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TEILDOKUMENT:
1903 1903 / 1907 In dieser Konjunkturperiode erreichen die Streiks der Gewerkschaften ihre höchste Erfolgsquote. 1903 Mitte des Jahres wird der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise erreicht. Seitdem beginnt ein allmählicher Konjunkturaufschwung. Die organisatorischen Schwerpunkte der sozialdemokratischen Gewerkschaften liegen in den Gebieten Anhalt, Berlin, Brandenburg, Braunschweig, Provinz Sachsen, wo 27% aller Gewerkschaftsmitglieder sind. In den Hansestädten beträgt der Anteil der Gesamtmitgliedschaft 9,2%, das ist mehr als in Baden, Hessen und Württemberg zusammen. In Sachsen und Thüringen sind 15,5% der Gewerkschaftsmitglieder zuhause. Die größten Steigerungsraten erreichen die Gewerkschaften seit 1895 in Westdeutschland mit rund 460%.
Die Schwierigkeit für gewerkschaftliche Aktivitäten in "Diasporagebieten" schildert der Bezirksleiter des Metallarbeiterverbandes aus dem Koblenzer und Trierer Raum: "Außerordentlich erschwert wird die Agitation besonders in den neuerschlossenen Gebieten durch den Mangel an Lokalen. Was auf dem Gebiet der Saalabtreiberei von unseren Gegnern geleistet wird, ist geradezu unglaublich. Trotz aller Bemühungen konnte ich beispielsweise im ganzen Regierungsbezirk Koblenz nur über ein Lokal verfügen, und das wurde schließlich auch wieder abgetrieben, so daß dort jetzt nicht ein einziges Lokal zu haben ist. Nicht besser steht es im Regierungsbezirk Trier, wo außer dem Lokal in St. Johann nicht eine einzige Wirtschaft zur Verfügung steht. Als ich im Dillkreise Versammlungen abhalten wollte, war es der Landrat, der sich in höchsteigener Person bemühte, uns das Lokal abzutreiben, und schließlich auch Erfolg hatte."
Der Generalrat des Gesamtverbandes der Gewerkvereine richtet eine Petition an den Reichstag, in dem er verlangt:
Die westdeutschen katholischen Arbeitervereine schließen sich zum "Verband katholischer Arbeitervereine Westdeutschlands" zusammen. Der Bundesrat verbietet die Herstellung von Phosphorzündhölzern. Im Reichstag wird ein Gesetzentwurf zur Einführung von Arbeitskammern eingebracht, der aber erst 1908 beraten wird. Januar 1903 Die Verbände der Maurer, Zimmerer und Bauhilfsarbeiter schließen einen Kartellvertrag, in dem eine koordinierte Taktik bei lokalen und regionalen Tarifverhandlungen und eine gegenseitige Unterstützung bei Streiks vereinbart wird. 1. Januar 1903 Das Zentralarbeitersekretariat beginnt seine Tätigkeit.
1. März 1903 Bis zum Vertretertag des "Ausschusses für die Regelung der Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der deutschen Privatbeamten" haben sich dieser Bewegung 24 Organisationen mit etwa 300.000 Mitgliedern angeschlossen. Kurze Zeit später wird auf erweiterter Grundlage, der Hauptausschuß für die staatliche Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der Privatangestellten gebildet, der in seiner Mehrheit eine Sonderkasse für die Privatangestellten fordert, während eine noch im "Hauptausschuß" mitarbeitende Minderheit den Anschluß der neu zu schaffenden Angestelltenversicherung an die bereits bestehende Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter empfiehlt.
23./28. März 1903 Die Generalversammlung des Tabakarbeiterverbandes in Dresden beschließt mit Mehrheit die Einführung der Arbeitslosen- und einer Wöchnerinnenunterstützung für vier Wochen.
24./26. März 1903 Der Verbandstag des Verbandes der Barbiere, Friseure und Perückenmacher in Mannheim beschließt eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen und empfiehlt die Bildung von Betriebsgenossenschaften.
28. März 1903 Auf einer internationalen Maurerkonferenz vereinbaren Delegierte aus 9 Ländern eine gegenseitige Unterstützung und den Austausch von Materialien. 29. März 1903 Der zweite Bauarbeiterschutz-Kongreß in Berlin stellt fest, daß seit dem Kongreß 1899 nur unwesentliche Fortschritte für den Bauarbeiterschutz gemacht worden sind.
Der "Verband deutscher Handlungsgehilfen" beschließt auf seiner Generalversammlung ein "Sozialpolitisches Programm", in dem er u.a. fordert:
31. März / 4. April 1903 Die Generalversammlung der Vereinigung der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder in Berlin beschließt, über die Einführung der Arbeitslosenunterstützung eine Urabstimmung durchzuführen.
Die Generalversammlung des Centralverbandes der Zimmerer in Berlin beschließt die Anstellung besoldeter Vertrauensmänner, die u.a. die Agitation innerhalb und außerhalb der Zahlstellen, die Leitung der Lohnbewegungen übernehmen sollen. Streikbrecher begehen das schwerste Vergehen gegen die Verbandsinteressen, sie sollen ausgeschlossen werden, können aber wieder Mitglied werden, wenn sie ihre Fehler eingesehen haben. Von Ehrenämtern sollen sie dann aber möglichst ferngehalten werden. Der Verbandstag des Centralverbandes der Maurer in Berlin stimmt dem Kartellvertrag mit der Organisation der Bauarbeiter und Zimmerer zu. Im Statut wird der Ausschluß aller religiösen und politischen Fragen gestrichen. Der Verband führt eine Krankenzuschußunterstützung ein. In einem Referat über Bildung und Bildungsmittel wird verlangt, daß in den Zweigvereinen Bibliotheken und Archive eingerichtet werden sollen. Die Versammlungen sollen durch Vorträge oder Vorlesungen so ausgestaltet werden, daß Geist und Gemüt der Mitglieder angeregt und weiter gebildet werden. 1. April 1903 Auf der ersten internationalen Konferenz der Zimmerer in Berlin beschließen Vertreter aus fünf Ländern, einen Vertrauensmann einzusetzen, der die internationalen Beziehungen der Zimmerer aller Länder aufrechterhalten soll. Von den seit 1. April 1902 erzielten Einnahmen gaben die christlichen Gewerkschaften rund 20% für Streik- und Gemaßregeltenunterstützung, rund 16% für die Verbandsorgane und rund 11% für Agitation und Verwaltung aus.
4. April / 18. Mai 1903 In Pirmasens werden rund 7.600 Schuharbeiter ausgesperrt, weil die Arbeiter zweier Fabriken wegen mehrmaliger Lohnkürzungen die Arbeit niederlegen. Ziel der Unternehmer ist die Zerschlagung der Gewerkschaft. Nach Zusicherung einer 10stündigen Arbeitszeit, der Zurückziehung der schwarzen Listen und der Anerkennung der Gewerkschaft durch die Unternehmer wird der Kampf mit einem Teilerfolg für die Arbeiter beendet. 10./15. April 1903 Die Generalversammlung des Centralverbandes aller in der Schmiederei beschäftigten Personen in Halle/Saale beschließt, daß über die Beteiligung an den Maifeiern die Ortsgruppen selbständig entscheiden. In Betrieben, wo dreiviertel der beschäftigten Kollegen unterstützungsberechtigt organisiert sind, kann die Arbeitsruhe beschlossen werden, die Minorität hat sich diesem Beschluß zu fügen. Mitglieder, die durch andere Gewerkschaften moralisch gezwungen werden, sich an der Maifeier zu beteiligen, haben Anspruch auf Unterstützung aus der Zentralkasse.
10./16. April 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter in Hamburg befürwortet weiterhin organisationseigene Arbeitsnachweise. Paritätischen Nachweisen will der Verband nur zustimmen, wenn ein Einfluß der Organisation auf die Verwaltung garantiert ist.
11./13. April 1903 Der Verbandstag des Centralverbandes der Glaser und verwandter Berufsgenossen in Leipzig lehnt den Anschluß an den Holzarbeiterverband ab, erkennt aber die Zweckmäßigkeit korporativer Arbeitsverträge an. Sollten Verhandlungen mit den Unternehmern Erfolg haben, ist über die zu treffenden Abmachungen eine Urabstimmung herbeizuführen.
13./15. April 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Sattler in Kassel ändert das Streikreglement. Danach kann ein Angriffsstreik nur genehmigt werden, wenn zwei Drittel aller in Betracht kommenden Kollegen mindestens ein halbes Jahr dem Verband angehören.
13./16. April 1903 Die Versammlung des Verbandes der im Vergoldergewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in München beschließt die Arbeitslosenunterstützung und die Anstellung des Verbandsvorsitzenden. 14./20. April 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der in den Gemeindebetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten in Berlin beschließt, daß künftig zu den Zwecken des Verbandes auch gehören: die Einführung von Arbeiterausschüssen, Arbeits- bzw. Dienstordnungen für alle Betriebe, die feste Anstellung bzw. die der längeren Kündigungsfristen, die Gewährung von Sommerurlaub unter Weiterzahlung des Lohnes sowie die Unterstützung von Hinterbliebenen verstorbener Mitglieder. Sämtliche in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter müssen der Gewerbeordnung unterstellt werden.
19./22. April 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Schiffszimmerer in Bergedorf beschließt die Einführung der Arbeitslosenunterstützung. Dem Beschluß müssen aber in einer Urabstimmung mindesten zwei Drittel der Mitglieder zustimmen.
20./23. April 1903 Die Generalversammlung des Seemannsverbandes in Hamburg hält die neue Seemannsordnung und das Seeunfallversicherungsgesetz den notwendigen Anforderungen für die Seeleute nicht entsprechend. Sie erneuert deshalb nochmals ausführlich ihre Forderungen für eine neue Seemannsordnung. 21. April 1903 Das erste Heft des "Reichs-Arbeitsblatts", herausgegeben vom Arbeits-statistischen Amt des Deutschen Reiches, erscheint. Es soll vornehmlich arbeitsstatistische Daten und sonstige für die Arbeitsverhältnisse wichtige Materialien veröffentlichen. 30. April 1903 Nach einem Urteil des Reichsgerichts werden Tarifgemeinschaften als Koalitionen behandelt. Damit steht nach § 152 Abs. 2 der Gewerbeordnung den Tarifpartnern jederzeit der Rücktritt frei, und den Vertragsparteien ist es untersagt, die im § 153 "personalisierten" Mittel anzuwenden, um die Einhaltung der Verträge zu erzwingen. 2. Mai 1903 Die Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes bringt nicht nur erhebliche Leistungsverbesserungen, sondern zieht auch die Handlungsgehilfen mit in den Kreis der Pflichtmitglieder ein.
10./13. Mai 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Werftarbeiter in Vegesack spricht sich für Verhandlungen mit den Schiffszimmerern zur Beilegung der Differenzen aus.
2. Hälfte Mai 1903 Rund 3.600 Werftarbeiter in Geestemünde und Vegesack werden wegen ihrer Forderungen nach Regelungen der Akkordarbeit ausgesperrt. 17./18. Mai 1903 In Dresden wird auf dem ersten Genossenschaftstag von Vertretern von 7 Genossenschaftsverbänden, 302 Konsumvereinen sowie der Großeinkaufsgenossenschaft deutscher Konsumvereine der "Zentralverband deutscher Konsumvereine" gegründet und vollzieht damit die Trennung von den Schultze-Delitzschen Gewerksgenossenschaften. Der Genossenschaftstag erklärt mit aller Entschiedenheit als den einzigen Zweck der konsumgenossenschaftlichen Organisation die wirtschaftliche Förderung und geistige Hebung vornehmlich der minder bemittelten Volksschichten und damit die Steigerung des Wohlstandes der ganzen Nation. Auf dem Boden der wirtschaftlichen Selbsthilfe stehend, beansprucht er für die Konsumvereine keinerlei Vorrechte oder staatliche Begünstigungen. Er protestiert schärfstens gegen alle auch gesetzgeberischen Bestrebungen, die Entwicklung der Konsumvereinsbewegung zu hemmen.
18./23. Mai 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Bäcker und Berufsgenossen in Dresden wünscht eine Verschmelzung mit dem Verbande der Konditoren. Mit dem Zentralverband der Konsumvereine soll ein Tarifvertrag abgeschlossen werden, da die Organisation der Bäcker in diesen Betrieben besonders viele Mitglieder hat.
30. Mai / 3. Juni 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Glasarbeiter und Arbeiterinnen in Dresden ändert den Namen der Gewerkschaft in "Centralverband der Glasarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands". Bei der Debatte des Geschäftsberichtes erklärt der Vorsitzende, daß der Generalstreik der Glasarbeiter 1901 gegen den Willen des Vorstandes ausgebrochen ist. Die Delegierten verpflichten sich, mit aller Kraft die Fehler wieder gut zu machen, die bei dem Generalstreik gemacht worden sind.
1./3. Juni 1903 Die Generalversammlung des Bergarbeiterverbandes in Zwickau beschließt die Einführung der Arbeitslosenunterstützung. Die Delegierten beschäftigen sich ausführlich mit der grassierenden sog. "Wurmkrankheit", die allein im Ruhrgebiet über 20.000 Bergleute erfaßt hat und nach Auffassung des Verbandes auf den ungenügenden sanitären Kontrollen der Gruben basiert. Die Generalversammlung nimmt umfangreiche Forderungen für eine Verordnung zum besseren Gesundheitsschutz an.
1./4. Juni 1903 Der internationale Bergarbeiterkongreß in Brüssel erklärt sich für die Verstaatlichung aller Bergwerke. Nachdem von der sog. Wurmkrankheit auch zehntausende belgischer und französischer Bergarbeiter betroffen sind, fordert der Kongreß: Die Unternehmer sind gesetzlich zu verpflichten auf den Werken Einrichtungen zur Förderung der Arbeitergesundheit zu schaffen. 1./6. Juni 1903 Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in Berlin erklärt den Abschluß der Tarifgemeinschaften und korporativen Arbeitsverträgen mit den Unternehmern im Interesse der Mitglieder, wie auch aller übrigen Metallarbeiter für zweckmäßig und wünschenswert.
2./5. Juni 1903 Die Generalversammlung des Centralverbandes der Töpfer und Berufsgenossen in Meißen beschließt, über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung in einer Urabstimmung entscheiden zu lassen. Pfingsten 1903 Auf dem internationalen Steinarbeiterkongreß in Zürich vertreten Delegierte Organisationen aus 11 Ländern, die beschließen, ein Internationales Sekretariat einzurichten, das vor allem wechselseitige Informationen vermitteln soll. 16. Juni 1903 Die Sozialdemokratie erhält bei den Reichstagswahlen 3.010.771 Stimmen, das sind 980.000 mehr als 1898. Sie hat damit einen Vorsprung gegenüber der zweitstärksten Partei - dem Zentrum - von 1,9 Millionen Stimmen. Während aber auf das Zentrum mit dieser Stimmenzahl 100 Mandate entfallen, bekommt die Sozialdemokratie nur 81. 31,7% der Stimmen entfallen auf die Sozialdemokratie, doch nur 20,4% der Mandate. Von den 24 Sächsischen Mandaten erobert die Partei 23. Die Sozialdemokratie hatte in 390 Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt. In der Partei werden Stimmen laut, die Angriffe der Regierung auf das Wahlrecht befürchten. 1. Juli 1903 Nachdem in Industrie und Handel auch die qualifizierte Angestelltentätigkeit sich stärker ausbreitet, nennt sich der "Kaufmännische Hilfsverein für weibliche Angestellte" nun "Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte".
7. Juli 1903 Die dritte internationale Konferenz der Sekretäre der Landesorganisationen der Gewerkschaften in Düblin beschließt, daß künftig die Kosten der Zentralstelle durch einen festen Beitrag der angeschlossenen Organisationen zu zahlen ist. Die Konferenz ernennt einen "Internationalen Sekretär der gewerkschaftlichen Landeszentralen", welcher die Verbindung zwischen den Landeszentralen aufrecht zu erhalten, die jährlichen Berichte der Landessekretäre zu bearbeiten und den einzelnen Landeszentralen in den offiziellen Sprachen (englisch, französisch und deutsch) zugänglich zu machen hat.
8./11. Juli 1903 Die Generalversammlung des Verbandes der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen in Magdeburg erklärt, daß mit dem Sattlerverband ein Zusammenwirken bei der Agitation herbeigeführt werden muß.
21. Juli 1903 Das "Reichsarbeitsblatt" veröffentlicht zum ersten Mal eine Arbeitslosenzählung in den Verbänden, die Arbeitslosenunterstützung zahlen. An der Zählung beteiligen sich 23 Gewerkschaften der Generalkommission, 17 Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine, der Verband der Photographengehilfen sowie der Verband der katholischen Arbeitervereine. Mit dieser Statistik wird jedoch nur ein ganz geringer Prozentsatz der Arbeitnehmer erfaßt. 2. August 1903 / 18. Januar 1904 Die Crimmitschauer Weber treten in einen Streik um den zehnstündigen Arbeitstag vor allem für Arbeiterinnen und eine 14prozentige Lohnerhöhung. Die Arbeiter antworten mit zahlreichen Maßregelungen und der Aussperrung der rund 7.600 Textilarbeiter, wodurch die gesamte Crimmitschauer Industrie lahmgelegt wird. Am 3. Dezember 1903 wird der Belagerungszustand über Crimmitschau verhängt. Die Behörden verhaften Streikposten und unterstützen häufig die Arbeitgeber bei deren Aktivitäten. Die Generalkommission und die Gewerkschaften rufen zur Unterstützung der Streikenden auf. In ganz Deutschland werden über eine Million Mark zur Unterstützung der Streikenden gesammelt. Der Streik wird am 18. Januar 1904 erfolglos abgebrochen. Ein Teil der Streikenden wird nicht wieder eingestellt oder erste einige Zeit später. 2./5. August 1903 Der Delegiertentag des Gewerkvereins der Schneider in Hirschberg beschließt, Mitglieder, die gleichzeitig dem Schneiderverband angehören, auszuschließen. 3. August 1903 Die internationale Konferenz der Lederarbeiter in Malmö beschließt, das Sekretariat aufzulösen. 10. August 1903 Der Delegiertentag des Vereins der deutschen Kaufleute in Stettin lehnt mit Mehrheit den Austritt aus dem Verband der deutschen Gewerkvereine ab. Die Delegierten sprechen sich für eine ausgleichende Sozialpolitik aus: völlige Sonntagsruhe, Achtuhrladenschluß, gesicherte Lehrlingsausbildung und Kaufmannsgerichte. 12./13. August 1903 Die Generalversammlung des Centralvereins der Formstecher in Harburg beauftragt den Zentralvorstand "mit der Vertretung der Unternehmerorganisation zwecks Anbahnung einer Tarifgemeinschaft in Verbindung zu treten". Nach der Auflösung der eingeschriebenen Hilfskasse beschließen die Delegierten die Einführung einer Krankenunterstützung. 15./18. August 1903 Der internationale Hutarbeiterkongreß in Brüssel beschließt, daß bei größeren Streiks der internationale Sekretär zu freiwilligen Sammlungen aufrufen soll. 7. September 1903 Der Buchbinderverband schließt seinen ersten überregionalen Tarifvertrag ab. 13./15. September 1903 Die Generalversammlung des christlichen Schuh- und Lederabeiterverbandes in Düsseldorf beschließt, ab 1. Januar 1904 eine eigene Zeitung "Deutsche Lederarbeiter-Zeitung" herauszugeben und den Sitz des Verbandes von München nach Pirmasens zu verlegen. 14./16. September 1903 Der Kongreß der "Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften" in Berlin beauftragt die Geschäftskommission, unter Wahrung der prinzipiellen Grundsätze, an etwaigen weiteren Verhandlungen betreffs der Einigungsbestrebungen des SPD-Parteivorstandes teilzunehmen.
