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TEILDOKUMENT:
In Leipzig wird der "Tapeziererverband" gegründet. Der Zweck ist die materielle Besserstellung und die geistige Bildung der Mitglieder. Eine Arbeitslosenunterstützung wird eingeführt. Die Gewerkvereine unterhalten 13 Kranken- und Begräbniskassen mit 19.000 Mitgliedern. Nach einer Untersuchung des preußischen Handelsministeriums bestehen 88 Knappschaftsvereine mit über 255.000 Mitgliedern. Sie werden ergänzt durch eine Anzahl von Kranken-, Sterbe- und Unterstützungskassen, zu denen Werksbesitzer Zuschüsse leisten. Dazu bestehen noch eine Reihe weiterer sozialer betrieblicher Einrichtungen.
Im Jahresbericht der Handelskammer Halle/Saale über das Jahr 1874 wird beklagt, daß "einem großen Teil der Arbeiter die Willenskraft durch treue Pflichterfüllung und größere Arbeitsleistung seine Lage zu verbessern, verloren gegangen ist". 1. Januar 1875 Th. Yorck, geboren am 13. Mai 1830 in Breslau, Tischler, einer der Mitbegründer des ADAV und später der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, September 1868 Präsident des Deutschen Holzarbeiterverbandes und vor allem entschiedener Vertreter der "Gewerkschaftsunion", in Hamburg gestorben.
15. Januar 1875 "Der Wecker" erscheint monatlich in Gotha als Vereinsorgan der Schuhmacher. 18. März 1875 "Zerstören wir die sozialistische Organisation, und es existiert keine sozialistische Partei mehr", erklärt Staatsanwalt H. v. Tessendorff, als er seine Anklage gegen die Leiter des ADAV und Gewerkschaftsfunktionäre wegen Verstoßes gegen das preußische Vereinsgesetz begründet und das Verbot des Vereins sowie des "Allgemeinen Deutschen Maurer- und Steinhauervereins und des Zimmererbundes" beantragt. Das Gericht stimmt zu.
18./28. März 1875 F. Engels kritisiert in einem Brief an A. Bebel, daß im Gothaer Programmentwurf von den Gewerkschaften nicht die Rede sei: "Bei der Wichtigkeit, die diese Organisation auch in Deutschland erreicht, wäre es unserer Ansicht nach unbedingt notwendig, ihrer im Programm zu gedenken und ihr womöglich einen Platz in der Organisation der Partei offenzulassen." 27. März 1875 Eine Konferenz der Hamburger Gewerkschaftsbevollmächtigten, an der auch führende Vertreter der SDAP und des ADAV teilnehmen, beschließt einen Aufruf an die Vorsitzenden aller deutschen Gewerkschaften und der lokalen Fachvereine, in dem die Einberufung einer Konferenz sämtlicher Gewerkschaftsvorstände für Ende April gefordert wird. Auf dieser Konferenz sollen ein alle Gewerkschaften verbindender Organisationsentwurf ausgearbeitet und der Zeitpunkt für einen allgemeinen Gewerkschaftskongreß festgelegt werden. Diese Konferenz findet am 28. Mai 1875 in Gotha statt. 28./31. März 1875 Der 3. Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine - sie umfassen 14 Gewerkvereine und 12 selbständige Ortsvereine mit 22.000 Mitgliedern - in Leipzig beschäftigt sich mit den Verbandsstatuten. Der § 1 erhält folgende Fassung:
Mai 1875 Auf seiner Generalversammlung in Dresden beschließt der "Allgemeine deutsche Sattlerverein", sich in "Verein der Sattler und verwandter Berufsgenossen" umzubenennen. 5. Mai 1875 In seiner Kritik an dem Programmentwurf für die vereinigte sozialdemokratische Partei bemängelt K. Marx die unpräzise Fassung der praktischen Forderungen: Dauer des Normalarbeitstages und Altersgrenze für Kinderarbeit müßten angegeben werden. Ein allgemeines Verbot der Kinderarbeit lehnt K. Marx ab. Bei angemessenen Schutzvorschriften sei die "frühzeitige Verbindung produktiver Arbeit mit Unterricht eines der mächtigsten Umwandlungsmittel der heutigen Gesellschaft". Zur Überwachung der Fabrik-, Werkstatt- und Heimindustrie stellt K. Marx die Forderung, die Inspektoren müßten ärztlichen Standes und gerichtlich absetzbar sein und von jedem Arbeiter bei Pflichtverletzung angezeigt werden können. Ferner fordert K. Marx im Zusammenhang mit dem Normalarbeitstag und der Haftpflicht Gesetze zu Gesundheitsmaßregeln und zur Gefahrenverhütung. Die überaus harte Kritik an dem gesamten Parteiprogramm ist Ursache dafür, daß diese "Randglossen" erst 1890 von der Parteiführung veröffentlicht werden. 16./18. Mai 1875 In Coburg schließen sich die beiden Schuhmacherverbände zur "Gewerkschaft der Schuhmacher und verwandter Gewerbe" zusammen. 22./27. Mai 1875 Auf dem Kongreß in Gotha vereinigen sich die beiden sozialdemokratischen Parteien zur "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands". Der ADAV hat 15.322 Mitglieder, die "Eisenacher" 9.121 Mitglieder.
28./29. Mai 1875 Auf den Parteitag folgt ein Gewerkschaftskongreß, an dem 40 Delegierte teilnehmen, die die Gewerkschaften der Bergarbeiter, Metallarbeiter, Maurer, Steinhauer, Holzarbeiter, Zimmerer, Tischler, Manufakturarbeiter, Schneider, Schuhmacher, Buchbinder, Zigarrenarbeiter und Goldarbeiter vertreten. Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Herstellung der Einheit der Gewerkschaftsbewegung, über deren Notwendigkeit sich die Delegierten einig sind. Die Ansichten gehen nur darüber auseinander, ob eine reine Streikorganisation zu schaffen oder ob die Unterstützungseinrichtungen beizubehalten seien. Schließlich überwiegen die Gründe für die Beibehaltung, wenigstens als Notbehelf bis zur gesetzlichen Vereinheitlichung der Hilfskassen. Die Konferenz beschließt: "Sofern in einem Geschäftszweige mehrere gewerkschaftliche Organisationen, lokale Fachvereine usw. bestehen, ist es die Pflicht derselben, sich zu einigen resp. der etwa bestehenden zentralisierten Organisation ihres Gewerbes anzuschließen."
6. Juni 1875 In Berlin wird der "Deutsche Zimmererverein" gegründet, wie sein Vorgänger wird er in Preußen im Mai 1876 wieder verboten. Sommer 1875 I. Auer wendet sich in einem Artikel im "Volksstaat" gegen das "Fernhalten der Politik" aus den Gewerkschaften. Er stellt fest, daß eine Person, Gesellschaft, Partei oder Klasse politisch tätig ist, wenn sie ihre Interessen dadurch wahre, daß sie Einfluß auf die Leitung und Gesetzgebung des Staates zu erringen suche.
8./9. August 1875 In Leipzig schließen sich die dem ADAV und der SDAP nahestehenden Schneidergewerkschaften im "Allgemeinen deutschen Schneiderverein" zusammen. 29. August 1875 Der "Verband der deutschen Tapezierer und Fachgenossen" wird in Leipzig gegründet. 15. September 1875 Die erste Ausgabe - die Probenummer - von "Der Grundstein, Organ der Maurer, Steinhauer und verwandten Berufsgenossen in Deutschland" erscheint, ab 1. Oktober regelmäßig vierzehntäglich. 19./21. September 1875 Auf dem ersten Glasarbeiterkongreß in Dresden wird der "Allgemeine Glaskünstlerbund Deutschland" gegründet.
Herbst 1875 Der Versuch der Reichsregierung, eine gegen die Sozialdemokratie gerichtete verschärfte Fassung des § 130 des Strafgesetzbuches: "Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung gegeneinander aufreizt oder wer in gleicher Weise die Institute der Ehe, der Familie oder des Eigentums öffentlich durch Rede oder Schrift angreift, wird mit Gefängnis bestraft", durchzusetzen, wird vom Reichstag abgewiesen. Anfang Oktober 1875 In Hamburg wird der "Verband der Bau-, Land-, Erd- und Fabrikarbeiter" gegründet. Um ständigen polizeilichen Einschreitens zu entgehen, nennt sich der Verband im Herbst 1876 in "Bund der Arbeitsleute" um.
10. Oktober 1875 Die bisher in einer Gewerksgenossenschaft vereinigten Maurer und Zimmerer beschließen in Chemnitz, sich wieder zu trennen.
7./8. November 1875 Der Kongreß der christlich-sozialen Vereine fordert die Begrenzung der Arbeitszeit auf acht Stunden pro Tag in Bergwerken und auf zehn Stunden täglich in Fabriken. 28. November 1875 In Berlin wird der "Allgemeine Deutsche Maurer- und Steinhauerbund" verboten.
In 4.850 deutschen Betrieben gibt es betriebliche Sozialeinrichtungen. 2.600 Betriebskrankenkassen haben 700.000 Mitglieder, 88 Knappschaftskassen sorgen für rund 255.000 Bergleute. 15. Februar 1876 Der "Centralverband Deutscher Industrieller" zur Förderung und Wahrung nationaler Arbeit wird gegründet.
2. März 1876 In Braunschweig erscheint die erste Ausgabe von "Das Panier" - Organ der deutschen Metallarbeiter und des Verbandes der Klempner und Berufsgenossen. 30. März 1876 Staatsanwalt H. v. Tessendorff gibt bekannt, daß auf seinen Antrag die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands für den ganzen Geltungsbereich des preußischen Vereinsgesetzes und speziell die Berliner Mitgliedschaft des Vereins vorläufig verboten sei.
7./8. April 1876 Mit dem Gesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen wird eine einheitliche Regelung des Hilfskassenwesens angestrebt. Es schafft für die freien Hilfskassen einen festen Rechtsboden.
13./14. Mai 1876 In Zwickau wird der "Verband sächsischer Berg- und Hüttenarbeiter" gegründet, der 99 Mitglieder hat, bis 1878 aber seine Mitgliederzahl auf rund 1.500 erhöhen kann. Mitte Mai 1876 In einer schwierigen konjunkturellen Situation beginnen die Verhandlungen über die Revision des Tarifvertrags der Buchdrucker. In langwierigen Beratungen akzeptieren die Gehilfenvertreter den Wegfall einiger Vergünstigungen, können aber die Beibehaltung der Tariflöhne und der tariflichen Arbeitszeit durchsetzen. Die Laufzeit wird auf ein Jahr fortgesetzt. Als neue Form der tarifpolitischen Beteiligung der Mitgliedschaften vereinbaren beide Parteien die Durchführung von Urabstimmungen zum Tarifvertrag. Es werden auf Arbeitgeberseite 434 Stimmen - bei insgesamt 2.500 Druckereien - abgegeben, von denen sich 92% für die Annahme der neuen tariflichen Bestimmungen aussprechen; auf Gehilfenseite beteiligen sich 4.851 Personen, die nur zu 73% befürwortend stimmen. Die ablehnenden Arbeiterstimmen kommen zum Großteil aus Berlin, wo die Betriebe während der vergangenen drei Jahre vielfach unter Tarif bezahlt hatten.
19. Mai 1876 Der "Deutsche Zimmererverein" wird für Preußen verboten. 18./19. Juni 1876 Auf einer Generalversammlung des "Deutschen Zimmerervereins" in Hamburg wird die Gewerkschaft "Deutsches Zimmerergewerk" als neue zentrale Berufsorganisation der Zimmerleute ins Leben gerufen.
25. Juni 1876 In Frankfurt a. Main schließen sich die beiden Holzarbeitergewerkschaften zum "Bund der Tischler und verwandten Berufsgenossen Deutschlands" zusammen.
25./29. Juni 1876 Auf einem Tischlerkongreß in Frankfurt a. Main wird der "Bund der Tischler und verwandter Berufsgenossen Deutschlands" gegründet.
27. Juni 1876 In München findet ein Prozeß gegen 56 Mitglieder des am 18. März 1875 aufgelösten Deutschen Zimmererbundes statt. Die Angeklagten, die sich entgegen der Auflösungsorder wieder vereinigt haben, werden zu Gefängnisstrafen verurteilt. 15. Juli 1876 Eine Konferenz in Philadelphia beschließt die offizielle Auflösung der Internationalen Arbeiterassoziation (I. Internationale). 1. August 1876 In Berlin erscheint die erste Ausgabe des Wochenorgans der deutschen Schmiede "Der Amboss". 19./23. August 1876 Der Parteikongreß in Gotha - er wird nach dem Verbot in Preußen als allgemeiner Sozialistenkongreß einberufen - spricht sich für die Übernahme der Privateisenbahnen in Staatsbesitz aus. Den Auseinandersetzungen über die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, steht der Kongreß fremd gegenüber.
Herbst 1876 Der Verband der Buchbinder richtet eine Petition an den Reichstag, Buchbindearbeiten in Gefängnisse zu verbieten. Oktober 1876 Auf seiner Generalversammlung ändert der "Allgemeine Glaskünstlerbund Deutschlands" seinen Namen in "Bund der Glasarbeiter Deutschlands". 1. Oktober 1876 In Leipzig erscheint zum ersten Mal der "Vorwärts", Central-Organ der Social-Demokratie Deutschlands.
15./17. Oktober 1876 Der vierte Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen-Gewerkvereine findet in Breslau statt. Die 14 Gewerkvereine in 346 Ortsvereinen haben 19.900 Mitglieder. Im Mittelpunkt des Verbandstages steht die Einführung des sog. "Reverses". M. Hirsch behauptet, daß in den sozialdemokratischen Kreisen die Absicht bestehe, durch Masseneintritt in die Gewerkvereine sich die Herrschaft in denselben zu verschaffen. Um das zu verhindern, wird mit 19 gegen 1 Stimme beschlossen, den § 4 der Satzung zu ändern. Er lautet nun: "Mitglied kann jeder Arbeiter werden, welcher die Hebung des Arbeiterstandes zu Selbständigkeit und Gleichberechtigung mit allen andern Klassen auf dem Wege der gesetzlichen Reform, insbesondere durch Berufsorganisation, Bildung und Genossenschaft erstrebt und überhaupt den Grundsätzen der deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) huldigt und demgemäß durch einen Revers mit seiner Unterschrift erklärt, weder Mitglied noch Anhänger der Sozialdemokraten zu sein."
1877 / 1878 Nach vorübergehender Erholung von der Krise 1873-1875 tritt erneut ein wirtschaftlicher Rückschlag ein. Die Arbeitslosigkeit breitet sich aus. Im Dortmunder Bergbaurevier werden Anfang 1877 rund 6.800 Bergarbeiter entlassen; in Berliner Betrieben geht die Beschäftigungszahl von rund 57.000 (1876) auf rund 29.000 (1878) zurück. Für die Jahre 1876-1880 beträgt die Zahl der Auswanderer 230.000.
Der Verband der Handschuhmacher gründet eine zentrale Kranken- und Sterbekasse. 1877 Der Verbandstag des Buchbinderverbandes in Leipzig beschließt die Verbandskrankenkasse dem Hilfskassengesetz zu unterstellen. Ihre obligatorische Einführung wird jedoch abgelehnt, es sollen nur Verbandsmitglieder zu der Kasse zugelassen werden.
Der junge katholische Priester Franz Hitze gibt sein erstes Buch heraus: "Die soziale Frage und die Bestrebungen zu ihrer Lösung mit besonderer Berücksichtigung der verschiedenen sozialen Parteien in Deutschland". F. Hitze übt in diesem scharfe Kritik an der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unter Zustimmung zu den Analysen von K. Marx und mehr noch von F. Lassalle.
In seinem Buch "Der radikale deutsche Sozialismus und die christliche Gesellschaft" empfiehlt der evangelische Pfarrer Rudolf Todt den Arbeitern, die ihnen gemachten Konzessionen - Wahlrecht und Koalitionsfreiheit - "ernstlich und konsequent" zu gebrauchen, wobei sich die Koalitionsfreiheit nur im Unterstützungswesen auswirken soll. Die Lage lasse sich dadurch in etwa verbessern. R. Todts Einfluß in der evangelischen Kirche bleibt gering. Doch sein christlich-monarchischer Staatssozialismus, so die Forderung nach einem Vertrauensverhältnis zwischen Monarchie und Arbeiterstand für eine Politik durchgreifender Reformen sowie nach einem "Eintreten der Kirche für die berechtigten Forderungen des vierten Standes" wirken im Kathedersozialismus und im Evangelisch-Sozialen Kongreß fort. Die Betriebsleitung des Stahlwerks Kaiserslautern schreibt ihren Angestellten ins Lohnbuch, sie sollen "es als heilige Pflicht erachten, den ihnen übertragenen Geschäftsverrichtungen die größte Aufmerksamkeit zu widmen, mit Fleiß und Ausdauer die Arbeitszeit zu benutzen, ihre ganze Fähigkeit auf ein vollkommenes Gelingen der Arbeit aufzubieten und endlich mit Material und Werkzeug sparsam umzugehen - überhaupt alle Verrichtungen so zu besorgen, als wenn es sich um ihr eigenes Interesse handele". Dieser "auf liberalen Grundsätzen beruhenden" Präambel folgen als eigentliche Arbeitsordnung noch 25 Strafparagraphen. 19. März 1877 Graf Ferdinand von Galen bringt den ersten sozialpolitischen Antrag des Zentrums - eine Verbesserung des Arbeitsschutzes - im Reichstag ein. Der Antrag wird nach heftigen Debatten abgelehnt. In Essen gelingt es den Arbeiterwählern des Zentrums, ihren eigenen Kandidaten - einen Metalldreher - bei der Kandidatenaufstellung zu den Reichstagswahlen gegen den offiziellen Zentrumskandidaten durchzusetzen. 1. April 1877 Die "Allgemeine Tapezierer-Zeitung" - Organ der Tapezierer und Fachgenossen - erscheint zum ersten Mal, dann vierzehntäglich in Berlin. Nach der Aufnahme von Sattlervereinen in den Verband im Mai 1877 nennt sich die Zeitung "Allgemeine Sattler- und Tapeziererzeitung". 17. April 1877 Die sozialdemokratischen Abgeordneten, unterstützt von vier Bürgerlichen, reichen den Entwurf eines Arbeiterschutzgesetzes im Reichstag ein. In ihm wird verlangt:
Mai 1877 Der 1. Verbandstag der Tapezierer in Berlin beschließt, eine Zentralkrankenkasse zu gründen.
Der "Verband der deutschen Maler, Lackierer und Vergolder" wird in Leipzig gegründet. 21./22. Mai 1877 In Leipzig wird der "Verband der deutschen Schmiede" gegründet. 27. Juli 1877 In einem Artikel im "Vorwärts" wird jetzt auch die Gesundheitspolitik als Teil der allgemeinen sozialen Frage erkannt. Da heißt es: "Die ungeheure Mehrzahl der Bevölkerung ist durch ihre elende ökonomische Lage zur Krankheit, zu Siechtum und frühem Tod verurtheilt. Kurz, die Frage der öffentlichen Gesundheitspflege ist im eminentesten Sinne ein Stück der großen sozialen Frage und kann durchgreifend nur mit dieser gelöst werden. Der Sozialismus ist der beste, ist der einzige Arzt." 4. August 1877 Nach einer Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften der Tischler und der Zimmerleute erscheint der "Pionier" unter der Redaktion von August Geib und August Kapell zum ersten Mal als gemeinsames Organ. 10. August 1877 Reichskanzler O. von Bismarck wendet sich entschieden gegen Vorstellungen aus dem Handelsministerium, Fabrikinspektoren obligatorisch einzuführen sowie eine verstärkte Verpflichtung der Unternehmer zum Arbeitsschutz gesetzlich festzulegen: "Als das wirksamste Schutzmittel in dieser Richtung betrachte ich vielmehr nur die Haftpflicht für Unfälle. Jede weitere Hemmung und künstliche Beschränkung im Fabrikbetriebe vermindert die Fähigkeit des Arbeitgebers zur Lohnzahlung." 1. September 1877 Der "Verband der Klempner" schließt sich der Metallarbeiter-Gewerksgenossenschaft an. 21. September 1877 Die vereinigten Gewerkschaften Hannovers rufen die gesamten Gewerkschaften Deutschlands auf: "In Erwägung, daß die einzelnen Gewerkschaften nicht imstande sind, eine Aufbesserung in ihrer Branche herbeizuführen, möge man darauf hinwirken, daß eine allgemeine Zentralisation der sämtlichen Gewerkschaften angebahnt werde, als nächstes Anbahnungsmittel muß ein Zentralorgan für sämtliche Gewerkschaften ins Leben gerufen werden." Mit diesem Aufruf beginnt erneut eine Diskussion um engeres Zusammengehen und einen Zusammenschluß der Gewerkschaften. 13. Oktober 1877 Der Reichstagsabgeordnete und Mitbegründer des Allgemeinen Deutschen Zimmererbundes August Kapell schlägt vor, im November eine Gewerkschaftskonferenz mit folgender Tagesordnung stattfinden zu lassen:
21./22. Oktober 1877 In Gera findet unter Vorsitz von M. Hirsch ein Deutscher Arbeiterkongreß statt, der von den Gewerkvereinen, Sozialpolitikern und linksliberalen Politikern getragen wird und der die Möglichkeit einer Vereinigung zur Bekämpfung der Sozialdemokratie diskutiert.
23./27. Oktober 1877 Der 5. Verbandstag der Hirsch-Dunckerschen-Gewerkvereine in Gera fordert die Reform der Gewerbeordnung auf dem Boden der Gewerbefreiheit, der Freizügigkeit und des freien Arbeitsvertrages, jedoch den erhöhten Schutz für Leben und Gesundheit der Arbeiter, insbesondere ein Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren, sowie der Sonntags- und Nachtarbeit der Frauen; obligatorische Fortbildungs- und Fachschulen, sowie Lehrwerkstätten. Die Delegierten beschließen die Gründung einer Verbands-Frauensterbekasse; die Schaffung einer Witwenpensionskasse wird ins Auge gefaßt. Der Verbandstag beschließt den Anschluß an den "Deutschen Arbeiterkongreß". Der Verbandstag soll mit Rücksicht darauf nur noch alle zwei Jahre zusammentreten.
November 1877 "Mehrere Bergleute" veröffentlichen einen Aufruf an die Bergleute von Rheinland und Westfalen. Es gehe um die Beseitigung zahlreicher Mißstände und die Verbesserung der Lebenslage. Der Appell an die Einigkeit resultiert aus der Erkenntnis, daß nicht nur das Individuum, sondern auch die einzelnen Belegschaften keinen nachhaltigen Einfluß auszuüben vermögen.
20. November 1877 Der "Sattlerverein" wird für Preußen verboten. Das führt zur Auflösung des Vereins. Dezember 1877 Die Generalversammlung der Glasarbeiter in Dresden beschließt die Gründung einer Reise- und Arbeitslosenunterstützung sowie die Einrichtung von Arbeitsnachweisen. 5. Dezember 1877 Zur Vorbereitung sozialer Reformen auf religiöser und konstitutionell-monarchischer Grundlage wird von Rudolf Todt, Adolf Stoecker, Adolf Wagner und Rudolf Meyer der "Zentralverein für Sozialreform" gegründet. Im Statut wird eine Politik durchgreifender sozialer Reformen, ein Vertrauensverhältnis zwischen Monarchie und Arbeiterstand sowie eine starke arbeiterfreundliche Initiative der Regierung gefordert.
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