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1894

Bis zu diesem Jahr gelingt es der Generalkommission in Ost- und Westpreußen nur in Königsberg und Danzig Agitationskommissionen einzurichten, nachdem in 160 Orten Flugblätter verteilt und sie allein von Mai bis Dezember 1893 40 Versammlungen und Konferenzen organisiert hatte.

Für die in Deutschland beschäftigten Ausländer gibt die Generalkommission 68.000 Flugblätter heraus, davon 31.000 in polnischer, 18.000 in tschechischer und 19.000 in italienischer Sprache.

Nachdem der Buchbinderverband seit 1891 Frauen als Mitglieder aufnimmt, beträgt der Anteil in diesem Jahr 15,6% und steigt von 1903 auf 27,7%

20,6% der Mitglieder des Tabakverbandes sind Frauen. Das sind 53,9% aller bis dahin 5.251 organisierten Frauen in den gewerkschaftlichen Zentralverbänden.

Die Transportarbeiter gründen einen "Internationalen Ausschuß zum Studium der Interessen der Arbeiter in den Transportgewerben".

Seit diesem Jahr erhalten auch nicht "etatmäßige Unterbeamte der Postverwaltung in begründeten Fällen bis zu 7 Tagen" Urlaub. Diese oder ähnliche Regelungen bestimmen in diesen Jahren die Art der Urlaubsgewährung für alle übrigen Beamten im Reich und in den meisten Bundesstaaten bis hin zu den Gemeindebeamten, und zwar in so weitgehender Weise, "daß diese Gewährung fast ein Merkmal des Beamtenverhältnisses ist". Die vielfältig abgestufte Hierarchie der Beamtenpyramide zeigt sich bei den Urlaubsregelungen in den differenzierten Bestimmungen über die Länge des Urlaubs je nach Einstellungsbedingungen, Dienstgrad, Lebensalter und Dienstaltersstufe. Erst durch diese Entwicklung wird der Urlaub allmählich zu der heute allgemein üblichen Freizeit zum Zweck der Erholung.

Anfang 1894

Die Gewerkschaften in Magdeburg richten ein Arbeitsnachweisbüro für alle gewerblichen Arbeiter, für Dienstboten und Lehrlinge ein. Finanziert wird dieses Büro durch regelmäßige Beiträge der Gewerkschaften.
In einigen Städten sind die Gewerkschaften an kommunalen Arbeitsnachweisen beteiligt, wie z.B. in Köln.

Das "Correspondenzblatt" weist darauf hin, daß "die gewerkschaftlichen Organisationen nur schwer eine Verkürzung der Arbeitszeit erreichen und die verkürzte Arbeitszeit nicht zu halten vermögen, wenn ihnen die Gesetzgebung nicht zu Hilfe kommt, scheint nunmehr auch bei den Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften immer mehr begriffen zu werden".

23./27. Januar 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der Maler, Lackierer und verwandter Berufsgenossen in Nordhausen entscheidet sich nach lebhafter Diskussion mit großer Mehrheit für den Anschluß an die Generalkommission.
Bei der Beratung über die Unterstützungseinrichtungen wird zwar betont, daß die Gewerkschaften keine Unterstützungskassen, sondern Kampfesorganisationen sein sollten, doch die Reiseunterstützung wird vorläufig beibehalten.

Februar 1894

Der Vorstand der Gewerkvereine richtet eine Petition an den Reichstag, in den Betrieben des Reiches und der Bundesstaaten die Arbeitszeit zu verkürzen. Er verlangt dazu u.a.: "eine Statistik über die gesamten Arbeiterverhältnisse, namentlich über die Dauer der täglichen Arbeitszeit mit besonderer Berücksichtigung der Überstunden, der Nacht- und Sonntagsarbeit; über die gezahlten Individuallöhne, die Fristen und Tage der Lohnzahlung bezw. Abschlagszahlung und Abrechnung; über Zahl und Alter der neu bezw. wieder eingestellten und der entlassenen Arbeiter, nebst den Gründen der Entlassung; eine tägliche Arbeitszeit von höchstens neun Stunden, für Bergwerke und andere gesundheitsschädliche Betriebe bezw. Beschäftigungen von höchsten acht Stunden, sowie wöchentliche Lohnzahlung".

1. März 1894

In einem Artikel im "Correspondenzblatt" "Zur Taktik bei Lohnbewegungen" wird gefordert, daß die deutschen Gewerkschaften, wie schon vorher die britischen Trade Unions, nach ihrer "Sturm und Drangperiode" jetzt "System in ihre Kriegsführung bringen" und, sobald eine Lohnbewegung in Gang gekommen sei, "das Herz zum Schweigen bringen" und "sich vom Kopfe leiten lassen". Denn "soviel steht fest, daß wir in der unseligen Zeit nach 1890 nur deshalb soviel Mühe gehabt haben mit der Aufrechterhaltung und Weiterentwickelung der Organisationen, weil die großen Streiks in einer Zeit unternommen wurden, wo die wirthschaftliche Konjunktur ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte und die Organisationen, erschöpft, ihren Mitgliedern nur in seltenen Fällen etwas bieten konnten. Alle die vielen unerquicklichen Erlebnisse, die nicht enden wollenden Diskussionen über Organisationsfragen usw., sie wurzelten in jenem Zustande, vor dem wir die Organisationen zum zweiten Male bewahren möchten."

5./9. März 1894

Die Generalversammlung des "Zentralverbandes der Maurer und verwandten Berufsgenossen" in Altenburg spricht sich zu diesem Zeitpunkt für eine kollegiale Zusammenarbeit aber gegen einen Kartellvertrag mit dem Zimmererverband aus, verpflichtet aber den Vorstand, alle Maßnahmen zu treffen, welche geeignet erscheinen, ihre Verwirklichung herbeizuführen.
Der Rechtsschutz für die Mitglieder wird auf die Streitigkeiten ausgedehnt, welche aus Unfällen und Krankenkassenangelegenheiten entstehen. Über die Gewährung von Rechtsschutz entscheidet der Vorstand. Theodor Bömelburg wird zum Vorsitzenden gewählt.

11./12. März 1894

Der "Zentralverein der Frauen und Mädchen Deutschlands" beschließt auf seiner Generalversammlung in Lübeck, nur noch die geistigen Interessen seiner Mitglieder zu fördern und sich nicht mehr um die Regelung der Lohnverhältnisse und die gegenseitige Unterstützung in Lohnstreitigkeiten zu bemühen. Die Generalkommission beschließt, da der Verein keinen gewerkschaftlichen Charakter mehr habe, ihn als Mitglied zu streichen.

13./16. März 1894

Der Kongreß aller Angestellten im Gastwirtsgewerbe Deutschlands in Berlin erklärt, "daß die Entlohnung durch Trinkgeld und durch prozentuale Gewinnbetheiligung als die gemeinsten, die Betheiligten demoralisirenden Bezahlungsformen prinzipiell zu verwerfen und entschieden zu bekämpfen sind. Ferner ist die Aufhebung der in Form von Kost und Logis gegebenen Naturalverpflegung anzustreben, da diese die Abhängigkeit des Personals vom Arbeitgeber nur vermehrt. Als einzig richtige Bezahlungsform erkennt der Kongreß nur die feste Bezahlung durch Zeitlohn an".
Nach einer ausführlichen Diskussion über die miserablen Arbeitsverhältnisse im Gaststättengewerbe beschließt der Kongreß, daß die Betriebe des Gaststättengewerbes der Gewerbe- bzw. Fabrikinspektion zu unterwerfen sind.
Die tägliche Arbeitszeit der über 18 Jahre alten Gehilfen darf 12 Stunden nicht überschreiten. Der Kongreß ist der Auffassung, "vorläufig die lose Zentralisation durch Vertrauensmännersystem beizubehalten; jedoch nicht, ohne ausdrücklich zu betonen, daß er die Frage der Organisationsform nicht als eine Prinzipienfrage, sondern als eine Frage der Taktik betrachtet, die, sobald sich die Verhältnisse anders gestalten sollten, ebenfalls zu ändern ist".
Der Kongreß fühlt sich mit den der Generalkommission angeschlossenen Gewerkschaften solidarisch.
Die weiblichen Angestellten des Gastwirtsgewerbe können - soweit es die Vereinsgesetze zulassen - Gewerkschaftsmitglied werden.
Da die "Maifeier" seitens der Kellner mit der übrigen Arbeiterschaft nicht gemeinsam begangen werden kann, so wird ein Tag festgesetzt, an welchem alle Angestellten im Gastwirtsgewerbe in ganz Deutschland eine "Maifeier" abhalten sollen.

Frühjahr 1894

Die Generalkommission verteilt 100.000 Flugblätter unter den Nahrungs- und Genußmittelarbeitern, um die Arbeitnehmer dieser Branchen für die Gewerkschaften zu gewinnen. Doch nur rund 1.600 neue Mitglieder können gewonnen werden.

24. März 1894

In Hamburg wird die "Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine" gegründet.

24./26. März 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der Textilarbeiter in Hof lehnt die Einführung einer Reiseunterstützung ab, da dafür die Beiträge erhöht werden müßten.

25./27. März 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der in der Kürschnerbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Berlin spricht sich gegen Industrieverbände aus, weil die Erfahrungen im eigenen Verband diese Gründung als gewagt erscheinen lasse.
Nach der auf der letzten Generalversammlung beschlossenen Aufnahme von Hilfsarbeitern und Arbeiterinnen waren die Zurichter aus dem Verband ausgeschieden.

26./27. März 1894

Auf der Generalversammlung der Sattler in Frankfurt/Main nennen sich die Sattler in "Verband der Sattler, Täschner und Berufsgenossen" um.
Die Generalversammlung spricht sich im Prinzip für Industrieverbände aus, ohne jedoch diese gegenwärtig für vorteilhaft zu halten. Sie beschließt aber, Kartellverträge mit verwandten Berufen anzustreben, um sich gegenseitig zu unterstützen.

1. April 1894

Seit dem 1. Oktober 1893 werden in Preußen 48 Streiks registriert, an denen sich 2.835 Arbeiter beteiligen. Von diesen Streiks verlaufen 30% erfolgreich, 20% erreichen Teilerfolge, 50% enden erfolglos.

16. April 1894

Das "Correspondenzblatt" weist noch einmal darauf hin, "der Industrieverband wird die Aufgaben als Gewerkschaftsorganisation nur dann zu erfüllen vermögen, wenn er innige Vereinigung derjenigen Arbeiter darstellt, welche sich bei Ausübung der Arbeitsthätigkeit gegenseitig zu ersetzen vermögen, oder derjenigen, welche in einem Betriebe zusammen arbeiten. Jeder Versuch, die Arbeiter eines Industriezweiges, welche nur nominell nicht aber thatsächlich in diesem Sinne zusammen gehören, zu vereinigen, wird ein Kunstprodukt, nicht aber eine den natürlichen Verhältnissen entsprechende Organisation erzeugen."

23. April 1894

In einem Aufsatz zum 1. Mai heißt es im "Correspondenzblatt: "Mögen die Arbeiter sich bewußt werden, daß heute, wie zu allen Zeiten, derjenige im Rechte ist, welcher die Macht hat. Die Macht der Arbeiterklasse liegt in der Organisation.
Um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, daß wir in diesem Sinne von der Organisation der Arbeiter alles Heil erwarten und nur darauf bedacht sein müssen, diese zu stärken, wollen wir noch besonders betonen, daß wir dieselbe als einen der wichtigsten Faktoren im Emanzipationskampf der Arbeiterklasse betrachten, daß er aber ohne direkte Antheilnahme der Arbeiterschaft an der Gesetzgebung nicht zum Siege führen wird. Aber die Vertretung der Arbeiter im Parlament wird andererseits erst dann mit vollem Erfolge vorgehen können, wenn hinter ihr die organisirte Arbeiterschaft steht, bereit, den Forderungen ihrer Vertreter den nöthigen Nachdruck zu geben. Eines soll das Andere ergänzen, und die Erfolge werden nicht ausbleiben.
Wenn heute in allen Schichten der Bevölkerung die Forderungen der Arbeiter diskutiert werden, so ist dieses nicht zum geringen Theil auf die Maifeier zurückzuführen.
Würde die Praxis, die Maifeier auf einen Sonntag zu verlegen, beibehalten sein, so würde bald ein allgemeiner Festtag, nicht aber eine Feier, welche den Charakter einer Demonstration zu tragen hat, entstanden sein. Das kann und darf nicht geschehen. Unser ganzes Bestreben muß darauf gerichtet sein, der Mai-Demonstration durch Ruhelassen der Arbeit die richtige Weihe zu geben. Können wir diese heute noch nicht, so haben wir uns darauf zu beschränken am Abend des 1. Mai in entsprechender Weise zu demonstriren. An einigen Orten haben alle oder einzelne Gewerkschaften beschlossen, am 1. Mai die Arbeit ruhen zu lassen. Dieses Vorgehen, welches als der Ausgangspunkt zur allgemeinen Arbeitsruhe am 1. Mai zu betrachten ist, verdient Anerkennung, doch läßt sich seine Nachahmung nicht allgemein empfehlen, weil über die Nützlichkeit der Durchführung nach den örtlichen Verhältnissen und der Stärke der Organisationen entschieden werden muß. Es muß zum allgemeinen Ruhelassen der Arbeit am 1. Mai kommen, und es wird kommen, sobald die gewerkschaftliche Organisation der deutschen Arbeiter die genügende Stärke erlangt hat".

Mai 1894

Nachdem einige Böttcher am 1. Mai in Berlin Arbeitsruhe praktiziert haben, werden sie von ihrer Brauerei gemaßregelt.
Eine Volksversammlung beschließt daraufhin, gegen mehrere Brauereien einen Boykott durchzuführen. Die Unternehmer antworten mit einer Aussperrung von mehreren hundert Brauereiarbeitern. Wirte verweigern Arbeitern, in ihren Räumen Versammlungen durchzuführen.

1. Mai 1894

In Trier wird als erste christliche Gewerkschaft der "Verband deutscher Eisenbahn-Handwerker und -Arbeiter" gegründet.

13./15. Mai 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der Glasarbeiter und Arbeiterinnen in Bergedorf weist erneut auf die Schwierigkeit der Agitation innerhalb des Verbandes hin.

In Halle/Saale erörtert der erste Kongreß der im Handelsgewerbe beschäftigten Hilfsarbeiter die schlechte soziale und wirtschaftliche Situation der Hilfsarbeiter. Die Delegierten fordern zur Verbesserung der Situation u.a. eine Beschränkung der Arbeitszeit auf 10, der Ladenzeit auf 12 Stunden, eine Bezahlung der Überstunden, die vollständige Sonntagsruhe, die Aufhebung der verschiedenen Gesindeordnungen und die Unterstellung aller Arbeiter und Arbeiterinnen unter die Gewerbeordnung, das Verbot der privaten Arbeitsvermittlung gegen Entgelt und die gesetzliche Einführung obligatorischer Arbeitsnachweise.
Der Kongreß beschließt die lose Zentralisation durch ein Vertrauensmännersystem beizubehalten. Um eine statuarische Zentralisation in die Wege zu leiten, sind die Kollegen allerorts verpflichtet, für eine einheitliche Organisation aller Hülfsarbeiter im Handelsgewerbe, als Hausdiener, Geschäftsdiener, Boten, Kutscher, Speditionsarbeiter, Getreideträger, Packer, Ausgeher, Haushälter, Markthelfer, Kellerarbeiter und die den örtlichen Verhältnissen entsprechenden verwandten Berufe einzutreten.
Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands ist anzuerkennen, der Kongreß fordert von ihr die weitgehendste Unterstützung bei der Organisation der Handels-Hülfsarbeiter.
Von den rund 97.000 Hilfsarbeitern sind ca. 3.300 organisiert.

Der Glasarbeiterkongreß in Bergedorf hält eine internationale Union für verfrüht, solange die deutschen Glasarbeiter selbst noch nicht besser organisiert sind; dagegen soll eine internationale Verständigung aufrecht erhalten werden.

14./16. Mai 1894

"Die in Mainz tagende Generalversammlung der deutschen Böttcher erklärt, daß der Anschluß an den Holzarbeiterverband der Böttchergewerkschaft nur Nachtheile bringen könne. Wenn auch der Halberstädter Gewerkschaftskongreß sich zu Gunsten der Industrieverbände ausgesprochen hat, so ist doch die Versammlung der Anschauung, daß der Ausbau der eigenen Organisation dringend nothwendig ist. Der Streit um die Organisationsfrage hat erfahrungsgemäß nur jeder Gewerkschaft Schaden gebracht. Die Versammlung erklärt, mit aller Energie für den Ausbau der für uns zu Recht bestehenden Organisation einzutreten und hofft, daß hierdurch die Lage unserer Kollegen im Allgemeinen gebessert wird."

14./19. Mai 1894

Zum ersten Mal findet ein Internationaler Bergarbeiter-Kongreß in Deutschland - in Berlin - statt. Die Delegierten berichten über die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bergarbeiter in ihren Ländern.

16./17. Mai 1894

Der „Evangelisch-Soziale Kongreß" setzt in Frankfurt a.M. erstmals ein Referat über die Gewerkschaftsbewegung auf seine Tagesordnung. Nach einer lebhaften Diskussion nimmt der Kongreß einstimmig eine Resolution an, in der es u.a. heißt: "Der Kongreß erkennt die Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen Organisation der deutschen Arbeiterschaft an, hofft jedoch, daß der bisherige rein private Charakter der Gewerkschaften mehr und mehr einer gesetzlichen, mit Pflichten und Rechten ausgestatteten, fachgenossenschaftlichen Organisation Platz machen werde."
Diese soll nicht nur die Arbeiter sittlich heben, gesellschaftlich fördern und wirtschaftlich sichern, sondern auch durch die Bildung eines solidarischen Gesetzes den Klassengegensatz mildern und ein "positives Gegengewicht gegen die politische Sozialdemokratie" bilden.
Der „Evangelisch-Soziale Kongreß" kommt im weiteren Verlauf seiner Geschichte verschiedentlich auf die Gewerkschaftsfrage zurück.

28./30. Mai 1894

Auf dem Kongreß der Barbiere schildern die Delegierten die trostlosen Arbeitsbedingungen der Friseure: "Die Barbiergehilfen haben noch allgemein Kost und Wohnung bei dem Arbeitgeber. Beides ist mit wenigen Ausnahmen als schlecht oder mangelhaft zu bezeichnen. Die Arbeitszeit ist gewöhnlich von morgens 6 Uhr bis abends 9 und 10 Uhr. Durchschnittliche Arbeitszeit ist 14-16 Stunden. An Sonnabenden dauert die Arbeitszeit 20 Stunden. Sonntags wird 6-10 Stunden lang gearbeitet. Ein freier Tag oder auch nur ein freier Nachmittag in der Woche wird nur in wenigen Orten gewährt."
Die Arbeitslosigkeit ist besonders hoch. Gehilfen, die älter als 25 Jahre sind, finden kaum eine Beschäftigung.
Der Verband will in einer Denkschrift Bundesrat, Reichstag und die Kommission für Arbeiterstatistik über die Lage der Friseurgehilfen unterrichten.
Ähnliche Mißstände herrschen auch im Fleischergewerbe.

1. Juni 1894

Das bayerische Budget wird zum ersten mal mit den Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die hessischen und badischen Sozialdemokraten stimmen wenig später ebenfalls ihren Landesbudgets zu.
Auf dem bayerischen SPD-Parteitag am 30. September erklärt G. v. Vollmar, das bayerische Budget sei nicht mit dem Reichsetat zu vergleichen, den sie stets ablehnen würden. Die bayerische Bevölkerung wünsche keinen leeren Prinzipienstreit, sondern unmittelbare Einwirkung auf die Gesetzgebung. Nur wenige Delegierte sprechen sich gegen die Bewilligung des Etats aus.

24. Juni 1894

Der französische Präsident S. Carnot wird von einem italienischen Anarchisten ermordet. In den folgenden Monaten werden in der deutschen Presse gesetzgeberische Maßnahmen gegen die Sozialdemokratie und den Anarchismus gefordert, unter anderem eine Änderung des Reichstagswahlrechtes. Wilhelm II. fordert zum Kampf gegen die Parteien des Umsturzes auf.

2./6. Juli 1894

Die Generalversammlung des Unterstützungsvereins der Tabakarbeiter in Nordhausen lehnt die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung ab, ebenso die Errichtung eines Zentralarbeitsnachweises, beschließt aber eine Krankenzuschußkasse auf freiwilliger Basis einzuführen. Die am 1. April 1893 eingeführte sog. Schutzmarke wird, trotz einer starken Minderheit, beibehalten, obwohl die Unterstützung seitens der Arbeiterschaft unterblieben ist. Die Schutzmarke wird nur an solche Fabrikanten abgegeben, welche Arbeiter beschäftigen, die den vom Vorstand des Unterstützungsvereins anerkannten Organisationen angehören. Ferner müssen diese Fabrikanten die von den Vereinen festgesetzten Löhne zahlen und die Fabrikräume den bundesrätlichen Vorschriften entsprechend eingerichtet haben.

14. Juli 1894

Die "Metallarbeiter-Zeitung" wendet sich gegen das gewerkschaftliche Unterstützungswesen, das nicht geeignet sei, das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu heben: "Auch bei uns spielt der Zunftgeist, der Professionsdünkel nicht bloß bei unorganisirten Arbeitern, sondern auch in einzelnen gewerkschaftlichen Organisationen noch eine Rolle, besonders in denjenigen Branchen, in denen die handwerksmäßig ausgebildeten Arbeiter noch überwiegen. Daher die eigentümliche Erscheinung, daß einzelne Gewerkschaften die Pflege des Klassenbewußtseins in den Hintergrund schieben, dafür aber noch heute einen wüsten Ballast von geradezu utopischen Zielen in ihren Statuten mitschleppen. Wir rechnen hierzu alle jene Einrichtungen, die reinen Unterstützungszwecken bei dauernder oder vorübergehender Arbeitslosigkeit, bei eintretender Invalidität oder bei Arbeitsunfähigkeit infolge hohen Alters dienen. In gewissem Sinne zählen wir aber auch die Reiseunterstützungen und die Regelung des Herbergswesens zu den Thätigkeiten der Gewerkschaften, die eigentlich aus dem Rahmen ihrer Aufgabe herausfallen, wenn wir auch nicht verkennen, daß die Zusicherung momentaner Vortheile für die Gewerkschaftsmitglieder dazu geeignet ist, die indifferenten Arbeiter für die Gewerkschaftsbewegung zu interessiren. Wer in den reinen Unterstützungszwecken die Kampfaufgabe der Gewerkschaftsbewegung erblickt, hat das Wesen der Gewerkschaftsbewegung nicht begriffen."

24./27. Juli 1894

Der Internationale Textilarbeiterkongreß in Manchester legt die Aufgaben der internationalen Sekretariate fest:
- Austausch von Nachrichten über die Höhe der Löhne und die Dauer der Arbeitszeit;
- die Stellung von gemeinsamen Forderungen an die Unternehmer aller Länder;
- das Sammeln von Geldmitteln zur gegenseitigen Unterstützung bei wirtschaftlichen Kämpfen.
Die deutschen Textilarbeiter sind nicht vertreten, weil dieser Kongreß zu gleicher Zeit mit dem internationalen Arbeiterkongreß 1896 stattfinden sollte.

30. Juli 1894

Das "Correspondenzblatt" weist die Angriffe gegen das gewerkschaftliche Unterstützungswesen in der "Metallarbeiter-Zeitung" vom 14. Juli zurück:
"Wir betrachten die Unterstützungen in den Gewerkschaften nicht als Zweck der Organisation, sondern als ein Mittel, ihren Zweck zu erreichen. Die Unterstützungen sollen dazu dienen, die Indifferenten in die Organisation zu ziehen; sie sollen verhindern, daß die Arbeitslosen zu schlechteren als den von der Organisation gestellten Arbeitsbedingungen Arbeit annehmen; sie sollen es der Gewerkschaft ermöglichen, das einmal Errungene zu erhalten und, von Diesem ausgehend, weitere Verbesserungen der Lebenshaltung ihrer Mitglieder zu erringen; sie sollen dem auf der Reise befindlichen Mitgliede es möglich machen, als Agitator für die Organisation zu wirken; sie sollen den Arbeitsnachweis in die Hände der Arbeiter bringen. Sie sind also eine nothwendige Einrichtung der Gewerkschaften und müssen denselben nicht nur erhalten bleiben, sondern in den Organisationen, die sie noch nicht besitzen, soweit dies irgend möglich ist, eingeführt werden.
Die Unterstützungseinrichtungen geben der Organisation erst den richtigen Halt. Sie verhindern, daß die Mitglieder während der Periode des geschäftlichen Niederganges aus der Organisation ausscheiden, denn in solchen Zeiten, während der Arbeitslosigkeit, bietet die Organisation ihren Angehörigen einen festen Stützpunkt. Während alle Organisationen welche ihren Mitgliedern solche Vortheile bieten, einen wenig schwankenden Mitgliederbestand haben, sehen wir, daß in den anderen Gewerkschaften die Zahl der Mitglieder bedeutenden Schwankungen unterworfen ist."

5. August 1894

Der internationale Tabakarbeiterkongreß in Basel erkennt nicht nur die Selbständigkeit der Gewerkschaften neben der politischen Partei an, sondern hält die Gewerkschaften für einen integrierenden Teil der gesamten Arbeiterbewegung, setzt aber auch als selbstverständlich voraus, daß dieselben von dem treibenden Gedanken der Arbeiterbewegung der internationalen sozialistischen Idee getragen werden.

5./8. August 1894

Auf der Generalversammlung des Verbandes der Fabrik-, Land- und gewerblichen Hülfsarbeiter und Arbeiterinnen in Celle erklärt der Verbandsvorsitzende August Brey, "die Annahme, es bedürfe nur der Schaffung der Organisation, es sei nur notwendig, die Bombe 'Aufklärung' unter die Massen zu werfen, um diese in Scharen der Organisation sich anschließen zu lassen, ist enttäuscht worden."
Die apathische Gewerkschaftsabstinenz der ungelernten Arbeiter führt A. Brey darauf zurück: "Die Massen, mit denen wir zu rechnen haben, sind nicht so leicht beweglich. Die nichtgelernten Arbeiter stehen in sozialer Hinsicht auf der niedrigsten Stufe ... Die Arbeiten, welche der nichtgelernte Arbeiter zu verrichten hat, sind die unangenehmsten, schwersten und ungesundesten, reiben Kraft und Gesundheit am raschesten auf und die Entlohnung steht in keinem Verhältnis zu den vollbrachten Leistungen. Der schweren, Mehrwert und Profit für die Unternehmer schaffenden Arbeit steht eine knappe Lebenshaltung entgegen, welche Geist und Körper verkümmern läßt. Die lange, aufreibende, ermüdende und erschlaffende Tätigkeit läßt ein Nachdenken über die Klassenlage nur schwer zu und bedingt, daß der ausgestreute Samen der Organisation nur auf ein kleines empfängliche Feld fällt und sorgsam gehegt und gepflegt werden muß, um zu verhindern, daß er im Keime erstickt werde."
Der Verbandstag erklärt, daß das einzige Mittel gegen die fortwährende Verschlechterung der Lage der Arbeiter in einer starken Gewerkschaftsorganisation liegt. Der Verbandstag erachtet es deshalb auch als seine Pflicht, unentwegt für Ausbreitung des Verbandes tätig zu sein. Beschlossen wird, in Zukunft die Statistik und die Agitation besser als bisher zu pflegen.
Von der Einführung einer Arbeitslosenunterstützung wird Abstand genommen.

20./21. August 1894

Auf einem "Bekleidungs-Industrie-Kongreß" in Erfurt lehnen 46 Delegierte der Schuhmacherorganisationen, 35 der Schneiderorganisationen und je ein Delegierter der Zentralorganisationen der Hutmacher, Kürschner und Textilarbeiter mit großer Mehrheit die Bildung eines Industrieverbandes ab.
Die Delegierten sind sich aber darin einig, sich bei Streiks und Aussperrungen gegenseitig zu unterstützen, Herbergen und Arbeitsnachweise für die Bekleidungsindustrie gemeinschaftlich zu betreiben. Die gegenseitige Unterstützung reisender Mitglieder wird abgelehnt.
Das "Correspondenzblatt" begrüßt die Entscheidung, da nach Ansicht der Redaktion - C. Legien - Industrieverbände für Gewerbe keinen Sinn haben, die nichts weiter gemein haben als die Produktion für Bekleidungszwecke, deren Produktionsstätte aber völlig voneinander getrennt seien. Neben dem Schneiderverband bestehen noch selbständige Organisationen der Handschuhmacher, Hutmacher, Kürschner.
1898 wird aus dem Statut des Schneiderverbandes die Bestimmung, daß der Verband "möglichst" alle Arbeiter und Arbeiterinnen der Bekleidungs- und Lederindustrie organisieren wolle, soweit es die "Lederindustrie" betrifft, gestrichen.

22./25. August 1894

Der Verbandstag deutscher Schneider, Schneiderinnen und verwandter Berufsgenossen in Erfurt hält es aufgrund der für die Gesundheit der Arbeiter und Arbeiterinnen gefahrdrohenden Entwicklung der Arbeitsbedingungen in der Konfektionsbranche für notwendig, daß die Kommission für Arbeiterstatistik ebenso, wie dies in anderen Berufen geschehen ist, eine Erhebung über die Art und Weise der Beschäftigung von Personen innerhalb der Bekleidungsindustrie, sowie über Arbeitszeit, Lohn, Werkstellen und Geschäftsverhältnisse der einzelnen zur genannten gehörigen Fabriken, Geschäfte und Arbeitsstätten jeglicher Art veranstaltet.
Bei allen künftigen Lohnkämpfen soll die Beseitigung der Akkordarbeit und die Einführung eines Zeitlohnes in den Vordergrund gestellt und die Erhöhung des Akkordlohnes nur als Abschlagszahlung betrachtet werden.
Deutschland soll in Agitationsbezirke eingeteilt werden.

25. August 1904

Die Generalversammlung der Schuhmacher in Erfurt stimmt für die Einführung des gesetzlichen Rechtsschutzes in gewerblichen Streitigkeiten.

26. August 1894

Die Generalversammlung des Verbandes deutscher Berg- und Hüttenarbeiter in Bochum beschließt, sich der Generalkommission anzuschließen.
Sobald in Oberschlesien 4.000 nur polnisch sprechende Mitglieder vorhanden sind, soll das Verbandsorgan "Berg- und Hüttenarbeiterzeitung" auch in polnischer Sprache herausgegeben werden.
Die Wahl des Vorstandes wird durch Urabstimmung in den Zweigvereinen bei sehr geringer Wahlbeteiligung vorgenommen.

Vertreter von 77 katholischen und 20 evangelischen Knappenvereinen, 25 christlich-sozialen, 23 katholischen und 38 evangelischen Arbeitervereinen gründen den "Gewerkverein christlicher Bergarbeiter für den Oberbergamtsbezirk Dortmund". Zweck des neuen Vereins ist "die Hebung der moralischen und sozialen Lage der Bergarbeiter auf christlicher und gesetzlicher Grundlage zur Anbahnung und Erhaltung einer friedlichen Übereinkunft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern".
Insbesondere erstrebt der Verein u.a.: Die Herbeiführung eines gerechten Lohnes, der dem Wert der geleisteten Arbeit und der durch diese Arbeit bedingten Lebenshaltung entspricht, die Einschränkung der Schichtzeit, ein Mitbestimmungsrecht über die Verwendung der in die Zechenunterstützungskassen fließenden Beträge, eine Vermehrung der Kontrollorgane für die bergpolizeilichen Vorschriften unter Hinzuziehung erfahrener Bergleute und eine Reform des Knappschaftswesen.
Die Mittel zum Erreichen des Zwecks sind u.a.: Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Lohnfragen und bei berechtigten Wünschen und Beschwerden Eingaben und Petitionen an die Werksverwaltungen, Bergbehörden, Regierung und Parlament. Der Verein steht treu zu Kaiser und Reich und schließt die Erörterung konfessioneller und politischer Parteiangelegenheiten aus. Durch den Eintritt in den Verein bekennt sich jeder als Gegner der sozialdemokratischen Grundsätze und Bestrebungen.
Der Verband hat im März 1895 4.000 Mitglieder.

September / Oktober 1894

Die Generalkommission fragt die Zentralvorstände, ob sie Ende 1894 einen Jahresabschluß herausgeben soll und damit der Kongreß 1895 entbehrlich ist. Sie erklärt dazu, daß sie einen solchen Kongreß im Jahre 1895 für überflüssig halte, wenn aber ein Gewerkschaftskongreß stattfinde, derselbe sich nicht bloß mit dem Bericht der Generalkommission befassen solle, sondern daß dann ein Kongreß der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter Deutschlands auch zu verschiedenen sozialpolitischen Materien, wie Vereinsgesetzgebung, Arbeiterschutz, Fabrikinspektion, Unfallversicherung und -verhütung Stellung nehmen solle. Sie bemerkt dabei: die Parteitage können sich mit diesen Fragen nicht so eingehend beschäftigen, wie dies für die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter notwendig sei.
Die Verbandsleitung der Handschuhmacher benutzt diese Umfrage, um eine Lösung des Verhältnisses zur Generalkommission herbeizuführen, und veröffentlicht sie und wirft der Generalkommission vor: sie scheine ihr tatenloses und unfruchtbares Dasein selber zu begreifen und trage sich mit großen, nicht realisierbaren Plänen, die ihr selber so ungeheuerlich vorkämen, daß sie von einer öffentlichen Erörterung derselben abstand und sie den Vorständen durch eine geheime Umfrage zur Kenntnis gebracht habe. Auch die Tabakarbeiter stellen ihre Zahlungen an die Generalkommission ein. Die Ausführung derartiger Pläne stelle nicht allein den Bestand der Zentralorganisationen in Frage, sondern verursache auch einen Riß in die gesamte Arbeiterbewegung.
Dieser Vorschlag wird von der Sozialdemokratie scharf zurückgewiesen, weil die Partei diese Aufgabe bis jetzt allein wahrgenommen habe.
Die Generalkommission wird bezichtigt, "dunkle Pläne" zu hegen. C. Legien muß seine Konferenzidee begraben.
Die Generalkommission entgegnet darauf, daß Koalitionsfreiheit, Arbeiterschutz und Fabrikinspektion im engsten Zusammenhange mit der materiellen Lage der Arbeiter stehen und daß die Kongresse politischer Parteien wohl im allgemeinen zu diesen Forderungen Stellung nehmen können, ihre praktische Propagierung aber müsse Aufgabe der Gewerkschaften sein. Ein Gewerkschaftskongreß mit der angegebenen Tagesordnung würde ein Weckruf für die Arbeiter in allen Gauen Deutschlands sein, zur Wahrung ihrer wichtigsten Interessen selbst die Initiative zu ergreifen, und die Versammlungen würden neues Leben in die Gewerkschaftsbewegung bringen und zur Agitation wesentlich beitragen.

23./24. September 1894

Auf einer internationalen Konferenz der Töpfer in Görlitz, auf der Vertreter aus fünf Ländern vertreten sind, wird beschlossen, wechselseitig für Mitglieder Reiseunterstützung zu gewähren und bei Streiks solidarisch vorzugehen.

25. September 1894

Nachdem seit 1892 in einigen Orten Fachabteilungen innerhalb der Arbeitervereine gebildet worden waren, einigt sich die Generalversammlung der Präsides der katholischen Arbeitervereine in Köln auf von F. Hitze aufgestellte Leitsätze, in denen u.a. festgelegt wird: Die Arbeiter haben ebensogut, wie andere Berufsgruppen, das Recht wie das Bedürfnis, sich zur Wahrung und Förderung ihrer Berufsinteressen zusammenzuschließen.
Die bestehenden Berufsvereine (Gewerk- und Fachvereine) stehen fast ausnahmslos unter sozialdemokratischem und liberalem Einfluß, sind so eine bedrohliche Gefahr für die christlichen Arbeiter.
Diese Gefahr kann nur dadurch beseitigt werden, daß entweder christliche Gewerkvereine gegründet werden, oder aber daß die christlichen Arbeiter so geschult werden, daß sie den sozialdemokratischen bzw. liberalen Einfluß zu paralysieren vermögen.
Der beste und sicherste Weg zur Erreichung einer gesunden, erfolgreichen Organisation unserer Arbeiter ist die Bildung von Fachabteilungen in den bestehenden katholischen (evangelischen) Arbeitervereinen.
Ziele der Fachabteilungen sind u.a.:
Förderung der Fachbildung, Beschaffung einer Fachbibliothek; Besprechungen, Vermittlung von entsprechenden Arbeitsstellen. Gründliche Unterweisung bezüglich der bestehenden sozialen Gesetze und Veranstaltungen; praktische Anleitung zu zweckmäßiger Mitwirkung bei Ausführung, bzw. Verwaltung derselben. Besprechungen und Erhebungen bezüglich der bestehenden Arbeiterverhältnisse, Klarlegung der Mißstände und der Wege zur Abhilfe; Mitteilung und Anregung entsprechender Verbesserungen und Einrichtungen bei den berufenen Instanzen. Gewiß kann und soll auch das letzte Mittel zur Erreichung berechtigter Wünsche und Forderungen - der Streik - den Arbeitern nicht beschränkt werden, aber schon die lokale und konfessionelle Beschränkung der Organisation wird die selbständige Aufnahme und Durchführung eines solchen kaum möglich erscheinen lassen. Jedenfalls wird der Präses und Vorstand des Vereins mit Erfolg dahin wirken, daß erst alle Mittel friedlicher Vergleichung versucht werden; nicht bloß die Gesichtspunkte der Arbeiter, sondern auch die Gegengründe der Arbeitgeber, die Schwierigkeiten und Gefahren des Streiks zur vollen Erwägung kommen, daß neben den Gegensätzen auch der Solidarität der Interessen, sowie der Gesetze der Ordnung und Gerechtigkeit nicht vergessen werden; daß der Friede immer das bewußte Ziel bleibt. Errichtung von Zuschuß-Krankenkassen, Sterbekassen usw., Vermittlung guter Arbeitsstellen usw.
Die Fachabteilungen haben sich auf die Verfolgung der materiellen Interessen zu beschränken. Feste, gesellige Vergnügungen sind ausgeschlossen. Die Fachabteilungen sind nicht selbständig, sondern Teil der Arbeitervereine.
Am 11. Oktober 1894 werden die Leitsätze auch vom Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine angenommen.
Doch durch die Gründung christlicher Gewerkschaften kommt es kaum zur Bildung dieser Fachabteilungen.

Oktober 1894

Für das Stattfinden eines Gewerkschaftskongresses im kommenden Jahr sprechen sich 7 Organisationen mit rund 23.000 Mitgliedern gegen 39 mit rund 170.000 Mitgliedern aus. 3 Organisationen mit rund 25.000 Mitgliedern wollen sich später entscheiden.

3./6. Oktober 1894

In Paris findet ein internationaler Eisenbahner-Kongreß statt.

15. Oktober 1894

A. Bebel will, wie er an F. Engels schreibt, gegen 1898 als Datum des Zusammenbruchs der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung "keinen Dreier" verwetten.

21./27. Oktober 1894

Der SPD-Parteitag in Frankfurt a.M. stellt fest, daß Trusts, Kartelle und ähnliche großkapitalistische Organisationen - eine notwendige Folge der kapitalistischen Produktionsweise - ein Schritt zur Verwirklichung des Sozialismus sind.
Die Reichstagsfraktion soll im Laufe der nächsten Session Anträge auf Einführung des achtstündigen Arbeitstages und auf Ausdehnung der weiteren Gerichtsbarkeit der Gewerbegerichte auf die Handlungsgehilfen und -gehilfinnen stellen. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Wahlen zu Gewerbegerichten sollen auch für die Arbeiterinnen gelten.

Nachdem durch polizeiliche und rechtliche Aktivitäten die Arbeit der Frauenagitationskommissionen behindert werden, beschließt der Parteitag, einzelne Vertrauenspersonen zu wählen, die dafür zu sorgen haben, daß die Parteimitglieder des Ortes in ihren politischen und gewerkschaftlichen Aktionen die Frauen des Proletariats berücksichtigen. Es ist auch dahin zu wirken, daß die Arbeiterinnen ihren Gewerkschaften zugeführt werden.

26. Oktober 1894

Nachfolger des Reichskanzlers L. v. Caprivi wird Fürst Ch. zu Hohenlohe-Schillingsfürst. L. v. Caprivi hatte sich gegen Staatsstreichpläne - Abänderung des Wahlrechts - ausgesprochen.

28. Oktober 1894

Zunächst nur für den Oberbergamtsbezirk Dortmund wird unter führender Beteiligung des Bergmannes August Grust der "Gewerkverein christlicher Bergarbeiter" geschaffen. Er hat für die meisten weiteren Gründungen christlicher Gewerkschaften Modellcharakter. Dieser Modellcharakter gilt vor allem für die in § 2 des Statuts festgelegte Zielsetzung: "Zweck des Gewerkvereins ist die Hebung der moralischen und sozialen Lage der Bergarbeiter auf christlicher und gesetzlicher Grundlage und Anbahnung und Erhaltung einer friedlichen Übereinkunft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern." Mittel dazu sind Verhandlungen, Eingaben und Petitionen. Das Statut sieht aber die Unterstützung Gemaßregelter vor. Überdies wird betont: "Der Verein steht treu zu Kaiser und Reich und schließt die Erörterung konfessioneller und politischer Parteiangelegenheiten aus."
Nach § 8 bekennt sich durch "den Eintritt in den Gewerkverein jeder als Gegner der sozialdemokratischen Grundsätze und Bestrebungen". Der Zentralvorstand ist so zu wählen, daß die beiden christlichen Konfessionen je zur Hälfte vertreten sind.
Dieser Gewerkverein ist die erste christliche Gewerkschaft und damit die Geschichte der dritten weltanschaulich geprägten Säule der deutschen Gewerkschaften.

28./30. Oktober 1894

Der Verbandstag der Bauarbeiter in Lüneburg ist der Meinung, daß der Anschluß an den Verband der Fabrikarbeiter nicht empfehlenswert ist, weit eher an den Verband der Maurer, weil sich dessen Interessen mit denen der Bauarbeiter berühren. Zweckmäßig sei es aber, in der bisherigen Form weiterzuarbeiten.

1. November 1894

Das erste deutsche Arbeitersekretariat in Nürnberg beginnt seine Tätigkeit. Leiter wird M. Segitz.
Ihm folgen bald weitere örtliche Sekretariate. Ihre Aufgabe ist es, die Arbeitnehmer - nicht nur die Mitglieder - unentgeltlich in sozial- und arbeitsrechtlichen Fragen zu beraten und zu vertreten. Das Arbeitersekretariat erteilt mündliche Auskunft in gewerblichen Streitigkeiten, welche der Kompetenz der Gewerbegerichte unterstehen; über Kranken-, Unfall-, Alters- und Invaliditätsversicherung; über Arbeiterschutz, Vereins- und Versammlungsrecht, sowie über das Fabrikinspektorat. Das Sekretariat nimmt Beschwerden über diese Gegenstände auf und veranlaßt deren zweckmäßige Erledigung.
Berechtigt, aber nicht verpflichtet, ist der Sekretär zur Erteilung von Auskunft in Heimats-, Bürgerrechts-, Verehelichungs- und Armensachen, sowie bei Mietstreitigkeiten.
Statistische Erhebungen sind nach Bedarf zu pflegen und können sich erstrecken auf: Lohnverhältnisse, Arbeitszeit, Wohnungen und Nahrung der Arbeiter, Betriebsunfälle, Gewerbekrankheiten, Sterbefälle, Ab- und Zuzug von Arbeitern, Gewerbebewegung, Arbeiterorganisationen, Arbeiterschutz, Wohlfahrtseinrichtungen, Arbeitslosigkeit, auf alle innerhalb der wirtschaftlichen Arbeiterbewegung auftauchende Zeit- und Streitfragen.
Zur Inanspruchnahme des Sekretariats sind alle Personen ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, des Berufs, der Konfession, der Parteistellung und des Wohnortes berechtigt.

5./9. November 1894

Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Halberstadt beschließt, sich von der Generalkommission zu trennen. Frauen können Mitglied des Verbandes werden.

Dezember 1894

Der Vorstand des Unterstützungsvereins der Tabakarbeiter beschließt, das Verhältnis mit der Generalkommission zu lösen, d.h. die Zahlung der Beiträge an die Generalkommission einzustellen. Grund dafür ist, die Absicht einen speziellen Kongreß durchzuführen um sozialpolitische Themen zu diskutieren.
Die Haltung des Vorstandes wird von der Mehrheit der an einer Urabstimmung beteiligten Mitglieder bestätigt.

5. Dezember 1894

Die Reichsregierung legt dem Reichstag die Bundesratsvorlage des "Gesetzes betreffend Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzbuches und des Gesetzes über die Presse" vor. In der Begründung der Vorlage heißt es u.a. : "Das Außerkrafttreten des Sozialistengesetzes am 1. Oktober 1890 ... habe das Bedürfnis nach einem verbesserten Schutz der Staats- und Gesellschaftsordnung gegen ... Zersetzung ... offenkundig gemacht."

6. Dezember 1894

Im Reichstag wird der "Entwurf eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzbuches und des Gesetzes über die Presse" - die sogenannte "Umsturzvorlage" - eingebracht, die vorsieht, "Umsturzbestrebungen" bereits ohne Tatbestand mit Zuchthaus und öffentliche beschimpfende Äußerungen gegen Religion, Monarchie, Ehe, Familie oder Eigentum mit Gefängnis bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Gegen diesen antidemokratischen Anschlag erhebt sich eine Massenbewegung. Die Sozialdemokratie prangert auf Massenversammlungen, in der Presse, im Reichstag und in der Reichstagskommission die Vorlage als schärfsten Angriff auf die kümmerlichen Rechte nicht nur der Arbeiter, sondern des ganzen Volkes an und ruft zum Widerstand auf. Die Aktionen der Sozialdemokratie übertreffen an Zahl, Ausdehnung und Beteiligung alle anderen Aktionen seit 1890. Neben Sozialdemokraten protestieren auch Freisinnige, Volksparteiler, Bauernverbände, Stadtverwaltungen und vor allem namhafte Wissenschaftler und Künstler.

17. Dezember 1894

Nach Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten waren 1893 in der deutschen Industrie 616.620 Frauen über 16 Jahre beschäftigt, davon wären erst 5.384 bei den Mitgliedsorganistionen der Generalkommission organisiert.
Das "Correspondenzblatt" schreibt dazu: "Als Grund für die geringe Theilnahme der industriell beschäftigten Frauen an den Bestrebungen, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, wird man in erster Linie wohl die Bedürfnislosigkeit und Gefügigkeit unter den Willen der Arbeitgeber angeben können. Die Arbeiterinnen gleichen in diesem Punkte den Arbeitern der kulturell zurückgebliebenen Gegenden. Aber wie bei diesen, ist auch bei den Arbeiterinnen die Unkenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Mangel an genügender Anregung zum Kampf um eine bessere Lebenshaltung als die Hauptursache ihrer Teilnahmslosigkeit zu bezeichnen. Den Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkte, den Arbeiterinnen, die in gleicher Weise von den Unternehmern benutzt und ausgenutzt werden, hat man bei den gewerkschaftlich organisirten Arbeitern aber noch nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie unter allen Umständen verdienen.
Um eine Agitation zur Gewinnung weiblicher Mitglieder in geeigneter Weise einzuleiten, wird es nothwendig sein, daß die Organisationen, nicht wie das bisher geschehen ist, die weiblichen Mitglieder von den Verwaltungsämtern ausschließen.
Es wird doch niemand leugnen, daß schon heute in den einzelenen Gewerkschaften sich weibliche Mitglieder befinden, die sehr gut in der Lokal- oder Zentralverwaltung einer Organisation ihren Platz ausfüllen würden. Uns ist aber nur eine Organisation bekannt, in deren Zentralverwaltung auch ein weibliches Mitglied tätig ist. Gestehen wir es nur offen ein, daß selbst die Arbeiter, welche die Gleichberechtigung beider Geschlechter unter allen Umständen anerkennen, in der Praxis doch glauben, von einer Frau würden die zu verrichtenden Arbeiten nicht so genau und zuverlässig verrichtet werden, als dies von den Männern geschieht. Die Unternehmer allerdings denken darüber praktischer. Sie wissen, daß die Arbeiterin in der Industrie ihren Platz genau so gut ausfüllt wie der Mann und daß man ihr oft wegen ihrer Pünktlichkeit und Genauigkeit den Vorzug gibt."
Die Generalkommission beginnt eine Werbekampagne unter den Arbeiterinnen.

25./26. Dezember 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der in Holzbearbeitungsfabriken und auf Holzplätzen beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Bremen beschließt, über den Anschluß an den Holzarbeiterverband eine Urabstimmung durchzuführen. Der Passus im Statut: "Der zweite Vorsitzende und der zweite Kassierer müssen weibliche Mitglieder sein, wenn am Sitz des Verbandes weibliche Mitglieder demselben angehören," wird gestrichen, da dieser Satz eine Zurücksetzung der weiblichen Mitglieder bedeute. Mit der Streichung wird die Gleichberechtigung der weiblichen Mitglieder ausgesprochen.

26. Dezember 1894

Der Bierboykott in Berlin wird nach achtmonatiger Dauer mit einem Kompromiß aufgehoben.
Bereits am 2. November konnte in Dresden ein halbjähriger Bierboykott erfolgreich beendet werden.

26./27. Dezember 1894

Am ersten deutschen Bergarbeiterkongreß in Essen nehmen keine Vertreter des christlichen Verbandes teil. Ein Antrag, den Punkt "Nationalisirung der Bergwerke" auf die Tagesordnung des Kongresses zu setzen, wird zurückgezogen, nachdem dagegen eingewendet wird, daß die Verstaatlichung der Bergwerke den Arbeitern keinen Nutzen bringen würde, weil die Arbeiter in den Staatsbetrieben noch abhängiger seien als in der Privatindustrie, wie sich dies ganz besonders in den fiskalischen Gruben des Saarreviers zeige.
Eine Verkürzung der Arbeitszeit wird nicht nur damit begründet, daß die Erhaltung der Gesundheit und Lebenskraft der Bergarbeiter von einer Einschränkung der Schichtdauer abhänge, sondern daß die letztere auch die übergroße Arbeitslosigkeit unter den Bergarbeitern vermindern werde.
Im Bergamtsbezirk Breslau werden noch rund 7.560 Frauen beschäftigt. Es müsse dafür Sorge getragen werden, daß den Frauen für gleiche Leistung gleicher Lohn gezahlt wird.
Die Kinderarbeit muß vollständig für den Bergbau verboten, die Akkordarbeit abgeschafft werden. Die Einführung der Achtstundenschicht, einschließlich der Ein- und Ausfahrt, ist dringend notwendig. Der Kongreß fordert ein einheitliches Reichsberggesetz, in dem auch ein Minimallohn festgesetzt wird.
"Der Kongreß erkennt den Verband deutscher Berg- und Hüttenarbeiter als richtige Organisation an und beschließt, mit aller Kraft dazu beitragen zu wollen, daß die Organisation so erstarkt, daß die heute beschlossenen Forderungen und Resolutionen der Verwirklichung entgegengeführt werden können."
Der Kongreß wählt eine fünfköpfige Kommission, welche die Beschlüsse des Kongresses zur Ausführung zu bringen und den nächsten Kongreß einzuberufen hat.

26./29. Dezember 1894

Die Generalversammlung des Verbandes der im Vergolder- und verwandten Gewerben beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Berlin hält den Zeitpunkt für eine Verschmelzung mit dem Holzarbeiterverband für verfrüht.
Die Delegierten beschließen eine Arbeitslosenunterstützung.

Ende 1894

Der Generalkommission sind 54 Verbände angeschlossen und 4 die durch ein Vertrauensmännersystem zentralisiert sind. Davon haben sich 9 Verbände, darunter 2 des Vertrauensmännersystems, an den statistischen Erhebungen nicht beteiligt.
Die 46 Verbände haben 238.613 Mitglieder, darunter 5.251 weibliche.
Die größten Verbände sind die Metallarbeiter mit 33.400, die Holzarbeiter mit 26.100, die Buchdrucker mit 17.300 und die Tabakarbeiter mit 13.700 Mitgliedern. Die kleinsten Verbände sind die der Büroangestellten mit 96, der Stukkateure mit 234, der Seiler mit 306 und die der Konditoren mit 330 Mitgliedern.
Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf 2.685.560 Mark, die Ausgaben auf 2.135.600 Mark.
Nach unvollständigen Angaben der Verbände fanden 1894 131 Streiks, davon 91 Abwehr- und 38 Angriffsstreiks statt.
Die Gewerkschaften gaben dafür 354.300 Mark aus. Diese Summe wurde aufgebracht durch den eigenen Verband 85.340 Mark, durch freiwillige Beiträge eigener Mitglieder 50.240 Mark, durch Sammlungen 62.580 Mark, durch Beiträge anderer Gewerkschaften 160.000 Mark, durch Spenden aus dem Ausland 2.460 Mark.
Die Hauptursachen für die Abwehrstreiks waren Lohnreduzierungen 46 und Maßregelungen 19. 24 der Streiks waren erfolgreich, 40 erfolglos, 22 teilweise erfolgreich.
Von den 38 Angriffsstreiks wurden 21 wegen Lohnerhöhung, 16 wegen Arbeitszeitverkürzung geführt. Davon waren 12 erfolgreich, 15 teilweise erfolgreich und 11 erfolglos.
Von den seit 1890 von der Generalkommission registrierten 544 Streiks verlaufen nur ca. ein Drittel erfolgreich.
Seit dem 1. März 1892 hat die Generalversammlung 238.000 Flugblätter herausgegeben. Davon werden rund 100.000 Flugblätter in polnischer, tschechischer und italienischer Sprache gedruckt, um ausländische Arbeiter, die in Deutschland zu geringeren Löhnen arbeiten, über die deutschen Gewerkschaften zu informieren. Die Broschüre "Anleitung zur Benutzung des Vereins- und Versammlungsrechts" wird in einer Auflage von 10.500 Exemplaren veröffentlicht.
Seit Februar 1893 bemüht sich die Generalkommission, durch die Gründung von Agitationskommissionen und zahlreiche Veranstaltungen in Ost- und Westpreußen Arbeitnehmer für die Gewerkschaften zu gewinnen.
Anfang 1894 gibt es in diesen Gebieten rund 1.800 Gewerkschaftsmitglieder.

1894 / 1895

Friedrich Naumann erkennt innerhalb der sozialen Problematik die Organisationsfrage als erstrangig an. Die evangelischen und katholischen Arbeitervereine beweisen, "daß man auch im christlichen Lager die Arbeit des Organisierens allmählich verstehen lernt".
Er lobt die Sozialdemokratie für ihre organisatorische Leistung unter den Industriearbeitern, nicht ohne die Nutzanwendung zu ziehen: "Die Gewerkschaften und Fachvereine sind auch in unseren Augen wertvolle Bausteine der Zukunft."
In seinen "Gedanken zum Christlich-sozialen Programm", die F. Naumann dem Evangelisch-Sozialen Kongreß widmet, prägt er den Begriff der "Berufsgemeinschaft". Diese Organisation müsse sich auf dem Wege der Freiwilligkeit bilden und bewähren. Sobald sie die Mehrzahl der Berufsgenossen vertrete, solle ihr die staatliche Anerkennung folgen. Konfessionelle und politische Parteiungen will der Verfasser aus seinen Organisationen ausschließen.
Aufgabe der neuen berufsmäßigen Zusammenschlüsse soll es neben "gemeinsamer Erwerbstätigkeit" vor allem sein, "auf Grund vorhandener gesetzlicher Ordnungen" den Kampf um bessere Lebensbedingungen zu führen. Für die Zukunft erstrebt Naumann ein "deutsches Berufsparlament".
Seine politischen Gedanken versucht F. Naumann mit der seit 1895 von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Die Hilfe" und dem 1896 gegründeten "Nationalsozialen Verein" zu verbreiten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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