der Gesichtspunkt der Tarifanerkennung bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte maßgebend sein; umgekehrt dürfen die organisierten Druckarbeiter von nun an in allen tariftreuen Betrieben ohne Rücksicht auf die Verbandszugehörigkeit des Inhabers arbeiten. 2. Dezember 1907 Der Staatssekretär des Innern v. Bethmann-Hollweg legt dem Reichstag ein neues sozialpolitisches Programm vor. Es zielt auf: reichsgesetzliche Regelung des Vereins- und Versammlungswesens, Errichtung von Arbeitskammern, Zehnstundentag für Frauen, Vereinheitlichung der Arbeiterversicherung und Ausbau des Arbeiterschutzes. 16./17. Dezember 1907 Die Konferenz der Vertreter der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschäftigt sich mit dem Ausbau der gewerkschaftlichen Unterrichtskurse, die inzwischen auf jeweils 6 Wochen und 70 Teilnehmer ausgedehnt werden.
20. Dezember 1907 Die Auseinandersetzung der Angestelltenverbände um die "Alternative Sonderkasse" oder Ausbau der Invaliditäts- und Altersversicherung führt zur Trennung der Verbände vom "Hauptausschuß", die eine eigene Versicherung ablehnen und zur Gründung der "Freien Vereinigung für die soziale Versicherung der Angestellten". Ende 1907 Im Baugewerbe verschärft sich die Lage, zahlreiche Arbeitgeber versuchen die Ausbreitung der Tarifverträge abzubremsen und beschließen einen "Normalvertragsentwurf", der u.a. vorsieht, daß Überstunden-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit "auf Verlangen des Arbeitgebers" geleistet werden soll, Tariflöhne nur für "tüchtige" Arbeiter festzulegen seien, die Vereinbarung "eines geringeren Lohnes für invalide, altersschwache oder in ihrer Leistungsfähigkeit beschränkte und jugendliche Arbeiter" durch individuelle Abmachungen zu regeln sei, die Akkordlohnfestsetzung der "freien Vereinbarung" unterliege und bei witterungsbedingtem oder durch Materialmangel, Streik oder polizeiliche Verordnung verursachtem Arbeitsausfall kein Anspruch auf Entlohnung bestehe.
Es bestehen 913 katholische Arbeitervereine mit 120.000 Mitgliedern und 800 berufliche Fachabteilungen.
Der Malerverband und der "Hauptverband Deutscher Arbeitgeberverbände im Malergewerbe" vereinbaren, ein paritätisches "Haupttarifamt" in Berlin zu errichten und zentrale Tarifverhandlungen aufzunehmen.
Der Generalkommission gehören 61 Verbände mit 1.865.500 Mitgliedern, davon rund 137.000 weiblichen, an.
1907 fanden 5.067 Lohnbewegungen ohne Streik statt. 4.801 dienten der Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Von diesen waren 37.733 erfolgreich, 843 teilweise erfolgreich, 205 erfolglos und 6 ohne bekanntes Ergebnis.
In Deutschland bestehen nach der ersten amtlichen Statistik 5.324 Tarifverträge für 111.050 Betriebe mit 974.564 Beschäftigten. Damit sind ca. 6,3% aller in der Landwirtschaft und Industrie sowie Handel und Gewerbe tätigen Arbeiter durch Tarifverträge erfaßt. 1913 ist der Anteil auf 9% gestiegen.
Von den im Bereich des Zimmererverbandes bestehenden 407 Tarifverträgen enthalten sämtliche Tarifverträge Bestimmungen über die Arbeitslöhne, wobei rund 95% einheitliche Tariflöhne und nur 5% differenzierte Lohngruppen vorsehen; lediglich 20% der Verträge sprechen ein direktes Verbot oder eine nur eingeschränkte Zulassung der Akkordarbeit aus, während 76% die Akkordfrage nicht erwähnen und nur 4% eine generelle Anerkennungsklausel enthalten. In 85% aller Verträge finden sich Abmachungen über Überstundenzuschläge, in 77% über Lohnzulagen bei Sonntags- und in 74% über Zulagen bei Nachtarbeit; in Bezug auf die Arbeitszeit erwähnt die Verbandspublikation lediglich, daß sie in allen Verträgen geregelt war. Die größten Angestelltenverbände sind der "Deutschnationale Handlungsgehilfenverband" mit rund 108.000, der "Verband deutscher Handlungsgehilfen" mit rund 80.000, der "Verein für Handlungscommis" von 1858 mit rund 80.000, der "Deutsche Verband kaufmännischer Vereine" mit rund 77.000, der "Deutsche Werkmeisterverband" mit rund 47.000 und der "Deutsche Technikerverband" mit rund 25.000 Mitgliedern. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |