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1865

Die Wohnungsnot - Mietskasernen - nimmt ganz erheblich zu. 1865 gibt es in Berlin 12.000 Kellerwohnungen mit 46.000 Bewohnern, und 1866 stellt ein Arzt in Sachsen fest: "Daß viele Arbeiterwohnungen schlecht und der Gesundheit nachteilig sind, das ist ganz zweifellos; Mangel an Licht oder reiner Luft, unvollständiger Schutz gegen die Witterung, Feuchtigkeit der Wände oder Fußböden und noch manches andere machen sie nicht selten zu offenbaren Krankheitsquellen."
Gleichzeitig entwickelt sich allmählich aus diesen engen Wohn-, Familien- und Haushaltsverhältnissen - verzahnt mit den Arbeitsverhältnissen und übereinstimmenden Bedürfnissen - kurz: aus diesen für viele so ähnlichen sozialen und wirtschaftlichen Lagen ein Zusammengehörigkeitsgefühl, von dem in den kommenden Jahrzehnten die Gewerkschaften profitieren. Parallel entwickelt sich dazu allmählich auch eine eigene Arbeiterkultur.

Anfang 1865

Nachdem die Fortschrittspartei im preußischen Landtag die Aufhebung der §§ 181 und 182 der Gewerbeordnung fordert, verlangt das Präsidium des ADAV auch die Beseitigung der §§ 183 und 184, d.h. die Einführung des Koalitionsrechts ohne alle Einschränkung.
Zur gleichen Zeit erklärt Jean Baptist von Schweitzer, der neue Präsident des ADAV, die Erkämpfung des Koalitionsrechts sei kein Programmpunkt des ADAV. Wenn trotzdem die Mitglieder des Vereins in Berlin gemeinsam mit anderen Arbeitervereinen um das Koalitionsrecht kämpften, so sei das nur eine wohlberechtigte Konzession an diejenigen ihrer Brüder und Gefährten, die den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit noch nicht erkannt hätten und deren Bemühungen lediglich dahin gingen, sich einige Erleichterungen ihrer Lage zu erwirken. Zu begrüßen sei die Bewegung auch als ein Zeichen des erwachenden Klassenbewußtseins.

Unternehmer des Barmen-Elberfelder Handelskammerbezirks empfehlen in einem Gutachten zum Koalitionsrecht die Bildung von Schiedsgerichten aus gewählten Arbeitgebern und Arbeitern, die bei entstehenden Streitigkeiten berufen sein sollen, solche Streitfragen, die nicht zur Kompetenz der Gewerbegerichte gehören, zu schlichten.

13. Februar 1865

K. Marx lehnt in einem Brief an J. B. v. Schweitzer dessen Auffassung über das Koalitionsrecht ab. Die Koalitionen seien mit den aus ihnen erwachsenden Gewerkschaften nicht nur als Mittel der Organisation der Arbeiterklasse zum Kampf mit der Bourgeoisie von der äußersten Wichtigkeit, was sich u.a. darin zeige, daß selbst die Arbeiter der Vereinigten Staaten trotz Wahlrecht und Republik das Koalitionsrecht nicht entbehren könnten, sondern in Preußen und Deutschland sei das Koalitionsrecht außerdem ein Mittel zur Durchbrechung der Polizeiherrschaft und des Bureaukratismus. Es zerreiße die Gesindeordnung und die Adelswirtschaft auf dem Lande, kurz, es sei eine Maßregel zur Mündigmachung der Untertanen, der die Regierung viel weniger gern zustimmen werde als der Unterstützung von Genossenschaften, die als ökonomische Maßregel Null seien, dagegen das Vormundschaftssystem der Regierung ausdehne, einen Teil der Arbeiterklasse besteche und die Bewegung entmanne.

Mitte Februar 1865

Im preußischen Abgeordnetenhaus werden die Paragraphen der Gewerbeordnung von 1845, die die Aussperrung der Arbeiter durch die Unternehmer verbieten und die strafrechtliche Verfolgung von Arbeitern wegen der Vorbereitung von Streiks vorsehen, aufgehoben, aber die polizeiliche Genehmigung für die Vereinigung von Arbeitern und das Streikverbot bleiben bestehen.

