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1907

Die Fluktuation bei den Gewerkschaftsmitgliedern ist immer noch sehr stark. So stellt der Maurerverband in einem Rückblick fest, daß dem Maurerverband im Zeitraum von 1891 bis 1907 mehr als 600.000 Mitglieder beigetreten waren. Diese Zahl ist doppelt so hoch wie die Zahl der Maurer, die selbst während der Hochkonjunktur innerhalb eines Jahres im Baugewerbe beschäftigt gewesen waren: "Es ist also nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß bis auf einen winzigen Rest die übergroße Mehrzahl aller deutschen Maurer schon einmal, viele Tausende mehrere Male Mitglieder unseres Verbandes gewesen sind."
Für die Ursachen dieser Lage gibt es auch für den Maurerverband keine eindeutige Begründung.
Erklärbare Mitgliederverluste durch Tod, Militärdienst, Berufswechsel oder Auswanderung machen nur einen geringen Prozentsatz aus; Arbeitslosigkeit will die Verbandsleitung nicht als hinreichenden Austrittsgrund gelten lassen, weil den betroffenen Mitgliedern eine Beitragsstundung gewährt wird. Als Ursache wird nur die "abgrundtiefe Gleichgültigkeit und Böswilligkeit" vieler Maurer genannt.

Eine neue Berufszählung zeigt u.a. folgende Ergebnisse: Die Erwerbsquote der Bevölkerung in Deutschland liegt bei 45,5 Prozent gegenüber 41,9 Prozent 1882.
In der Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei sind 35,2%, im Produzierenden Gewerbe 40,1%, im Handel 12,4% und im Dienstleitungsbereich ebenfalls 12,4% der Erwerbspersonen beschäftigt.
19,6% sind als Selbständige, 15,3% als mithelfende Familienangehörige, 10,3% als Beamte und Angestellte und 54% als Arbeiter tätig.
26,4% aller Frauen sind erwerbstätig. Der Frauenanteil an den Erwerbstätigen beträgt 35,8%.
Die Zahl der ungelernten Arbeiter ist von 1,7 Millionen 1895 auf rund 6 Millionen gestiegen, die der gelernten Arbeitskräfte von 6 auf 6,9 Millionen.
Ungelernte Arbeitskräfte sind neben der Landwirtschaft vor allem im Handel, Verkehr, Bergbau, in der Chemie und der Industrie der Steine und Erden beschäftigt.
Die Zahl der kleingewerblichen Betriebe (1-5 Personen) steigt seit 1882 kaum an, während sich die der Mittelbetriebe (6-50 Personen) mehr als verdoppelt und die der Großbetriebe (51 und mehr Personen) sogar verdreifacht hat.
Die Anzahl der in den Großbetrieben beschäftigten Personen steigt von 1,6 Millionen auf 5,6 Millionen. In Alleinbetrieben werden 1,45 Mill., in Kleinbetrieben 1,52 Mill., in Mittelbetrieben 2,59 Mill., in der Hausindustrie zwischen 0,5 und 1,0 Mill. Beschäftigte gezählt.
Seit 1882 ist die Zahl der Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten von 127 auf 506 gestiegen.

Auch in diesem Jahr werden Lohnbewegungen der Gewerkschaften mit Aussperrungen bekämpft, so vor allem in der deutschen Holzindustrie, bei den Schneidern und Hamburger Hafenarbeitern.

Bei Streiks zahlt der Fabrikarbeiterverband dem Mitglied nach einem Jahr Organisationszugehörigkeit eine Unterstützung von 12 Mark bei einem durchschnittlichen Wochenverdienst von 22 Mark, weiblichen Mitgliedern eine von 8 Mark bei einem Wochenverdienst von durchschnittlich 11 Mark.

In der "Holzarbeiter-Zeitung" faßt Adolf Braun alle gewerkschaftlichen Argumente für Tarifverträge zusammen: Einschränkung der Streiks, dadurch Stärkung der finanziellen Kraft der Gewerkschaften; Beständigkeit der oft bei guter Konjunktur errungenen tariflichen Arbeitsbedingungen, vor allem Schutz vor Lohnsenkungen bei Verschlechterung der Wirtschaftslage; Anerkennung der Gewerkschaften und der Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital durch die Unternehmer; verbesserte taktische Ausgangslage zur Durchsetzung vorteilhafter Arbeitsbedingungen, da die Arbeitgeber angesichts der gewerkschaftlichen Bereitschaft zu einem längeren Arbeitsfrieden ein höheres Entgegenkommen zeigten.

Die Vorstände des Fabrikantenverbandes und des Zentralverbandes der Schuhmacher einigen sich, Konflikte, welche wegen Personen und Organisationsfragen entstehen, vor einer eventuellen Arbeitseinstellung durch gemeinsame Verhandlungen einer friedlichen Lösung zuzuführen.

Der "Arbeiter-Samariter-Bund" wird gegründet, der sich 1909 in Magdeburg seine endgültige Organisationsstruktur gibt. Die Aufgaben des Bundes liegen u.a. in der Ausbildung der Hygiene, Krankenpflege und Erster Hilfe sowie in Hilfeleistungen bei Unfällen und Erkrankungen sowie in der Überwachung von Arbeitsschutzbestimmungen. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges zählt der ASB 5.500 Mitglieder.

Auf seiner Generalversammlung verabschiedet der "Bund der Industriellen" Leitsätze zum Tarifvertragswesen: "Der Abschluß von Tarifverträgen in geeigneten Industrien kann befürwortet werden. Obwohl unter den gegebenen Verhältnissen nicht empfehlenswert, kann die Verhandlung der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern von Koalition zu Koalition grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Die Ablehnung ist vielmehr von Fall zu Fall zu entscheiden."

12. Januar / 11. Mai 1907

In Berlin werden nach ergebnislosen Tarifverhandlungen über 8.000 Holzarbeiter ausgesperrt. Diese Kampfmaßnahmen werden im April auf 12 weitere Städte ausgedehnt, enden aber mit einem Erfolg des Holzarbeiterverbandes. In 13 örtlichen Tarifverträgen erreichen sie Arbeitszeitverkürzungen und Lohnerhöhungen.

25. Januar 1907

Nach einem Wahlkampf mit sehr starken nationalistischen Parolen - die sogenannten Hugenottenwahlen - gewinnt die SPD bei den Reichstagswahlen dennoch 250.000 Stimmen. Trotz des Stimmengewinns verliert die Partei beinahe die Hälfte ihrer Mandate und zieht nur noch mit 43 Abgeordneten, das sind 10,8%, in den neuen Reichstag. Das Zentrum erhält 104 Mandate, obwohl mehr als 1 Million Stimmen weniger für diese Partei abgeben werden.
Es beginnt die Ära der "Blockpolitik", des Bündnisses von Konservativen und Liberalen.
Dem neuen Reichstag gehören 12 führende sozialdemokratische Gewerkschafter an, darunter T. Bömelburg, Hue, C. Legien, Sachse, Robert Schmidt und C. Severing.
Während die Gewerkvereine keinen Abgeordneten im Reichstag haben, sind es bei den christlichen Gewerkschaften u.a.: I. Giesberts, Schiffer.

16. Februar 1907

Nach einer Übersicht im "Correspondenzblatt" über "Die Ferienverhältnisse des Personals der Staatseisenbahnen in Deutschlands" gewähren neun Eisenbahnverwaltungen Urlaub von 3 Tagen bis 5 Wochen (nur für Beamte der beiden höchsten Gehaltsgruppen).
Die Dauer des Urlaubs ist abhängig von der Tätigkeit, der Lohn- bzw. Gehaltsgruppe, der Dauer der Beschäftigung. Ein Recht auf Urlaub haben die Arbeiter nicht, Urlaub wird nur gewährt, wenn dienstliche Rücksichten nicht entgegenstehen, und vor allem ist Urlaub abhängig von guter Führung und zufriedenstellenden Leistungen.

17. Februar 1907

Mit einer Bundesratsverordnung werden die Arbeitsschutzbestimmungen für die Tabak- und Zigarrenherstellung etwas verbessert. Reine Familienbetriebe (Hausindustrie) sind von der Geltung der Vorschriften weiter ausgeschlossen.

Der neu gegründete "Werkmeisterverband der Schuhindustrie" mit Sitz in Frankfurt a. Main organisiert die "Betriebsbeamten" der Schuh- und Schäftefabrikation: Betriebsleiter, Obermeister, Werkmeister, Meister, Modelleure, Hilfsmodelleure, Hilfsmeister, Meisterinnen und Hilfsmeisterinnen. 1914 hat der Verband 2.262 Mitglieder in 51 Bezirksvereinen. Der Verband arbeitet von Anfang an eng mit dem Zentralverband der Schuhmacher zusammen. Der Verband gibt die "Schuh-Post" heraus.

17. Februar / 23. Februar 1907

Der Verbandstag der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen in Leipzig beschließt einen Landestarifvertrag anzustreben. Für außerordentliche Anlässe wird ein Verbandsbeirat gebildet.

23. Februar 1907

Nach einer Übersicht im "Correspondenzblatt" ist in 6 Tarifverträgen (Holz 1x, Steinmetzen 2x, Schläger 2x, Schlosser 1x) eine 8stündige Arbeitszeit vereinbart.

März 1907

Der Zentralrat der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine erklärt zu den Gründungen "gelber Werkvereine": "In der Entstehung und verhältnismäßig raschen Ausbreitung der sogenannten "gelben" Gewerkschaften erblickt der Centralrat eine Folge des überradikalen Vorgehens der sozialdemokratischen Gewerkschaften, gleichzeitig aber eine überaus große Gefahr für die gedeihliche Entwicklung der Organisation der Arbeiter und für die gesunde Arbeiterbewegung überhaupt. Um dem weiteren Vordringen jener schädlichen Gebilde Einhalt zu tun, empfiehlt der Centralrat den Generalräten bezw. Hauptvorständen der deutschen Gewerkvereine, mit allen Mitteln, selbstverständlich unter entschiedener Wahrung unserer Grundsätze bei den Unternehmerverbänden die volle Anerkennung unserer Organisation zu erwirken. Zugleich werden die Gewerkvereinsmitglieder aufgefordert, ihre Mitarbeiter nachdrücklichst auf die durch die gelben Gewerkschaften heraufbeschworenen Gefahren aufmerksam zu machen und zu warnen, nur scheinbarer Vorteile wegen, das gesetzlich gewährleistete Koalitionsrecht preiszugeben."
Innerhalb der evangelischen Arbeitervereine kommt es zu keiner eindeutigen Distanzierung von den Werkvereinen.

9. März / 22. April 1907

In Hamburg werden mehr als 5.000 Hafenarbeiter ausgesperrt, weil sie sich weigern unbegrenzte Nachtarbeit auszuführen.
Den Hamburger Reedern gelingt es, etwa 1.500 Streikbrecher in englischen Hafenstädten anzuwerben.
Die Aussperrung endet mit Erfolgen für die Hafenarbeiter, die ohne Ausnahme wieder eingestellt werden. Anstelle der 36stündigen Arbeitszeit wird Schichtarbeit eingeführt.

10./13. März 1907

Die Generalversammlung der Bäcker in Kassel hebt den Zentralarbeitsnachweis des Verbandes auf. An dessen Stelle werden in allen Bezirken Arbeitsnachweise errichtet, denen auch die Arbeitsvermittlung für die Konsum- und Genossenschaftsbäckereien übertragen wird.
Die Krankenunterstützung wird auf Wöchnerinnen, die Sterbeunterstützung auf die Ehefrauen der Mitglieder ausgedehnt.
Der Geschäftsbericht stellt eine starke Entwicklung zum Großbetrieb fest. Die Zahl der Betriebe mit mehr als 10 Arbeitern ist von 97 Betrieben 1901 auf 367 1906 gestiegen.

20. März 1907

Der "Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller" beschließt einstimmig, daß einzelne Arbeitgeber "auf keinen Fall" mit einer Arbeiterorganisation verhandeln und Verhandlungen von Organisation zu Organisation möglichst vermeiden sollen. Dagegen können streikende Arbeiter eine Kommission wählen, deren sieben Mitglieder "nicht sämtlich direkt" am Arbeitskampf beteiligt zu sein brauchen. Dem hinzugezogenen "Dritten", d.h. dem Gewerkschaftsfunktionär, darf jedoch die Formulierung der Vereinbarung nicht überlassen werden. Dieses Verfahren setzt sich in den folgenden Jahren trotz anfänglicher Widerstände durch.
Damit wird zum ersten Mal die starre Haltung des "Centralverbandes Deutscher Industrieller" durchbrochen.

30. März / 4. April 1907

Der Verbandstag der Portefeuiller- und Ledergalanteriearbeiter in Berlin ist mit einer Verschmelzung des Verbandes mit dem der Sattler einverstanden.
Die Delegierten stellen fest, daß der abgeschlossene Tarifvertrag ein großer Fortschritt für das Gewerbe sei.
Der Verbandstag beschließt, sich dem Internationalen Sekretariat der Sattler anzuschließen.

31. März 1907

Auf der Generalversammlung des Werkmeisterverbandes in Mainz wird die Gründung einer Sparbank und einer Stellenlosenversicherung beschlossen.
Der Verband hat 47.330 Mitglieder.

31. März / 6. April 1907

Die Generalversammlung des Centralverbandes der Glaser in Penzig beschließt, das Verbandsorgan "Der Fachgenosse" vom Redakteur zu kaufen und künftig in eigener Regie herauszugeben. Der Redakteur wird ständiger Mitarbeiter.

April 1907

Die Generalkommission fordert die Vorstände der Zentralverbände und die Gewerkschaftskartelle in einem vertraulichen Rundschreiben auf, die gelben Gewerkschaften intensiv zu beobachten. "Bei den Mitteln, die es sich der Reichsverband und das organisierte Unternehmertum kosten lassen, diese Gebilde groß zu ziehen, ist sicher damit zu rechnen, daß vorläufig die Entwicklung derselben noch nicht abgeschlossen ist, sondern noch weitere Fortschritte machen wird." Der Kampf gegen die "gelbe Pest" wird in den folgenden Jahren von den freien Gewerkschaften mit steigender Erbitterung geführt.

1./4. April 1907

Die Generalversammlung des Deutschen Senefelder-Bundes (Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe) in Hannover beschließt auf Grund des Reichsgerichtsurteils nach einer lebhaften Diskussion, die beiden Organisationen zu trennen.

1./6. April 1907

Der Verbandstag des Centralverbandes der Maurer in Köln stimmt der Aufnahme des Stukkateurverbandes zu, während die des Bauhilfsarbeiterverbandes noch nicht akut sei. Erneut wird eine Beseitigung der Akkordarbeit gefordert.

2./5. April 1907

Der Verbandstag des Verbandes der Hoteldiener in Leipzig erklärt seine Zustimmung zur Verschmelzung mit dem Verband der Gastwirtsgehilfen.
Die Entlohnung durch Trinkgelder soll durch fest tarifliche Löhne beseitigt werden.

2./6. April 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Kupferschmiede in Breslau lehnt einen Zusammenschluß mit dem Metallarbeiterverband ab. Der Verband führt unter Anrechnung anderer Unterstützungen eine Erwerbslosenunterstützung ein.
Der Verbandssitz wird nach Berlin verlegt.

