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TEILDOKUMENT:
1904 Mit 1.052.108 Mitgliedern in 63 Verbänden überschritten die freien Gewerkschaften die Millionengrenze, wie C. Legien "mit Genugtuung und Befriedigung" in seinem Jahresrückblick feststellt. In Rheinland-Westfalen schließen die Zimmerer und Maurer einen einheitlichen Bezirkstarif ab. Im Berliner Tarifvertrag der Sattler sind vor allem besondere Bestimmungen zur Regelung der Heimarbeit, das Verbot des Zwischenmeistersystems und die Festlegung eines Schlichtungsverfahrens festgelegt. Auf Initiative von Emma Ihrer wird ein gewerkschaftliches Arbeiterinnenkomitee gegründet, dessen Leitung sie auch übernimmt.
In Düsseldorf wird der Stahlwerksverband unter Vorsitz von A. Kirdorf, dem Bruder von E. Kirdorf, dem Vorsitzenden des Rheinisch Westfälischen Kohlensyndikats gegründet. Der Stahlwerksverband beherrscht zusammen mit dem oberschlesischen Stahlwerksverband die gesamte deutsche Stahlindustrie. 1905 gehören ihm 31 Werke an, von denen 17 Kohle, 25 Eisenerz fördern und 27 Roheisen herstellen. Der Bezirksleiter des Holzarbeiterverbandes für Westpreußen stellt fest: In kleineren und mittleren Orten sei es unmöglich, ein Versammlungslokal zu bekommen, weil die Wirte durch die Polizei eingeschüchtert würden. In einzelnen Städten habe man Wohnungen angemietet, um dort Versammlungen abzuhalten. In Zoppot sei kein Vermieter bereit gewesen, dem Verband eine Wohnung zu vermieten. Deshalb sei man dort "sehr oft, wenn es das Wetter erlaubte, in die freie Natur gegangen, an den schönen Ostseestrand", um sich zu besprechen. In der chemischen Industrie erreicht die Monopolisierung durch Vereinbarungen zwischen Bayer-Leverkusen, Agfa-Berlin und den Badischen Anilin- und Soda-Werken in Ludwigshafen über Forschung, Marktbeherrschung und Gewinnverteilung sowie ähnlichen Abmachungen zwischen den Höchster Farbwerken und der Firma Cassella in Frankfurt a. Main einen ersten Höhepunkt. Anfang 1904 In Berlin wird das wesentlich von dem Frankfurter Industriellen Wilhelm Merton finanzierte "Bureau für Sozialpolitik" errichtet. Es umfaßt als sozialreformerische Clearingstelle die Gesellschaft für soziale Reformen, den Verein für Sozialpolitik, das Institut für Gemeinwohl sowie die Soziale Praxis GmbH. Das Büro koordiniert die beteiligten Einrichtungen, gestaltet sich zu einer Anlaufstelle für Arbeitnehmerorganisationen und Regierungsstellen, die gelegentlich Informationen aus der Arbeiterschaft und Gutachten einholen, entfaltet sich zu einer "bedeutsamen Kontaktstelle zwischen den bürgerlichen Sozialreformern und den verschiedenen Arbeitnehmerorganisationen", organisiert Vorträge und Ausbildungskurse, erstellt Gutachten und schafft eine eigenständige Rechtsauskunftsstelle. 1. Januar 1904 Der christliche "Verband der Krankenpfleger" wird gegründet. Das neue Kinderschutzgesetz tritt in Kraft. Es verbietet die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren in gesundheitsgefährdenden Betrieben. Das Verbot gilt auch für gewerbliche Werkstätten im Handels- und Verkehrsgewerbe sowie Gastgewerbe für Kinder unter 12 Jahren.
Ende Januar 1904 Die SPD-Fraktion verlangt einen Gesetzentwurf, wonach die tägliche Arbeitszeit in Fabriken ab 1. Juli nicht mehr als 10 Stunden betragen soll. Obwohl in zahlreichen Betrieben vor allem Arbeiterinnen den Zehnstundentag bereits erreicht haben, zögert die Reichsregierung auf Druck der Industrie eine gesetzliche Festschreibung hinaus. 21./25. Februar 1904 Der Verbandstag der Steinsetzer, Pflasterer und Berufsgenossen in Braunschweig verlangt die Zollfreiheit für Pflastersteine wegen der hohen Transportkosten für deutsches Steinmaterial. Eine Verteuerung muß zur Verdrängung des Steinmaterials durch andere Pflasterarten, im wesentlichen Asphalt, und damit zur Lahmlegung eines ganzen Produktionszweiges führen. Das "kann aber nicht Aufgabe und Zweck einer sich national nennenden Handelspolitik sein". Der Verband erklärt sich zum Abschluß eines überregionalen Tarifvertrages auf paritätischer Grundlage bereit.
22. Februar 1904 Der Verbandstag der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen in Hamburg beschließt die Errichtung einer Krankengeld-Zuschußkasse. Der Verbandsbeitrag ist für 39 Wochen zu zahlen. Der Vorstand wird beauftragt, mit dem Vorstand der Transport- und Handelsarbeiter über eine eventuelle Verschmelzung zu sprechen.
7. März 1904 A. Bebel spricht im Deutschen Reichstag zur Haltung der Sozialdemokratie im Falle eines Angriffskrieges ausländischer Mächte gegen Deutschland. Er bringt darin u.a. zum Ausdruck, daß die Sozialdemokraten ihren Mann stehen werden, wenn es darauf ankäme, das Vaterland der deutschen Arbeiter zu verteidigen. 7./9. März 1904 Der erste von der Generalkommission der Gewerkschaften einberufene allgemeine Heimarbeiterschutzkongreß findet in Berlin statt. An ihm nehmen neben zahlreichen Gewerkschaftern u.a. auch Vertreterinnen bürgerlicher Frauenvereine, Vertreter des Vereins für Sozialpolitik und der Gesellschaft für soziale Reform teil.
13. März 1904 Der seit einem Jahr unternommene Versuch des SPD-Parteivorstandes, eine Einigung zwischen der Generalkommission und den lokalistischen Gewerkschaften zu erreichen, scheitert endgültig. Während die lokalistischen Gewerkschaften ihre weitere Selbständigkeit als Sonderorganisation fordern, verlangt die Generalkommission eine Einigung durch Verschmelzung. 1. April 1904 Das "Zentralbureau für Arbeitervertretung" vor dem Reichsversicherungsamt beginnt seine Tätigkeit. Es wird vom Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften und dem Verband katholischer Volksbureaus getragen. Dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften gehören 20 Verbände, ein bayerisches Gewerkschaftskartell und ein Arbeiterschutzverein in Freiburg mit 100.050 Mitgliedern an.
1./3. April 1904 Der Verbandstag der Mühlenarbeiter in Berlin erklärt sich für den Abschluß von Tarifverträgen. Die Zahlstellen sollen, wenn irgendwie möglich, die Arbeitsvermittlung selbst übernehmen. Dort, wo dies nicht möglich ist, soll die Errichtung paritätischer Nachweise angestrebt werden.
2./3. April 1904 Der Kongreß der Maschinisten und Heizer in Halle/Saale verlangt einen größeren Arbeitsschutz der mit der Wartung von Dampfkesseln beauftragten Maschinisten und Heizer und eine Höchstarbeitszeit von 12 Stunden einschließlich der Pausen vor allem bei Schichtarbeit.
2./5. April 1904 Die Generalversammlung des Verbandes der Textilarbeiter und -arbeiterinnen in Hannover ermächtigt den Vorstand, bei größeren Streiks und Aussperrungen eine Extrasteuer zu erheben. Die mit Mehrheit beschlossene Beitragserhöhung für die männlichen Mitglieder wird wesentlich damit begründet, daß die Textilarbeiter es ihrer gewerkschaftlichen Ehre gegenüber der sie in ihrem Kampfe - in Crimmitschau - so reichlich unterstützenden Arbeiterschaft schuldig seien, durch höhere Beiträge eigene Mittel zur Führung wirtschaftlicher Kämpfe aufzubringen.
3./4. April 1904 Der Verbandstag des Centralverbandes der Fleischer und Berufsgenossen in Hamburg beschließt, eine Krankenunterstützung einzuführen. Er verlangt einen Maximalarbeitstag von 10 Stunden, da die Gesellen und Lehrlinge nicht schuld an den großen sanitären Mißständen im Fleischergewerbe sind. 4./5. April 1904 Der erste Verbandstag der Kürschner in Dresden erklärt sich im Prinzip für die Einführung einheitlicher Lohntarife für ganz Deutschland. Er verkennt aber nicht die dafür noch bestehenden Schwierigkeiten. Bei örtlichen Tarifverträgen sind folgende Punkte festzulegen: Einführung eines Minimallohnes, Anerkennung der Organisation und des Arbeitsnachweises, Beschränkung der Überstunden und der Heimarbeit.
4./6. April 1904 Der erste Verbandstag der Portefeuiller und Ledergalanteriearbeiter in Offenbach hält es für seine Pflicht, die Heimarbeit - von den 5.300 Portefeuillern sind die Hälfte der Männer und zwei Drittel der Frauen Heimarbeiter - und ihre schädlichen Folgen mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen. So weit es möglich ist, sollen Tarifverträge abgeschlossen werden.
Der erste allgemeine Transportarbeiter-Konreß in Berlin erörtert ausführlich die Mißstände in diesem Berufe und verabschiedet umfangreiche Forderungen zur Verbesserung der Lage. Dazu gehören nicht nur Verbesserungen im Arbeitsschutz und den Arbeitsverhältnissen, sondern auch die Schaffung einer Reichsverkehrsordnung, welche sich auf alle Verkehrs- resp. Transportmittel und Wege erstrecken muß, bei der u.a. folgende Grundsätze zu beachten sind:
12. April 1904 Vertreter des Centralverbandes deutscher Industrieller errichten in Berlin die "Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände". Sie ist eine Vereinigung der Arbeitgeberverbände, des Zentralverbandes und einzelner Industrieller, die die gemeinsamen Interessen - vor allem der Schwer- und Textilindustrie - der Arbeitgeber gegenüber unberechtigten Anforderungen der Arbeitnehmer schützen soll.
12./15. April 1904 Der Verbandstag des Verbandes der Gastwirtsgehilfen in Erfurt beschließt, die Organisation in Gaue einzuteilen. Über die Organisierung von weiblichen Gastwirtsgehilfen wird diskutiert, aber kein Beschluß gefaßt, nur vorgeschlagen, daß Ortsverwaltungen, die glauben mit der Organisation von weiblichen Angestellten anfangen zu können, dies nach vorheriger Verständigung mit der Hauptverwaltung tun mögen.
18./23. April 1904 Der erste Verbandstag der Steinarbeiter in Erfurt bedauert, daß die zum Schutz der Steinarbeiter erlassene Bundesratsverordnung vom 20. März 1902 äußerst mangelhaft durchgeführt werde. Ein Antrag, nach Bedarf Zahlstellen für italienische Arbeiter einzurichten, wird dem Vorstand überwiesen. 30. April 1904 Mitglieder des "Techniker-Verbandes" veröffentlichen einen "Aufruf zur Organisation der Techniker, Ingenieure, Architekten und Chemiker zur Wahrung und Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen". Es heißt darin u.a.:
6. Mai 1904 Im Reichstag unterstützt E. Wurm die Petition des "Verbandes der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder", in der er das Verbot von Bleifarben verlangt hatte. Der Petitionsausschuß lehnt das Ansinnen in einem Bericht zunächst ab. Zu viele Arbeiter in Bleiweißfabriken würden arbeitslos, zudem wisse man nicht, ob Bleiweiß für alle Zwecke ersetzt werden könne.
7./8. Mai 1904 Die Führungsgremien des Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten beschließen: "Die in städtischen respektive staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten können ihre wirtschaftlichen Interessen nur durch eine gemeinsame Betriebsorganisation wahren, nicht aber durch Anschluß an die einzelnen Berufsverbände.
8./14. Mai 1904 Der Verbandstag des Holzarbeiterverbandes in Leipzig erteilt dem Hauptvorstand die Befugnis, im Bedarfsfall einen Extrabeitrag zu erheben und stimmt der Anstellung besoldeter Gauvorsitzender zu.
9. Mai 1904 In Berlin wird der "Reichsverband gegen die Sozialdemokratie" gegründet. Sein einziger Zweck ist es, "alle in Treue zu Kaiser und Reich stehenden Deutschen ohne Unterschied ihrer religiösen und politischen Stellung zum Kampf gegen die antimonarchistischen und revolutionären Bestrebungen der Sozialdemokratie zu einigen". Vorsitzender wird der General E. v. Liebert. Von der Sozialdemokratie wird der Verband "Reichslügenverband" genannt.
21. Mai 1904 Das "Reichs-Arbeitsblatt" veröffentlicht zum ersten Mal eine Übersicht über die Lohntarife und die Tariflöhne in Deutschland. Danach bestehen 882 (davon werden 877 von der Generalkommission übermittelt) Tarifverträge. Die meisten Tarifverträge sind im Baugewerbe mit 393 vorhanden, dann folgen die Industrie der Steine und Erden mit 128, die Nahrungs- und Genußmittelindustrie mit 79, die Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe mit 76, das Verkehrsgewerbe mit 68, die Holz- und Schnitzstoffindustrie mit 43, die Metallverarbeitung mit 38, die Lederindustrie mit 21, die Maschinenindustrie mit 15, die Polygraphischen Gewerbe mit 6, die Textilindustrie mit 5 und die Gärtnerei und Papierindustrie mit je 1 Tarifvertrag.
22./23. Mai 1904 Die Generalversammlung des Centralverbandes der Handlungsgehilfen und -gehilfinnen in Magdeburg lehnt eine Beteiligung an der Statistik des Reichsamtes für Statistik über die Ergebnisse der kaufmännischen Stellenvermittlung ab, da die Behörden eine freie Betätigung der gewerkschaftlich organisierten Handlungsgehilfen sehr oft unmöglich machen.
22./24. Mai 1904 Die Generalversammlung des Verbandes der Bergarbeiter in Stadthagen hält eine reichsgesetzliche Regelung des Bergwesens für unumgänglich notwendig und verlangt von der preußischen Regierung eine gründliche Reform der Knappschaftskassen.
22./26. Mai 1904 Der internationale Handschuhmacherkongreß in Stuttgart beschäftigt sich ausführlich mit der schwierigen Situation der Handschuhindustrie in Europa.
23./24. Mai 1904 Auf dem ersten Verbandstag der in der Blumen-, Blätter- und Putzfederfabrikation beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Dresden wird festgestellt, daß der Verband seit seiner Gründung 1902 mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. In den Titel des Verbandes werden jetzt auch die Palmenarbeiter eingefügt.
23./25. Mai 1904 Der Verbandstag des Centralverbandes der Konditoren, Leb- und Pfefferküchler in Dresden entscheidet, daß das Verbandsorgan folgenden Namenszusatz erhalten soll: "Organ für alle in der gesamten Zuckerwarenbranche, einschließlich der Konditoren, Leb- und Pfefferküchlereien beschäftigten Personen".
23./30. Mai 1904 Auf dem Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in Hannover stellt der Redakteur Goldschmidt - er spricht anstelle des erkrankten M. Hirsch - beim Tätigkeitsbericht des Verbandes in Abrede, daß die Aufhebung des Reverses irgend etwas an den Grundsätzen der Gewerkvereine geändert habe. Diese Grundsätze sind nach wie vor die der politischen und religiösen Neutralität und Unabhängigkeit. Von den anderen Gewerkschaften scheide die Gewerkvereine der Umstand, daß erstere partei- oder kirchenpolitische Zwecke verfolgen; von einer Verschmelzung mit ihnen könne keine Rede sein, höchstens von einem idealen Bündnis, beruhend auf gegenseitiger Anerkennung und Achtung.
25./26. Mai 1904 Der "Evangelisch-Soziale Kongreß" behandelt "das moderne Lohnsystem und die Sozialreform" sowie die Arbeitergewinnbeteiligung nach dem Zeiss-Vorbild in Jena. Die Versammlung beschließt daraufhin "die allmähliche Durchführung von Tariffestsetzungen zum Zwecke der Erhöhung der Löhne".
Ende Mai 1904 Nach einem längerem Streik schließen die Berliner Bäcker einen Tarifvertrag, in dem u.a. festgelegt wird, daß Kost und Wohnung vom Arbeitgeber nicht mehr als Teil des Arbeitsverdienstes gewährt werden dürfen, die Lohnzahlung wöchentlich erfolgen muß, ein paritätischer Arbeitsnachweis zu errichten ist und an den drei "hohen Festen" (Ostern, Pfingsten und Weihnachten) jedem Gesellen eine Freinacht ohne Lohnabzug zu gewähren ist. 6./11. Juni 1904 Die Generalversammlung des Vereins der Schuhmacher in Berlin beschließt, die Organisation in zehn Gaubezirke zu unterteilen und besoldete Gauleiter anzustellen.
Die Generalversammlung des Centralvereins für alle in der Hut- und Filzwarenindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Dresden ändert die Satzung. Danach hat der Verein den Zweck, "die soziale und wirtschaftliche Lage seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Der Zweck soll erreicht werden durch möglichst günstige Arbeitsbedingungen und deren allgemeine Regelung mittels kollektiver Arbeiterverträge usw."
7./11. Juni 1904 Der Verbandstag des Centralverbandes der Brauereiarbeiter in Frankfurt a. Main führt eine Hinterbliebenenunterstützung ein. Der Verband wird in 6 Bezirke eingeteilt, und dafür werden 6 "Gaubeamte" auf den Verbandstagen gewählt.
13./14. Juni 1904 Auf dem ersten Genossenschaftstag des Centralverbandes deutscher Konsumvereine in Hamburg wird beschlossen, mit dem Verband der Bäcker einen Tarifvertrag abzuschließen. Wo schon höhere Löhne gezahlt werden, dürfen sie nicht gekürzt werden, Überstunden sind extra und höher zu bezahlen. Der Arbeitsnachweis des Bäckerverbandes ist überall in Anspruch zu nehmen. Nach einjähriger Berufstätigkeit sind jährlich eine Woche Urlaub unter Fortzahlung des Lohnes zu gewähren.
19./22. Juni 1904 Die Generalversammlung des Verbandes der Graveure, Ciseleure und verwandter Berufsgenossen fordert vom Centralvorstand, künftig die Vertretung der Generalkommission auf der Generalversammlung nicht von der Personenfrage abhängig zu machen.
23. Juni 1904 Der "Verein deutscher Arbeitgeberverbände" wird von Mitgliedern des Bundes der Industriellen, vor allem denen der Leicht- und Fertigwarenindustrie, gegründet.
26. Juni 1904 Um die Gewerkschaftsarbeit zu fördern, einigt sich eine Konferenz der Gewerkschaften des Saargebietes darauf, ein Arbeitersekretariat in St. Johann-Saarbrücken einzurichten und eine Agitationskommission zu bilden, die für den Regierungsbezirk Trier, den westlichen Teil der bayerischen Pfalz und den nördlichen Teil Lothringens zuständig ist. 1. Juli 1904 Der neugegründete "Christliche Verband für das graphische Gewerbe" beginnt seine Tätigkeit. Er organisiert Buchbinder, Lithographen, Steindrucker und verwandte Berufe.
4./9. Juli 1904 Der Verbandstag des Buchbinderverbandes in Dresden beschließt, seinen Sitz von Stuttgart nach Berlin zu verlegen. Zum ersten Mal soll ein hauptamtlicher Bezirksleiter - für Sachsen - eingestellt werden.
6. Juli 1904 Das Gesetz über die Einführung von paritätischen Kaufmannsgerichten tritt in Kraft.
17./20. Juli 1904 Der 5. Kongreß der christlichen Gewerkschaften in Essen fordert die christlichen Gewerkschaften auf, Arbeitslosenunterstützung einzuführen. Der Kongreß erkennt in der Arbeitslosenfürsorge eine der dringendsten Aufgaben der modernen Sozialpolitik und empfiehlt den Gewerkschaften die Einführung der Arbeitslosenunterstützung, fordert aber die reichsgesetzliche Regelung des Arbeitsnachweises und der Arbeitszeit, ferner vollständiges freies Koalitionsrecht für alle Arbeiter, damit sie die Selbsthilfe ungehindert organisieren können, sowie eine reichsgesetzliche Arbeitslosenversicherung unter Mitwirkung der Arbeiter.
Juli 1904 Die im Anschluß an den Kongreß durchgeführte Generalversammlung des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften in Essen fordert die Verbände, Ortskartelle und Zahlstellenvorstände auf, in geeigneter Weise auf die Tages- bzw. Lokalpresse einzuwirken, daß die christlichen Gewerkschaften mehr als bisher von derselben unterstützt und protegiert werden. Zu dem Zwecke sind die christlichen Gewerkschaften auch gehalten, die Tagespresse durch Übermittelung von Berichten über die Gewerkschaftssachen und -versammlungen zu unterstützen.
17./23. Juli 1904 Die Generalversammlung des Vereins der Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen in Dresden kommt dem Wunsch des "Verbandes der Buch- und Steindrucker-Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen nach, ihm die Zuständigkeit auch für Schleifer zu übertragen
29. Juli 1904 Gustav Keßler, geboren..................., bedeutendster Vertreter der lokalistischen Gewerkschaften und Redakteur ihrer Zeitung "Einigkeit" gestorben. Anfang August 1904 Auf einer von der Leitung der "Freien Vereinigung der Gewerkschaften" einberufenen Versammlung in Berlin spricht Friedeburg über "Parlamentarismus und Generalstreik". In einer Resolution wird der Parlamentarismus als für die Arbeiterbewegung schädliches Mittel verurteilt und die Konzentration auf den rein wirtschaftlichen Kampf und den Generalstreik verlangt. 1./6. August 1904 Der Verbandstag des Verbandes der Schneider und Schneiderinnen und verwandten Berufsgenossen in Dresden beschließt, die Möglichkeit von Urabstimmungen aus dem Statut zu streichen. Der Vorstand kann bei Arbeitskämpfen einen Extrabeitrag erheben.
6. August 1904 Die Delegierten einer internationalen Schneiderkonferenz in Dresden sind sich darin einig, die losen internationalen Verbindungen zu verbessern. 7./13. August 1904 Der Verbandstag des Verbandes der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen in Hamburg "erhebt flammenden Protest" gegen den preußischen Gesetzentwurf gegen Kontraktbruch der ländlichen Arbeiter. Er hält die Beseitigung der Gesindeordnung und die Gewährung des Koalitionsrechts für ländliche Arbeiter und Arbeiterinnen für unbedingt erforderlich.
8./11. August 1904 Der internationale Bergarbeiter-Kongreß in Paris lehnt den deutschen Antrag ab, ein internationale Sekretariat einzuführen. 10./13. August 1904 Der Kongreß der Internationalen Transportarbeiter-Federation in Amsterdam beschließt die Bildung eines Zentralrates, dessen Vorsitzender zu besolden ist. Zu den Aufgaben der Föderation gehören u.a.: Hebung der wirtschaftlichen Lage der Transportarbeiter, gegenseitige Information und Unterstützung.
12./14. August 1904 Der internationale Metallarbeiterkongreß in Amsterdam beschließt, einen internationalen Metallarbeiterbund mit einem besoldeten Sekretär zu gründen.
13./14. August 1904 Der internationale Holzarbeiterkongreß in Amsterdam beschließt, eine internationale Union zu gründen und ein internationales Sekretariat einzurichten. Hauptaufgabe der Union soll die internationale Verständigung sein, vor allem soll sie auf den Abschluß von Gegenseitigkeitsverträgen hinwirken. 14./20. August 1904 Auf dem internationalen sozialistischen Kongreß in Amsterdam sind 24 Länder, darunter auch Japan vertreten.
16./17. August 1904 Der Senefelder-Bund beschließt, auf seiner Generalversammlung in Kassel die Verschmelzung mit dem Verein der Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen. 21./27. August 1904 Der internationale Tabakarbeiter-Kongreß in Amsterdam beschließt, den "Internationalen Verband von Tabakarbeitern und -arbeiterinnen" zu gründen. Der Verband soll hauptsächlich über die sozialen und ökonomischen Zustände der Tabakindustrie aufklären. Die Streikunterstützung soll nur noch Nebensache sein.
13. September 1904 Der Verbandstag des Centralverbandes der Civilmusiker in Hannover erneuert seinen Beschluß für ein Verbot des gewerbsmäßigen Tätigkeit der Militärmusiker. 17./18. September 1904 Die 3. Konferenz der sozialdemokratischen Frauen in Bremen fordert die gesetzliche Festlegung des Zehnstundentages als Schritt zum Achtstundentag und ein einheitliches demokratisches Vereins- und Versammlungsrecht für ganz Deutschland, das alle Ausnahmebestimmungen für die Frauen beseitigt. Das Bildungsprivileg der herrschenden Klassen muß beseitigt, das Recht auf Bildung für alle Mitglieder der Gesellschaft erreicht werden. 18./24. September 1904 Der SPD-Parteitag in Bremen empfiehlt nach eingehender Diskussion am 1. Mai die Arbeitsruhe, soweit daraus keine Schädigung der Arbeiterinteressen zu erwarten ist.
Herbst 1904 Das Landgericht Kiel stellt fest, ein Unternehmer erleide "durch den Austritt aus dem Verband keine Einbuße an Ehrbarkeit und Achtungswürdigkeit in seiner Lebensstellung". 26./28. September 1904 Die Generalversammlung der Internationalen Vereinigung für Arbeiterschutz in Basel - an der keine Vertreter der sozialdemokratischen deutschen Arbeiterbewegung teilnehmen - fordert das Verbot von Bleiweiß im Maler-und Anstreichergewerbe. Zur systematischen Bekämpfung aller gewerblichen Vergiftungen sollen eine Reihe von Grundbedingungen durchgeführt werden, so u.a. die Anzeigeverpflichtung von Ärzten und Krankenhäusern von gewerblichen Vergiftungen an die zuständigen Behörden, Unabhängigkeit der Ärzte von den gewerbliche Gifte herstellenden Firmen, Anzeigepflicht der Betriebsinhaber für die Erzeugung und Verwendung gewerblicher Gifte, Förderung des Studiums und der Kenntnisse über gewerbliche Vergiftungen, Kontrolle der Betriebe durch fachmännisch ausgebildete Ärzte, besondere Arbeitszeiten für die Arbeiter in diesen Betrieben.
Anfang Oktober 1904 Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete L. Frank gründet den "Verband junger Arbeiter Mannheims", dessen Aufgabe die Vermittlung von Wissen, die Ausfüllung der Lücken in der Volksschulbildung sein sollen. 6. Oktober 1904 Die von der Generalkommission eingesetzte Kommission zur Bekämpfung des Kost- und Logiszwangs, der Vertreter von 22 Gewerkschaften angehören, berät auf ihrer ersten Sitzung ihr Arbeitsprogramm sowie die ersten Schritte zu dessen Durchführung und die Frage der Kostendeckung. Das Ergebnis dieser Erörterungen war die einstimmige Ansicht, daß der Kost-und Logiszwang beim Arbeitgeber nicht bloß wegen der mit demselben verbundenen hygienischen, sittlichen und wirtschaftlichen Nachteile zu bekämpfen sei, sondern schon aus allgemein gewerkschaftlichen Gründen als ein den modernen Kulturanschauungen und der wirtschaftlichen Freiheit der Arbeiter feindliches System. Es müsse deshalb den Gewerkschaften dringend empfohlen werden, in ihrer Agitation gegen das Kost- und Logissystem nicht zu erlahmen und keinen Vortrag allgemein gewerkschaftlicher Natur vorübergehen zu lassen, ohne die Arbeiter über die Kulturfeindlichkeit des ersteren aufzuklären. Die Kommission soll ihre nächste Aufgabe darin erblicken, das bereits vorhandene Material über den Kost- und Logiszwang in beruflichen Erhebungen und in der Literatur, sowie alle bestehenden Gesetze, Verordnungen und örtlichen Reglements, die auf die Gewährung von Kost und Wohnung Bezug haben, zu sammeln, zu sichten und auf seine agitatorische und juristische Verwertbarkeit zu prüfen. Insoweit dieses nicht ausreicht, soll sie weitere Erhebungen mit Hilfe der beteiligten Organisationen veranlassen und das aus allem diesen gewonnene Material zur Einwirkung auf die Gesetzgebung benutzen. Ferner soll es ihre Aufgabe sein, das erzielte Material zusammenzustellen und agitatorisch zur Verbreitung in der Presse und Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu bearbeiten. 9. Oktober 1904 Eine von der Centralkommission der Gewerkschaften für Elsaß-Lothringen einberufene Konferenz in Straßburg verlangt die Schaffung eines zweisprachigen Gewerkschaftsblattes und eines Arbeitersekretariates für Lothringen. 10. Oktober 1904 In Berlin schließen sich Jugendliche zum "Verein der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter" zusammen, nachdem ein von seinem Lehrherrn drangsalierter Lehrling sich das Leben genommen hat. Der Verein will die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen seiner Mitglieder wahren. Er bezweckt die Förderung der Bildung seiner Mitglieder und die Geselligkeit. Zusammen mit dem Verband junger Arbeiter Mannheims stellt er den Beginn einer organisatorisch selbständigen Arbeiterjugendbewegung in Deutschland dar. Auf einer Konferenz von Gewerkschaftsvertretern aus Oberschlesien in Kattowitz wird die starke Behinderung der Gewerkschaftsarbeit beklagt. Nur in wenigen Fällen gelingt es, Versammlungsräume zu erhalten. 14./15. Oktober 1904 Die Generalversammlung der Gesellschaft für soziale Reform in Mainz diskutiert ausführlich die Frage "Arbeits- oder Arbeiterkammern". Ein Beschluß ist nach der Satzung der Gesellschaft nicht zulässig. 16. Oktober 1904 Eine Konferenz der christlichen Gewerkschaftskartelle von Rheinland-Westfalen - 22 Kartelle sind vertreten - befaßt sich vor allem mit den Aufgaben der Ortskartelle. Die Ortskartelle haben eine zielbewußte Tätigkeit zu entfalten u.a. durch die planmäßige Agitation, taktische und organisatorische Maßnahmen bei Lohnbewegungen, Streiks, Aussperrungen, Organisation des Arbeitsnachweises und des Herbergswesens. Die geistige Hebung der christlich-organisierten Arbeiterschaft durch soziale Unterrichtskurse und Volksbildungsabende, Abschaffung der einzelnen Feste, Einführung eines örtlich einheitlichen Gewerkschaftsfestes, statistische Erhebungen, die Beteiligung an allen sozialen Wahlen (Gewerbegericht, Krankenkassen, Gesellenausschüsse). Eine Konferenz von Gewerkschaftsvertretern aus den Provinzen Ost- und Westpreußen beschließt, für dieses Gebiet eine Agitationskommission mit einem besoldeten Sekretär zu bilden. Damit soll die Gewerkschaft in diesen Gebieten - in Ostpreußen gibt es ca. 4.800 Mitglieder - gefördert werden.
24./26. Oktober 1904 Die Konferenz der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschäftigt sich mit den Grenzstreitigkeiten, die durch den Beschluß des Verbandes der in Gemeinde und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten vom 7./8. Mai entstanden waren, und beschließt:
30. Oktober 1904 Adolf Braun schreibt an K. Kautsky: "Weit mehr als den Revisionismus haben wir geheime, jeder öffentlichen Diskussion aus dem Wege gehende Strebungen der Gewerkschaftsführer zu befürchten. Diese tragen die Fesseln der Partei nur mit Ärger und Widerwillen, sie möchten gerne eine gewerkschaftliche Arbeiterpartei, eine Kontrolle der Gewerkschaftsführer in der Reichstagsfraktion durch die oberste Gewerkschaftsleitung durchsetzen." August Brust, der Vorsitzende und Redakteur des christlichen Gewerkvereins der Bergleute, legt nach internen Differenzen seine Ämter nieder.
21. November 1904 Das "Reichs-Arbeitsblatt" veröffentlicht nach Auswertung von 600 Tarifverträgen Übersichten über Arbeitszeiten.
Dezember 1904 Der in Düsseldorf erscheinende "Gewerkvereinsbote", Organ des rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine, der gegen den Zentralrat opponiert, schreibt, daß neun Zehntel der Gewerkvereinler die Theorie der Harmonie der Interessen längst praktisch verlassen hätten. 3. Dezember 1904 Die "Metallarbeiter-Zeitung" erscheint zum ersten Mal mit einer Auflage von mehr als 200.000 Exemplaren. 29. Dezember 1904 Der Verein "Arbeiterwohl" ändert auf seiner Generalversammlung in Neuss die Satzung, die die Entwicklung von der ursprünglichen Fabrikwohlfahrtspflege zu einer umfassenden Sozialpolitik widerspiegelt. Danach erstrebt der Verband "die Förderung der geistigen und wirtschaftlichen Kultur und des sozialen Fortschritts in unserem Volke auf dem Boden des Christentums"; er wendet sich an "die Gebildeten und Besitzenden" und sucht diesen Zweck zu erreichen durch Publikationen, Konferenzen, Kurse, Erteilung von Rat und Auskünften in einschlägigen Fragen und schließlich "Mitwirkung bei der Förderung und Ausgestaltung des sozialen Vereinswesens und der gesamten Wohlfahrtspflege".
Ende 1904 Der Generalkommission sind 63 zentrale Gewerkschaften mit 1.116.720 Mitgliedern, davon 53.525 weiblichen angeschlossen. Die größten Verbände sind die der Metallarbeiter mit 198.960 (32,97%), die der Maurer mit 130.130 (54,30%), die der Holzarbeiter mit 105.390 (31,12%), die der Bergarbeiter mit 80.680 (20,10%) und die der Textilarbeiter mit 51.260 (8,96%).
Von ihren Einnahmen in diesem Jahr gibt die Generalkommission für Agitationskommission rund 5%, rund 12% für das Correspondenzblatt und 4% für Personalkosten aus. Von den der Generalkommission angeschlossenen Verbänden haben 4 weniger als 500, 5 haben 500-1.000, 23 haben 1.000-5.000, 9 haben 5-10.000, 6 haben 10-15.000, 3 haben 15-20.000, 3 haben 20-30.000, 4 haben 30-40.000, einer hat über ca. 53.000, einer 75.360, einer 97.105, einer 128.850 und einer 176.220 Mitglieder. Dem Verband der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine sind 21 Verbände mit 111.890 Mitgliedern angeschlossen.
Von den 433 Gewerkschaftskartellen haben nur 405 Berichte an die Generalkommission gesandt. Es bestehen 22 Gewerkschaftshäuser, eine zentrale Herberge haben 20, eine unter Kontrolle der Gewerkschaften stehende Herberge beim Gastwirt 181 Kartelle.
Die Generalkommission registriert 1904 1.625 Streiks und Aussperrungen mit rund 136.000 Beteiligten.
In 17 deutschen Städten wird inzwischen Arbeitern ein Erholungsurlaub gewährt, wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. in Dresden, wo es erst nach 10jährigem Dienst einen Anspruch auf 2 bis 3 Tage Urlaub gibt. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |