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1904

Mit 1.052.108 Mitgliedern in 63 Verbänden überschritten die freien Gewerkschaften die Millionengrenze, wie C. Legien "mit Genugtuung und Befriedigung" in seinem Jahresrückblick feststellt.

In Rheinland-Westfalen schließen die Zimmerer und Maurer einen einheitlichen Bezirkstarif ab.

Im Berliner Tarifvertrag der Sattler sind vor allem besondere Bestimmungen zur Regelung der Heimarbeit, das Verbot des Zwischenmeistersystems und die Festlegung eines Schlichtungsverfahrens festgelegt.

Auf Initiative von Emma Ihrer wird ein gewerkschaftliches Arbeiterinnenkomitee gegründet, dessen Leitung sie auch übernimmt.
Das Komitee, das von der besonderen Bildungsbedürftigkeit der Frauen in politischen, sozialen, wirtschaftlichen, gesetzlichen und gewerkschaftlichen Fragen ausgeht und bemüht ist, das Bildungsangebot entsprechend darauf abzustimmen, arbeitet bis zum Ersten Weltkrieg mit dem Arbeiterinnensekretariat der Generalkommission zusammen.
Die Bildungsvereine haben für die Frauen bis 1908 eine doppelte Funktion:
als Organisationsform in solchen Ländern des Deutschen Reiches, die das Vereinsgesetz als Handhabe gegen den Anschluß der Frauen an die Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei weiter benutzen;
als Agitationsform zur politischen und gewerkschaftlichen Erziehung der Arbeiterinnen.

In Düsseldorf wird der Stahlwerksverband unter Vorsitz von A. Kirdorf, dem Bruder von E. Kirdorf, dem Vorsitzenden des Rheinisch Westfälischen Kohlensyndikats gegründet. Der Stahlwerksverband beherrscht zusammen mit dem oberschlesischen Stahlwerksverband die gesamte deutsche Stahlindustrie. 1905 gehören ihm 31 Werke an, von denen 17 Kohle, 25 Eisenerz fördern und 27 Roheisen herstellen.

Der Bezirksleiter des Holzarbeiterverbandes für Westpreußen stellt fest: In kleineren und mittleren Orten sei es unmöglich, ein Versammlungslokal zu bekommen, weil die Wirte durch die Polizei eingeschüchtert würden. In einzelnen Städten habe man Wohnungen angemietet, um dort Versammlungen abzuhalten. In Zoppot sei kein Vermieter bereit gewesen, dem Verband eine Wohnung zu vermieten. Deshalb sei man dort "sehr oft, wenn es das Wetter erlaubte, in die freie Natur gegangen, an den schönen Ostseestrand", um sich zu besprechen.

In der chemischen Industrie erreicht die Monopolisierung durch Vereinbarungen zwischen Bayer-Leverkusen, Agfa-Berlin und den Badischen Anilin- und Soda-Werken in Ludwigshafen über Forschung, Marktbeherrschung und Gewinnverteilung sowie ähnlichen Abmachungen zwischen den Höchster Farbwerken und der Firma Cassella in Frankfurt a. Main einen ersten Höhepunkt.

Anfang 1904

In Berlin wird das wesentlich von dem Frankfurter Industriellen Wilhelm Merton finanzierte "Bureau für Sozialpolitik" errichtet. Es umfaßt als sozialreformerische Clearingstelle die Gesellschaft für soziale Reformen, den Verein für Sozialpolitik, das Institut für Gemeinwohl sowie die Soziale Praxis GmbH. Das Büro koordiniert die beteiligten Einrichtungen, gestaltet sich zu einer Anlaufstelle für Arbeitnehmerorganisationen und Regierungsstellen, die gelegentlich Informationen aus der Arbeiterschaft und Gutachten einholen, entfaltet sich zu einer "bedeutsamen Kontaktstelle zwischen den bürgerlichen Sozialreformern und den verschiedenen Arbeitnehmerorganisationen", organisiert Vorträge und Ausbildungskurse, erstellt Gutachten und schafft eine eigenständige Rechtsauskunftsstelle.

1. Januar 1904

Der christliche "Verband der Krankenpfleger" wird gegründet.

Das neue Kinderschutzgesetz tritt in Kraft. Es verbietet die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren in gesundheitsgefährdenden Betrieben. Das Verbot gilt auch für gewerbliche Werkstätten im Handels- und Verkehrsgewerbe sowie Gastgewerbe für Kinder unter 12 Jahren.
Das Verbot gilt auch für die als Werkstatt benutzten Wohnräume der Heimarbeiter. Nachtarbeit - zwischen 20 und 8 Uhr - sowie Sonntagsarbeit ist für Kinder nicht erlaubt.

Ende Januar 1904

Die SPD-Fraktion verlangt einen Gesetzentwurf, wonach die tägliche Arbeitszeit in Fabriken ab 1. Juli nicht mehr als 10 Stunden betragen soll. Obwohl in zahlreichen Betrieben vor allem Arbeiterinnen den Zehnstundentag bereits erreicht haben, zögert die Reichsregierung auf Druck der Industrie eine gesetzliche Festschreibung hinaus.

21./25. Februar 1904

Der Verbandstag der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen in Braunschweig verlangt die Zollfreiheit für Pflastersteine wegen der hohen Transportkosten für deutsches Steinmaterial. Eine Verteuerung muß zur Verdrängung des Steinmaterials durch andere Pflasterarten, im wesentlichen Asphalt, und damit zur Lahmlegung eines ganzen Produktionszweiges führen. Das "kann aber nicht Aufgabe und Zweck einer sich national nennenden Handelspolitik sein". Der Verband erklärt sich zum Abschluß eines überregionalen Tarifvertrages auf paritätischer Grundlage bereit.
Mit Mehrheit wird die Einführung einer Krankenunterstützung beschlossen.

22. Februar 1904

Der Verbandstag der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen in Hamburg beschließt die Errichtung einer Krankengeld-Zuschußkasse. Der Verbandsbeitrag ist für 39 Wochen zu zahlen. Der Vorstand wird beauftragt, mit dem Vorstand der Transport- und Handelsarbeiter über eine eventuelle Verschmelzung zu sprechen.
Ein besoldeter Verbandssekretär soll angestellt werden.

7. März 1904

A. Bebel spricht im Deutschen Reichstag zur Haltung der Sozialdemokratie im Falle eines Angriffskrieges ausländischer Mächte gegen Deutschland. Er bringt darin u.a. zum Ausdruck, daß die Sozialdemokraten ihren Mann stehen werden, wenn es darauf ankäme, das Vaterland der deutschen Arbeiter zu verteidigen.

7./9. März 1904

Der erste von der Generalkommission der Gewerkschaften einberufene allgemeine Heimarbeiterschutzkongreß findet in Berlin statt. An ihm nehmen neben zahlreichen Gewerkschaftern u.a. auch Vertreterinnen bürgerlicher Frauenvereine, Vertreter des Vereins für Sozialpolitik und der Gesellschaft für soziale Reform teil.
Die christlichen Gewerkschaften lehnten eine Beteiligung ab, von den Gewerkvereinen ist nur die oppositionelle Düsseldorfer Gruppe vertreten. Die Reichsregierung leistet der Einladung keine Folge.
Die Teilnehmer erhalten eine Reihe von Denkschriften, die sich mit der Heimat befassen, darunter ist auch eine der Generalkommission mit dem Titel "Hausindustrie und Heimarbeit".
Während des Kongresses wird eine Ausstellung mit Erzeugnissen der Heimindustrie veranstaltet.
Der Kongreß fordert die unverzügliche Schaffung eines Heimarbeiterschutzgesetzes und stellt dafür eine Reihe ganz bestimmt formulierter Forderungen auf. So soll das Gesetz Bestimmungen enthalten über Größe, Einrichtung und sonstige Beschaffenheit der Heimwerkstätten. Die Benutzung der Räume soll nur auf die Arbeit beschränkt sein, die Heimarbeit der Kontrolle der Gewerbeaufsicht unterstehen. Auch eine Kennzeichnung der auf hausindustriellem Wege hergestellten Waren wird verlangt. Zur Sicherstellung der bisher jedem Zufalle preisgegebenen Heimarbeiter wird auch die Ausdehnung der Versicherungsgesetze, der Bestimmungen der Gewerbeordnung über Arbeitszeit, Nachtarbeit, Sonntagsruhe, Wöchnerinnen- und Kinderschutz auf die gesamte Hausindustrie als Forderung aufgestellt.

13. März 1904

Der seit einem Jahr unternommene Versuch des SPD-Parteivorstandes, eine Einigung zwischen der Generalkommission und den lokalistischen Gewerkschaften zu erreichen, scheitert endgültig. Während die lokalistischen Gewerkschaften ihre weitere Selbständigkeit als Sonderorganisation fordern, verlangt die Generalkommission eine Einigung durch Verschmelzung.

1. April 1904

Das "Zentralbureau für Arbeitervertretung" vor dem Reichsversicherungsamt beginnt seine Tätigkeit. Es wird vom Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften und dem Verband katholischer Volksbureaus getragen.

Dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften gehören 20 Verbände, ein bayerisches Gewerkschaftskartell und ein Arbeiterschutzverein in Freiburg mit 100.050 Mitgliedern an.
Dem Gesamtverband nicht angeschlossen, aber zu den christlichen Gewerkschaften gehörig, sind 4 Eisenbahner- und 2 Postbeamtenverbände, 2 Verbände von Hüttenarbeitern und Straßenwärtern sowie ein oberschlesischer Unterstützungsverein, der überhaupt jeder gewerkschaftlichen Ziele ermangelt. Diese 9 Organisationen zählen 101.177 Mitglieder, also nahezu 10.000 mehr als die christlichen Gewerkschaften.

1./3. April 1904

Der Verbandstag der Mühlenarbeiter in Berlin erklärt sich für den Abschluß von Tarifverträgen. Die Zahlstellen sollen, wenn irgendwie möglich, die Arbeitsvermittlung selbst übernehmen. Dort, wo dies nicht möglich ist, soll die Errichtung paritätischer Nachweise angestrebt werden.
Der Vorstand soll beim Bundesrat für das Verbot der Sonntags- und Nachtarbeit sowie für eine Maximalarbeitszeit von 10 Stunden aktiv werden.

2./3. April 1904

Der Kongreß der Maschinisten und Heizer in Halle/Saale verlangt einen größeren Arbeitsschutz der mit der Wartung von Dampfkesseln beauftragten Maschinisten und Heizer und eine Höchstarbeitszeit von 12 Stunden einschließlich der Pausen vor allem bei Schichtarbeit.
Das soll auch für die Maschinisten und Heizer der Dampfschiffe für die Binnenschiffahrt gelten.
In der anschließenden Generalversammlung des Centralverbandes der Maschinisten, Heizer und Berufsgenossen wird dem Anschluß an den internationalen Bund der Transportarbeiter zugestimmt.
Den Verbandsangestellten wird freigestellt, jedes Jahr einen achttägigen Urlaub zu nehmen.

2./5. April 1904

Die Generalversammlung des Verbandes der Textilarbeiter und -arbeiterinnen in Hannover ermächtigt den Vorstand, bei größeren Streiks und Aussperrungen eine Extrasteuer zu erheben. Die mit Mehrheit beschlossene Beitragserhöhung für die männlichen Mitglieder wird wesentlich damit begründet, daß die Textilarbeiter es ihrer gewerkschaftlichen Ehre gegenüber der sie in ihrem Kampfe - in Crimmitschau - so reichlich unterstützenden Arbeiterschaft schuldig seien, durch höhere Beiträge eigene Mittel zur Führung wirtschaftlicher Kämpfe aufzubringen.
Über eine Arbeitslosenunterstützung soll in einer Urabstimmung entschieden werden. Die Delegierten stimmen der Einsetzung besoldeter Gauverwaltungen zu.
Die Textilarbeiter fordern den Bundesrat und die Parteien auf, die baldige gesetzliche Einführung des Zehnstundentages in der Textilindustrie zu fördern.

3./4. April 1904

Der Verbandstag des Centralverbandes der Fleischer und Berufsgenossen in Hamburg beschließt, eine Krankenunterstützung einzuführen. Er verlangt einen Maximalarbeitstag von 10 Stunden, da die Gesellen und Lehrlinge nicht schuld an den großen sanitären Mißständen im Fleischergewerbe sind.

4./5. April 1904

Der erste Verbandstag der Kürschner in Dresden erklärt sich im Prinzip für die Einführung einheitlicher Lohntarife für ganz Deutschland. Er verkennt aber nicht die dafür noch bestehenden Schwierigkeiten. Bei örtlichen Tarifverträgen sind folgende Punkte festzulegen: Einführung eines Minimallohnes, Anerkennung der Organisation und des Arbeitsnachweises, Beschränkung der Überstunden und der Heimarbeit.
Für den Verband wird eine Kranken- und eine Reiseunterstützung eingeführt.

4./6. April 1904

Der erste Verbandstag der Portefeuiller und Ledergalanteriearbeiter in Offenbach hält es für seine Pflicht, die Heimarbeit - von den 5.300 Portefeuillern sind die Hälfte der Männer und zwei Drittel der Frauen Heimarbeiter - und ihre schädlichen Folgen mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen. So weit es möglich ist, sollen Tarifverträge abgeschlossen werden.
Über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung soll in einer Urabstimmung entschieden werden.
Allen Lohnbewegungen muß der Vorstand zustimmen. Bei Angriffsstreiks müssen alle Beteiligten mindestens sechs Monate Verbandsmitglied sein.
Nachdem der Verband verzichtet, weiter Etuis- und Papiergalanteriearbeiter zu organisieren - deren Organisierung der Buchbinderverband beansprucht - wird er Mitglied der Generalkommission.

Der erste allgemeine Transportarbeiter-Konreß in Berlin erörtert ausführlich die Mißstände in diesem Berufe und verabschiedet umfangreiche Forderungen zur Verbesserung der Lage. Dazu gehören nicht nur Verbesserungen im Arbeitsschutz und den Arbeitsverhältnissen, sondern auch die Schaffung einer Reichsverkehrsordnung, welche sich auf alle Verkehrs- resp. Transportmittel und Wege erstrecken muß, bei der u.a. folgende Grundsätze zu beachten sind:
Als Führer von Transport- und Verkehrsfahrzeugen, ausschließlich der Handwagen und Fahrräder, dürfen Personen Verwendung finden, welche das 18. Lebensjahr erreicht haben, den Nachweis zu führen imstande sind, daß sie die zur Ausübung des Berufes nötigen Kenntnisse besitzen. Sämtliche Fahrzeuge sind mit festen Sitzen für die Lenker, außerdem mit sicher und schnell wirkenden Brems- resp. Hemmvorrichtungen zu versehen.
Kraftfahrzeuge und ähnliche Verkehrsmittel sind mit Geschwindigkeitsmessern zu versehen, außerdem ist die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit unter Berücksichtigung der Verkehrswege und Verkehrshäufigkeit festzulegen.
Für Ahndungen von Übertretungen der so geschaffenen Reichsverkehrsordnung resp. ihrer örtlichen Ergänzungen sind Bestimmungen zu treffen, welche jede Willkür bei der Strafbemessung ausschließen.
Bestrafungen dieser Art sind in jedem Falle als Übertretungen zu betrachten und nicht ins Strafregister der betreffenden Personen aufzunehmen.
Der Kongreß erklärt sich mit großer Mehrheit für die Errichtung von Fahr- und Fachschulen in Orten mit über 20.000 Einwohnern, zur Heranbildung eines geschulten zuverlässigen Fahrpersonals. Diese Schulen sollen aus allgemeinen Staats- oder Gemeindemitteln unterhalten und von einer paritätischen Verwaltung geleitet werden.

12. April 1904

Vertreter des Centralverbandes deutscher Industrieller errichten in Berlin die "Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände". Sie ist eine Vereinigung der Arbeitgeberverbände, des Zentralverbandes und einzelner Industrieller, die die gemeinsamen Interessen - vor allem der Schwer- und Textilindustrie - der Arbeitgeber gegenüber unberechtigten Anforderungen der Arbeitnehmer schützen soll.
Unmittelbarer Anlaß ist der Crimmitschauer Textilarbeiterstreik, der trotz seines Mißerfolges das Anwachsen der Arbeiterbewegung gezeigt hat. Zweck der Hauptstelle ist deshalb auch, die gemeinsamen Interessen der Arbeitgeber gegenüber "unberechtigten Anforderungen der Arbeitnehmer" zu schützen, den Schutz der Arbeitswilligen, die Ausdehnung der Arbeitsnachweise zu fördern, die Streikklausel nach Möglichkeit durchzuführen, den Rechtsschutz der Arbeitgeber in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zu übernehmen. Vor allem sollen durch die Verbindung der Verbände Streiks und Boykotts gemeinsam bekämpft und betroffene Arbeitgeber finanziell unterstützt werden. In der Tarifvertragsfrage weicht die Hauptstelle nicht von der starren Haltung des Centralverbandes ab.

12./15. April 1904

Der Verbandstag des Verbandes der Gastwirtsgehilfen in Erfurt beschließt, die Organisation in Gaue einzuteilen. Über die Organisierung von weiblichen Gastwirtsgehilfen wird diskutiert, aber kein Beschluß gefaßt, nur vorgeschlagen, daß Ortsverwaltungen, die glauben mit der Organisation von weiblichen Angestellten anfangen zu können, dies nach vorheriger Verständigung mit der Hauptverwaltung tun mögen.
Die Ortsverwaltungen haben für eine strenge Durchführung der Bundesratsverordnung über die Arbeits- und Ruhezeit zu sorgen.
Die Stellenvermittlung gegen Entgelt ist gesetzlich zu verbieten.

18./23. April 1904

Der erste Verbandstag der Steinarbeiter in Erfurt bedauert, daß die zum Schutz der Steinarbeiter erlassene Bundesratsverordnung vom 20. März 1902 äußerst mangelhaft durchgeführt werde. Ein Antrag, nach Bedarf Zahlstellen für italienische Arbeiter einzurichten, wird dem Vorstand überwiesen.

30. April 1904

Mitglieder des "Techniker-Verbandes" veröffentlichen einen "Aufruf zur Organisation der Techniker, Ingenieure, Architekten und Chemiker zur Wahrung und Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen". Es heißt darin u.a.:
"Die Arbeiter, genauer die Arbeitnehmer in der Industrie, werden gewöhnlich in zwei Gruppen geschieden: die Handarbeiter und die geistigen Arbeiter. Diese Scheidung ist aber eine fälschliche. Sie mag in gesellschaftlicher Beziehung zu Recht bestehen, in wirtschaftlicher Beziehung ist sie unbegründet. Der Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist stark genug, daß die geistigen Arbeiter der Industrie von ihren Arbeitgebern trotz gesellschaftlicher Gleichstellung wirtschaftlich immer getrennt bleiben, alle Arbeitnehmer aber trotz der gesellschaftlichen Trennung in einer Linie stehen..."

6. Mai 1904

Im Reichstag unterstützt E. Wurm die Petition des "Verbandes der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder", in der er das Verbot von Bleifarben verlangt hatte. Der Petitionsausschuß lehnt das Ansinnen in einem Bericht zunächst ab. Zu viele Arbeiter in Bleiweißfabriken würden arbeitslos, zudem wisse man nicht, ob Bleiweiß für alle Zwecke ersetzt werden könne.
Der Reichstag schließt sich mehrheitlich der Position des Petitionsausschusses an: Bleiweiß wird nicht verboten, obwohl die gesundheitlichen Gefahren für Menschen, die mit Blei arbeiten, schon seit längerem bekannt sind.
Immerhin führt in der Folgezeit der öffentliche Druck dazu, daß zahlreiche Reichsverwaltungen und Bundesregierungen bleihaltige Farben für Innenanstriche verbieten und der Bundesrat am 27. Juni 1905 eine Verordnung für Malereibetriebe, die Bleifarben verwenden erläßt, die in Anlehnung an die Verordnung von 1903 über die Bleifarbenfabriken schärfere Sicherheitsmaßnahmen und eine Gesundheitskontrolle der Arbeiter vorsieht.

7./8. Mai 1904

Die Führungsgremien des Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten beschließen: "Die in städtischen respektive staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten können ihre wirtschaftlichen Interessen nur durch eine gemeinsame Betriebsorganisation wahren, nicht aber durch Anschluß an die einzelnen Berufsverbände.
Wollten die einzelnen in Frage kommenden Kategorien sich den beruflichen Verbänden anschließen, so würde dieses eine erhebliche Schwächung der gemeinsamen Kraft bedeuten und fast jede einheitliche gewerkschaftliche Aktion unmöglich machen.
Die gewerkschaftlichen Bestrebungen der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten unterscheiden sich wesentlich von den Forderungen der Arbeiter der Privatbetriebe.
Auch muß die Taktik der Arbeiter und Unterangestellten in Gemeinde- und Staatsbetrieben im gewerkschaftlichen Kampfe eine wesentlich andere sein, als wie die in der Privatindustrie üblichen.
Aus diesen Gründen heraus kann für die städtischen Arbeiter und Unterangestellten nur die gemeinsame Betriebsorganisation in Frage kommen.
Daher muß der Verband der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten für sich das Recht in Anspruch nehmen, die allein zuständige Organisation für die in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Personen zu sein. Er sieht sich daher gezwungen, allen Bestrebungen energisch entgegen zu treten, welche eine Zersplitterung der gemeinsamen Kraft und der gemeinsamen Organisation der städtischen und staatlichen Arbeiter herbeiführen wollen.
In den Fällen jedoch, wo andere berufliche Verbände eine annehmbare Organisation für städtische respektive staatliche Arbeiter geschaffen haben, und insoweit ältere Rechte besetzen, wird unser Verband diese Rechte respektieren und auf die Zugehörigkeit der fraglichen Personen zu demselben verzichten."
Obwohl der Verband daraufhin von der Generalkommission darauf aufmerksam gemacht wird, daß dieser Beschluß nicht aufrechterhalten werden könne, weil seine Durchführung die Interessen fast aller anderen der Kommission angeschlossenen Organisationen zu schädigen geeignet sei, bleibt der Vorstand bei diesem Beschluß.

8./14. Mai 1904

Der Verbandstag des Holzarbeiterverbandes in Leipzig erteilt dem Hauptvorstand die Befugnis, im Bedarfsfall einen Extrabeitrag zu erheben und stimmt der Anstellung besoldeter Gauvorsitzender zu.
Einige Delegierte kritisieren das Verhalten des Metallarbeiterverbandes, der fortgesetzt Modelltischler organisiere.

9. Mai 1904

In Berlin wird der "Reichsverband gegen die Sozialdemokratie" gegründet. Sein einziger Zweck ist es, "alle in Treue zu Kaiser und Reich stehenden Deutschen ohne Unterschied ihrer religiösen und politischen Stellung zum Kampf gegen die antimonarchistischen und revolutionären Bestrebungen der Sozialdemokratie zu einigen". Vorsitzender wird der General E. v. Liebert. Von der Sozialdemokratie wird der Verband "Reichslügenverband" genannt.
Ende 1906 hat der Verband 140.000 Mitglieder.

21. Mai 1904

Das "Reichs-Arbeitsblatt" veröffentlicht zum ersten Mal eine Übersicht über die Lohntarife und die Tariflöhne in Deutschland. Danach bestehen 882 (davon werden 877 von der Generalkommission übermittelt) Tarifverträge. Die meisten Tarifverträge sind im Baugewerbe mit 393 vorhanden, dann folgen die Industrie der Steine und Erden mit 128, die Nahrungs- und Genußmittelindustrie mit 79, die Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe mit 76, das Verkehrsgewerbe mit 68, die Holz- und Schnitzstoffindustrie mit 43, die Metallverarbeitung mit 38, die Lederindustrie mit 21, die Maschinenindustrie mit 15, die Polygraphischen Gewerbe mit 6, die Textilindustrie mit 5 und die Gärtnerei und Papierindustrie mit je 1 Tarifvertrag.
Keine Tarifverträge gibt es in der Land- und Forstwirtschaft, im Bergbau und Hüttenwesen, in der chemischen Industrie, der Industrie der Leuchtstoffe, in den künstlerischen Gewerben, im Handels- und Versicherungsgewerbe sowie in der Berufsgruppe Beherbergung und Erquickung.

22./23. Mai 1904

Die Generalversammlung des Centralverbandes der Handlungsgehilfen und -gehilfinnen in Magdeburg lehnt eine Beteiligung an der Statistik des Reichsamtes für Statistik über die Ergebnisse der kaufmännischen Stellenvermittlung ab, da die Behörden eine freie Betätigung der gewerkschaftlich organisierten Handlungsgehilfen sehr oft unmöglich machen.
Die Handlungsgehilfen fordern von der Gesetzgebung einen weiteren Ausbau der Sozialreform, so u.a.: den Achtuhrladenschluß, die Beschränkung der Büroarbeit auf täglich acht Stunden, völlige 36stündige Sonntagsruhe für alle Handelsangestellten, die Schaffung einer Handelsinspektion unter Hinzuziehung von Gehilfen, die Ausdehnung der Unfallversicherung auf alle Handlungsgehilfen, Verbot der Konkurrenzklausel, eine ausreichende reichsgesetzliche Versicherung aller Privatangestellten gegen Alter und Invalidität bei Gewährung von Witwen- und Waisenrenten. Es ist anzustreben, daß bald ein kollektiver Arbeitsvertrag zwischen genossenschaftlicher und gewerkschaftlicher Organisation auf nationaler Ebene abgeschlossen werden kann.

22./24. Mai 1904

Die Generalversammlung des Verbandes der Bergarbeiter in Stadthagen hält eine reichsgesetzliche Regelung des Bergwesens für unumgänglich notwendig und verlangt von der preußischen Regierung eine gründliche Reform der Knappschaftskassen.
Die Delegierten fordern weiter ein freies Vereinsrecht, die Rechtsfähigkeit der Gewerkschaften, die Anerkennung von Arbeiterausschüssen, die Errichtung eines Reichsarbeitsamtes und von Arbeitsämtern, da "wir in diesen das beste Mittel sehen, am schnellsten auch für den Bergbau zum Abschluß von korporativen Arbeitsverträgen (Tarife) zu kommen".

22./26. Mai 1904

Der internationale Handschuhmacherkongreß in Stuttgart beschäftigt sich ausführlich mit der schwierigen Situation der Handschuhindustrie in Europa.
Der Kongreß rechnet damit, daß alle Organisationen ihre Arbeitskämpfe zunächst mit eigenen Mitteln führen und erst in Notfällen an die internationale Solidarität appellieren.
Der Sitz des Sekretariats wird nach Berlin verlegt.

23./24. Mai 1904

Auf dem ersten Verbandstag der in der Blumen-, Blätter- und Putzfederfabrikation beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Dresden wird festgestellt, daß der Verband seit seiner Gründung 1902 mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. In den Titel des Verbandes werden jetzt auch die Palmenarbeiter eingefügt.
Die "Verbands-Mitteilungen" erscheinen weiter nach Bedarf.

23./25. Mai 1904

Der Verbandstag des Centralverbandes der Konditoren, Leb- und Pfefferküchler in Dresden entscheidet, daß das Verbandsorgan folgenden Namenszusatz erhalten soll: "Organ für alle in der gesamten Zuckerwarenbranche, einschließlich der Konditoren, Leb- und Pfefferküchlereien beschäftigten Personen".
"Die Mitgliedschaft zum Verband sollen nicht mehr alle in der Genuß- und Nahrungsmittelindustrie beschäftigten Personen erwerben, sondern die 'in Konditoreien, Leb- und Pfefferküchlereien, Schokoladen-, Kakao-, Zuckerwaren-, Bisquit-, Kakesfabriken, Wachsziehereien und Oblatenbäckereien beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, sowie Kollegen, welche in Bäckereien, Hotels, Cafés, auf Schiffen usw. als Konditoren arbeiten'."
Die Bundesratsverordnung für Bäckereien von 1896 soll auch auf Konditoreien ausgedehnt werden. Ferner ist auf den Erlaß reichsgesetzlicher hygienischer Bestimmungen für die Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln in Bezug auf die Arbeits-, Wohn- und Schlafräume des Personals sowie auf die Lagerräume zu dringen.

23./30. Mai 1904

Auf dem Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in Hannover stellt der Redakteur Goldschmidt - er spricht anstelle des erkrankten M. Hirsch - beim Tätigkeitsbericht des Verbandes in Abrede, daß die Aufhebung des Reverses irgend etwas an den Grundsätzen der Gewerkvereine geändert habe. Diese Grundsätze sind nach wie vor die der politischen und religiösen Neutralität und Unabhängigkeit. Von den anderen Gewerkschaften scheide die Gewerkvereine der Umstand, daß erstere partei- oder kirchenpolitische Zwecke verfolgen; von einer Verschmelzung mit ihnen könne keine Rede sein, höchstens von einem idealen Bündnis, beruhend auf gegenseitiger Anerkennung und Achtung.
Nach lebhafter Diskussion fordert der Verbandstag mit 40 gegen 17 Stimmen anstelle von paritätischen Arbeitskammern reine Arbeiterkammern, die auch für die Angestellten des Handelsgewerbes gelten sollen.
Der Verbandstag verlangt Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetze, der Arbeiterversicherungsgesetze und Gewerbegerichte auf die gesamte Hausindustrie und Heimarbeit, Unterstellung der Heimarbeit unter die Aufsicht der Gewerbeinspektoren, Erlaß von Vorschriften über die Beschaffenheit und Einrichtung der Arbeitsräume in Verbindung mit Wohnungsinspektion, Verbot für Unternehmer, an Fabrik- und Werkstättenarbeiter Arbeit mit nach Hause zu geben. Von allen Heimarbeitern hat der Unternehmer und Zwischenmeister ein Verzeichnis mit Wohnungsangabe für die Gewerbeinspektion zu führen. Der Verbandstag richtet an die Staats- und Gemeindebehörden das Ersuchen, bei Submissionsvergebungen die Übernahme vertragsmäßig zu verpflichten, mindestens die in Staats- und Gemeindewerkstätten üblichen Lohnsätze zu zahlen und nicht die Arbeiten durch Zwischenmeister von Heimarbeitern anfertigen zu lassen.
Nachdem der Generalrat von Delegierten kritisiert worden war, am Heimarbeiterschutzkongreß nicht teilgenommen zu haben, verpflichtet der Verbandstag den Zentralrat, alle Kongresse, die die Förderung der allgemeinen Arbeiterinteressen bezwecken und zu denen die Organisationen der Gewerkvereine eingeladen werden, in ausreichendem Maße zu beschicken.
Zu den Tarifverträgen beschließt der Verbandstag: "In der Überzeugung, daß in dem Abschluß von Tarifverträgen eines der wirksamsten Mittel zur Milderung der Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit, eine wichtige Vorbedingung zur Erhaltung unserer nationalen Konkurrenzfähigkeit und ein segensvoller Schritt zur Förderung der materiellen und sittlichen Hebung des Arbeiters und seiner Lebenshaltung gefunden werden muß, empfiehlt der Verbandstag den deutschen Arbeitgebern und Arbeitern, mit allem Nachdruck auf den Abschluß von Tarifverträgen hinzuwirken. Der Tarifvertrag gibt dem Arbeiter eine gewisse Stetigkeit seines Einkommens und wirkt so ordnend und bessernd auf seine Lebenshaltung.
Der Tarifvertrag übt aber auch denselben wohltätigen Einfluß auf den Unternehmer aus; dieser ist dann imstande, bei der Herstellung seiner Fabrikate und bei dem Abschluß von Lieferungsverträgen besser zu disponieren und umgibt seine Existenz mit größerer Sicherheit.
Nicht minder wichtig ist aber auch die ethische und moralische Bedeutung der Tarifverträge, denn sie bilden zugleich ein freiwilliges Anerkenntnis der Achtung und der Gleichberechtigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern; sie wirken der Schürung des Klassenkampfes entgegen und zeigen den Weg zum sozialen Frieden."
Künftig sollen alle Frauen Mitglied im Gewerkverein der Frauen werden. "Zur Durchführung einer energischen Agitation können sich für größere zusammenhängende Bezirke Ausbreitungsverbände bilden, und zwar für folgende Bezirke: Rheinland-Westfalen, Süddeutschland, Mitteldeutschland, Schlesien mit Posen, Brandenburg mit den östlichen Bezirken. Diese Verbände erhalten eine jährliche Beihilfe."
Der Zentralrat ist berechtigt, solche Ausbreitungsverbände, die das Ansehen der Gewerkvereine schädigen, aufzulösen.
Der Verbandstag ersucht, "in Anbetracht der enorm wachsenden Arbeitgeberorganisationen, die sich in den letzten Monaten centralisiert und auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiete den Kampf gegen die organisierte Arbeiterschaft aufgenommen haben (und in fernerer Erwägung der mit großen Schritten vorwärts eilenden freien Gewerkschaftsbewegung) - dieser Satz wird in der endgültigen Fassung gestrichen - die einzelnen Berufsgewerkvereine, in verschärfter Weise in die Agitation einzutreten und mit allen Mitteln eine vermehrte Anteilnahme am öffentlichen Leben herbeizuführen".

25./26. Mai 1904

Der "Evangelisch-Soziale Kongreß" behandelt "das moderne Lohnsystem und die Sozialreform" sowie die Arbeitergewinnbeteiligung nach dem Zeiss-Vorbild in Jena. Die Versammlung beschließt daraufhin "die allmähliche Durchführung von Tariffestsetzungen zum Zwecke der Erhöhung der Löhne".
Auch in den folgenden Jahren stehen noch Themen der Arbeitersozialpolitik auf der Tagesordnung der Kongresse, so 1905 Arbeiterorganisationen und 1909 die Gewerkschaftsfrage, doch in diesen Jahren treten soziale gegenüber religiösen und nationalen Themen in den Hintergrund.

Ende Mai 1904

Nach einem längerem Streik schließen die Berliner Bäcker einen Tarifvertrag, in dem u.a. festgelegt wird, daß Kost und Wohnung vom Arbeitgeber nicht mehr als Teil des Arbeitsverdienstes gewährt werden dürfen, die Lohnzahlung wöchentlich erfolgen muß, ein paritätischer Arbeitsnachweis zu errichten ist und an den drei "hohen Festen" (Ostern, Pfingsten und Weihnachten) jedem Gesellen eine Freinacht ohne Lohnabzug zu gewähren ist.

6./11. Juni 1904

Die Generalversammlung des Vereins der Schuhmacher in Berlin beschließt, die Organisation in zehn Gaubezirke zu unterteilen und besoldete Gauleiter anzustellen.
Der Verein nennt sich nun "Zentralverband der Schuhmacher Deutschlands".
Wo immer es möglich ist, sollen Tarifverträge abgeschlossen werden.
Die bisher freiwillige Kranken- und Arbeitslosenunterstützung werden für die Mitglieder verbindlich. Zusätzlich wird eine Hinterbliebenenunterstützung eingeführt. Bei größeren Arbeitskämpfen kann der Vorstand eine Extrasteuer erheben.
Der Vorstand wird beauftragt, mit dem Vorstand des Lederarbeiterverbandes über eine Verschmelzung zu verhandeln.

Die Generalversammlung des Centralvereins für alle in der Hut- und Filzwarenindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Dresden ändert die Satzung. Danach hat der Verein den Zweck, "die soziale und wirtschaftliche Lage seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Der Zweck soll erreicht werden durch möglichst günstige Arbeitsbedingungen und deren allgemeine Regelung mittels kollektiver Arbeiterverträge usw."
Um koalitionsfeindlichen Unternehmern die Möglichkeit zu nehmen, feststellen zu können, welche Arbeiter der Organisation angehören, werden künftig die Mitgliedsbücher als Vereinseigentum erklärt.
Die Generalversammlung beschließt, Agitationsbezirke zu errichten.

7./11. Juni 1904

Der Verbandstag des Centralverbandes der Brauereiarbeiter in Frankfurt a. Main führt eine Hinterbliebenenunterstützung ein. Der Verband wird in 6 Bezirke eingeteilt, und dafür werden 6 "Gaubeamte" auf den Verbandstagen gewählt.
Der Untertitel wird insoweit geändert, daß hinzugefügt wird "und verwandter Berufsgenossen". Damit soll ausgedrückt werden, daß auch die in Brennereien beschäftigten Arbeiter zum Verband der Brauereiarbeiter gehören.
Der Verbandstag erklärt sich "mit der Ablösung des Freitrunks in der Form einverstanden, daß das nicht getrunkene Bier in bar zurück vergütet wird".

13./14. Juni 1904

Auf dem ersten Genossenschaftstag des Centralverbandes deutscher Konsumvereine in Hamburg wird beschlossen, mit dem Verband der Bäcker einen Tarifvertrag abzuschließen. Wo schon höhere Löhne gezahlt werden, dürfen sie nicht gekürzt werden, Überstunden sind extra und höher zu bezahlen. Der Arbeitsnachweis des Bäckerverbandes ist überall in Anspruch zu nehmen. Nach einjähriger Berufstätigkeit sind jährlich eine Woche Urlaub unter Fortzahlung des Lohnes zu gewähren.
Ein Tarifvertrag mit dem Handels- und Transportarbeiterverband kommt zunächst wegen zu hoher Forderungen des Verbandes nicht zustande.
In der Generalversammlung wird zum ersten Mal der Gedanke der Errichtung einer Genossenschaftsbank öffentlich ausgesprochen.

19./22. Juni 1904

Die Generalversammlung des Verbandes der Graveure, Ciseleure und verwandter Berufsgenossen fordert vom Centralvorstand, künftig die Vertretung der Generalkommission auf der Generalversammlung nicht von der Personenfrage abhängig zu machen.
Für die Zentralverwaltung wird ein "vollbesoldeter Beamter" angestellt.

23. Juni 1904

Der "Verein deutscher Arbeitgeberverbände" wird von Mitgliedern des Bundes der Industriellen, vor allem denen der Leicht- und Fertigwarenindustrie, gegründet.
Er vertritt im wesentlichen die gleichen Ziele wie die "Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände".
Auch der Verein sieht als eine wesentliche Aufgabe den Aufbau von Streikunterstützungs- und -abwehrsystemen an. Er vertritt aber in der folgenden Zeit eine liberalere Haltung gegenüber den Gewerkschaften, vor allem in der Tarifvertragsfrage.

26. Juni 1904

Um die Gewerkschaftsarbeit zu fördern, einigt sich eine Konferenz der Gewerkschaften des Saargebietes darauf, ein Arbeitersekretariat in St. Johann-Saarbrücken einzurichten und eine Agitationskommission zu bilden, die für den Regierungsbezirk Trier, den westlichen Teil der bayerischen Pfalz und den nördlichen Teil Lothringens zuständig ist.

1. Juli 1904

Der neugegründete "Christliche Verband für das graphische Gewerbe" beginnt seine Tätigkeit. Er organisiert Buchbinder, Lithographen, Steindrucker und verwandte Berufe.
Bei den Buchdruckern will er nicht aktiv werden, um den bestehenden Tarifvertrag und seine Institutionen nicht durch Sondereinrichtungen zu beeinträchtigen.

4./9. Juli 1904

Der Verbandstag des Buchbinderverbandes in Dresden beschließt, seinen Sitz von Stuttgart nach Berlin zu verlegen. Zum ersten Mal soll ein hauptamtlicher Bezirksleiter - für Sachsen - eingestellt werden.
Für weibliche Mitglieder wird nun auch eine Krankenunterstützung - auch für Wöchnerinnen - und eine Unterstützung für die Hinterbliebenen männlicher Mitglieder eingeführt.
Der Verbandstag spricht sich für Tarifverträge außerhalb des jetzigen Tarifgebietes aus und schlägt dafür vor, daß sich möglichst viele Städte zu einheitlichem und energischem Vorgehen verbinden. Verbandstage - bisher nur unregelmäßig nach Urabstimmungen - sollen nun regelmäßig alle 3 Jahre stattfinden.
Neuer Verbandsvorsitzender wird Emil Kloth.

6. Juli 1904

Das Gesetz über die Einführung von paritätischen Kaufmannsgerichten tritt in Kraft.
Diese Gerichte sollen über Streitigkeiten aus Dienst- oder Lehrverhältnissen zwischen Kaufleuten und ihren Handlungsgehilfen entscheiden. Vorsitzende und Stellvertreter dürfen weder Kaufleute noch Handlungsgehilfen sein. Sie werden durch Kommunalbehörden gewählt.
Mitglieder der Gerichte sollen mindestens 30 Jahre alt sein und im Jahr vor ihrer Wahl keine Armenunterstützung erhalten haben.
Frauen haben weder das aktive noch passive Wahlrecht zu diesen Gerichten.

17./20. Juli 1904

Der 5. Kongreß der christlichen Gewerkschaften in Essen fordert die christlichen Gewerkschaften auf, Arbeitslosenunterstützung einzuführen. Der Kongreß erkennt in der Arbeitslosenfürsorge eine der dringendsten Aufgaben der modernen Sozialpolitik und empfiehlt den Gewerkschaften die Einführung der Arbeitslosenunterstützung, fordert aber die reichsgesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises und der Arbeitszeit, ferner vollständiges freies Koalitionsrecht für alle Arbeiter, damit sie die Selbsthilfe ungehindert organisieren können, sowie eine reichsgesetzliche Arbeitslosenversicherung unter Mitwirkung der Arbeiter.
In einer gesetzlichen Regelung der Heimarbeit und eines ausreichenden Schutzes der dort beschäftigten Arbeiternehmerinnen und Arbeiter sieht der Kongreß eine der nächsten und wichtigsten Aufgaben der gesetzlichen Sozialreform u.a. die Ausdehnung der Arbeiterversicherung auf die gesamte Heimindustrie; Unterstellung der Hausindustrie unter die Gewerbeinspektion, Verpflichtung der Unternehmer und Zwischenmeister zur Listenführung über die Hausgewerbetreibenden und Einführung von Lohnbüchern für alle Zweige der Hausindustrie; eine Wohnungskontrolle, die Festsetzung von Minimallöhnen durch gesetzlich zu schaffende gemeinsame Tarifkommissionen und die Überführung der Heimarbeit in Fabrikarbeit da, wo sie zu schweren Gesundheitsschädigungen führt.
Der Kongreß fordert die christlichen Arbeiter auf, mit vereinten Kräften für die Organisation der Heimarbeiter und -arbeiterinnen in christlichen Gewerkschaften zu wirken.
Der Kongreß betrachtet Arbeiterausschüsse als nützliche und notwendige Institutionen. Durch dieselben wird den Arbeitern Gelegenheit geboten, ihre Wünsche und Beschwerden durch Vertreter dem Arbeitgeber zu unterbreiten. Die Ausschüsse sind auch geeignet, die auf beiden Seiten oft bestehenden Vorurteile und falschen Ansichten zu beseitigen und kleine Differenzen, die nicht selten zu großen Schwierigkeiten führen, auf friedlichem Wege aus der Welt zu schaffen. Da die Einrichtung von Arbeiterausschüssen bei einem großen Teil der Unternehmer leider noch immer energischem Widerstand begegnet, so erachtet der Kongreß die gesetzliche Einführung derselben für Betriebe mit mehr als 20 Arbeitern für absolut geboten.
Mitglieder der Arbeiterausschüsse dürfen während ihrer Amtsdauer nicht entlassen werden.
Die Arbeiterausschüsse haben die Befugnis: Anträge, Wünsche und Beschwerden der Mitarbeiter der Betriebe den Arbeitgebern vorzutragen und sich in Zusammenkünften mit letzteren über dieselben gutachtlich zu äußern; in diesen Zusammenkünften über sonstige Fragen und Angelegenheiten, welche das Lohn- und Arbeitsverhältnis, insbesondere die Arbeitsordnung und Abänderungen derselben betreffen, ihr Gutachten abzugeben.
Der Kongreß ersucht die Staatsregierung und die gesetzgebenden Körperschaften, im Sinne des Vorstehenden, Arbeiterausschüsse gesetzlich einzuführen.
"Der Kongreß beauftragt den Gesamtverband, baldigst zu erwägen, innerhalb der nächsten 2 Jahre einen internationalen Kongreß christlich gesinnter Arbeiter aller Länder zwecks Förderung einer möglichst einheitlichen zielbewußten internationalen christlichen Gewerkschaftsbewegung einzuberufen."
In der Diskussion über den Geschäftsbericht wird von mehreren Delegierten beklagt, daß die gewerkschaftliche Arbeit nicht nur von den Behörden, sondern auch von Geistlichen behindert wird.
Von den rund 100.000 christlichen Gewerkschaften gehören rund 60.000 dem Bergarbeiter- und dem Textilarbeiterverband an. 80.000 der Gewerkschafter sind in Rheinland-Westfalen beheimatet.
In seiner Eröffnungsrede erklärte der Vorsitzende C. Schiffer, daß "der Arbeiterstand heutzutage noch vielfach statt Gerechtigkeit Unterdrückung, statt Achtung und Beachtung Mißachtung erfahre. Vor dem Gesetz, heißt es, sollen alle Staatsbürger gleich sein, aber der Arbeiter könne sich des Gefühls nicht entschlagen, daß ihm gegenüber oft Klassenjustiz gebraucht werde, so zum Beispiel bei der harten Bestrafung geringfügiger Streikvergehen".

Juli 1904

Die im Anschluß an den Kongreß durchgeführte Generalversammlung des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften in Essen fordert die Verbände, Ortskartelle und Zahlstellenvorstände auf, in geeigneter Weise auf die Tages- bzw. Lokalpresse einzuwirken, daß die christlichen Gewerkschaften mehr als bisher von derselben unterstützt und protegiert werden. Zu dem Zwecke sind die christlichen Gewerkschaften auch gehalten, die Tagespresse durch Übermittelung von Berichten über die Gewerkschaftssachen und -versammlungen zu unterstützen.
In den Vorstand werden A. Brust (Bergleute) als erster und Ellerkamp (Ziegler) als zweiter Vorsitzender, Schiffer (Textilarbeiter), Schmitt (Bauhandwerker), Wieber (Metallarbeiter), Kurtscheid (Holzarbeiter) und Rienecker (Schuhmacher) gewählt.
Im Geschäftsbericht wird mitgeteilt, daß in Berlin ein christliches Zentralbüro für Arbeitervertretung gegründet wurde.
Auf Veranlassung des Gesamtverbandes wird in Posen ein Organ in polnischer Sprache "Przyaciel Robotnikow" (Arbeiterfreund) herausgegeben.

17./23. Juli 1904

Die Generalversammlung des Vereins der Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen in Dresden kommt dem Wunsch des "Verbandes der Buch- und Steindrucker-Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen nach, ihm die Zuständigkeit auch für Schleifer zu übertragen
Mit dem "Senefelderbund" soll eine gemeinsame Organisation geschaffen werden.

29. Juli 1904

Gustav Keßler, geboren..................., bedeutendster Vertreter der lokalistischen Gewerkschaften und Redakteur ihrer Zeitung "Einigkeit" gestorben.

Anfang August 1904

Auf einer von der Leitung der "Freien Vereinigung der Gewerkschaften" einberufenen Versammlung in Berlin spricht Friedeburg über "Parlamentarismus und Generalstreik". In einer Resolution wird der Parlamentarismus als für die Arbeiterbewegung schädliches Mittel verurteilt und die Konzentration auf den rein wirtschaftlichen Kampf und den Generalstreik verlangt.

1./6. August 1904

Der Verbandstag des Verbandes der Schneider und Schneiderinnen und verwandten Berufsgenossen in Dresden beschließt, die Möglichkeit von Urabstimmungen aus dem Statut zu streichen. Der Vorstand kann bei Arbeitskämpfen einen Extrabeitrag erheben.
Der Vorstand wird beauftragt, nach den bestehenden Tarifverträgen einen Mustertarifvertrag auszuarbeiten, beschließt aber schon jetzt einen umfangreichen Forderungskatalog für kommende Tarifverträge, die für die Konfektionsindustrie noch spezifiziert werden.
Die in Berlin gebildete Frauenagitationskommission kann der Verbandstag nicht als offizielle Institution der Gewerkschaften anerkennen.

6. August 1904

Die Delegierten einer internationalen Schneiderkonferenz in Dresden sind sich darin einig, die losen internationalen Verbindungen zu verbessern.

7./13. August 1904

Der Verbandstag des Verbandes der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen in Hamburg "erhebt flammenden Protest" gegen den preußischen Gesetzentwurf gegen Kontraktbruch der ländlichen Arbeiter. Er hält die Beseitigung der Gesindeordnung und die Gewährung des Koalitionsrechts für ländliche Arbeiter und Arbeiterinnen für unbedingt erforderlich.
Der Verband führt eine Erwerbslosenunterstützung - sie schließt eine Unterstützung bei Arbeitslosigkeit durch Krankheit - ein. Zahlstellen mit 1.000 zahlenden Mitgliedern haben einen "besoldeten Beamten" anzustellen.
Über die jeweiligen Organisationsgebiete soll mit den Vorständen der Bauarbeiter und der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter verhandelt werden.

8./11. August 1904

Der internationale Bergarbeiter-Kongreß in Paris lehnt den deutschen Antrag ab, ein internationale Sekretariat einzuführen.

10./13. August 1904

Der Kongreß der Internationalen Transportarbeiter-Federation in Amsterdam beschließt die Bildung eines Zentralrates, dessen Vorsitzender zu besolden ist. Zu den Aufgaben der Föderation gehören u.a.: Hebung der wirtschaftlichen Lage der Transportarbeiter, gegenseitige Information und Unterstützung.
Der Sitz des Sekretariats wird nach Deutschland verlegt.
Der Kongreß beschäftigt sich mit den Themen "Schiffahrtstrusts und Unternehmerverbände" und "Arbeiterschutzgesetzgebung für Transportarbeiter" und nimmt dazu ausführliche Resolutionen an.

12./14. August 1904

Der internationale Metallarbeiterkongreß in Amsterdam beschließt, einen internationalen Metallarbeiterbund mit einem besoldeten Sekretär zu gründen.
Der Sitz soll am 1. August 1905 von Sheffield nach Stuttgart verlegt werden. Sekretär wird A. Schlicke.

13./14. August 1904

Der internationale Holzarbeiterkongreß in Amsterdam beschließt, eine internationale Union zu gründen und ein internationales Sekretariat einzurichten. Hauptaufgabe der Union soll die internationale Verständigung sein, vor allem soll sie auf den Abschluß von Gegenseitigkeitsverträgen hinwirken.

14./20. August 1904

Auf dem internationalen sozialistischen Kongreß in Amsterdam sind 24 Länder, darunter auch Japan vertreten.
25 der 67 deutschen Delegierten sind von den Gewerkschaften entsandt. In einem packendem Rededuell zwischen J. Jaurès und A. Bebel weist der französische Sozialistenführer die deutschen Sozialdemokraten darauf hin, daß die Größe und der Glanz der Partei in einem beängstigenden Gegensatz zu ihrer politischen Ohnmacht stünde. Die "Dresdener Resolution" wird mit 25 gegen fünf Stimmen bei zwölf Enthaltungen angenommen.
Der Kongreß erklärt den absoluten Generalstreik als undurchführbar. Der politische Massenstreik wird unter bestimmten Bedingungen als äußerstes Mittel, um bedeutende gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen oder sich reaktionären Anschlägen auf die Rechte der Arbeiter zu widersetzen, für möglich erachtet.
In der Resolution zur Kolonialfrage werden die sozialistischen Parteien verpflichtet, jeden Gesetzentwurf imperialistischen oder protektionistischen Charakters zu verwerfen und sich jedem kolonialen Eroberungskrieg und jeder militärischen Ausgabe für Kolonien zu widersetzen. Von den Regierungen seien Schutzmaßnahmen für die Eingeborenen zu verlangen. Das Schwergewicht jeder Kolonialreform sei die Selbstverwaltung der Völker in den Kolonien, die schrittweise anzustreben sei.
Die sozialistischen Parteien müssen mit Nachdruck das Frauenwahlrecht verlangen.
Die Arbeiter aller Länder haben Einrichtungen zu fordern, durch welche Krankheit, Unfälle und Invalidität möglichst verhindert werden und durch obligatorische Versicherungsgesetze ihnen ein Rechtsanspruch auf ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt und zur ärztlichen Hilfe gewährt wird.
Der Kongreß macht es deshalb sämtlichen proletarischen Organisationen aller Länder zur Pflicht, die Arbeitsruhe am 1. Mai anzustreben und überall dort, wo es ohne Schädigung der Arbeiterinteressen möglich ist, die Arbeit ruhen zu lassen.
Dieser Beschluß stößt bei der Generalkommission auf Widerstand, da er - wie das Correspondenzblatt schreibt - den Gewerkschaften eine Verpflichtung auferlegt, deren Durchführung nicht allein an zu großen Opfern, sondern weit mehr noch - wegen der Gefahr umfangreicher Aussperrungen vor allem in der Großindustrie - am Selbsterhaltungsinteresse der Gewerkschaften scheitert.
Der wachsenden Gefahr der Trusts können die Arbeitnehmer ihre organisierte Macht gegenüberstellen.
Da sich der Kongreß über die Probleme der Ein- und Auswanderung nicht einigen kann, wird das Thema auf den nächsten Kongreß vertagt.

16./17. August 1904

Der Senefelder-Bund beschließt, auf seiner Generalversammlung in Kassel die Verschmelzung mit dem Verein der Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen.

21./27. August 1904

Der internationale Tabakarbeiter-Kongreß in Amsterdam beschließt, den "Internationalen Verband von Tabakarbeitern und -arbeiterinnen" zu gründen. Der Verband soll hauptsächlich über die sozialen und ökonomischen Zustände der Tabakindustrie aufklären. Die Streikunterstützung soll nur noch Nebensache sein.
Der Sekretär soll vom Kongreß gewählt werden. Sitz des Verbandes ist Antwerpen.

13. September 1904

Der Verbandstag des Centralverbandes der Civilmusiker in Hannover erneuert seinen Beschluß für ein Verbot des gewerbsmäßigen Tätigkeit der Militärmusiker.

17./18. September 1904

Die 3. Konferenz der sozialdemokratischen Frauen in Bremen fordert die gesetzliche Festlegung des Zehnstundentages als Schritt zum Achtstundentag und ein einheitliches demokratisches Vereins- und Versammlungsrecht für ganz Deutschland, das alle Ausnahmebestimmungen für die Frauen beseitigt. Das Bildungsprivileg der herrschenden Klassen muß beseitigt, das Recht auf Bildung für alle Mitglieder der Gesellschaft erreicht werden.

18./24. September 1904

Der SPD-Parteitag in Bremen empfiehlt nach eingehender Diskussion am 1. Mai die Arbeitsruhe, soweit daraus keine Schädigung der Arbeiterinteressen zu erwarten ist.
In einer Resolution über die Aufgaben und Ziele sozialdemokratischer Kommunalpolitik wird gefordert, daß die Verwaltung der Gemeinde nur dem Gesetz und den Gerichten unterworfen sei.
Das Prinzip der Untentgeltlichkeit der Benutzung sei bei allen Institutionen des Volksgesundheitswesens und des Volksschulwesens durchzuführen. Arbeitsämter seien als Zentralstellen kommunaler Arbeiterpolitik einzurichten. Einrichtungen der Volksgesundheitspflege sollen durch die Gemeinden erfolgen.
Der Parteitag hält es für unbedingt erforderlich, den Alkoholmißbrauch in der Arbeiterschaft zu bekämpfen.

Herbst 1904

Das Landgericht Kiel stellt fest, ein Unternehmer erleide "durch den Austritt aus dem Verband keine Einbuße an Ehrbarkeit und Achtungswürdigkeit in seiner Lebensstellung".

26./28. September 1904

Die Generalversammlung der Internationalen Vereinigung für Arbeiterschutz in Basel - an der keine Vertreter der sozialdemokratischen deutschen Arbeiterbewegung teilnehmen - fordert das Verbot von Bleiweiß im Maler-und Anstreichergewerbe. Zur systematischen Bekämpfung aller gewerblichen Vergiftungen sollen eine Reihe von Grundbedingungen durchgeführt werden, so u.a. die Anzeigeverpflichtung von Ärzten und Krankenhäusern von gewerblichen Vergiftungen an die zuständigen Behörden, Unabhängigkeit der Ärzte von den gewerbliche Gifte herstellenden Firmen, Anzeigepflicht der Betriebsinhaber für die Erzeugung und Verwendung gewerblicher Gifte, Förderung des Studiums und der Kenntnisse über gewerbliche Vergiftungen, Kontrolle der Betriebe durch fachmännisch ausgebildete Ärzte, besondere Arbeitszeiten für die Arbeiter in diesen Betrieben.
Die nationalen Sektionen sollen über die Heimarbeit, die Nachtarbeit für Jugendliche und Frauen sowie eine gesetzliche Maximalarbeitszeit weitere Untersuchungen vornehmen.

Anfang Oktober 1904

Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete L. Frank gründet den "Verband junger Arbeiter Mannheims", dessen Aufgabe die Vermittlung von Wissen, die Ausfüllung der Lücken in der Volksschulbildung sein sollen.

6. Oktober 1904

Die von der Generalkommission eingesetzte Kommission zur Bekämpfung des Kost- und Logiszwangs, der Vertreter von 22 Gewerkschaften angehören, berät auf ihrer ersten Sitzung ihr Arbeitsprogramm sowie die ersten Schritte zu dessen Durchführung und die Frage der Kostendeckung. Das Ergebnis dieser Erörterungen war die einstimmige Ansicht, daß der Kost-und Logiszwang beim Arbeitgeber nicht bloß wegen der mit demselben verbundenen hygienischen, sittlichen und wirtschaftlichen Nachteile zu bekämpfen sei, sondern schon aus allgemein gewerkschaftlichen Gründen als ein den modernen Kulturanschauungen und der wirtschaftlichen Freiheit der Arbeiter feindliches System. Es müsse deshalb den Gewerkschaften dringend empfohlen werden, in ihrer Agitation gegen das Kost- und Logissystem nicht zu erlahmen und keinen Vortrag allgemein gewerkschaftlicher Natur vorübergehen zu lassen, ohne die Arbeiter über die Kulturfeindlichkeit des ersteren aufzuklären. Die Kommission soll ihre nächste Aufgabe darin erblicken, das bereits vorhandene Material über den Kost- und Logiszwang in beruflichen Erhebungen und in der Literatur, sowie alle bestehenden Gesetze, Verordnungen und örtlichen Reglements, die auf die Gewährung von Kost und Wohnung Bezug haben, zu sammeln, zu sichten und auf seine agitatorische und juristische Verwertbarkeit zu prüfen. Insoweit dieses nicht ausreicht, soll sie weitere Erhebungen mit Hilfe der beteiligten Organisationen veranlassen und das aus allem diesen gewonnene Material zur Einwirkung auf die Gesetzgebung benutzen. Ferner soll es ihre Aufgabe sein, das erzielte Material zusammenzustellen und agitatorisch zur Verbreitung in der Presse und Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu bearbeiten.

9. Oktober 1904

Eine von der Centralkommission der Gewerkschaften für Elsaß-Lothringen einberufene Konferenz in Straßburg verlangt die Schaffung eines zweisprachigen Gewerkschaftsblattes und eines Arbeitersekretariates für Lothringen.

10. Oktober 1904

In Berlin schließen sich Jugendliche zum "Verein der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter" zusammen, nachdem ein von seinem Lehrherrn drangsalierter Lehrling sich das Leben genommen hat. Der Verein will die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen seiner Mitglieder wahren. Er bezweckt die Förderung der Bildung seiner Mitglieder und die Geselligkeit. Zusammen mit dem Verband junger Arbeiter Mannheims stellt er den Beginn einer organisatorisch selbständigen Arbeiterjugendbewegung in Deutschland dar.

Auf einer Konferenz von Gewerkschaftsvertretern aus Oberschlesien in Kattowitz wird die starke Behinderung der Gewerkschaftsarbeit beklagt. Nur in wenigen Fällen gelingt es, Versammlungsräume zu erhalten.

14./15. Oktober 1904

Die Generalversammlung der Gesellschaft für soziale Reform in Mainz diskutiert ausführlich die Frage "Arbeits- oder Arbeiterkammern". Ein Beschluß ist nach der Satzung der Gesellschaft nicht zulässig.

16. Oktober 1904

Eine Konferenz der christlichen Gewerkschaftskartelle von Rheinland-Westfalen - 22 Kartelle sind vertreten - befaßt sich vor allem mit den Aufgaben der Ortskartelle. Die Ortskartelle haben eine zielbewußte Tätigkeit zu entfalten u.a. durch die planmäßige Agitation, taktische und organisatorische Maßnahmen bei Lohnbewegungen, Streiks, Aussperrungen, Organisation des Arbeitsnachweises und des Herbergswesens. Die geistige Hebung der christlich-organisierten Arbeiterschaft durch soziale Unterrichtskurse und Volksbildungsabende, Abschaffung der einzelnen Feste, Einführung eines örtlich einheitlichen Gewerkschaftsfestes, statistische Erhebungen, die Beteiligung an allen sozialen Wahlen (Gewerbegericht, Krankenkassen, Gesellenausschüsse).

Eine Konferenz von Gewerkschaftsvertretern aus den Provinzen Ost- und Westpreußen beschließt, für dieses Gebiet eine Agitationskommission mit einem besoldeten Sekretär zu bilden. Damit soll die Gewerkschaft in diesen Gebieten - in Ostpreußen gibt es ca. 4.800 Mitglieder - gefördert werden.
Sitz der Kommission wird Elbing.

24./26. Oktober 1904

Die Konferenz der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschäftigt sich mit den Grenzstreitigkeiten, die durch den Beschluß des Verbandes der in Gemeinde und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten vom 7./8. Mai entstanden waren, und beschließt:
"Die Zuständigkeit des Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten ist anzuerkennen für das Arbeiter-, Verwaltungs- und Hauspersonal der städtischen, provinzialen und staatlichen Wasser-, Licht- und Kraftwerke, Kranken-, Heil- und Verpflegungs- und Bade-Anstalten, Schulhäuser, Asyle, sowie für das Personal im städtischen Kanalisations- und Straßenreinigungs-, Desinfektions- und Beerdigungswesen.
Die Zuständigkeit des Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten ist nicht anzuerkennen für solche städtische Regiebetriebe, in denen gewerbliche Arbeiter sowie Verkehrsangestellte beschäftigt sind.
Soweit vereinzelte gewerbliche Arbeiter innerhalb städtischer Anstalten dauernd angestellt sind (sog. betriebsfremde Arbeiter), ist gegen deren Organisation im Verbande der Gemeinde- und Staatsarbeiter nichts einzuwenden; doch darf ein Druck auf solche bereits einem anderen Verbande angehörige Arbeiter nicht ausgeübt werden, um sie zum Uebertritt zum Verband der Gemeindearbeiter zu bewegen."
Die Konferenz diskutiert weiter über Verbesserungen ihrer Statistiken und beschließt, auf die Tagesordnung des nächsten Gewerkschaftskongresses die Punkte zu setzen "Die Maifeier" und "Generalstreik oder politischer Massenstreik". Die Konferenz spricht sich gegen die Generalstreiksideen aus, sie hält es aber für zweckmäßig, daß diese ablehnende Haltung auch in einem Beschluß des Gewerkschaftskongresses zum Ausdruck komme.

30. Oktober 1904

Adolf Braun schreibt an K. Kautsky: "Weit mehr als den Revisionismus haben wir geheime, jeder öffentlichen Diskussion aus dem Wege gehende Strebungen der Gewerkschaftsführer zu befürchten. Diese tragen die Fesseln der Partei nur mit Ärger und Widerwillen, sie möchten gerne eine gewerkschaftliche Arbeiterpartei, eine Kontrolle der Gewerkschaftsführer in der Reichstagsfraktion durch die oberste Gewerkschaftsleitung durchsetzen."

August Brust, der Vorsitzende und Redakteur des christlichen Gewerkvereins der Bergleute, legt nach internen Differenzen seine Ämter nieder.
Wenig später tritt er auch vom Amt des Vorsitzenden des "Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften" zurück.

21. November 1904

Das "Reichs-Arbeitsblatt" veröffentlicht nach Auswertung von 600 Tarifverträgen Übersichten über Arbeitszeiten.
Danach sind in 381 (63,8%) Verträgen eine Arbeitszeit von 10, in 68 (11,4%) von 9,5, in 81 (13,5%) von 9 Stunden festgesetzt. 9 Tarife enthalten eine 8,5stündige und 1 Tarif eine 8stündige Arbeitszeit.
53 Tarife (8,9%) weisen eine längere Arbeitszeit aus (33 Tarife 10,5 Stunden, 1 Tarif 10,75 Stunden, 19 Tarife 11 Stunden).
Von den Bauarbeitern, Dachdeckern, Brauern, Steinsetzern und Töpfern arbeiten 73,9% 10 Stunden, 18,1% kürzer, 8% länger.
Bei den Steinmetzen, Stukkateuren, Malern, Holzarbeitern, Klempnern und Glasern haben 57,1% eine 8-9,5stündige, 36,7% eine 10stündige und nur 6,2% eine längere Arbeitszeit.
Bei den Schneidern und Schuhmachern weisen noch 26,7% der Tarife längere und nur 6,7% kürzere als 10stündige Arbeitszeiten auf.

Dezember 1904

Der in Düsseldorf erscheinende "Gewerkvereinsbote", Organ des rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, der gegen den Zentralrat opponiert, schreibt, daß neun Zehntel der Gewerkvereinler die Theorie der Harmonie der Interessen längst praktisch verlassen hätten.

3. Dezember 1904

Die "Metallarbeiter-Zeitung" erscheint zum ersten Mal mit einer Auflage von mehr als 200.000 Exemplaren.

29. Dezember 1904

Der Verein "Arbeiterwohl" ändert auf seiner Generalversammlung in Neuss die Satzung, die die Entwicklung von der ursprünglichen Fabrikwohlfahrtspflege zu einer umfassenden Sozialpolitik widerspiegelt. Danach erstrebt der Verband "die Förderung der geistigen und wirtschaftlichen Kultur und des sozialen Fortschritts in unserem Volke auf dem Boden des Christentums"; er wendet sich an "die Gebildeten und Besitzenden" und sucht diesen Zweck zu erreichen durch Publikationen, Konferenzen, Kurse, Erteilung von Rat und Auskünften in einschlägigen Fragen und schließlich "Mitwirkung bei der Förderung und Ausgestaltung des sozialen Vereinswesens und der gesamten Wohlfahrtspflege".
Die Zeitschrift "Arbeiterwohl" wird mit den "christlich-sozialen Blättern" zusammengelegt und erscheint nun unter dem Namen "Sozialkultur".

Ende 1904

Der Generalkommission sind 63 zentrale Gewerkschaften mit 1.116.720 Mitgliedern, davon 53.525 weiblichen angeschlossen. Die größten Verbände sind die der Metallarbeiter mit 198.960 (32,97%), die der Maurer mit 130.130 (54,30%), die der Holzarbeiter mit 105.390 (31,12%), die der Bergarbeiter mit 80.680 (20,10%) und die der Textilarbeiter mit 51.260 (8,96%).
Die kleinsten Verbände sind die der Notenstecher mit 323 (95,32%), die der Blumen- und Federarbeiter mit 435, (3,36%), die der Formstecher mit 458 (39,14%) und die der Büroangestellten mit 568 Mitgliedern.
Die größten Ausgabenposten sind die Streikunterstützungen (ca. 28%) und die Arbeitslosen- und die Krankenunterstützungen mit 8% bzw. 7%.
Für die Zeitungen wurden rund 5% der Einnahmen verwendet.

Von ihren Einnahmen in diesem Jahr gibt die Generalkommission für Agitationskommission rund 5%, rund 12% für das Correspondenzblatt und 4% für Personalkosten aus.

Von den der Generalkommission angeschlossenen Verbänden haben 4 weniger als 500, 5 haben 500-1.000, 23 haben 1.000-5.000, 9 haben 5-10.000, 6 haben 10-15.000, 3 haben 15-20.000, 3 haben 20-30.000, 4 haben 30-40.000, einer hat über ca. 53.000, einer 75.360, einer 97.105, einer 128.850 und einer 176.220 Mitglieder.

Dem Verband der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine sind 21 Verbände mit 111.890 Mitgliedern angeschlossen.
Die größten Gewerkvereine sind die der Maschinenbau- und Metallarbeiter mit 43.630, die der Fabrik- und Handarbeiter mit 21.180 und die der Tischler mit 8.580 Mitgliedern. Der Gewerkverein Deutscher Frauen hat 1.160 Mitglieder.
Die kleinsten Gewerkvereine sind die der Vergolder mit 12, die der Reepschläger mit 42 und die der Berliner Kellner mit 90 Mitgliedern.
Die unabhängigen Verbände haben zusammen rund 74.460 Mitglieder, davon der der Gastwirtsgehilfen 18.000, der der Zivilmusiker 12.000 und der der Handelshilfsarbeiter 10.000.

Von den 433 Gewerkschaftskartellen haben nur 405 Berichte an die Generalkommission gesandt. Es bestehen 22 Gewerkschaftshäuser, eine zentrale Herberge haben 20, eine unter Kontrolle der Gewerkschaften stehende Herberge beim Gastwirt 181 Kartelle.
205 Kartelle haben eine gemeinsame Bibliothek. Es bestehen 50 Arbeitersekretariate.

Die Generalkommission registriert 1904 1.625 Streiks und Aussperrungen mit rund 136.000 Beteiligten.
Erfolgreich waren 878 (55,7%), teilweise erfolgreich 317 (20,1%) und erfolglos 349 (22,1%) Streiks.
Von den 886 Angriffsstreiks waren 509 erfolgreich, 213 teilweise erfolgreich, 139 erfolglos, 6 mit unbekanntem Ergebnis und 19 am 31. Dezember noch nicht beendet.
Von den 739 Abwehrstreiks waren 336 erfolgreich, 82 teilweise erfolgreich, 177 erfolglos und 13 mit unbekanntem Ergebnis, 19 Streiks waren noch nicht beendet. 1904 gab es 112 Aussperrungen.

In 17 deutschen Städten wird inzwischen Arbeitern ein Erholungsurlaub gewährt, wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. in Dresden, wo es erst nach 10jährigem Dienst einen Anspruch auf 2 bis 3 Tage Urlaub gibt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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