5. April 1907

Ein Kongreß der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe in Hannover beschließt eine neue Gewerkschaft zu gründen: den "Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe (Deutscher Senefelder-Bund)".

7./13. April 1907

Der Verbandstag der baugewerblichen Hilfsarbeiter in Hamburg hält die ablehnende Haltung des Maurerverbandes für die Entwicklung einer Gesamtorganisation der Arbeiter der Bauberufe für hemmend. Er sieht vielmehr in einem Zusammenschluß aller im Baugewerbe beschäftigten Arbeiter die einzig wirksame Organisation.
Der Verbandstag beschließt eine Krankenzuschußkasse, lehnt aber eine Arbeitslosenunterstützung ab.

8./13. April 1907

Die Generalversammlung der Vereinigung der Maler und Berufsgenossen in Leipzig protestiert dagegen, daß zahlreiche Unternehmer das Gesetz gegen die Verwendung von Bleiweiß nicht einhalten.
Den durch die Maifeier ausgesperrten Mitgliedern wird nach der zweiten Woche Streikunterstützung gezahlt, wenn drei Viertel der im Betrieb beschäftigten Mitglieder die Arbeitsruhe beschlossen haben.
Die Vereinigung nennt sich um in "Verband der Maler und Berufsgenossen Deutschlands".

12./17. April 1907

Der Verbandstag der Töpfer in Berlin beauftragt den Vorstand, einen Zusammenschluß mit dem Porzellan- und dem Glasarbeiterverband zu einer Organisation der Keramikarbeiter anzubahnen.
Eine Arbeitslosenunterstützung wird abgelehnt.

14./18. April 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Schiffszimmerer in Hamburg lehnt alle Anträge ab, die eine Unterstützung der wegen der Maifeier Gemaßregelten verlangen.
Sie empfiehlt allen Mitgliedern, in diesem Jahr angesichts der Gesamtsituation auf eine Arbeitsruhe am 1. Mai zu verzichten.
Der Verband schließt sich der Internationalen Holzarbeiterunion an.

14./20. April 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Zimmerer in Köln ist der Ansicht, daß besondere Organisationen zur Wahrung der Interessen der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen nicht zweckmäßig sind; die Aufgabe fällt den gewerkschaftlichen Organisationen zu. Auf die Erziehung der Jugendlichen im Sinne der sozialistischen Weltanschauung ist mehr Wert als bisher zu legen.
Eine Unterstützung der Gemaßregelten am 1. Mai wird abgelehnt.
Arbeitskämpfe ohne Kenntnis des Hauptvorstandes werden finanziell nicht unterstützt.

15. April 1907

Der Parteivorstand rät ab, dort die Arbeit am 1. Mai ruhen zu lassen, wo mit Aussperrungen zu rechnen sei. Die Lohnstreiks in dieser Zeit sollen nicht erschwert werden.

23./26. April 1907

Der Verbandstag der Zivilberufsmusiker in Dresden lehnt die Einführung einer Krankenunterstützung ab. Der Sitz des Verbandes wird nach Berlin verlegt.

25. April 1907

G. Noske bestätigt im Reichstag, daß die Sozialdemokratie ihr Vaterland im Falle eines Angriffs auf Deutschland verteidigen werde.

5./9. Mai 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Bergarbeiter in Dortmund erachtet ein Reichsgesetz für dringend notwendig, denn die größten Mißstände bestehen nach wie vor, die Zahl der Betriebsunfälle steigt ständig an. Hauptforderungen für das Berggesetz sind u.a.: die Höchstdauer für die Schichtzeit soll 8 Stunden betragen; die Frauenarbeit im Bergbau ist zu verbieten; Einheitlichkeit des Knappschaftswesens und geheime Wahl bei den Knappschaftswahlen; Einführung von Grubenkontrolleuren, die von den Arbeitern gewählt werden.
Mit einem neuen Streikreglement sollen die "wilden, planlosen" Streiks eingedämmt werden.

12. Mai 1907

Der Bundestag des Bundes technisch-industrieller Beamten in Berlin verabschiedet ein umfangreiches sozial-politisches Programm, in dem der gesetzliche 8-Stundentag, Mindestgehälter, Koalitions- und Vereinsfreiheit, die Reform des technischen Schulwesens, Kündigungsfristen, Dienstkautionen, die Konkurrenzklausel, der gesetzliche Schutz an den Erfindungen und einen gerechten Anteil - mindestens ein Drittel - am Nutzen und die Ausdehnung der Zuständigkeit der Gewerbegerichte auf alle technischen Angestellten eine wesentliche Rolle spielen.
Der Bund hat 9.000 Mitglieder.

19. Mai 1907

In Berlin wird der "Bund vaterländischer Arbeitervereine" gegründet, der dem Reichsverband gegen die Sozialdemokratie nahesteht. Seine Bedeutung bleibt sehr gering. 1911 hat er rund 30.000 Mitglieder.
In zunehmendem Maße werden sie zu Hilfsorganisationen der "gelben" Werkvereine. Sie müssen sich auf kleinere Betriebe mit weniger als 100 Arbeitern beschränken, in denen die Werkvereine nicht lebensfähig sind.

19./22. Mai 1907

Der Verbandstag der Mühlenarbeiter in Mainz verpflichtet den Vorstand, der Gründung eines Lebensmittelarbeiter-Verbandes wieder näher zu treten.
Der Verband führt künftig den Namen "Centralverband der Mühlenarbeiter Deutschlands".

19./24. Mai 1907

Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Berlin beauftragt den Vorstand mit dem Lederarbeiterverband über einen Übertritt zu verhandeln. Die Löhne sind für zwei Drittel aller Verbandsmitglieder tariflich festgelegt.

20./23. Mai 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Lagerhalter und Lagerhalterinnen in Leipzig hält eine Verschmelzung mit dem Verband der Handlungsgehilfen für nicht akut.

20./25. Mai 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter in Berlin diskutiert ausführlich Grenzstreitigkeiten mit anderen Verbänden und verurteilt das Verhalten des Brauerverbandes, der die Organisation der Bierfahrer beansprucht.
Die Generalversammlung fordert die Rechtsfähigkeit für alle Berufsvereine ohne jede Einschränkung. Alle Mitglieder werden verpflichtet, die jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen dem Verband als Mitglieder zuzuführen.
Tarifverträge werden für notwendig gehalten. Ohne Zustimmung des Vorstandes dürfen Tarifverträge nicht abgeschlossen werden. Die Generalversammlung stimmt einem Zusammenschluß der Transportarbeiterorganisation zu.
Der Verband nennt sich nun "Deutscher Transportarbeiterverband".

20./26. Mai 1907

Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in München diskutiert ausführlich Änderungen des Statuts, die sich auf das Delegationsrecht, die Unterstützungen, die Schiedsgerichtsverfahren und die Beiträge beziehen. Die Einführung von Staffelbeiträgen wird abgelehnt. Jugendliche Mitglieder unter 18 Jahren zahlen den gleichen Beitrag wie weibliche Mitglieder, welcher bei ca. 40% des Beitrags männlicher Mitglieder liegt.
Ein Antrag, mehr für die Metallarbeiter im Ruhrgebiet zu tun, wird an den Vorstand überwiesen.
Die Metallarbeiter-Zeitung wird eine Beilage in polnischer Sprache schaffen.

20./27. Mai 1907

Der Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in Berlin diskutiert die Politik der Gewerkvereine; zahlreiche Delegierte u.a. A. Erkelenz fordern weniger Friedfertigkeit und Harmonie, da in der Gegenwart der Kampf überwiege, da die Arbeitgeber sich dem friedlichen Vorgehen durchaus unzulänglich gezeigt hätten.
Der Verbandstag verabschiedet ein Programm:
"Die Gewerkvereine stehen auf nationalem Boden, sie erwarten daher die Besserung der Arbeiterlage nicht von einer internationalen Verbrüderung, wohl aber erstreben sie den Austausch der Erfahrungen mit ausländischen Gewerkvereinen und die gegenseitige Förderung der Arbeiterinteressen. Die Gewerkvereine sind religiös neutral und parteipolitisch unabhängig. Die grundlegende Richtung der Gewerkvereine ist eine volkstümlich freiheitliche. Die Gewerkvereine fördern die soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung beider Geschlechter. Sie erstreben in wirtschaftlicher Hinsicht für den Arbeiter einen wachsenden Anteil an dem Ertrage der Arbeit. Die Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge hat unter gleichberechtigter Mitwirkung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erfolgen. Sie geben grundsätzlich dem Weg der Verständigung den Vorzug, scheuen aber den Kampf nicht, wo ihren berechtigten Forderungen die Anerkennung versagt wird oder ihre Rechte und Interessen verletzt werden.
Die Gewerkvereine verlangen von der Gesetzgebung: Umfassende Sicherung und Ausbau des allgemeinen Arbeiterschutzes, Beseitigung aller Gesetze, die die Aufwärtsbewegung der Arbeiterschaft hemmen, sowie ausgedehnte Einwirkung auf bessere geistige und sittliche Erziehung des Volkes.
Zur Durchführung ihrer Aufgaben bedienen sich die Gewerkvereine folgender Mittel:
1. Des gemeinsamen Vorgehens bei Vertretung der Arbeiterinteressen gegenüber den Arbeitgebern und der Gesetzgebung;
2. der Arbeitsvermittlung durch eigene oder paritätische Nachweise;
3. der materiellen Unterstützung der Mitglieder in allen Notlagen des Lebens;
4. der Förderung der beruflichen und allgemeinen Bildung;
5. des genossenschaftlichen Zusammenschlusses zur gemeinsamen Beschaffung der Wohn- und Wirtschaftsbedürfnisse.
Die Gewerkvereine werden aufgefordert, darauf zu dringen, daß die Mitglieder ihre Pflicht als Staatsbürger erfüllen durch Eintritt in die entsprechenden politischen Wahlvereine und in diesen mit Besonnenheit aber voller Energie sich für die Verwirklichung der Gewerkvereinsforderungen betätigen. Das soll geschehen auf dem Boden des deutschen Vaterlandes, dessen Ansehen, Kraft und Größe zu fördern, uns als eine Ehrensache auch aller deutschen Arbeitnehmer gilt.
Der Verbandstag erklärt es als wünschenswert, daß in denjenigen Gewerkvereinen wo der Revers noch besteht, derselbe sobald als möglich beseitigt wird.
Die Ausbreitungs- bezw. Bezirks- oder Agitationsverbände sind freiwillige Zusammenschließungen von Ortsverbänden. Einer statuarischen Anerkennung dieses Zusammenschlusses vom Verbandstag bedarf es nicht. Etwa in den Verbänden zu errichtende Arbeitersekretariate sind vom Verbande möglichst zu unterstützen. Die Schaffung einer Versicherungseinrichtung für die Verbandsbeamten wird von neuem grundsätzlich beschlossen."
Als Nachfolger von M. Hirsch wird mit knapper Mehrheit Karl Goldschmidt zum Vorsitzenden des Verbandes, A. Erkelenz zum Vertreter vor dem Reichsversicherungsamt gewählt.

22./26. Mai 1907

Der Internationale Handschuhmacherkongreß in Stuttgart beschließt, das Sekretariat von Brüssel nach Berlin zu verlegen.

25. Mai 1907

Der Geschäftsführer des Bergbauvereins stellt auf der Generalversammlung des Vereins fest: "Die großen Bewegungen in den letzten Jahren ..., unser Bergarbeiterstreik im Jahre 1905, alle diese Kämpfe galten nicht der Hebung der wirtschaftlichen Lage der Leute, es waren reine Klassenkämpfe und als solche sind sie auch von den Gewerkschaften geführt worden."

3./9. Juni 1907

Die Generalversammlung des Centralvereins der Hutarbeiter in Guben stimmt der Einführung der Erwerbslosenunterstützung für weibliche Mitglieder zu, eine sofortige Einführung für alle Mitglieder erhält nicht die erforderlichen zwei Drittel Mehrheit.
Die Unterstützung von Maifeier-Gemaßregelten wird an eine Reihe von Vorbedingungen gebunden.

Mitte Juni 1907

In den vom Centralverband der Brauereiarbeiter abgeschlossenen Tarifverträgen wird für 413 Betriebe mit 20.170 Beschäftigten Urlaub ohne Lohnabzug vereinbart. Die Urlaubsdauer reicht von einem Tag bis 14 Tagen und ist abhängig von einer bestimmten zeitlichen Betriebszugehörigkeit.

16./19. Juni 1907

Die Generalversammlung des Verbandes der Graveure und Ziseleure in Nürnberg beschließt den Anschluß an den Metallarbeiterverband.

17./20. Juni 1907

Auf dem Genossenschaftstag in Düsseldorf kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften. Der Genossenschaftstag erklärt: Genossenschaftliche Lohn- und Arbeitstarife können nicht auf solchen Prinzipien aufgebaut werden, deren Durchführung bei den konkurrierenden Privatbetrieben in weiter Ferne liegt.
Im eigenen Interesse müssen die Genossenschaften das Streben ihrer Arbeiter und Angestellten zwecks Erreichung solcher sozialwirtschaftlichen Ziele nach Kräften unterstützen und bemüht sein, aus eigener freier Entschließung die aufgestellten prinzipiellen Forderungen in den genossenschaftlichen Betrieben mehr und mehr zu verwirklichen.
Der Genossenschaftstag muß es jedoch ablehnen, schon heute solche Forderungen zu realisieren, welche weit über das hinausgehen, was die Gewerkschaften bei den privaten Unternehmern verlangen und durchzusetzen vermögen, und durch welche unter den gegebenen Verhältnissen eine große Anzahl genossenschaftlicher Betriebe konkurrenzunfähig gemacht und damit ihnen, sowie zugleich auch den von ihnen beschäftigten Personen, die Existenzmöglichkeit geraubt würde.
Der Genossenschaftstag ändert den Bäckertarifvertrag so, daß der Bäckerverband ihn ablehnt.
Dem "Centralverband deutscher Konsumvereine" sind 900 Konsumvereine, 28 Arbeitsgenossenschaften und eine Großeinkaufsgesellschaft mit rund 780.000 Mitgliedern angeschlossen. Die Vereine beschäftigen 9.800 Personen.

24./29. Juni 1907

Der Verbandstag des Verbandes der Buchbinder in Nürnberg beschließt, die Krankenunterstützung auch für Männer einzuführen. Die Einführung von Staffelbeiträgen soll Buchbindern in Gegenden mit geringen Verdienstmöglichkeiten den Beitritt erleichtern. Erneut wird betont, daß der Vorstand rechtzeitig über geplante Lohnbewegungen zu informieren ist, damit dieser "in wirksamer Weise beratend, fördernd und - wenn es sein muß - warnend eingreifen kann".
Nachdem es zwischen Vorstandsmitgliedern und mit der Berliner Zahlstelle zu Auseinandersetzungen gekommen war, die auf dem Verbandstag fortgesetzt werden, wird der Vorstand zwar wiedergewählt, aber mit der Maßgabe, den Weg eines gangbaren Miteinanders zu suchen.

29. Juni 1907

Die "Lokalisten" lehnen weitere Versuche des SPD-Parteivorstandes, eine Einigung mit der Generalkommission zu erzielen, ab.

Zum ersten Mal erscheint die "Statistische Beilage des Correspondenz-Blattes".

30. Juni / 1. Juli 1907

Eine internationale Konferenz der Vertreter der Buchbinder-Verbände in Nürnberg beschließt die Gründung eines "Internationalen Buchbindersekretariats" mit Sitz in Berlin. Der Vorsitzende des Buchbinderverbandes Emil Kloth wird zum Sekretär gewählt. Die angeschlossenen Verbände aus 7 Ländern beschließen einen Gegenseitigkeitsvertrag zur Unterstützung reisender Mitglieder.

Mitte 1907

68 Stadtverwaltungen gewähren ihren Arbeitern Urlaub unter Fortzahlung ihre Lohnes, 1909 sind es bereits 146 Gemeinden. Meistens wird nach dreijähriger Dienstzeit ein Urlaub zwischen drei Tagen und einer Woche gewährt.

Im Brauereigewerbe ist in Tarifverträgen für 413 Betriebe mit 20.170 Beschäftigten Urlaub, vor allem für die Bierfahrer, vereinbart, der nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit gewährt wird.

Juli 1907

Der Holzarbeiterverband und der Arbeitgeberverband für die Holzindustrie vereinbaren ein Musterregulativ für paritätische Arbeitsnachweise in der Holzindustrie.

1. Juli 1907

Die Verbände der Bäcker und der Konditoren schließen sich zum "Verband der Bäcker, Konditoren, Lebküchler, Arbeiter und Arbeiterinnen in der Kakes-, Zuckerwaren- und Schokoladenindustrie" zusammen.
Das Verbandsorgan erhält den Titel "Deutsche Bäcker-und Konditorenzeitung".

13. Juli 1907

Die "Holzarbeiterzeitung" schreibt: "Gewerkschaften müssen Kampfesorganisationen sein. Entbehren sie dieses Charakters, so erfüllen sie in der gegenwärtigen Zeit nicht ihre Aufgabe.
Eine solche Erklärung wird hier und da, namentlich in bürgerlichen Kreisen, Anstoß erregen. Mit Unrecht! Prinzipielle Gegensätze können eben nicht ausgeglichen, sondern müssen ausgekämpft werden.
Ohne durchgreifende Kämpfe wird die Arbeiterschaft nicht in den dauernden Besitz wirtschaftlicher, sozialer und politischer Gleichberechtigung kommen; deshalb werden auch die Erwartungen derer getäuscht werden, die glauben, daß mit der Tarifbewegung und der Anerkennung derselben durch die Arbeitgeber die wirtschaftlichen Kämpfe beseitigt werden...
Der gewerkschaftliche Kampf richtet sich nach den Anschauungen vieler gegen die Klasse der Arbeitgeber, um von dieser bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erlangen. Ganz richtig ist diese Auffassung nicht. Es gilt in der Arbeiterbewegung nicht den Kampf zu führen allein gegen die Gewinnsucht der Arbeitgeber und um ein besseres materielles Los der Arbeiter, sondern der Kampf richtet sich in seinem Endziel gegen alles das, was sich der Gleichberechtigung der Arbeiter auf allen Gebieten unserer Kultur entgegenstellt."
Ähnliche Auffassungen vertreten in dieser Zeit auch andere christliche Gewerkschaftszeitungen wie z.B. die christliche Textilarbeiterzeitung und die christliche Metallarbeiterzeitung.

11./16. August 1907

Der internationale Tabakarbeiterkongreß in Stuttgart beschäftigt sich mit der Regelung der Gegenseitigkeitsverhältnisse, der Einführung obligatorischer Unterstützungsbeiträge bei den Arbeitseinstellungen und Aussperrungen.

12./15. August 1907

Der internationale Metallarbeiterkongreß in Brüssel erklärt die Schaffung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses zwischen allen dem Bund angeschlossenen Organisationen für dringend notwendig. Es soll die Erhaltung der Mitgliedschaft im Ausland, die Erhaltung der Rechte auf Unterstützung im Ausland und gegenseitige Unterstützungen bei Streiks und Aussperrungen, die die Mittel der Landesorganisationen in außerordentlichem Maß beanspruchen, umfassen. Die britischen Metallarbeiter stimmen diesem Beschluß nicht zu, da ihre Organisationsstruktur die Annahme verbiete.

16./17. August 1907

In Stuttgart wird eine "Internationale Union der Schuhmacher" gegründet. Sekretär wird Josef Simon.

16./19. August 1907

Die internationale Maurerkonferenz in Stuttgart beschließt ein internationales Sekretariat einzurichten und wählt Bömelburg zum internationalen Sekretär.
Die Konferenz verabschiedet einen internationalen Kartellvertrag, der für die Mitglieder vor allem den Übertritt aus einer Organisation in die andere unter Wahrung erworbener Rechte regelt.

18./24. August 1907

Der Internationale Sozialisten-Kongreß in Stuttgart. Der Kongreß verpflichtet nach lebhafter Diskussion die sozialistischen Parteien, mit allen Kräften gegen die Rüstungen zu kämpfen und die Jugend der Arbeiterklasse im Geiste der Völkerverbrüderung und des Sozialismus zu erziehen. Die Internationale sei jedoch außerstande, die in den verschiedenen Ländern naturgemäß verschiedenen, der Zeit und dem Ort entsprechenden Aktionen der Arbeiterklasse gegen den Militarismus in starre Formen zu bannen.
Die kapitalistische Kolonialpolitik wird scharf verurteilt. Die große Mehrheit des Kongresses erklärt:
"Partei und Gewerkschaften haben im Emanzipationskampfe des Proletariats gleich wichtige Aufgaben zu erfüllen. Jede der beiden Organisationen hat ein durch ihre Natur bestimmtes eigentümliches Gebiet, auf dem sie ihre Aktion vollständig selbständig zu bestimmen hat.
Es gibt auch ein beiden Organisationen gemeinsames Kampfgebiet, auf dem nur durch einmütiges Zusammenwirken von Partei und Gewerkschaften ein Erfolg erzielt werden kann. Der Kampf des Proletariats werde um so erfolgreicher sein, je inniger die Beziehungen zwischen Partei und Gewerkschaften sind, wobei die Einheitlichkeit der Gewerkschaftsorganisation aber nie außer acht gelassen werden dürfe. Die Gewerkschaften sollen sich in ihren Aktionen von sozialistischem Geist leiten lassen, daß sie nicht ausschließlich ihre Tätigkeit auf der Sorge für berufsgenossenschaftliche Interessen aufbauen, sondern auch die Partei in ihren Aktionen moralisch fördern und unterstützen und sich mit ihr gemeinsam verständigen sollen. Der Kongreß ist der Ansicht, daß die Gewerkschaften um so erfolgreicher den Kampf gegen die Ausbeutung und Unterdrückung zu führen vermögen, je einheitlicher ihre Organisation ist.
Der Kongreß erblicke in der Ein- und Auswanderung der Arbeiter untrennbare Erscheinungen des Kapitalismus, deren Folgen nicht durch ökonomische oder politische Maßnahmen beseitigt werden können, vor allem nicht durch Beschränkung der Freizügigkeit und Ausschluß fremder Rassen. Dagegen habe die organisierte Arbeiterschaft sehr wohl die Pflicht, sich gegen den Massenimport unorganisierter Arbeiter zu wehren und die Ein- und Ausfuhr von Streikbrechern zu hindern. Für Einwanderungsländer wird das Verbot der Ein- und Ausfuhr von Kontraktarbeitern, gesetzlicher Arbeiterschutz, Abschaffung aller Aufenthaltsbeschränkungen und Naturalisationserschwerungen für bestimmte Nationen oder Rassen und für die Gewerkschaften Freizügigkeit nach Maßgabe internationaler Vereinbarungen, sowie Förderung der Gewerkschaften in den Auswanderungsländern gefordert."

24./25. August 1907

Der erste internationale Kongreß der Bäcker und Konditoren in Stuttgart beschließt, ein internationales Sekretariat in Hamburg einzurichten. Der Kongreß ist der Auffassung, daß ein entschiedener Kampf für den gesetzlichen Arbeitsschutz geführt werden muß. Die Forderungen der Bäcker und Konditoren faßt der Kongreß in einer umfangreichen Resolution zusammen.

24./26. August 1907

Auf der 1. Internationalen Konferenz der sozialistischen Jugendorganisation in Stuttgart wird die Sozialistischen Jugendinternationale gegründet und ein Internationales Büro geschaffen.

25. August 1907

Die erste internationale Konferenz der Staats- und Gemeindearbeiter in Stuttgart verlangt die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht für die Arbeiter in öffentlichen Betrieben. Die Konferenz beschließt, ein internationales Sekretariat mit Sitz in Berlin einzurichten.
Der Genuß alkoholhaltiger Getränke in öffentlichen Gebäuden soll möglichst beseitigt werden. Es ist Pflicht der Betriebsverwaltungen, in den Werken für den nötigen Ersatz - Kaffee, Tee u.a. - zu sorgen.

26. August 1907

Die erste internationale Konferenz der Friseurgehilfenorganisation in Stuttgart beschließt die Bildung eines internationalen Sekretariats und ein sozialpolitisches Programm; Unterstellung des Friseurgewerbes unter die Gewerbeinspektion, Beseitigung des Kost- und Logiszwangs, gesetzliche Anerkennung der Tarifverträge, eine höchste wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden, Erlaß hygienischer Vorschriften für die Arbeitsräume.

1./5. September 1907

Die Generalversammlung des Gärtnervereins in Dresden beschließt, den Mitgliedern nur dort eine Arbeitsruhe am 1. Mai zu empfehlen, wo dies ohne Schädigung der Beteiligten und der Organisationen möglich ist. Unterstützung an Ausgesperrte kann nicht gewährt werden.

2./5. September 1907

Der Verbandstag der Fleischer in Frankfurt a. Main fordert den 12stündigen Arbeitstag und die Beseitigung der sanitären Mißstände im Beruf.
Bei nicht genehmigten Streiks kann die Unterstützung verweigert werden.

15./16. September 1907

Die internationale Konferenz der Sekretäre der gewerkschaftlichen Landeszentralen in Kristiania erachtet die Fragen des Militarismus und Generalstreiks als solche, die nicht von einer Konferenz von Gewerkschaftsfunktionären, sondern nur von der Vertretung der Gesamtheit des internationales Proletariats, von den regelmäßig stattfindenden internationalen Sozialistenkongressen zu erledigen sind.
"Die Konferenz verurteilt diejenigen Arbeiter und Arbeitergruppen, die in Konfliktfällen Arbeit als Streikbrecher in anderen Ländern annehmen.
Die Konferenz empfiehlt weiter, in allen Ländern dahin zu wirken, daß die sozialdemokratischen Fraktionen in den Parlamenten beantragen, daß der Export von Streikbrechern und Kontraktarbeitern gesetzlich verboten wird."

15./21. September 1907

Der SPD-Parteitag in Essen ermächtigt den Parteivorstand, die Verhandlungen mit der Generalkommission über den 1. Mai weiterzuführen. Es gehe darum, die Arbeitsniederlegung am 1. Mai bei drohender Aussperrung nicht zu praktizieren und um die Unterstützung für anläßlich des 1. Mai Ausgesperrte.
Die Mehrheit des Parteitages billigt die Rede von G. Noske zur Verteidigung.
Der Parteitag verabschiedet erneut eine Resolution gegen die Alkoholgefahr. Die Kolonialresolution von Stuttgart wird bestätigt.

16./20. September 1907

Auf dem internationalen Bergarbeiterkongreß in Salzburg kommt es zu Diskussionen über die nationalen Vertretungen und deren Stimmrecht, da aus Deutschland alle drei Bergarbeiterverbände anwesend sind.
Ein Beschluß wird nicht gefaßt. Der Kongreß erneuert seine sozialpolitischen Forderungen.

19./21. September 1907

Der internationale Kongreß der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe in Kopenhagen beschließt, das Sekretariat nach Berlin zu verlegen und ein dreimonatliches Bulletin in drei Sprachen herauszugeben.
Bei Streiks sollen in den angeschlossenen Organisationen Sammlungen erfolgen.

Herbst 1907

Beginn einer wirtschaftlichen Depression.

29. September 1907

Eine außerordentliche Generalversammlung des Senefelderbundes in München beschließt die Auflösung des Bundes. Dies wird auf einer anschließend durchgeführten außerordentlichen Generalversammlung des Lithographenverbandes bestätigt, so daß die 1905 schon einmal beschlossene Vereinigung nun endgültig vollzogen wird. Der Verband der Lithographen, Steindrucker und verwandter Berufe verfügt damit über das beste gewerkschaftliche Unterstützungsystem in Deutschland.

1. Oktober 1907

Der 1897 gegründete Verband der Graveure und Ziseleure schließt sich dem "Deutschen Metallarbeiterverband" an.

5. Oktober 1907

Die Generalkommission ruft die "Arbeiter und Arbeiterfrauen" auf, nicht nach acht Uhr abends und sonntags einzukaufen, um die Forderung der Handelsangestellten nach einer gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit zu unterstützen.

14./20. Oktober 1907

Die Generalversammlung des Tabakarbeiterverbandes in Bielefeld hält den Gesetzentwurf zur Zigarrenherstellung in Heimarbeit für unzureichend und fordert erneut das gänzliche Verbot der Hausarbeit in der gesamten Tabakindustrie.
Die Delegierten stimmen dem Anschluß der Luxemburger Tabakarbeiter einstimmig zu.

20./22. Oktober 1907

Auf dem "Zweiten Deutschen Arbeiterkongreß" in Berlin, auf dem rund 100 Organisationen der christlichen Gewerkschaften, von Berufsvereinen, evangelischen und katholischen Arbeitervereinen vertreten sind - die Gewerkvereine lehnen eine Teilnahme erneut ab -, betont der Vorsitzende Behrens, die Stellung der christlich-nationalen Arbeiter zu der Sozialdemokratie sei ein grundsätzlicher und unüberbrückbarer Gegensatz; trotzdem könne es vorkommen, daß man hier und da mit sozialdemokratischen Organisationen eine Wegstrecke zusammenginge. Die Hauptaufgabe sei nicht der Kampf gegen die Sozialdemokratie, sondern der Standpunkt der christlichen Weltanschauung, die Treue zu Kaiser und Reich zu verteidigen und für die sittliche, soziale und wirtschaftliche Hebung der deutschen Arbeitnehmer überall positiv einzutreten. Zahlreiche Delegierte beklagen, daß die Regierung die Forderungen von 1903 nicht erfüllt habe.
Der Kongreß erklärt sich mit allem Nachdruck gegen die "Gelben Gewerkschaften" die in der Regel im Interesse der Unternehmer gegründet und von diesen abhängig sind. Sie können den Arbeitern statt größerer wirtschaftlicher Vorteile und staatsbürgerlicher Freiheiten nur Abhängigkeit, statt Sicherung der Arbeiterrechte höchstens Wohltaten bieten und an Stelle der Erziehung der Arbeiterschaft zum Standesbewußtsein, zur Selbständigkeit und Selbsthilfe werden durch sie wehrlose und daher stets willfährige Hilfstruppen der Unternehmer geschaffen.
"Der Kongreß erhebt entschieden Einspruch gegen die in den meisten deutschen Bundesstaaten vorhandene Ausnahmebesteuerung der Konsumgenossenschaften. Er verlangt für diese nur eine Gleichstellung in rechtlicher und steuerlicher Beziehung mit den anderen Genossenschaften.
Der Kongreß verlangt ein Reichsberggesetz, für das Handels- und Bäckergewerbe die völlige Sonntagsruhe.
In der gesundheitsgefährlichen und schweren Industrie ist der Arbeiterschutz wesentlich zu erweitern.
Der Kongreß fordert die Arbeiterorganisationen auf, sich mehr wie bisher der Arbeiterinnenbewegung anzunehmen, besonders ihre Organisationen in Standes- und Berufsvereinen zu fördern und durch Anstellung von Sekretärinnen auch in den gemischten Organisationen eine Berücksichtigung der weiblichen Eigenart mehr zu ermöglichen. Von der Gesetzgebung verlangt der Kongreß u.a.: Arbeiterinnen die Wahrnehmung ihrer sozialpolitischen Interessen uneingeschränkt zu gewähren; Verbot der Frauenarbeit in der gesundheitsschädlichen und schweren Industrie; Vermehrung der weiblichen Beamten bei der Gewerbeinspektion; Verleihung des Wahlrechts an die Arbeiterinnen für die sozialen Institutionen; gesetzlichen Schutz der Arbeiterinnen in der Hausindustrie."
Der Kongreß fordert weiter ein freiheitliches Reichsvereinsgesetz, die Unterstellung der Heimarbeit unter die Arbeiterversicherung und das Koalitionsrecht für Landarbeiter.
Offizieller Teilnehmer der Reichsregierung ist der Staatssekretär des Innern Theobald v. Bethmann-Hollweg. Es wird ein zwölfköpfiger Ausschuß gewählt, der in der folgenden Zeit mehrere Aufrufe zu sozialpolitischen Fragen veröffentlicht.

21./25. Oktober 1907

Der Verbandstag des Seemannsverbandes in Hamburg stimmt der Bildung eines Transportarbeiterverbandes zu.
Reichsregierung und Reichstag werden aufgefordert, die Bemannung deutscher Schiffe mit Chinesen, Malayen, Laskaren und Negern nur dann zu gestatten, wenn diese der deutschen Sprache mächtig sind und sowohl in wirtschaftlicher als auch rechtlicher Beziehung mit den deutschen bzw. europäischen Seeleuten gleichgestellt werden.
Der Verbandstag verlangt eine Reform der Seemannsordnung.
Der Verband nennt sich um in "Zentralverband der seemännischen Arbeiter Deutschlands".

28. Oktober 1907

Der Zentralverband deutscher Industrieller legt auf einer Tagung in Anwesenheit zahlreicher Regierungsvertreter seine Forderungen vor, dazu gehören u.a.: Bekämpfung der Sozialdemokratie, als der gefährlichsten Feindin der wahren Interessen des Arbeiterstandes; Reorganisation der Krankenkassen im Sinne eines veränderten Stimmenverhältnisses; Änderung der Arbeiterversicherungsgesetze im Sinne der Zusammenlegung, ohne Einschränkung des Bestandes und der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften; Zustimmung zur Pensionsversicherung der Privatangestellten unter der Voraussetzung, daß die Konkurrenzklausel für technische und kaufmännische Beamte auch ferner aufrechterhalten wird; Erhaltung der Hausindustrie; Einspruch gegen die weitgesteckten sozialpolitischen Ziele, insbesondere gegen Belastung der Industrie durch Beschränkungen und Einengung der Betriebe, Entziehung von Arbeitskräften, Verkürzung der Arbeitszeit, achtstündige Schichten, Beschränkung der Höchstarbeitszeit der Arbeiterinnen; Zurückweisung jeder Beschränkung der Sonntagsarbeit, die zur Erhaltung der Betriebe und Fortsetzung der Arbeit erforderlich ist; weitere Bekämpfung aller Tarifverträge unter Hinweis auf seinen bereits im Jahre 1905 geführten Beschluß; Abwehr aller Bestrebungen, die autoritative Stellung des Unternehmers in seinem Betriebe anzutasten; keine weitere Ausdehnung des Koalitionsrechts, dafür aber gesetzliche Maßnahmen, um die Freiheit der Arbeit wirkungsvoller als bisher zu schützen und die der Schreckensherrschaft der Sozialdemokratie und ihrer Gewerkschaften noch nicht verfallenen Arbeiter von dieser zu befreien.
"Der Zentralverband ist bereit, eine reichsrechtliche Zwangsversicherung der Privatangestellten zu fördern, sofern sich diese Versicherung in ihrer Höhe in angemessenen Grenzen hält, nur die geringer besoldeten Angestellten umfaßt und sofern den einzelnen industriellen Betrieben der Fortbestand und die Steuerrichtung von Pensions- und Witwenversorgunskassen als Ersatzinstitutionen der reichsgesetzlichen Zwangsversicherung gestattet bleibt."

Oktober / November 1907

In der Wochenschrift "Die neue Gesellschaft" wird die Gründung einer Gewerkschaftsbank vorgeschlagen.

19. November 1907

Eine außerordentliche Frauenkonferenz der SPD in Berlin befaßt sich ausschließlich mit der Organisierung der Dienstboten, nachdem in einigen Städten so u.a. in Nürnberg, Hamburg und Berlin seit März 1906 Vereine für Dienstmädchen, Wasch- und Putzfrauen gegründet worden waren. Diese Absichten werden von der Generalkommission nicht unterstützt, da sie gegen eine Zentralisierung der Dienstbotenbewegung ist.

22. November 1907

Eine Konferenz von Vertretern der Verbände der Bäcker, Brauereiarbeiter, Fleischer und Mühlenarbeiter in Hannover stimmt im Prinzip der Bildung eines Industrieverbandes zu. Die Frage soll in den Mitgliederversammlungen erörtert werden.

Dezember 1907

Der "Koalitionszwang" im Buchdrucker-Tarifvertrag wird geändert: Für die Mitglieder des "Deutschen Buchdruckervereins" soll in Zukunft nicht mehr die Gewerkschaftszugehörigkeit, sondern nur noch der Gesichtspunkt der Tarifanerkennung bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte maßgebend sein; umgekehrt dürfen die organisierten Druckarbeiter von nun an in allen tariftreuen Betrieben ohne Rücksicht auf die Verbandszugehörigkeit des Inhabers arbeiten.

2. Dezember 1907

Der Staatssekretär des Innern v. Bethmann-Hollweg legt dem Reichstag ein neues sozialpolitisches Programm vor. Es zielt auf: reichsgesetzliche Regelung des Vereins- und Versammlungswesens, Errichtung von Arbeitskammern, Zehnstundentag für Frauen, Vereinheitlichung der Arbeiterversicherung und Ausbau des Arbeiterschutzes.

16./17. Dezember 1907

Die Konferenz der Vertreter der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschäftigt sich mit dem Ausbau der gewerkschaftlichen Unterrichtskurse, die inzwischen auf jeweils 6 Wochen und 70 Teilnehmer ausgedehnt werden.
Der Zusammenschluß der Land- und Waldarbeiter zu einer selbständigen Kommission wird empfohlen. Die Arbeitszeit- und die Streikstatistiken sollen verbessert werden.
Um den Anschluß aller Gewerkschaften, die eigene Literatur veröffentlichen, an den deutschen Buchhandel zu bewirken, empfiehlt die Generalkommission den Vorständen, einen Teil der Auflage ihrer Schriften der Verlagsbuchhandlung Vorwärts in Berlin in Kommissionsverlag zu geben, die den Vertrieb unter günstigen Bedingungen übernehmen will.
Über die Jugendfrage soll auf dem nächsten Gewerkschaftskongreß 1908 diskutiert werden.

20. Dezember 1907

Die Auseinandersetzung der Angestelltenverbände um die "Alternative Sonderkasse" oder Ausbau der Invaliditäts- und Altersversicherung führt zur Trennung der Verbände vom "Hauptausschuß", die eine eigene Versicherung ablehnen und zur Gründung der "Freien Vereinigung für die soziale Versicherung der Angestellten".

Ende 1907

Im Baugewerbe verschärft sich die Lage, zahlreiche Arbeitgeber versuchen die Ausbreitung der Tarifverträge abzubremsen und beschließen einen "Normalvertragsentwurf", der u.a. vorsieht, daß Überstunden-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit "auf Verlangen des Arbeitgebers" geleistet werden soll, Tariflöhne nur für "tüchtige" Arbeiter festzulegen seien, die Vereinbarung "eines geringeren Lohnes für invalide, altersschwache oder in ihrer Leistungsfähigkeit beschränkte und jugendliche Arbeiter" durch individuelle Abmachungen zu regeln sei, die Akkordlohnfestsetzung der "freien Vereinbarung" unterliege und bei witterungsbedingtem oder durch Materialmangel, Streik oder polizeiliche Verordnung verursachtem Arbeitsausfall kein Anspruch auf Entlohnung bestehe.
Die Maurergewerkschaft schließt daraufhin mit den baugewerblichen Hilfsarbeitern und dem Zentralverband der christlichen Maurer ein Aktionsbündnis.
Auf Grund einer verschlechterten Baukonjunktur müssen die Bauarbeiter jedoch 1908 in den Tarifverträgen auf einige ihrer Forderungen verzichten, so z.B. auf Arbeitszeitverkürzungen unter 10 Stunden und Lohnerhöhungen. Zusätzlich wird die Billigung der Akkordarbeit aufgenommen.
Diese Vereinbarungen stoßen auf beiden Seiten auf Widerstand.

Es bestehen 913 katholische Arbeitervereine mit 120.000 Mitgliedern und 800 berufliche Fachabteilungen.
Der Gesamtverband unterhält 22 katholische Arbeitervereine sowie das Reichsarbeitersekretariat in Berlin.

Der Malerverband und der "Hauptverband Deutscher Arbeitgeberverbände im Malergewerbe" vereinbaren, ein paritätisches "Haupttarifamt" in Berlin zu errichten und zentrale Tarifverhandlungen aufzunehmen.
Im Laufe des Jahres hatte der "Verband der Maler, Lackierer, Tüncher und Weißbinder Deutschlands" Richtlinien für lokale Tarifverträge erstellt, die u.a. eine neunstündige Arbeitszeit, abgestufte Tariflöhne für jüngere und ältere Arbeiter und ein Verbot der Akkordarbeit vorsehen.

Der Generalkommission gehören 61 Verbände mit 1.865.500 Mitgliedern, davon rund 137.000 weiblichen, an.
Die größten Verbände sind die der Metallarbeiter mit 355.390, die der Maurer mit 192.580 und die der Holzarbeiter mit 149.500 Mitgliedern.
Die kleinsten Verbände sind die der Notenstecher mit 424, die der Blumenarbeiter mit 430 und die Formstecher mit 437 Mitgliedern.
Die 20 christlichen Gewerkschaften haben 284.650 Mitglieder, davon 24.120 weibliche.
Die größten Verbände sind die der Bergarbeiter mit 768.670, die der Bauarbeiter mit 42.090 und die der Textilarbeiter mit 41.920 Mitgliedern.
Die kleinsten Verbände sind die der Gärtner mit 756, die der Bäcker mit 780 und die der bayerischen Salinenarbeiter mit 924 Mitgliedern.
Die 23 Gewerkvereine haben 108.890 Mitglieder, davon 7.060 weibliche. Die größten Gewerkvereine sind der der Maschinen- und Metallarbeiter mit 40.700, der der Kaufleute mit 19.930 und der der Fabrikarbeiter mit 15.850 Mitgliedern.
Die kleinsten Gewerkvereine sind der der Handelshilfsarbeiter mit 23, der der Reepschläger mit 47 und der der Kellner mit 48 Mitgliedern.
Im Bereich der Generalkommission bestehen 96 Arbeitersekretariate und 587 Gewerkschaftskartelle. 374 Kartelle unterhalten eine Bibliothek, 56 ein Lesezimmer.
Bei den Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen bestehen 161 Ortskartelle, bei den christlichen Gewerkschaften 184.
Die lokalistischen Verbände zählen rund 20.460 Mitglieder, die sogenannten unabhängigen christlichen Verbände 80.440 Mitglieder, darunter der Verband der Deutschen Eisenbahnhandwerker mit 37.430 Mitglieder.

1907 fanden 5.067 Lohnbewegungen ohne Streik statt. 4.801 dienten der Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Von diesen waren 37.733 erfolgreich, 843 teilweise erfolgreich, 205 erfolglos und 6 ohne bekanntes Ergebnis.
Von der Generalkommission wurden für dieses Jahr 1.635 Angriffsstreiks, 834 Abwehrstreiks und 323 Aussperrungen registriert, an denen 281.000 Personen beteiligt waren. Von den Angriffsstreiks enden 830 mit vollem Erfolg, 472 mit teilweisem Erfolg und 257 waren erfolglos, 46 mit unbekanntem Ergebnis.
Von den Abwehrstreiks enden 412 mit vollem Erfolg, 106 mit teilweisem Erfolg und 266 waren erfolglos, 15 mit unbekanntem Ergebnis.
95 der Aussperrungen enden mit vollem Erfolg für die Arbeiter, 109 mit teilweisem Erfolg. Von den Aussperrungen waren rund 105.000 Beschäftigte betroffen. 97,9% der Kosten wurden von den beteiligten Gewerkschaften aufgebracht.
Von den 266 Abwehrbewegungen waren 226 erfolgreich, 18 teilweise erfolgreich und 22 erfolglos.

In Deutschland bestehen nach der ersten amtlichen Statistik 5.324 Tarifverträge für 111.050 Betriebe mit 974.564 Beschäftigten. Damit sind ca. 6,3% aller in der Landwirtschaft und Industrie sowie Handel und Gewerbe tätigen Arbeiter durch Tarifverträge erfaßt. 1913 ist der Anteil auf 9% gestiegen.
Fast 50% aller bestehenden Tarifverträge und 40% aller tarifverbundenen Arbeiter entfallen auf die verschiedenen Zweige der Bauwirtschaft. Dabei stellen die Maurer die stärkste tarifgebundene Berufsgruppe.

Von den im Bereich des Zimmererverbandes bestehenden 407 Tarifverträgen enthalten sämtliche Tarifverträge Bestimmungen über die Arbeitslöhne, wobei rund 95% einheitliche Tariflöhne und nur 5% differenzierte Lohngruppen vorsehen; lediglich 20% der Verträge sprechen ein direktes Verbot oder eine nur eingeschränkte Zulassung der Akkordarbeit aus, während 76% die Akkordfrage nicht erwähnen und nur 4% eine generelle Anerkennungsklausel enthalten. In 85% aller Verträge finden sich Abmachungen über Überstundenzuschläge, in 77% über Lohnzulagen bei Sonntags- und in 74% über Zulagen bei Nachtarbeit; in Bezug auf die Arbeitszeit erwähnt die Verbandspublikation lediglich, daß sie in allen Verträgen geregelt war.

Die größten Angestelltenverbände sind der "Deutschnationale Handlungsgehilfenverband" mit rund 108.000, der "Verband deutscher Handlungsgehilfen" mit rund 80.000, der "Verein für Handlungscommis" von 1858 mit rund 80.000, der "Deutsche Verband kaufmännischer Vereine" mit rund 77.000, der "Deutsche Werkmeisterverband" mit rund 47.000 und der "Deutsche Technikerverband" mit rund 25.000 Mitgliedern.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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