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TEILDOKUMENT:
1885 / 1886 Während einer kurzen Phase konjunktureller Erholung versuchen Arbeiter mit einer verstärkten Streikaktivität ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Nach einer Befragung des Allgemeinen Brauerverbandes, ergibt sich eine Nettoarbeitszeit von durchschnittlich 13,2 Stunden bei seinen Mitgliedern. In Hildesheim und Zwickau werden 15 Stunden gearbeitet, in Norden 16 bis 18 Stunden - und zwar auch an Sonn- und Feiertagen. Zu keiner Nachtstunde sind die Brauer sicher, nicht zu Extraarbeit aus dem Schlaf geholt zu werden. Das hat zur Folge, daß ein Brauer mit 35 Jahren als "ausgedient" gilt und seinen Beruf aufgeben muß. Nur in wenigen größeren Städten wie Hannover und Dresden gibt es in einigen Brauereien schon den 12-Stunden-Tag. 6 Stunden Ruhezeit seien für einen Brauergesellen genug, erklärt ein Stuttgarter Brauereibesitzer, weil ihm bei längerer Zeit zu viel Gelegenheit zur Selbstbildung bleibe. Das sei weder wünschenswert noch notwendig.
Der Vorstand der Gewerkvereine übermittelt in einer Petition an den Reichstag seine Vorstellungen zum Arbeitsschutz:
Der "Reise- und Unterstützungsverein deutscher Böttcher" wird gegründet. Er nennt sich 1887 um in "Zentralverein der deutschen Böttcher". Der Düsseldorfer Regierungspräsident Hans Hermann v. Berlepsch regt die Gründung eines "Bergischen Vereins für Gemeinwohl" an, dem einige Jahre später auch ein linksrheinischer Verein zur Seite tritt. Diese Arbeitgebervereine wollen "mit vereinten Kräften berechtigten Wünschen des vierten Standes durch Taten christlicher Liebe und Humanität" entgegenkommen. 1887 stiftet der Bankier August von der Heydt der Elberfelder Ortsgruppe dieses Vereins einen Geldbetrag und ein Grundstück, auf dem nach seinem Willen ein Erholungshaus für Arbeiter gebaut werden soll. Die Idee zu einem solchen Haus, das in der Folgezeit auch entsteht und Platz für 30 Arbeiter bietet, geht auf Vorbilder in Frankreich und besonders in England zurück. In Deutschland gibt es nur drei schon bestehende Vorbilder in München, Straßburg und Frankfurt/Main, die ebenfalls auf privaten Stiftungen beruhen. Um 1890 werden in Berlin und Nürnberg dann auch Häuser auf Gemeindekosten mit Unterstützung der Ortskrankenkassen gebaut. Nach dem Willen des Elberfelder Stifters soll das Haus erholungsbedürftigen Arbeitern, vor allem Rekonvaleszenten, ein "Asyl" sein, in welchem "sie sich im Sommer eine zwei- bis dreiwöchige Erholung gönnen und dadurch ihr Kräfte wiederherstellen können". Die Stadt Elberfeld erklärt sich bereit, das Haus in städtische Regie zu übernehmen.
In mehreren Berichten weist der Oberpräsident der Rheinprovinz auf die Bedeutung der Fachvereine auch für die Ausbreitung sozialdemokratischer Ideen hin, wobei die Ausdehnung auf "Unterstützungs-, Spar-, Sing-, Rauch- und andere gesellige Vereine" neben dem Bestreben bemerkt wird, "durch Veranstaltungen von Festlichkeiten" in der Arbeiterschaft attraktiv zu bleiben. Anfang 1885 Gertrud Guillaume-Schack gründet in Berlin den "Verein zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen". Zur Leitung gehören u.a. Emma Ihrer und Pauline Staegemann.
15. Januar 1885 Reichskanzler O. von Bismarck erklärt im Reichstag zu einem Antrag des Zentrums, den Normalarbeitstag gesetzlich zu verankern: "Ein Normalarbeitstag, wenn er sich erreichen ließe, wäre ja außerordentlich wünschenswerth. Wer empfindet nicht das Bedürfniß, zu helfen, wenn er den Arbeiter gegen den Schluß des Arbeitstages müde und ruhebedürftig nach Hause kommen sieht, wenn er ihn mißmuthig unter der Zumuthung von Ueberstunden, erbittert darüber findet, daß ihm die Ruhe nicht gestattet ist, die ihm lieber wäre als das Geld, was er für die Ueberstunden noch verdient! - der müßte kein Herz im Leibe haben, der nicht den dringenden Wunsch hätte, dem Arbeiter aus dieser Nothlage herauszuhelfen. Wie dies aber gemacht werden soll, - ja, da hoffe ich, daß, wenn es dahin kommt, daß die Regierung sich mit den Arbeiten beschäftigt, die Herren, welche den Antrag auf Normalarbeitstag gestellt haben, auch ihrerseits die Leitung der Thätigkeit der Regierung dabei übernehmen werden; denn die Herren, welche diesen Antrag gestellt haben, wissen offenbar ein Mittel, wie es zu machen sei (Heiterkeit); sonst würden sie den Antrag doch nicht gestellt haben. ... Der Arbeiter hat in den meisten Fällen jetzt gerade so viel, wie er bei seinen Bedürfnissen braucht; sinkt der Lohn, so hat er weniger. Also das muß ihm auf irgend eine Weise ersetzt werden. Wollen Sie es dem Arbeitgeber auferlegen, wie ich aus dem Tenor der Rede des Herrn von Hertling schließe, so ist es möglich, daß eine Anzahl Industrien das tragen können; ob sie es tragen wollen, ob sie sich nicht zurückziehen, ob nicht dadurch wie ich vorhin sagte, der Tod der eierlegenden Henne eintritt, die Arbeit absolut aufhört, und der Arbeiter gar keine Arbeit mehr findet, - das ist eine Frage, die kann durch Enqueten ermittelt werden, und ich bin gegen keine Enquete. ... Die Konkurrenz im Umland kann durch Bestimmungen beschränkt werden, aber die Spitze unserer Industrie ist die Exportindustrie; lassen sie die Exportindustrie konkurrenzunfähig werden mit dem Ausland, und unsere ganze Industrie wird darunter leiden; die Möglichkeit die Arbeiter zu beschäftigen, wird sofort erheblich zurückgehen, wenn die Exportindustrie geschädigt und nicht mehr mit dem bisherigen Erfolg zu arbeiten imstande ist." 29. Januar 1885 Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion reicht erneut einen Arbeiterschutzgesetzentwurf ein. Darin fordert sie unter anderem: einen Maximalarbeitstag von 10 Stunden, Samstag acht Stunden, für jugendliche Arbeiter zwischen 14 und 16 Jahren sowie für Bergarbeiter 8 Stunden, das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit, abgesehen von unumgänglichen Ausnahmen (Transport- und Gaststättengewerbe), eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften für die Fabrikordnungen, insbesondere wöchentliche Lohnzahlungen am Freitag, Verbot des Trucksystems, Ermöglichung des Besuchs von Fortbildungsschulen für jugendliche Arbeiter, bestimmte Vorschriften für das Lehrlingswesen. Darüber hinaus sieht der Arbeiterschutz-Gesetzentwurf die Einrichtung von Arbeitsämtern vor, die für die Beaufsichtigung und Überwachung der gewerblichen Betriebe, für die Einhaltung von Schutzmaßregeln, den Arbeitsnachweis usw. verantwortlich sein sollen; ferner wird die Errichtung von paritätischen Arbeitskammern vorgeschlagen, die die Funktion eines gewerblichen Schiedsgerichtes ausüben und mit erweiterten Vollmachten für die Begutachtung von Fabrikordnungen, von gesetzlichen Maßregeln, für die Festsetzung von Minimallöhnen und die Durchführung gewerblicher Enqueten zuständig sein sollen. Die Arbeitskammern sollen alljährlich zu einem Kongreß zusammentreten.
23./25. März 1885 Auf dem zweiten Kongreß der Maurer in Hannover vertreten 51 Delegierte aus 37 Orten bereits 10.422 organisierte Maurer. Zu dieser Zeit sind die Bauarbeiter die aktivste Berufsgruppe in Deutschland. Etwa jeder Fünfte der in Industrie, Bergbau und Bauwesen Tätigen ist Bauarbeiter, jeder Fünfzehnte Maurer.
4./6. April 1885 Auf einem Kongreß von 20 Lokalorganisationen der Buchbinder in Offenbach a. Main wird der "Unterstützungsverband der Buchbinder, Portefeuiller-, Album-, Etuis-, Kartonnagenarbeiter, Linierer usw. und deren Hilfsarbeiter" gegründet.
12. Mai 1885 Der preußische Innenminister verfügt, daß Gewerkschaftsorganisationen, die "politische Gegenstände" in ihren Versammlungen erörtern, nach § 8 des preußischen Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 zu behandeln und nach § 16 des gleichen Gesetzes deren gerichtliche Schließung herbeizuführen seien. Diese Bestimmungen sind auch auf sozialpolitische Aktivitäten, "welche in den Versammlungen fast aller Fachvereine erörtert zu werden pflegen", anzuwenden. Die Verfügung löst polizeiliche Verbote von gewerkschaftlichen Lokalorganisationen aus. Die Maßnahmen treffen nahezu alle Berufsgruppen, konzentrieren sich aber vornehmlich auf die aktivsten Arbeiterschichten, insbesondere die Maurer-Organisationen, die 1885 umfangreiche Lohnbewegungen und Streiks durchführen und für 1886 weitere Aktionen vorbereiten. 24. Mai 1885 In Magdeburg wird die "Vereinigung deutscher Stellmacher" gegründet. 24./25. Mai 1885 Schon vor dem Verbot der "Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands" - August 1885 - gründen die Schmiede und die Stellmacher wieder Branchenverbände: die "Vereinigung der deutschen Schmiede". Da die Statuten nach Einspruch der Polizeibehörde in mehreren Punkten geändert werden müssen, kann die "Vereinigung" erst am 24. August konstituiert werden. Die Initiative geht von Berlin aus, wo u.a. von den Schmieden die zehnstündige Arbeitszeit, die Beseitigung der Sonntagsarbeit und die Lohnauszahlung am Sonnabend gefordert werden. Ein Streik für diese Forderung wird mit Unterstützung aus anderen Orten gewonnen. 1886 schließen sich die Mechaniker und Kupferschmiede und 1889 die Goldarbeiter zusammen. Bis Anfang 1886 können 49 Fachvereine gegründet werden, und zwar 27 der Metallarbeiter, 7 der Former, 8 der Klempner, 5 der Schlosser und je einer der Eisen- und Metalldreher und der Metalldrucker. Wieder spielt dabei die "Deutsche Metallarbeiter-Zeitung" eine maßgebliche Rolle. Auf der zweiten Generalversammlung des Schuhmacher-Unterstützungsvereins spricht sich die Mehrheit gegen eine Arbeitslosenunterstützung aus, da dafür die finanziellen Mittel nicht ausreichen, eine Beitragserhöhung aber wegen des geringen Verdienstes der Schuhmacher die Werbekraft der Organisation beeinträchtige. Ebenfalls abgelehnt wird die Aufnahme der "Gewährung von Rechtsschutz" in die Satzung. Dagegen beschließen die Delegierten eine Streikunterstützung für die Mitglieder aus der Verbandskasse. Gleichzeitig wird jedoch eindringlich vor unbesonnenen Streiks, die keine Aussicht auf Erfolg haben, gewarnt. 28. Mai 1885 Mit dem "Ausdehnungsgesetz" werden eine Reihe von Staatsbetrieben, in denen für Arbeiter besonders schwerwiegende Unfallrisiken bestehen, u.a. bei der Marine-, Heeres-, Post- und Telegraphen-, Eisenbahn- und Bauverwaltung sowie den Baggerei-, Binnen- und Seeschiffahrts- sowie Flößerei- und Fahrbetrieben, in die Unfallversicherung einbezogen.
5./6. Juni 1885 In Berlin wird der "Verband der Bäcker und Berufsgenossen Deutschlands" gegründet. Als erste Unterstützungen werden eine Reiseunterstützung und der Rechtsschutz beschlossen. Da der Berliner Polizeipräsident drei Jahre bis zur Genehmigung der Statuten braucht, stagniert der Verband. 11./25. Juni 1885 "Der Sozialdemokrat" veröffentlicht eine Artikelfolge von W. Liebknecht über die "Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiter", in der die Gewerkschaftsbewegung als "ein unentbehrlicher Faktor im Emanzipationskampf des Proletariats" bezeichnet wird. "Die Gewerkschaft sucht nach Kräften als Wahrerin der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Interessen ihrer Angehörigen aufzutreten." Wenn jedoch "selbst die Macht der bestorganisierten Gewerkschaften die allgemeinen Gesetze der wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufzuheben vermag", so könne sie "bis zu einem gewissen Grade wenigstens ihre Wirkungen modifizieren. ... Die Arbeitsgesetzgebung macht die Gewerkschaftsbewegung keineswegs überflüssig, sie wird unter den heutigen Verhältnissen immer nur ergänzend nachhinken." Darüber hinaus wird die Bedeutung der gewerkschaftlichen Unterstützungseinrichtungen, des Rechtsschutzes und der fachlichen Fortbildung der Arbeiter hervorgehoben. "Eine wohlgeregelte Unterstützungskasse z.B. ist gewiß von größtem Wert für die Arbeiter, aber sobald sie anfängt, als der wesentliche, ausschließliche Zweck der Organisation betrachtet zu werden, hört diese auf, Kampfesorganisation für die Emanzipation der Arbeiter zu sein ... Und so ist es mit jedem anderen Punkte des gewerkschaftlichen Programms. Wird er zum ausschließlichen Zweck der Organisation erhoben, dann ist dieselbe verdammt, sich resultatlos im ewigen Kreise zu drehen. Denn wenn die gewerkschaftliche Organisation vieles kann, so kann sie doch die Folgen der wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufheben, solange sie die Basis derselben, das Produktionssystem, unberührt läßt." W. Liebknecht betont, "in der Hebung des Klassenbewußtseins der Arbeiter ist einer der größten, wenn nicht der größte Vorzug der Gewerkschaftsbewegung zu erblicken".
29. Juni / 1. Juli 1885 Auf der ersten Generalversammlung des Zentralverbandes der Tischlerfachvereine in Offenbach wird eine Stagnation der Mitgliederzahlen festgestellt.
10. Juli 1885 In Hamburg wird der "Unterstützungsverein deutscher Cigarrensortierer" gegründet. Zum Geschäftsführer wird Adolph von Elm gewählt.
Juli / August 1885 In Berlin streiken rund 12.000 Maurer für die Verkürzung der Arbeitszeit und höhere Löhne. Der Streik greift auch auf andere Städte über. In zahlreichen Baubetrieben wird eine zehnstündige Arbeitszeit durchgesetzt. August 1885 Auf der ersten Generalversammlung des Schneiderverbandes wird wegen der Behinderungen durch die Vereinsgesetzgebung der föderative Verband in einen streng zentralisierten Reiseunterstützungsverein umgewandelt. Sitz wird Halle/Saale.
12. August 1885 Der "Sozialdemokrat" berichtet, daß die Agitation für das Arbeiterschutzgesetz in ganz Deutschland immer größere Dimensionen annehme. 17. August 1885 In Berlin wird der "Allgemeine Brauerverband" gegründet, der Unterstützungskassen für reisende und arbeitslose Mitglieder einrichtet. Im gleichen Jahr entstehen der "Reiseunterstützungsverein deutscher Böttcher" und der "Unterstützungsverein deutscher Cigarrensortierer" unter Führung Adolph von Elms. Die Sortierer sind die kleinste, aber qualifizierteste Berufsgruppe unter den Zigarrenarbeitern. Sie erreichen bereits im Gründungsjahr in einigen Hamburger Betrieben, daß nur Gewerkschaftsmitglieder eingestellt werden dürfen. Sie lehnen, ihres ausgeprägten berufsständischen Bewußtseins wegen, lange Zeit eine Vereinigung mit den Tabakarbeitern ab. 19. August 1885 Die Braunschweiger Regierung verbietet auf Druck der preußischen Regierung die erst Ende 1884 gegründete "Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands". Mit diesem Verbot wird erneut die Existenz gewerkschaftlicher Zentral-Verbände zumindest in Preußen in Frage gestellt. 21. August 1885 Der Zentralrat der Gewerkvereine untersagt die Bildung provinzieller Organisationen, da sie gegen die Statuten der einzelnen Gewerkvereine wie gegen das Verbandsstatut verstoßen und die Gesamtorganisation Schaden leide. 24. August 1885 Nach der Unterdrückung der "Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands" bemühen sich die einzelnen Branchen der Metallarbeiter, zentrale Organisationen zu gründen.
29. August / 3. September 1885 Auf der 2. Generalversammlung des "Reiseunterstützungsvereins der Tabakarbeiter" in Brandenburg wird das Statut erweitert. Den bisherigen Aufgaben wird die einer "Erzielung günstiger Arbeitsbedingungen" vorangestellt und zur Reiseunterstützung tritt eine Unterstützung solcher Mitglieder, die, wegen ihres Eintritts für bessere Arbeitsbedingungen, arbeitslos werden. Der Verein nennt sich nun "Unterstützungsverein deutscher Tabakarbeiter". Im März 1884 waren die lokalen Krankenkassen in eine Zentralkrankenkasse mit Sitz in Hamburg zusammengefaßt worden.
September 1885 Mit Haussuchungen bei Mitgliedern der Kontrollkommission der Maurer Hamburg beginnen erneute Verfolgungen gegen diese besonders aktive gewerkschaftliche Organisation. 1./4. September 1885 Auf dem Katholikentag erklärt F. Hitze: "Die Sozialdemokratie muß isoliert werden. Organisation gegen Organisation: das ist der einzige Weg, der sozialdemokratischen Agitation entgegenzutreten." 25. Oktober / 12. November 1885 In mehreren Artikeln im "Sozialdemokrat" warnt W. Liebknecht: "Nicht nur hat die kapitalistische Produktion die Tendenz und Kraft, eine gleiche Summe von Arbeit in immer kürzerer Zeit zusammenzupressen, sie hat auch die weitere Tendenz, immer mehr Arbeiter überflüssig zu machen, so daß sich uns das scheinbar widerspruchsvolle Schauspiel darbietet, bei gesteigerter Produktion das Überflüssigwerden von Arbeitern." Der Normalarbeitstag bewirke eine Steigerung der Produktivität der Arbeit durch vervollkommnete Maschinerie, bessere Arbeitsteilung, höhere Intensität; insofern fördere er die Entwicklung der Großindustrie. Die "Hoffnung, der Normalarbeitstag werde einer namhaften größeren Zahl von Arbeitern Beschäftigung geben", sei jedoch ein Wahn. "Gegen die Krisen und Arbeitslosigkeit ist der Normalarbeitstag ohnmächtig. Diese Hauptschreckmittel des Arbeiters haben mit der Länge des Arbeitstages gar nichts zu tun. Sie entspringen aus dem innersten Wesen der Privatproduktion und des Kapitalismus und werden bestehen, solange diese besteht." Ende November / Anfang Dezember 1885 In Arbeiterversammlungen in Glauchau und Werdau erklärt A. Bebel, die Arbeiterklasse litte am meisten unter den bestehenden Zuständen, und es liege daher in ihrem eigensten Interesse, "sich gegen den ständig zunehmenden Druck, die wachsende Ausbeutung und die daraus folgende physische und geistige Degeneration zu wehren und Mittel und Wege zu ergreifen, die diese Folgen einigermaßen eindämmten". Das bezwecke der sozialdemokratische Arbeiterschutz-Gesetzentwurf, "der kein Heilmittel gegen die kapitalistische Produktionsweise enthalte, noch weniger diese beseitigen könne. Es handle sich bloß um ein Palliativmittel, aber um ein Palliativmittel, welches die Arbeiter benutzen müßten, so lange nicht die Macht vorhanden sei, das Produktionssystem umzugestalten". Dezember 1885 Der "Unterstützungsverein der Kupferschmiede Deutschlands" wird gegründet.
Bei den ersten Tarifverhandlungen der Buchdrucker nach 1878 wird zum ersten Mal eine Lehrlingsskala abgeschlossen, wonach auf je fünf Gehilfen ein Lehrling ausgebildet werden darf. 14. März 1886 In Bochum wird ein Rechtsschutzverband gegründet, der Bergarbeitern Rechtsschutz in Knappschafts- und betrieblichen Angelegenheiten gewähren soll. Der Verband hat 1888 rund 8.150 Mitglieder. 21. März 1886 Nachdem der Töpferkongreß in Berlin eine Kontrollkommission gründet und diese mit "weitestgehenden Rechten, die gesetzlich zulässig sind", ausrüstet, nennt die Kommission ihre Aufgaben und Pflichten in einem Aufruf:
29./31. März 1886 Der dritte Kongreß der Maurer in Dresden setzt an die Stelle der bisherigen Kontrollkommission eine Agitationskommission ein und bezeichnet es als deren Pflicht, "alle Angelegenheiten der Maurer Deutschlands in bezug auf Organisation, Agitation, Streikangelegenheiten etc. in die Hand zu nehmen und im Sinne der Beschlüsse des Kongresses in dieser Hinsicht tätig zu sein". Alle Gelder zur Streikunterstützung sowie zur Organisation und Agitation sollen an die Agitationskommission abgeführt werden. Mit der "geistigen Agitation" im Sinne des Kongresses wird eine Preßkommission beauftragt. 31. März 1886 Das Gesetz über die Verlängerung des Sozialistengesetzes bis zum 30. September 1888 wird mit 173 gegen 146 Stimmen im Deutschen Reichstag angenommen. 11. April 1886 Der "Streikerlass" des preußischen Innenministers Robert v. Puttkamer leitet mit verschärftem Terror gegen die Arbeiterbewegung eine neue Phase des Sozialistengesetzes ein. Der Erlaß fordert von allen Staatsorganen verschärftes Vorgehen gegen Streiks, Streikende und ihre Führer, um die Gewerkschaften zu unterdrücken. "In der Mitte" zwischen strafbaren Delikten "und der erlaubten Ausübung des Koalitionsrechtes" lägen "Ausschreitungen, welche, ohne gerade mit Notwendigkeit unter den Begriff von Straftaten zu fallen", für "die Polizei vollen Anlaß und Beruf" gäben, sich ihnen auf Anrufen der Unternehmer "tatkräftig entgegenzustellen". Dazu gehörten alle Versuche, Streikbrecher zu überreden, zu belästigen oder zu beunruhigen oder "die Kluft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu einer unüberbrückbaren zu erweitern" und unter den Arbeitern "den Haß gegen die Gesamtheit unserer politischen und gesellschaftlichen Zustände anzufachen und zu unterhalten". Besonderes Augenmerk solle die Polizei auf sozialdemokratisch beeinflußte Streiks richten. Gegen Streiks, von denen "anzunehmen ist, daß sie durch die sozialdemokratische Agitation angestiftet sind oder auch in ihrem weiteren Fortgange der Leitung derselben verfallen, die somit ihren wirtschaftlichen Charakter abstreifen und einen revolutionären annehmen", soll im Sinne des Sozialistengesetzes mit aller Schärfe vorgegangen werden. R. von Puttkamer fordert auf, den Ausweisungsparagraphen "auch gegen Führer von Streikbewegungen" anzuwenden und gegebenenfalls den Belagerungszustand zu verhängen.
Mai / Juni 1886 Auf Grund des § 8 des preußischen Vereinsgesetzes, nach dem Frauen nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein dürfen, werden in Berlin mehrere Arbeiterinnenvereine geschlossen, darunter der "Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen". Anlaß für dieses Verbot ist eine Petition an die Stadtbehörde wegen der Zulassung der Frauen zum Gewerbegericht, da darin eine Verletzung des Vereinsrechts gesehen wird. Die Leiterinnen des Vereins werden zu Geldstrafen verurteilt. 1. Mai 1886 In Industriestädten der USA beginnt ein von der Amerikanischen Arbeiter-Föderation angeregter Streik für den Achtstundentag. Während einer Kundgebung auf dem Haymarket in Chicago werden durch eine Bombe sieben Polizisten und vier Arbeiter getötet. Die amerikanische Regierung geht daraufhin mit Gewalt gegen die Arbeiterbewegung vor. Vier der Führer der Chicagoer Arbeiterbewegung werden zum Tode verurteilt und am 11. November 1887 hingerichtet. 11. Mai 1886 Die preußische Regierung erläßt eine Bekanntmachung, nach der auf Grund des Sozialistengesetzes in Berlin und Umgebung Versammlungen, außer Wahlversammlungen, in denen öffentliche Angelegenheiten erörtert werden sollen, der schriftlichen Genehmigung der Ortspolizeibehörde bedürfen. Auf Grund dieser Bekanntmachung werden allein in Berlin im Mai 47 Versammlungen polizeilich verboten, 11 aufgelöst.
26. Mai 1886 Der preußische Innenminister R. von Puttkamer erklärt im Reichstag: "... hinter jeder größeren Arbeitseinstellung, die in jetziger Zeit auf zwangsweise und durch Agitation, namentlich durch plötzlich umfassende Einstellung der Arbeit, hinstrebende Erhöhung der Löhne berechnet ist, und welche einen großen, viele Gewerbezweige in Mitleidenschaft ziehenden Umfang gewinnt, hinter jeder einer solchen Arbeitseinstellung lauert die Hydra der Gewalttat und der Anarchie". Juni 1886 Die Berliner politische Polizei bezeichnet die Gewerkvereine in einer Denkschrift für den Minister des Innern als eine "in Organisation, Zweck und Mitteln verfehlte Zwitterschöpfung .., die trotz ihres liberal-manchesterlichen Glorienscheines und trotz der wohlwollenden Neutralität der Behörden, welche die Gewerkvereine nicht einmal den vereinsgesetzlichen Bestimmungen unterwarfen, zu keiner lebenskräftigen Entwicklung gelangen wollte". Die Polizei löst den Tapeziererverein in Berlin auf. 16./22. Juni 1886 Neunter Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen-Gewerkvereine in Halle/Saale. Die Mitgliederzahl ist wieder auf 52.000 in 953 Vereinen gestiegen. Die Gewerkvereine haben auch in den Industriegebieten (Rheinland-Westfalen, Sachsen) Fuß gefaßt. Die Gewerkvereins-Hilfskassen haben 45.000 Mitglieder.
20. Juni 1886 Die Herausgabe von zwei Zeitungen "Neuer Bauhandwerker" in Hamburg und "Der Baugewerkschafter" in Braunschweig führt zur endgültigen Spaltung der Maurerbewegung, nachdem es bereits vorher zwischen den Hamburger und Berliner Maurern zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war. Sommer 1886 Nach Angaben der Berliner politischen Polizei verfügen die gewerkschaftlichen Zentralverbände über 34 Zentral-Kranken-und Sterbekassen mit 2.764 Filialen und 263.684 Mitgliedern. Wegen dieser Unterstützungseinrichtungen werden die Gewerkschaften 1886 zu Versicherungsgesellschaften erklärt. Man hofft, sie so unter staatliche Kontrolle bringen und reglementieren zu können. In einem komplizierten, oft mit großen finanziellen Opfern verbundenen Kampf, wird dieses Vorhaben von der Mehrheit der Zentralverbände erfolgreich abgewehrt.
15. Juli 1886 Ab 15. Juli erscheint das Verbandsorgan des 1885 gegründeten Unterstützungsvereins der Kupferschmiede Deutschlands: "Der Kupferschmied". 24. Juli 1886 Der Berliner Polizeipräsident betont in einem Bericht, daß es darum gehe, die "für die ruhige Entwicklung der Arbeiterfrage in mehr als einer Beziehung gefährlichen Fachvereine lahmzulegen". August 1886 In einem neuen Tarifvertrag können die Buchdrucker eine "Lehrlingsskala" erreichen, d.h. das Verhältnis zwischen Gehilfen und Lehrlingen muß 5 zu 1 betragen.
26. August 1886 In Hamburg beginnt ein Streik von 1.000 Bäckergehilfen. Sie fordern den 12-Stunden-Tag - sie arbeiten durchschnittlich noch 15 Stunden täglich -, Arbeitsbeginn nicht vor 22 Uhr, regelmäßige wöchentliche statt der üblichen halbjährlichen oder jährlichen Lohnzahlung, ein eigenes Bett für jeden Gesellen und 25% Lohnerhöhung.
30. August / 4. September 1886 Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Brandenburg nimmt den Rechtsschutz als Verbandsziel auf. 16. September 1886 Im Rechenschaftsbericht der sächsischen Regierung zur Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes für Leipzig und Umgebung wird der außerordentliche Aufschwung des Fachvereinswesens festgestellt. In Leipzig sei die Zahl dieser Vereine von 21 auf 35 gestiegen. Diese Fachvereine ständen im engsten Zusammenhang mit der Sozialdemokratie, zum Teil seien sie sogar Schöpfungen und Organe derselben. Oktober 1886 Als eine der ersten sog. "Internationalen Berufssekretariate" wird der "Internationale Bund der Glasarbeiter" gegründet. 21. November 1886 In einer längeren Artikelserie über "Die gewerkschaftliche Organisation" im "Baugewerkschafter" entwickelt der Redakteur Gustav Keßler ein Gegenkonzept zu den vorhandenen und geplanten gewerkschaftlichen Zentralorganisationen. Mit diesen Artikeln erhält die spätere "lokalistische" Bewegung innerhalb der deutschen Gewerkschaften ein erstes theoretisches Fundament. Mitte Dezember 1886 / Mai 1887 Über mehrere Stadt- und Landkreise, so Frankfurt a. Main, Hanau, Höchst und Stettin, wird der kleine Belagerungszustand verhängt.
22. Dezember 1886 Auf der Generalversammlung des Verbandes "Arbeiterwohl" in Köln nennt der Kölner Erzbischof drei Marksteine, die für die katholischen Arbeitervereine zu beachten sind: "Zunächst werden die Arbeiter immer eingedenk sein müssen, daß sie den vollen, wahren Lohn für ihre Arbeit und Mühen nicht auf dieser Welt, sondern im Jenseits zu erwarten haben. Nehmen wir diesen Grundsatz weg, so werden wir umsonst arbeiten, die Arbeiter werden nicht die Kraft in sich fühlen, die Beschwerden ihres Standes zu ertragen." Der zweite Markstein bestehe darin, den Arbeiter so zu erziehen, daß "er zufrieden sein, im Geist der Buße, des Gehorsams und der Demut sein Joch tragen und ein nützliches Mitglied des Vereins sein" könne. "Drittens aber muß der Arbeiter bei der Besserung seines Standes an sich selbst anfangen. Sparsamkeit, Fleiß, Mäßigkeit und ein religiöses, stilles Leben geben ihm die innere Zufriedenheit, befähigen ihn, an der Besserung seiner äußeren Lage mitzuwirken." 27./31. Dezember 1886 Mit dem zweiten Verbandstag des Tischlerverbandes findet auch ein "Allgemeiner Deutscher Tischlerkongreß" in Gotha statt. Nach längeren Beratungen wird die Umwandlung des bisherigen Dachverbandes von Lokalorganisationen in einen Zentralverein mit dem Namen "Deutscher Tischlerverband" beschlossen. Dieser setzt sich die "allseitige Vertretung der Interessen seiner Mitglieder, mit Ausschluß aller politischen und religiösen Fragen" zum Zweck und will primär der "Erzielung möglichst günstiger Arbeitsbedingungen auf gesetzlichem Wege nach Maßgabe des § 152 der Gewerbeordnung" dienen.
Ende 1886 Auf Grund der Verfolgungsmaßnahmen nehmen nach offiziellen Unterlagen die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder für den Zeitraum 1885/1886 nur um rund 8.000 zu. Es werden jetzt etwa 81.200 gezählt.
1887 / 1893 Die jährliche Wachstumsrate der industriellen Produktion steigt von 1887-1893 im Durchschnitt auf 4,2%, die von Produktionsmitteln um 47,8%, die von Konsumgütern um 37,5%. Die Kohleförderung steigt bis 1890 auf 89 Mill. t, die Stahlproduktion auf 2,2 Mill. t. Auf beiden Gebieten werden England und Frankreich im Wachstumstempo und Frankreich auch hinsichtlich der absoluten Produktion übertroffen. Der Anteil Deutschlands an der Weltindustrieproduktion steigt von 13% (1870-1880) auf 14% (1890). Die tägliche Arbeitszeit verkürzt sich in Industrie und Bergbau auf 11 Stunden. Die Arbeitsleistungen steigen erheblich an, insgesamt pro Arbeiter um 14,5%; dabei im Bergbau um 6,3% und in der Roheisenproduktion um 41%, die Bruttolöhne von 1880 bis 1890 um rund 20%. Die Mieten betragen durchschnittlich 20% der Arbeitereinkünfte und müssen für Wohnungen gezahlt werden, die in der Regel nur aus einem Zimmer (mit oder ohne Küche) bestehen und großenteils in Kellern oder unter Dachböden gelegen sind und allen elementaren Hygieneanforderungen widersprechen. 20. Februar 1887 Die erste Ausgabe des "Schuhmacher-Fachblatts" erscheint als Nachfolger des verbotenen "Schuhmacher". 21. Februar 1887 Nach einem Wahlkampf voller Polizeieingriffe vergrößern die Sozialdemokraten ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Reichstagswahl, verlieren aber 13 Mandate, da in den Stichwahlen die Freisinnigen in den meisten Fällen für die konservativen oder nationalliberalen Kandidaten stimmen. Die Sozialdemokratie erhält 763.128 Stimmen, das sind 10,1% der gültigen Stimmen, das Zentrum gewinnt Stimmen und bleibt stärkste Partei mit 22,6%. Der sozialdemokratischen Fraktion gehört nur noch ein Gewerkschaftsführer, H. Meister, an. 3. März 1887 In der Thronrede zur Eröffnung des Reichstages wird ein weiterer Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung angekündigt. 14. März / 18. Mai 1887 In Hamburg streiken Tischler erfolgreich für die Wiedereinführung der 9,5stündigen Arbeitszeit und um Lohnerhöhungen. Frühjahr 1887 Der Manufakturarbeiterverein wird von der Polizei aufgelöst, nachdem er zum politischen Verein erklärt wurde. Der Vereinsvorstand wird wegen "Inverbindungtretens politischer Vereine" zu Geldstrafen verurteilt. 26. März 1887 Eine Streikwelle der Former verbreitet sich über ganz Deutschland, die mit Unterbrechungen bis 1889 andauert; hervorgerufen durch das Vorgehen der Eisenindustriellen von Hamburg und Altona gegen den gewerkschaftlichen Arbeitsnachweis. Die Weigerung der Arbeiter, den Unternehmer-Nachweis anzuerkennen, führt am 8. Dezember zur Aussperrung von 230 Formern in Hamburg-Altona. Gleichzeitig streiken Former in Flensburg, Nürnberg und anderen Orten. Versuche der Unternehmer, Streikarbeit nach auswärts zu verlegen, führen ebenfalls zu Formerstreiks in zahlreichen Orten. Die Unternehmer versuchen, die Formerorganisationen in ganz Deutschland zu zerschlagen. 1. April 1887 Die "Allgemeine Deutsche Sattlerzeitung" als Organ der Zentralkasse und der Fachvereine wird zum ersten Mal herausgegeben. In Hamburg erscheint die erste Ausgabe der "Fachzeitung für Drechsler". 25. April 1887 Der "Neue Bauhandwerker" wird Organ der Maurer. Am 10. Juni 1888 wird er wieder verboten. 25./28. April 1887 Trotz der Spaltung findet in Bremen noch ein gemeinsamer Maurerkongreß statt. Wegen des Verbotes einiger größerer lokaler Fachvereine ist die Mitgliederzahl von 18.600 auf 16.700 zurückgegangen.
28./30. April 1887 Nach internen Auseinandersetzungen gründen oppositionelle Zimmerer in Magdeburg eine "lose" Zentralisation für lokale Zimmererorganisationen "Freie Vereinigung der Zimmerer".
31. Mai / 4. Juni 1887 Die Generalversammlung des "Unterstützungsvereins deutscher Tabakarbeiter" in Halberstadt verschärft wegen des Anwachsens der Streiktätigkeit die Bedingungen für eine Streikunterstützung durch die Zentralkasse. Auch kleinere Streiks müssen vom Vorstand genehmigt, Streiks, die nur einer Aufbesserung der Löhne dienen, sollen nicht mehr unterstützt werden.
1. Juni 1887 Die erste Generalversammlung des Verbandes der Bäcker in Frankfurt a. Main beschließt eine Petition an den Reichstag zu richten, in der eine feste Arbeitszeit von 12 Stunden, das Verbot der Sonntagsarbeit, eine gesetzliche Regelung der Lehrlingszahl und der Arbeitsvermittlung gefordert wird. Pfingsten 1887 Der Verbandstag des "Unterstützungsvereins deutscher Schuhmacher" in Eisenach beschließt, sich in "Verein Deutscher Schuhmacher" umzubenennen. Jede Filiale ist künftig gehalten, ein Arbeitsnachweisbüro zu errichten. 1. Juli 1887 Der "Sozialdemokrat" schreibt: "In Deutschland ist die Gewerkschaftsbewegung nicht nur keine Gefahr für die sozialdemokratische Arbeiterpartei, sondern trotz der strengen polizeilichen Fernhaltung politischer Diskussionen aus den Gewerkschaften - zum Teil auch gerade wegen derselben - die Rekrutenschule ihrer Kerntruppen." 25. Juli / 1. August 1887 Auch die Hamburger Bautischler streiken mit Erfolg für die 9,5stündige Arbeitszeit und Lohnerhöhungen. 28./30. Juli 1887 Auf einem Kongreß in Naumburg a.d.S. wird die zentrale "Vereinigung der Drechsler Deutschlands" gegründet. Vorsitzender wird Carl Legien. Als Sitz wird des preußischen Vereinsgesetzes wegen Hamburg bestimmt. 20. September 1887 Eine Kommission der geistlichen Leiter der katholischen Arbeitervereine entwirft ein Statut, das die einzelnen Vereinsstatuten koordinieren soll. Darin heißt es: "Der Verein muß die religiöse und soziale Hebung des Arbeiterstandes bezwecken."
2./6. Oktober 1887 In St. Gallen (Schweiz) findet ein Parteikongreß der Sozialdemokratie statt. Von den 73 Delegierten sind 20 Gewerkschaftsfunktionäre.
6. Dezember 1887 Auf Anregung des Unternehmers und nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Oechelhäuser wird der Verein der "Anhaltischen Arbeitgeber" in Dessau gegründet, der als seine wichtigste Aufgabe die "Bildung von Ältestenkollegien aus freigewählten Vertretern der von einzelnen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern" ansieht.
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