13./20. September 1903 Auf dem SPD-Parteitag in Dresden wendet sich A. Bebel in seinem Referat gegen alle revisionistischen Bestrebungen. Er fordert, daß die Sozialdemokratie auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes gegen die bestehende Ordnung weiter voranschreite.
Herbst 1903 Der Metallarbeiterverband beginnt mit der Organisation der saarländischen Hüttenarbeiter. Daraufhin beschließen die wirtschaftlichen Vereine der Saarindustrie, auf die seit 1877 bestehenden Bestimmungen zurückzugreifen, die Arbeiterschaft ausdrücklich vor den "Agitatoren" der "internationalen Sozialdemokratie" zu warnen und ein "gemeinsames Vorgehen der gesamten Privatindustrie des Saargebiets" zu organisieren. Der Arbeitgeberverband der Saarindustrie teilt nun den Verbandswerken auf geheimen Listen die Namen derjenigen Arbeiter mit, die "als sozialdemokratische oder gewerkschaftliche Agitatoren im Saargebiet bekannt" waren, die die Metallarbeiterzeitung oder das örtliche sozialdemokratische Parteiblatt lesen oder auch nur "Anhänger der Gewerkschaften" sind oder nach Denunziationen der Mitarbeiter dem Metallarbeiterverband angehören. Diese Gemaßregelten dürfen im Saarrevier nicht wieder angestellt werden. Hans Böckler, dem ersten hauptamtlichen Sekretär des Metallarbeiterverbandes im Saargebiet, wird durch die Werkspolizei jede Kontaktaufname mit den Arbeitern verboten, er selbst ständig überwacht. Bis Mitte 1914 gelingt es, 385 Hüttenarbeiter zu organisieren, die ihre Mitgliedschaft möglichst geheimhalten, um einer Entlassung zu entgehen.
Oktober 1903 Der Ausschuß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften erläßt gemeinschaftlich mit den Vorständen der katholischen Arbeitervereine für Süddeutschland und für Westdeutschland sowie dem Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine einen Aufruf, in dem die Mitglieder der konfessionellen Arbeitervereine zum Eintritt in die christlichen Gewerkschaften und die Mitglieder der letzteren zum Eintritt in die ersteren aufgefordert werden. 2. Oktober 1903 Der christlich-soziale Metallarbeiterverband wird nach eigenem Schiedsspruch wieder Mitglied des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften. 5./8. Oktober 1903 Der Verbandstag des Verbandes der Stukkateure in Köln beschließt, daß überall, wo zwischen Unternehmern und Gehilfen wegen Lohn- und Arbeitsbedingungen Differenzen entstehen, es den Filialen zur Pflicht zu machen ist, dahin zu wirken, daß Tarifverträge auf eine bestimmte Zeit, nicht aber über drei Jahre, abgeschlossen und auch beiderseitig gehalten werden.
12. Oktober 1903 Eine Reihe von Verbandsvorständen einigen sich, zur Bekämpfung des Kost- und Logiszwanges beim Arbeitgeber eine Centralstelle in Berlin einzusetzen, deren Aufgabe es sein soll, Material über diese Mißstände zu sammeln und unter Hinzuziehung juristischer und parlamentarischer Sachverständiger die geeigneten Schritte zur Bekämpfung dieses Mißstandes zu beraten. In weiterer schriftlicher Verständigung entschieden sich diese Vorstände dann dahin, daß als diese Centralstelle eine in Berlin einzusetzende Kommission, der von jedem beteiligten Verband ein Vertreter angehört, fungieren soll. 12./13. Oktober 1903 Die erste Konferenz der Konferenz der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschließt: "Für die Genehmigung, Inszenierung und Leitung eines Streiks kommt, sofern nicht Weiterungen für andere Organisationen daraus entstehen, nur die für das betreffende Gewerbe bestehende Berufsorganisation in Betracht und hat diese auch die Unterstützung der Streikenden, mit Ausnahme der Mitglieder anderer Organisationen, zu übernehmen. Letztere erhalten ihre Unterstützung von demjenigen Verbande, dem sie als Mitglied angehören.
18./19. Oktober 1903 Auf dem Verbandstag des Verbandes des Bade-, Massage- und Krankenpflegepersonals in Berlin erklärt der Vertreter der Generalkommission, daß der Verband noch keinen Beitrag an die Kommission gezahlt hat. Er kennt die Schwierigkeiten der Organisation und empfiehlt den inneren Ausbau der Organisation. Das Fachorgan "Sanitärwarte" soll weiter monatlich erscheinen. Der "Verband" wird in "Centralverband" umbenannt, der Sitz nach Berlin verlegt. 25./26. Oktober 1903 Auf dem ersten Deutschen Arbeiterkongreß in Frankfurt vertreten 206 Delegierte 620.000 Mitglieder. Die größten Arbeiterorganisationen, die sich beteiligen, sind der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands, der Deutsch-nationale Handlungsgehilfenverband, der Gesamtverband evangelischer Arbeitervereine Deutschlands und die Verbände der Katholischen Arbeitervereine. Meinungsverschiedenheiten über die Zielsetzung und die Themen Koalitionsrecht und Arbeitskammern des Kongresses veranlassen den Verband der Deutschen Gewerkvereine, ihm fernzubleiben.
28. November / 19. Dezember 1903 Das "Correspondenzblatt" weist in mehrern Artikeln auf die "Reformbedürftigkeit des Koalitionsrechtes" hin.
29. November 1903 Auf der zweiten Konferenz der rheinisch-westfälischen Gewerkschaften in Essen vertreten 72 Delegierte 26 Gewerkschaftskartelle, 11 Branchenfilialen und 21 Gauleitungen der Zentralverbände. Die Delegierten diskutieren ausführlich die Taktik bei Lohnkämpfen und Aussperrungen und betonen die Notwendigkeit, sich der neuen Taktik der Aussperrungen anzupassen, durch engeren Zusammenschluß der Einzelverbände, Orte, Studium der Marktlage und vor allem der Unternehmerorganisationen.
Dezember 1903 Nach einem Verzeichnis des Gesamtverbandes gibt es 10 christliche Gewerkschaftszeitungen: "Bergknappe" (Altenessen); "Christlicher Textilarbeiter" (Krefeld); "Die Baugewerkschaft" (Berlin); "Gut Brand" (Zeitung der Ziegeleiarbeiter in Lippe); "Der Deutsche Holzarbeiter" (Köln); "Der Hilfsarbeiter" (München); "Die Heimarbeiterinnen" (Berlin); "Der Deutsche Metallarbeiter" (Duisburg); "Christliches Gewerkschaftsblatt" (Köln) und "Mitteilungen des Gesamtverbandes" (Krefeld).
Anfang Dezember 1903 Der Generalrat des Gewerkvereins der Maschinenbauer und Metallarbeiter schließt Anton Erkelenz, den Vorsitzenden des rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes, Arbeitersekretär und Sprecher der sog. "Düsseldorfer Fronde" "wegen fortgesetzt aufreizender Tätigkeit und dadurch entstandener Schädigung und Verächtlichmachung des Gewerkvereins" aus dem Verein aus. 2. Dezember 1903 Der Zentralrat der Gewerkvereine richtet eine Petition an den Reichstag, die Reichsämter, die preußischen Ministerien und die Bundesregierungen. In Vertretung von 110.000 "gemäßigten, vaterländisch gesinnten Arbeitern" verurteilt der Zentralrat die Verwaltungspraxis auf dem Gebiet des Vereinsrechts als eine "flagrante Verletzung der Gerechtigkeit und zugleich der allgemeinen Wohlfahrt". Dadurch würden "immer neue Hunderttausende gegen eine so ungleiche und ungerechte Staats- und Gesellschaftsordnung aufgebracht und die Gefahren für den Frieden des Vaterlandes immer mehr gesteigert", denn "schlimmer als materielle Noth nagt und wühlt das gekränkte Rechtsgefühl". Es sei "höchste Zeit zur Umkehr". 4. Dezember 1903 75 Zentrumsabgeordnete ersuchen die Reichsregierung in einer Interpellation um Auskunft, ob sie nunmehr die kaiserlichen Februarerlasse von 1890 ausführen und bald einen Gesetzentwurf über die Regelung der privat- und öffentlichrechtlichen Verhältnisse der Berufsvereine einbringen werden, der vor allem das Koalitionsrecht sichere und den Gewerkschaften das Erlangen der Rechtsfähigkeit erleichtere. Daneben fordern sie eine Stellungnahme der Reichsleitung, ob mit einem Gesetz über Arbeitskammern zu rechnen sei. Das war seit der Zentrumsinterpellation von 1895 der erste größere Vorstoß in der Frage, ob und inwieweit die Rechte der Arbeiterorganisationen zu erweitern sind. 5./15. Dezember 1903 In einer Urabstimmung spricht sich die Mehrheit der Mitglieder des Vereins der Schuhmacher für eine obligatorische Arbeitslosen- und eine Krankenunterstützung aus. 13. Dezember 1903 Reichskanzler Bülow empfängt eine Delegation der auf dem Frankfurter Arbeiterkongreß vertretenen Verbände und nimmt die dort beschlossenen Resolutionen mit der Zusicherung einer ernsten, sachlichen Prüfung entgegen. 26./29. Dezember 1903 Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Zeitz beschließt ein Streikreglement. Jedem Streik muß der Vorstand zustimmen. Beschlüsse über Streiks müssen in geheimer Abstimmung erfolgen. Vier Fünftel der Mitglieder müssen sich dafür aussprechen. Weibliche Mitglieder erhalten nun auch Arbeitslosenunterstützung. Heimarbeiter können Verbandsmitglieder werden. Die Heimarbeit ist mit allen geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Der Sitz des Verbandes wird von Stuttgart nach Berlin verlegt. 27./30. Dezember 1903 Der Verbandstag der vereinigten Dachdecker und verwandter Berufsgenossen in Dortmund beschließt, daß sich für einen Streik mindestens dreiviertel der Mitglieder geheim entschieden haben müssen. Streikunterstützung wird nur gezahlt, wenn der Vorstand dem Streik zugestimmt hat. Die Dachdecker fordern für ihre Arbeit einen wesentlich besseren Arbeitsschutz.
28./31. Dezember 1903 Die Generalversammlung des Unterstützungsvereins der Kupferschmiede in Hamburg beschließt, den Verein künftig "Verband der Kupferschmiede Deutschlands" zu nennen. 31. Dezember 1903 Von ihren Einnahmen gab die Generalkommission ca. 10% für die Agitation und die Verwaltung - einschließlich der Personalkosten - und ca. 18% für das Correspondenzblatt aus. Ende 1903 Alle Brauereiverträge, die in diesem Jahr in Thüringen abgeschlossen worden waren, enthalten Urlaubsbestimmungen. Der Generalkommission gehören 63 Verbände mit rund 887.700 Mitgliedern, davon 40.670 weiblichen, an.
Seit 1895 haben vor allem die Gewerkschaften des Handels- und Transportgewerbes, der Bergarbeiter, der Metallindustrie und des Baugewerbes überdurchschnittlich viele Mitglieder gewonnen.
Es bestehen 413 Gewerkschaftskartelle. Weibliche Vertrauenspersonen gibt es in 26 Kartellen. Von 43 Kartellen werden Arbeitslosenzählungen vorgenommen.
Der Gesamtverband der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine umfaßt 19 Gewerkvereine mit 110.215 Mitgliedern.
Von den in der Metallverarbeitung und Maschinenindustrie hauptberuflich beschäftigten Frauen sind 3,9% im Metallarbeiterverband organisiert; die Zahl erhöht sich bis 1913 auf 23,8%. Der Organisationsgrad der Männer verbessert sich im gleichen Zeitraum von 7,1% auf 28,0%.
Dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften sind 20 Verbände mit 91.440 Mitgliedern angeschlossen.
Die Generalkommission registriert 1903 1.200 Streiks und 82 Aussperrungen (davon 4 Maiaussperrungen).
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften melden für dieses Jahr 4.720 tödliche Arbeitsunfälle, davon 1.166 im Bergbau und 979 im Baugewerbe. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |