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1868

In Leipzig vereinbaren die Schriftgießer mit den Gießereibesitzern einen Tarifvertrag, der 1873 revidiert und dann bis in die 90er Jahre unverändert bleibt. 1869 folgt in Berlin ein ähnliches Tarifabkommen.

In einer Untersuchung wird festgestellt: "Die Löhne der Fabrikarbeiter stehen im Durchschnitt höher wie die der Handwerksgesellen und diese über denen der gewöhnlichen Tagelöhner. Im allgemeinen wird in den Landschaften und Städten, wo man höhere Löhne zahlt, auch mehr verlangt. Als Durchschnitt gelten für die im Tagelohn stehenden Arbeiter früher 12 Stunden, welche aber neuerdings an manchen Orten bis auf zehn vermindert sind. Wo Stücklöhnung an die Stelle der Taglöhnung getreten ist, wird in der Regel von den Arbeitern ein stärkeres Pensum geliefert. In neuerer Zeit dehnt man sowohl im Land- wie Bergbau als in den Gewerben die Stücklöhnung möglichst auf alle dazu geeigneten Arbeitszweige aus."

4. Januar 1868

In Leipzig erscheint die erste Nummer von "Demokratisches Wochenblatt", redigiert von W. Liebknecht, als Organ der Sächsischen Volkspartei, ab Dezember 1868 auch als Organ des Verbandes deutscher Arbeitervereine.

11. Januar 1868

Im "Demokratischen Wochenblatt" erklärt W. Liebknecht mit lobendem Hinweis auf die Buchdrucker und Zigarrenarbeiter, daß "wir in der Gründung von Vereinen nach dem Muster der englischen Trade Unions, welche die Arbeiter der einzelnen Gewerbe umfassen, das sicherste Mittel erblicken, die Masse der Arbeiter in die politische und soziale Bewegung hineinzuziehen.

Februar / November 1868

Die Streikbewegung nimmt zu. Im Februar streiken die Zigarrenarbeiter in Berlin und Biebrich, im März in Carlshafen, im Mai/Juni die Weber und Wirker im Wuppertal, im Juli die Bäcker in Berlin und die Färber im Wuppertal, im August die Weber in Celle, in Hannoversch-Münden und in Linden (bei Hannover) und die Former in Itzehoe, im September/Oktober 1300 Bergarbeiter in Essen, im November die Stahlschleifer in Offenbach und die Zigarrenmacher in Koblenz. Infolge der ungenügenden gewerkschaftlichen Organisation sind die Erfolge gering. Zahlreiche Arbeiter aller wichtigen Berufszweige beginnen, zu gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen im nationalen Rahmen zu drängen.
Der Streik der Zigarrenarbeiter in Berlin richtet sich gegen die Einführung einer Fabrikordnung durch einige Unternehmer, die keine Kündigungsfrist mehr vorsieht. Außerdem wollen die Fabrikanten zu jeder Zeit Leibesvisitationen des Personals durchführen können. Die Streikenden erhalten viel Unterstützung. Der Versuch der Fabrikanten, Zigarrenarbeiterinnen aus anderen Städten als Streikbrecherinnen einzusetzen, scheitert am Widerstand der Arbeiterinnen. Die Arbeiter gründen eine eigene Zigarrenfabrik, die bis Ende 1868 besteht. Die geplante Fabrikordnung wird Anfang Mai zurückgezogen.

11./14. April 1868

Der Buchdruckertag in Berlin beschließt das Statut für den "Deutschen Buchdruckerverband". Darin wird als einer der "leitenden Grundsätze" zur Realisierung des Verbandszieles, der "materiellen Besserstellung und geistigen Hebung" der Mitglieder, die "Vereinigung der Gehilfen, eventuell mit den Principalen, zur Hebung und Förderung des Berufs, Feststellung und Aufrechterhaltung der entsprechenden Arbeitspreise..." festgesetzt - ein Programmpunkt, hinter dem weniger die Vorstellung einer gemeinsamen Organisation mit den Unternehmern als vielmehr die Konzeption einer gewerkschaftlichen Tarifpolitik steht. Weitere Ziele sind u.a. die Abschaffung aller regelmäßigen Sonntagsarbeit, die Regelung und Verbesserung des Lehrlingswesen, die Schaffung zentraler Unterstützungskassen, die Errichtung von Produktivgenossenschaften und die Anschaffung von Bibliotheken sowie die Durchführung von Bildungsveranstaltungen.
Besoldeter Präsident und Redakteur der Verbandszeitung "Korrespondent" wird Richard Härtel.
Mit der Annahme der Statuten konstituiert sich der Buchdruckerverband endgültig.

31. Juli / 5. Oktober 1868

Max Hirsch, Vorstandsmitglied des Verbandes der Arbeitervereine, veröffentlicht 12 "Soziale Briefe aus England", hauptsächlich über das englische Genossenschaftswesen. Einer - vom 7. August - handelt von den englischen Trade Unions, in denen er als Rechtsschutzorganisationen eine unvermeidliche, in bestimmter Weise sogar wünschenswerte Begleiterscheinung des erst "in der Entwicklung zu einer Optimalgestalt begriffenen Wirtschaftsliberalismus" sieht. M. Hirsch lobt an den Trade Unions die Zurückstellung des zum "verderblichen Kriegszustand des Streiks" führenden "einseitigen, beschränkten und feindseligen Standpunkts" zugunsten des Prinzips der Sozialreform.

20. August 1868

Berliner Bäcker gründen den "Allgemeinen Deutschen Bäckerverein" - die vierte zentrale Gewerkschaft -, der sich bald auf andere Orte ausdehnt, aber während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 auseinanderbricht. Der Verein organisiert sich nach dem Vorbild des ADAV. Organ wird der "Social-Demokrat"

23./26. August 1868

Die 7. Generalversammlung des ADAV in Hamburg erklärt:
"Die Streiks sind kein Mittel, die Grundlagen der heutigen Produktion zu ändern und somit die Lage der Arbeiterklasse grundlegend zu verbessern; allein sie sind ein Mittel, das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu fördern, die Polizeibevormundung zu durchbrechen und unter Voraussetzung richtiger Organisation einzelne soziale Mißstände drückender Art, wie z.B. übermäßig lange Arbeitszeit, Kinderarbeit und dergleichen, aus der heutigen Gesellschaft zu entfernen."
In einer Zusatzresolution werden die Trades Unions als "langjährige und treue Vorkämpfer der Arbeitersache" gewürdigt, "welche auf Grund einer starken Organisation die sozialistische Erkenntnis verbreiten, daß die Rechte der Arbeit gegen die Übergriffe des Kapitals mit allen Kräften, insbesondere durch die Vertretung der Arbeiter in den gesetzgebenden Gewalten zu erstreben und zu sichern sind.
Nach heftigen Diskussionen ist die Generalversammlung einverstanden, daß J. B. von Schweitzer und J. W. Fritzsche als Reichstagsabgeordnete für den 27. September einen Arbeiterkongreß nach Berlin einberufen, um "eine umfassende, fest begründete Organisation der gesamten Arbeiterschaft Deutschlands durch und in sich selbst zum Zwecke gemeinsamen Voranschreitens vermittels der Arbeitseinstellungen" zu schaffen, was dringend not tue.
J. B. von Schweitzer ist zu diesem Zeitpunkt von W. Liebknecht über dessen und A. Bebels Absicht informiert, auf dem kommenden Arbeitervereinstag den Anschluß an die Internationale Arbeiter-Assoziation durchzusetzen und damit auch der Gewerkschaftsbewegung neue Impulse zu geben. J. B. von Schweitzer hofft mit der Einberufung des Allgemeinen Arbeiterkongresses diesen Absichten zuvorzukommen.

27. August 1868

J. B. von Schweitzer und F. W. Fritzsche rufen die "Arbeiter Deutschlands" zu einem Kongreß nach Berlin auf:
"Immer häufiger und immer größer treten die Arbeitseinstellungen auf; sie sind in den Berliner Verhältnissen begründet, sie sind Zeichen einer immer stärker wachsenden Bewegung.
Die Arbeitseinstellungen sind kein Mittel, die Grundlagen der heutigen Produktion zu ändern, und also auch kein Mittel, den Gegensatz zwischen 'Kapital und Arbeit' und die darauf begründeten Klassengegensätze aus der Welt zu schaffen; allein sie sind ein Mittel, das Klassenbewußtsein, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit der Arbeiter und der Gleichheit ihrer Interessen im Gegensatz zu denen der Besitzenden, in den Arbeitern zu erhöhen; und endlich sind sie ein Mittel, verschiedene soziale Mißstände der furchtbarsten Art, die innerhalb der heutigen Gesellschaft hervortreten, z.B. übermäßig lange Arbeitszeit, Kinderarbeit, regelmäßige Sonntags- und Nachtarbeit u. dergl. allmählich zu beseitigen und dadurch eine weitere Grundlage für das Entfalten und Weiterschreiten der Arbeiterbewegung zu schaffen.
Kein Staat ist befugt, Arbeitseinstellungen zu verbieten, kein Staat hat das Recht, die Koalitionsfreiheit zu verweigern. Die Arbeitskraft ist das einzige Besitztum der großen Masse des Volkes. Nicht länger sind die Arbeiter gesonnen, sich die freie Verfügung über ihr einziges Besitztum verbieten zu lassen; sollte man versuchen, noch länger dieses Verbot aufrechtzuerhalten, so werden sie eine vernehmliche Sprache zu reden und eine unzweideutige Haltung einzunehmen wissen.
Wenn das Koalitionsrecht proklamiert wird, muß die Organisation für Arbeitseinstellungen bereits vorhanden sein. Das jetzige planlose Hervortreten von Streiks kann nicht vorwärts führen; nur eine planmäßige, zusammenhängende Organisation der Streiks durch ganz Deutschland kann dieselben erfolgreich machen. Nur dann, wenn die Gesamtheit der Arbeiter in fester Organisation und unverbrüchlich zusammenhält, kann der Uebermut der Kapitalisten in erträgliche Grenzen zurückgedrängt werden.
Es muß ermöglicht werden, daß bei uns, ebenso wie in England, 50.000 Arbeiter an einem Tage die Arbeit einstellen, ohne um ihren Lebensunterhalt in Sorgen zu sein, da die Unterstützung ihrer Brüder in ganz Deutschland ihnen gewiß ist. Es muß möglich gemacht werden, die Industrie einer ganzen Stadt, einer ganzen Gegend lahmzulegen.
Anderseits muß dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter an einem einzelnen Orte keine unerreichbaren Forderungen zu ihrem eigenen Schaden und zum Schaden der mit ihnen verbündeten Gesamtarbeiterschaft stellen.
Die Vorbedingung dafür ist: daß, ähnlich wie in England, die Arbeiter der einzelnen Geschäftszweige sich in allgemeinen Gewerkschaften vereinigen. Schon haben wir einen Allgemeinen deutschen Gewerkverein der Buchdruckergehilfen, der Zigarrenarbeiter, der Schneider, ganz neuestens der Bäcker. Auf diesem Wege muß fortgefahren werden.
Zum Zwecke der Begründung, beziehungsweise Befestigung und gleichartigen Gestaltung solcher Allgemeinen Gewerkschaften in allen Zweigen durch ganz Deutschland berufen wir einen Allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß auf Sonntag, den 27. September nach Berlin.
Die bereits bestehenden allgemeinen Gewerkschaften (Allgemeiner deutscher Buchdruckergehilfen-, Zigarrenarbeiter-, Schneider- und Bäckergehilfenverein) werden ersucht, sich in ihrer Gesamtheit vertreten zu lassen. Die anderen Arbeitszweige sollen einen Vertreter entsenden. Wo in einem bestimmten Gewerbszweige die Arbeiter nicht in größerer Menge vorhanden sind, empfiehlt es sich, daß mehrere miteinander verwandte Gewerbszweige sich vereinigen; an kleinen Orten können auch die Arbeiter ohne Unterschied der Gewerbe gemeinsam einen Vertreter entsenden."
Trotz dieses Aufrufs bleibt J. B. v. Schweitzer Gewerkschaften gegenüber weiter skeptisch.

4./18. September 1868

In mehreren Artikeln im "Social-Demokrat" nimmt J. B. von Schweitzer noch einmal Stellung zu den Gewerkschaften, in denen er im Gegensatz zu seiner bisherigen Auffassung nun darauf hinweist, daß die Folgen der "freien Konkurrenz" die den Arbeiter der Willkür des Kapitals hingebe, durch planmäßiges Entgegenwirken der Gesamtheit gemildert werden können. Alles sei "im Geiste des sozialistischen Prinzips und insbesondere des Lassalle'schen Vorschlages", was dazu diene, "den Staat zu demokratisieren". Die zweckmäßigste Methode sei zunächst diejenige "Agitation, durch welche das Volk seine Interessen erkennen und für dieselben einzustehen lernt," d.h. sich an selbständiges Auftreten als Klasse gewöhne. Dazu aber gebe es "kein geeigneteres Mittel ... als die Streiks", bei denen "tatkräftig und in voller Selbständigkeit das arbeitende Volk" zusammenstehe: "Hier wird die wahre Selbständigkeit begründet." Die Lohnfrage wird von ihm nicht behandelt.

5./7. September 1868

Auf dem 5. Vereinstag der Arbeitervereine in Nürnberg vertreten 115 Delegierte 93 Arbeitervereine mit etwa 13.000 Mitgliedern. Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Programmfrage. Die Mehrheit der Delegierten (69 gegen 46 Stimmen) erklärt ihre Übereinstimmung mit dem Programm der Internationalen Arbeiterassoziation:
"1. Die Emanzipation der arbeitenden Klassen muß durch die arbeitenden Klassen selbst erobert werden. Der Kampf für die Emanzipation der arbeitenden Klassen ist nicht ein Kampf für die Klassenprivilegien und Monopole, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft.
2. Die ökonomische Abhängigkeit des Mannes der Arbeit von dem Monopolisten der Arbeitswerkzeuge bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, des sozialen Elends, der geistigen Herabwürdigung und politischen Abhängigkeit.
3. Die politische Bewegung ist das unentbehrlichste Hilfsmittel zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staat.
Ferner in Erwägung, daß alle auf die ökonomische Befreiung der Arbeiter gerichteten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solidarität zwischen den vielfachen Zweigen der Arbeit jedes Landes und dem Nichtvorhandensein eines brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen Länder gescheitert sind, daß die Befreiung der Arbeit weder ein lokales noch nationales, sondern ein soziales Problem ist, das alle Länder umfaßt, in denen es moderne Gesellschaften gibt und dessen Lösung von der praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorgeschrittensten Länder abhängt, beschließt der fünfte Deutsche Arbeitervereinstag seinen Anschluß an die Bestrebungen der Internationalen Arbeiterassoziation."
Die liberalen Vertreter verlassen daraufhin den Kongreß. Da aufgrund der Vereinsgesetzgebung nur einzelne Mitglieder der IAA werden können, hat der Anschluß an die IAA nur theoretische Bedeutung.
Nachdem bereits vorher über die Bildung von Gewerkschaften innerhalb der Arbeitervereine diskutiert worden war, kommt es nach einem Vortrag des liberalen L. Sonnemann über Altersversorgungskassen zu einer lebhaften Diskussion. J. Vahlteich erklärt, es könne nicht die Aufgabe der Arbeitervereine sein, die vorgeschlagenen Sparkassen unter Staatsaufsicht zu errichten. Damit werde nur weitere Zeit vertrödelt. Jetzt heiße es: Organisation; Machtentfaltung unter dem Banner der Demokratie. Zunächst muß die Aufgabe sein, Gewerkschaften zu gründen, die die von Sonnemann geplanten Kassen ins Leben rufen können. Die Frage der Gewerksgenossenschaften nach englischem Vorbild ist eine Lebensfrage der sozialen Bewegung.
Der Antrag von J. Vahlteich wird angenommen. Er lautet: "In Erwägung, daß das Anheimgeben der Verwaltung einer allgemeinen Altersversorgungskasse für Arbeiter an den bestehenden Staat den Arbeiter unbewußt zu einem konservativen Interesse an den bestehenden Staatsformen, denen er keineswegs Vertrauen schenken kann;
in Erwägung, daß Kranken- und Wanderunterstützungs- sowie Altersversorgungs-Kassen erfahrungsgemäß am besten durch Gewerks-Genossenschaften ins Leben gerufen und erhalten werden können, beschließt der fünfte Vereinstag, den Mitgliedern des Verbandes und speziell dem Vorort aufzugeben, für Vereinigung der Arbeiter in centralisirten Gewerks-Genossenschaften thatkräftig zu wirken."

6./13. September 1868

Der Kongreß der IAA in Brüssel fordert zur Bildung gut organisierter - vor allem finanziell fundierter - und sich international "solidarisierender" berufsgewerkschaftlicher "Verbrüderung" auf.
Der Kongreß betont, "daß Streiks kein Mittel zur vollständigen Emanzipation der Arbeiterklasse, aber in der gegenwärtigen Situation des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit häufig eine Notwendigkeit sind". Der Kongreß fordert die Überführung der großen privaten Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum.

16. September 1868

Die Leipziger Polizeibehörde löst den ADAV, der seinen Sitz in Leipzig hat, wegen der Bildung von Zweigvereinen auf.

24. September 1868

Auf einer Versammlung Berliner Maschinenbauarbeiter erklärt M. Hirsch, die englischen Gewerkschaften seien vielleicht anfangs auch aus prinzipieller Feindseligkeit gegen die Arbeitgeber errichtet worden. Heute streben sie die Förderung und den gegenseitigen Schutz der Gewerbsgenossen an. Nur im äußersten Notfalle schreite man zu Arbeitseinstellungen. Sie wirken vielmehr darauf hin, die Arbeitseinstellungen überflüssig zu machen und durch gesetzlich geregelte Schiedsgerichte zu ersetzen. Denn die englischen Arbeiter hätten längst erkannt, daß die Arbeitseinstellungen ein Nachteil für die Industrie des Landes sind, von der sie doch abhängen, also für die eigenen Interessen.
Max Duncker erklärt, daß es "durchaus fehlerhaft" sei, den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit "in eine an und für sich gesunde Bewegung hineinzulegen". Auch müsse die Festlegung der Organisationsweise per Dekret "von oben" als "undemokratisch" abgelehnt und durch einen Aufbau "von unten" ersetzt werden.
Die Versammlung beschließt: Die Gewerkvereine nach englischem Muster zum Schutze und zur Förderung aller berechtigten Interessen der Arbeitnehmer auf dem Boden der Selbsthilfe sind eine gesunde, auch für Deutschland höchst erstrebenswerte Institution. Diese Vereinsbildung darf aber nicht zentralistisch unter dem Befehl eines Diktators und zur Organisation des sozialen Krieges erfolgen, sondern von unten nach oben entstehen. Demnach haben sich zunächst die einzelnen Gewerke vereinsweise zu konstituieren, um alsdann durch Deputierte zur Wahrung der gemeinsamen Interessen freiwillig zusammen zu wirken.
Die Maschinenbauer wollen an dem Arbeiterkongreß teilnehmen, erhalten aber den Auftrag, dort im Sinne der Entschließung zu wirken.

26./29. September 1868

Der von J. B. v. Schweitzer und F. W. Fritzsche nach Berlin einberufene Arbeiterkongreß, auf dem 206 Delegierte die 56 Gewerbezweigen angehören, aus 110 Orten angeblich 142.000 Arbeiter vertreten, beschließt die Bildung eines "Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverbandes" als Dachverband einzelner Gewerkschaften, zu dessen Präsident J. B. v. Schweitzer gewählt wird. K. Marx lehnt die ihm von J. B. von Schweitzer übersandten Statuten ab, da die Organisation des Verbandes nach dem Muster des ADAV entworfen sei.
Eine Delegation von Berliner Maschinenbauern unter Führung von M. Hirsch versucht, den Kongreß für ihre Gewerkschaftsvorstellungen zu gewinnen. Nach heftigen Auseinandersetzungen wird M. Hirsch des Saales verwiesen. M. Hirsch ruft daraufhin zur Bildung von Gewerkschaften "nach englischem Muster" auf.
Nach einer Vorlage, die J. B. von Schweitzer und F. W. Fritzsche dem Kongreß vorlegen, sollen 33 Gewerkschaften gegründet werden, die zusammen einen Verband bilden sollen, dessen Spitze, ein Präsidium, die Leitung in der Hand hat. Der Kongreß verringert die Zahl der zu gründenden Gewerkschaften auf 12. Er nennt sie, um zünftlerische Anklänge auszuschalten, auch nicht Gewerkschaften, sondern Arbeiterschaften und den Verband dementsprechend Arbeiterschaftsverband.
Es wird für die einzelnen Arbeiterschaften eine Mustersatzung ausgearbeitet, in der als Zweck der Vereinigung bezeichnet wird, daß sie "die Ehre und die materiellen Interessen der Beteiligten zu wahren und zu fördern" habe. Als Mitglied wird zugelassen jeder Arbeiter, jede Arbeiterin, jeder Kleinmeister und jede Kleinmeisterin des betreffenden Gewerbes. An der Spitze jeder Arbeiterschaft steht ein Präsidium und ein Ausschuß. Oberste Behörde ist die Generalversammlung. Neben der Maßregelungs- und Streikunterstützung sieht das Musterstatut noch die Reiseunterstützung vor, auch soll Sterbegeld gezahlt werden.
Jede Arbeiterschaft kann ihre Satzung und Einrichtungen selbständig regeln, hat sich aber "den Beschlüssen und Anordnungen der Generalversammlung und der Behörden des Verbandes zu fügen".
Als Leitung des Arbeiterschaftsverbandes wird ein Präsidium - ein Präsident und zwei Vizepräsidenten - eingesetzt. Neben ihm amtiert ein Zentralausschuß, der aus den Präsidenten der einzelnen Arbeiterschaften besteht. Das Verbandspräsidium soll die Beschlüsse des Gesamtausschusses zur Ausführung bringen sowie die Agitation, die Verwaltung und den Geschäftsgang im Verband leiten. Das Präsidium wird durch Urwahlen gewählt.
Die Arbeitseinstellungen sind Sache der einzelnen Arbeiterschaften. Diese können jedoch beantragen, daß sie zur Verbandssache gemacht werden sollen.
Der Zentralausschuß entscheidet dann, ob eine Arbeitseinstellung auf Kosten des Gesamtverbandes begonnen oder eine bereits begonnene unterstützt werden soll. Bejahendenfalls soll er die erforderlichen Mittel bewilligen.
Zum Präsidenten des Arbeiterschaftsverband wird J. B. v. Schweitzer, zum ersten Vizepräsidenten F. W. Fritzsche gewählt.
In der Diskussion taucht der Gedanke auf, zu prüfen, ob es nicht besser sei, anstatt der Einzelverbände einen allgemeinen, alle Berufe umfassenden Verband zu gründen. Einzelne Delegierte bezeichnen den Aufbau der Gewerkschaften nach Berufen sogar als ein reaktionäres Werk. J. B. von Schweitzer spricht sich dagegen aus. Er spricht den Freunden einer solchen Auffassung das Verständnis für die Gewerkschaftsbewegung ab. Wohl sei in der Parteibewegung, wo allgemeine Interessen zu vertreten seien, eine einzige Organisation notwendig; in der Gewerkschaftsbewegung sei es anders. Hier handle es sich um Arbeitseinstellungen. Die Leitung solcher müsse auf Fachkenntnis und auf dem richtigen Urteil darüber beruhen, ob die Forderungen den Verhältnissen entsprächen.

Neben dem Kongreß werden auf separaten Konferenzen die folgenden Gewerkschaften gegründet:
Die "Allgemeine Genossenschaft der Berg- und Hüttenarbeiter". Ihr werden die Arbeiter in den Hammer-, Walz- und Stahlwerken zugeteilt. Vorsitzender wird Carl Wilhelm Tölcke. Sie wird Juli 1869 verboten, weil sie politisch sei;
die "Allgemeine Deutsche vereinigte Metallarbeiterschaft", die auch die Eisengießer organisieren soll;
die "Allgemeine Deutsche Genossenschaft der Hand- und Fabrikarbeiter" - organisiert ungelernte Arbeiter und Arbeiter in "chemischen Fabriken", zu denen auch Zucker- und Papierfabriken gerechnet werden;
die "Allgemeine Deutsche Arbeiterschaft der Färber, Weber und Manufakturarbeiter";
der "Allgemeine Deutsche Schuhmacherverein";
der "Allgemeine Deutsche Bäckerverein";
die "Allgemeine Deutsche Arbeiterschaft der Buchbinder, Lederarbeiter, Sattler, Riemer und Handschuhmacher";
der "Gewerkverein Deutscher Holzarbeiter", Vorsitzender wird Theodor Yorck, der direkt eine Reiseunterstützung für wandernde, gemaßregelte und arbeitslose Mitglieder einführt;
die "Allgemeine Deutsche Maurergewerkschaft".
Von den bereits bestehenden Gewerkschaften schließt sich der "Allgemeine Deutsche Schneiderverein" zunächst provisorisch an, zahlt aber nie Beiträge. Die Zimmerer und Tabakarbeiter machen den Beitritt von einem Beschluß ihrer Generalversammlung abhängig. Die Zimmerer beschließen den Anschluß, während die Tabakarbeiter sich zunächst noch abwartend verhalten und auch keine Beiträge bezahlen. Die Buchdrucker werden nicht Mitglied.

28. September 1868

Auf einer von F. Duncker geleiteten Protestversammlung gegen den Arbeiterkongreß werden die von M. Hirsch ausgearbeiteten "Grundzüge für die Konstituierung der deutschen Gewerkvereine" angenommen, die einer Kommission als Richtschnur für die Ausarbeitung der Statuten für die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine dienen sollen. Die Grundzüge sehen die Bildung von Gewerkvereinen vor, deren Hauptaufgabe die eines Assekuranzverbandes gegen Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und ähnliche Existenzgefährdungen sein soll.
Zu den beabsichtigten Versicherungsleistungen zählt auch der Ersatz bei Verlust des Arbeitswerkzeugs, das zu dieser Zeit noch weitgehend von den Arbeitern und Handwerkern gestellt werden muß.
In den "Grundzügen" wird auch die Anfertigung einer "Gewerkstatistik" vorgesehen.

27. Oktober 1868

In Leipzig wird versucht, eine gemeinschaftliche Generalversammlung "zum Zweck der Einigung und Verschmelzung der von den beiden Verbänden gegründeten Gewerkschaften" zu erreichen.
In einer fast einstimmig angenommenen Resolution heißt es:
"In Erwägung, daß die Gründung von Gewerksgenossenschaften nach dem Muster der englischen trade unions behufs Organisierung der Arbeiterklasse zur Wahrung und Forderung ihrer Interessen und zur Weckung ihres Klassenbewußtseins notwendig ist,
in Erwägung ferner, daß durch die Beschlüsse der verschiedenen Arbeiter-Kongresse bereits Anregung gegeben und der Anfang zur Gründung von Gewerkschaften gemacht ist, beschließt die heutige Arbeiterversammlung: energisch vorzugehen zur Bildung solcher Gewerkschaften und beauftragt ein zu diesem Zweck zu wählendes Komité, die dazu nötigen Schritte zu tun und namentlich mit den Verwaltungen der bestehenden Arbeiterkassen usw. in Verbindung zu treten."
Die Versammlung wählt ein Komitee, daß mit Vertretern aller Gewerke über die Organisation von Gewerkschaften sprechen soll. Dem Komitee gehören u.a. A. Bebel und W. Liebknecht an.

1. November 1868

Die "Volks-Zeitung" veröffentlicht einen u.a. von M. Hirsch und F. Duncker unterzeichneten Aufruf "An die deutschen Arbeiter aller Berufszweige", der mit der Endfassung der von der Statutenkommission unter Vorsitz von F. Duncker ausgearbeiteten Musterstatuten ergänzt wird.
Danach sollen, wie es im Aufruf heißt, die "aus den Berufszweigen" als den "naturgemäßen und hauptsächlichen" Gruppierungszentren der "unzählbaren Arbeiterscharen" zu schaffenden Gewerkschaften nun die Lebensfrage des Arbeiters, seinen Anteil an der Produktion und Verteilung der Arbeitserzeugnisse bestimmen".
"Was aber die Ziele und leitenden Grundsätze des Musterstatuts betrifft, so sind wir für diese der freudigen Zustimmung aller selbstbewußten Arbeiter, aber auch aller humanen Arbeitgeber gewiß. Mit klaren, festen Zügen sind die berechtigten Forderungen der modernen Arbeit aufgestellt, welche schließlich auch mit den wahren Interessen des Kapitals übereinstimmen. Deshalb ist jede prinzipielle Feindseligkeit gegen das Kapital gänzlich ausgeschlossen."
Die Statuten lauten u.a.:
"Die Gewerkvereine bilden die freie Organisation der Arbeitnehmer zum Schutz und zur Förderung ihrer Rechte und Interessen auf gesetzlichem Wege. Ihre Hauptaufgabe besteht aber in der gegenseitigen Unterstützung aller Gewerksgenossen bei Krankheit, Todesfall (wo nicht bereits in ausreichender Weise für beides gesorgt ist), Wanderschaft, Arbeitsunfähigkeit infolge von Unfall oder Altersschwäche, sowie insbesondere bei Arbeitslosigkeit durch Geschäftsstockung, Aussperrung und Arbeitseinstellung. Außerdem haben die Gewerkvereine dem gewerblichen Unterricht, der Arbeitsstatistik und Arbeitsvermittlung ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und die Arbeitnehmer ihres Gewerks gegenüber den Arbeitgebern, dem Publikum und den Behörden mit Mäßigung und Energie zu vertreten.
Zur Unterstützung von Arbeitseinstellungen schreiten die Gewerkvereine erst, nachdem die Beschwerden der betr. Arbeitnehmer vom Ortsverein resp. dem Generalrat reiflich geprüft und für begründet erachtet sind. Eine Deputation des Orts- resp. Gewerkvereins soll dann mit den betreffenden Arbeitgebern gütlich unterhandeln, eventuell ein paritätisches Schiedsgericht vorschlagen. Bleiben trotzdem die Arbeitgeber hartnäckig, so ist die Arbeitseinstellung sofort zu beschließen und mit allen Kräften bis zur Abstellung der Beschwerden durchzuführen."
Die Statuten enthalten auch soziale Forderungen so u.a.:
"Der Arbeitslohn muß ausreichen zum kräftigen Unterhalt des Arbeiters und seiner Familie, mit Einschluß der Versicherung gegen jede Art von Arbeitsunfähigkeit sowie der nötigen Erholung und humanen Bildung.
Die Sonntagsarbeit ist, bis auf das unerläßlich Notwendige, gänzlich abzustellen.
Die Arbeitszeit für Erwachsene ist auf höchstens 12 Stunden inkl. zwei Stunden Pause zu normieren.
Die Nachtarbeit ist, ebenfalls bis auf das unerläßlich Notwendige, gänzlich abzustellen.
Jede neue Fabrik- resp. Arbeitsordnung ist zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vereinbaren.
Zur Erledigung von Differenzen zwischen Arbeitgebern und -nehmern ist ein paritätisches Schiedsgericht mit einem unparteiischen Obmann zu bilden.
Das weibliche Geschlecht soll vollständige Arbeitsfreiheit genießen; doch ist ihr Arbeiten in Fabriken und Werkstätten mit allen Garantien für Gesundheit und Sittlichkeit zu umgeben.
Die gewerbliche Arbeit der Kinder und Unerwachsenen muß so beschränkt werden, daß die vollständige körperliche, geistige und sittliche Ausbildung der Jugend dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Die Zuchthausarbeit darf nicht von den Arbeitgebern zur Konkurrenz mit der freien Arbeit mißbraucht werden."
Der Gewerkverein baut sich auf Ortsvereinen auf. An der Spitze steht der Generalrat, höchste Instanz ist die Generalversammlung.

November 1868 / Dezember 1869

Als erster Gewerkverein wird der Gewerkverein der Maurer, im November 1868 in Leipzig gegründet. Ihm folgen zu Weihnachten 1868 in Berlin die Maschinenbau- und Metallarbeiter, zu Ostern 1869 ebenfalls in Berlin, die Fabrik- und Handarbeiter, die Tischler und Zimmerer; Pfingsten 1869 auch die Stuhlarbeiter, Schuhmacher und Lederarbeiter und die Porzellanarbeiter, im August 1869 in Pforzheim der Gewerkverein der deutschen Gold- und Silberarbeiter und die Schneider. Im September der Gewerkverein der deutschen Maler, Koloristen, Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe, im Oktober der Gewerkverein der Bergarbeiter und im Dezember der der Schiffszimmerer.

26. November 1868

Das am 27. Oktober gewählte Komitee trifft sich mit den Vertretern aller Gewerke und beschließt eine von W. Liebknecht vorgelegte Resolution: "Die von der Majorität des Nürnberger Arbeitertages und der Majorität des Berliner Arbeiterkongresses gegründeten resp. zu gründenden Gewerksgenossenschaften haben darauf hinzuwirken,
1. daß von beiden Seiten nach gegenseitiger Verabredung eine gemeinschaftliche Generalversammlung zum Behuf der Einigung und Verschmelzung berufen werde;
2. Daß, bis eine Einigung und Verschmelzung zustande kommt, die beiderseitigen Gewerksgenossenschaften in ein Vertragsverhältnis zueinander treten, sich namentlich mit ihren Kassen gegenseitig unterstützen und womöglich einen gemeinsamen provisorischen Ausschuß wählen;
3. daß beide Teile unter allen Umständen jede Gemeinschaft mit den Hirsch-Dunckerschen Gewerksgenossenschaften zurückweisen, die von Feinden der Arbeiter gestiftet, keinen anderen Zweck haben, als die Organisation der Arbeiter zu hintertreiben und die Arbeiter zu Werkzeugen der Bourgeoisie herabzuwürdigen."

Das Präsidium des Arbeiterschaftsverbandes erklärt daraufhin am 2. Dezember:
"Die Einigkeit der Arbeiter ist für Begründung und Fortführung der Gewerkschaften das erste Erfordernis. Demgemäß ist es tief zu bedauern, daß die Herren Franz Duncker und Max Hirsch darauf ausgegangen sind, Uneinigkeit unter den Arbeitern durch Begründung besonderer Gewerkschaften neben denen des Kongresses zu stiften. Es ist nicht minder zu bedauern, daß nunmehr die Herren Liebknecht und Bebel die vorhandene Uneinigkeit noch wesentlich zu steigern bestrebt sind, indem sie eine dritte Gruppe von Gewerkschaften zu gründen suchen. Die Versicherung, in ein Vertragsverhältnis zu treten oder auf eine gemeinsame Generalversammlung zur Einigung hinwirken zu wollen, ist ohne Gewicht. Wenn die genannten Herren, die Einigkeit nicht stören wollen, so ist es ihre Pflicht, in den Verband einzutreten, innerhalb desselben auf statutenmäßigem Wege für die ihnen gut scheinenden Änderungen zu wirken und unter allen Umständen sich der Majorität zu fügen."
Die Aufforderung ergeht an die deutschen Arbeiter, einem neuen offenbaren Versuch, sie zugunsten persönlicher Zwecke zu zersplittern, mit allem Nachdruck entgegenzuarbeiten.

Im "Demokratischen Wochenblatt" antwortet W. Liebknecht auf diese Ablehnung: "Der einzige Weg, eine Zersplitterung zu vermeiden, ist, daß beide Teile die Entscheidung der 'Spitzenfrage' einer gemeinsamen Generalversammlung anheimstellen und bis zu erfolgter Entscheidung in ein Vertragsverhältnis zueinander treten, wie dies bei den englischen Trades' Unions vielfach der Fall ist. Diesen einzigen Weg hat nun Herr v. Schweitzer, der diktatorische Präsident der nach dem Berliner Statut zu stiftenden Gewerksgenossenschaften, einstweilen versperrt.
Was uns anbelangt, so werden wir unbeirrt auf dem betretenen Pfad fortschreiten und uns jedes Störenfrieds zu erwehren wissen. Und unseren Freunden rufen wir zu: Ans Werk!"

28. November 1868

Im "Demokratische Wochenblatt" ruft A. Bebel zur Gründung von Gewerksgenossenschaften auf - "Arbeiter organisirt Euch! Vereinzelt seid Ihr Nichts, vereinigt seid Ihr Alles" - und veröffentlicht sein "Musterstatut für Gewerksgenossenschaften". Über den Zweck der Gewerkschaften heißt es:
"Die Gewerksgenossenschaft der deutschen ... Arbeiter ist zu dem Zwecke gegründet, die Würde und das materielle Interesse der Beteiligten zu wahren und zu fördern.
Zur Erreichung dieses Zweckes verpflichtet sich die Genossenschaft, alle Mittel und Wege, welche die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen, die Erfahrungen und Lehren der Wissenschaft und das Klassenbewußtsein der Arbeiter ihr an die Hand zu geben, zu benutzen und zu verwerten."
An Unterstützungen sieht das Statut vor:
"Bildung eines Fonds: 1. zur Unterstützung solcher Mitglieder der Genossenschaft, welche durch Maßregelung seitens der Arbeitgeber oder Arbeitseinstellung außer Arbeit sind; 2. zur Unterstützung in Fällen der Not;
die Bildung eines Streikfonds, einer Krankenunterstützungs- und Sterbekasse, einer Alters- und Invalidenkasse und einer Wanderunterstützungskasse sowie das Gewähren von Rechtsschutz gegen Bedrückung oder ungerechtfertigte Anforderungen von Seiten der Arbeitgeber und Behörden."
Die Kranken-, Begräbnis- usw. Kassen sollen Nebeneinrichtungen der Verbände sein. A. Bebel meint, sie zu errichten werde dann leicht sein, wenn von vornherein darauf hingewirkt werde, die fast überall schon bestehenden Kassen dieser Art heranzuziehen.
A. Bebel hat auch eine Arbeitslosenunterstützung ins Auge gefaßt.
Frauen können Mitglied einer Gewerksgenossenschaft werden.
Nach A. Bebel sollen sich die Gewerkschaften von unten aufbauen, Lokalgewerkschaften sich zu einem Verband zusammenschließen. Die Befugnisse der Ortsvereine bleiben recht groß. Als Verbindung zwischen Lokalgewerkschaft und Zentralvorstand sind Gauvorstände vorgesehen. An der Spitze der Gewerkschaften steht der Zentralvorstand; Präsident und Vizepräsident werden von der Generalversammlung gewählt.
Der Zentralvorstand hat folgende Rechte:
Aufnahme und Ausschluß von Lokalgewerkschaften; Entscheidung über Beginn und Schluß von Arbeitseinstellungen, Beschaffung der dazu erforderlichen Gelder; Verfügung über Einnahmen und Ausgaben der Gewerksgenossenschaft nach Maßgabe der von der Generalversammlung getroffenen Bestimmungen. Entscheidendes Gremium ist die Generalversammlung.
Zu den weiteren Aufgaben gehören:
Statistische Erhebungen über Höhe der Löhne, Arbeitszeit, Lebensmittelpreise und den Stand des Arbeitsmarktes überhaupt; Arbeitsvermittlung; Regelung und Beaufsichtigung des Lehrlingswesen; Gründung resp. Unterstützung eines Preßorgans, das die Interessen der Gewerksgenossenschaft wahrnimmt.
A. Bebel ist der Ansicht, daß sich die Gewerksgenossenschaften nach ihrer Konstituierung zu Zentralverbänden zu einem Verband der deutschen Gewerksgenossenschaften zusammenschließen oder einem schon bestehenden Verbande anschließen sollen.

28./29. Dezember 1868

In Berlin wird der erste gesamtdeutsche Gewerkverein, der "Gewerkverein der Deutschen Maschinenbau- und Metallarbeiter", gegründet. Er entwickelt sich in der Folgezeit zur größten liberaldemokratischen Gewerkschaft.

28./30. Dezember 1868

Auf einer Generalversammlung wird der "Allgemeine Deutsche Zimmererverein" nach dem Vorbild schon bestehender Arbeiterschaften in Braunschweig gegründet. 32 Delegierte vertreten über 6.700 Zimmergesellen aus 77 Orten. Sitz ist Berlin.


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