Frühjahr 1865

Es kommt zu zahlreichen Streiks. Besondere Bedeutung erhält der Streik von 500 von 800 Buchdruckern in Leipzig vom 1. April bis 6. Juni um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit: der sog. "Dreigroschenstreik". Die Buchdrucker erreichen kleinere Lohnerhöhungen, nicht aber die angestrebten "Dreigroschen". Die Einführung eines verbesserten Akkordtarifs können sie nicht durchsetzen. Arbeiter auch anderer Berufszweige unterstützen die Streikenden finanziell. Rund 87% der beträchtlichen Streikkosten werden durch Erträge "auswärtiger Sammlungen" bestritten. Nach dem Streik tritt der Buchdruckerverein aus dem Vereinstag der deutschen Arbeitervereine aus.
Eine wichtige Konsequenz aus diesem Streik ist zweifellos das Wiederaufleben des Gedankens einer zentralen Organisation.
In Burg bei Magdeburg streiken Textilarbeiter. Bei der strafrechtlichen Verfolgung der 277 Streikenden taucht zum ersten Male der Name des damals in Burg tätigen Staatsanwaltes Hermann v. Tessendorff auf, der sich wenige Jahre später bei der Unterdrückung der Arbeiterbewegung so hervortat, daß diese Zeit als die "Ära Tessendorff" bekannt wird.
Im Verlauf des Streiks entstehen zahlreiche örtliche gewerkschaftliche Verbindungen, aber häufig nur für kürzere Zeit.
Diese Streiks und Lohnbewegungen führen aber zu überörtlichen Kontakten. Die Streikkomitees sind stets bemüht, den Zuzug von Arbeitskräften - "Streikbrecher" - vom Streikort fernzuhalten. Das gelingt nicht immer.
Für Mitglieder der Streikkomitees, für die Streikposten, aber auch für die Streikenden sind Streiks in dieser Zeit noch gefährlich. Bei bestehendem Koalitionsverbot ist das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, sehr groß. Streikunterstützungen können nur in sehr geringem Umfang und oft nur sehr kurz bezahlt werden.

Nach dem Streik der Buchdrucker spricht sich F. W. Fritzsche im "Sozialdemokrat" gegen die zur Epidemie sich gestaltende Streiklust aus, "da hierdurch der Arbeiterstand von seinem eigentlichen Ziele, die Radikalmittel zur Verbesserung seiner Lage (allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht und Produktivassoziation durch Staatsintervention) mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie zu erstreben, abgelenkt wird".

Mai 1865

Stuttgarter Zigarrenarbeiter rufen zur Gründung einer Gewerkschaft auf.
Auf einer Tagung der Zigarrenarbeiter am 21. und 22. August in Stuttgart, auf der nur süddeutsche Delegierte anwesend sind, werden keine bindenden Beschlüsse gefaßt, sie sollen einer Reichskonferenz überlassen bleiben. Die Vorarbeiten dazu werden einem ständigen Ausschuß übertragen, der seinen Sitz in Frankfurt a. M. hat und in dem neben dem dortigen Komitee auch das Stuttgarter vertreten ist. Auch in Dresden besteht ein solches Komitee.

In Hamburg und Altona streiken die Schuhmacher. Während in Hamburg eine Lohnerhöhung durchgesetzt wird, mißglückt der Streik in Altona. Im Gefolge dieses Streiks gründen die Schuhmacher eine neue Kranken- und Totenlade.
Zur gleichen Zeit streiken in Altona Tischler. Die Meister wollen einer Verkürzung der Arbeitszeit zugestehen, Lohnerhöhungen sollen in freier Vereinbarung festgelegt werden. Die Gesellen gründen wenig später den "Verein Hamburger Tischler- und Stuhlmachergehilfen".

10. Juni 1865

Das preußische Handelsministerium verlangt in einer Verordnung, die Arbeitsräume mit wasserdichten Fußböden auszulegen, um eine Verschmutzung des Grundwassers zu verhindern. Arsenikhaltige Rückstände sollen mit Kalk versetzt und eingedampft werden. Gleichzeitig soll ein Giftbuch Aufschluß über den Bezug des Arsens geben. Die einzige, direkt für die Gesundheit der dort Beschäftigten vorgesehene "Maßnahme" ist der Rat an die Arbeiter, keine Eßwaren in die Fabrik mitzubringen.

26. Juni 1865

K. Marx erklärt vor dem Generalrat der IAA die Gewerkschaften verfehlten "ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, das heißt zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems".

20. und 27. Juli 1865

In seinem Vortrag "Preis, Lohn und Profit" sagt K. Marx:
"Gewerkschaften sind wirksam als Zentren des Widerstandes gegen Übergriffe des Kapitals. Sie erweisen sich in Einzelfällen als unwirksam infolge unbedachten Gebrauchs ihrer Macht.
Sie dürfen nicht vergessen, daß sie (im rein gewerkschaftlichen Kampf) mit Wirkungen und nicht mit den Ursachen dieser Wirkungen kämpfen, daß sie die Abwärtsbewegungen aufhalten, aber deren Richtung nicht verändern; daß sie Palliativmittel anwenden, aber die Krankheit nicht heilen. Sie sollten deshalb nicht ausschließlich in diesen unvermeidlichen Guerillakämpfen aufgehen, wie sie die nie aufhörenden Übergriffe des Kapitals und die Änderungen der Marktlage beständig hervorrufen. Sie müssen begreifen, daß das gegenwärtige System, neben all dem Elend, das es ihnen auferlegt, zur selben Zeit die für einen ökonomischen Wiederaufbau der Gesellschaft notwendigen materiellen Bedingungen und sozialen Formen erzeugt. An Stelle des konservativen Mottos: 'ein gerechter Tageslohn für eine gerechten Arbeitstag', sollten sie das revolutionäre Schlagwort auf ihre Fahne schreiben: 'Abschaffung des Lohnsystems'."

29. August 1865

F. W. Fritzsche - noch kurz vorher Gegner von Gewerkschaften und Streiks - ruft zu einem Zigarrenarbeitertag auf, der sich mit einem Verbot der Zuchthausarbeit und der Zentralisation der Kranken- und Sterbekassen sowie der Gründung einer Kasse zur Unterstützung Arbeitsloser und auf der Reise befindlicher Kollegen und der Gründung eines Zentralarbeitsnachweises beschäftigen soll. Der Kongreß kommt nicht zustande.

3./5. September 1865

3. Vereinstag der Arbeitervereine in Stuttgart. Auf ihm sind 60 Vereine und ein Gauverband mit insgesamt 60 Delegierten vertreten. Die Diskussion über Arbeitszeit und Koalitionsrecht verläuft kontrovers. So wird einerseits von Arbeitseinstellungen abgeraten, da sie sich unter Umständen an den Arbeitern schwer rächten, demgegenüber werden als "vielleicht rettende Gedanken" Gewinnbeteiligung der Arbeiter und gemischte Kommissionen von Unternehmern und Arbeitern, die über Lohnerhöhungen entscheiden, empfohlen. Andere Redner meinen, die Frage über die Abkürzung der Arbeitszeit sei deshalb wichtiger als die der Koalition, weil sich die Arbeiter schon daran gewöhnt hätten, sich zu vereinigen; so gut wie andere Leute das Recht hätten, hätten es die Arbeiter auch, darüber stritten sich vernünftige Menschen überhaupt nicht mehr. Aber über die Notwendigkeit der Verkürzung der Arbeitszeit bestünde auch bei den Arbeitern noch vielfach Unklarheit, da tue Aufklärung not. Der Arbeitgeber dürfe in der Fabrik nicht als souveräner Fürst herrschen, er müsse mit den Arbeitern Hand in Hand gehen. Dabei müßten die Arbeiter auf Selbsthilfe bauen. Die Delegierten beschließen, das Koalitionsrecht sei ein "natürliches Recht", das keinesfalls geschmälert werden dürfe, ferner wird eine Verkürzung der Arbeitszeit für notwendig erklärt, und zwar sowohl für die Arbeiter als auch für die Unternehmer. Für die Arbeiter deshalb, weil sie ihnen die Erlangung der Bildung ermögliche. Die Einführung von Stückarbeit sei das Mittel dazu.
Akkordarbeit wird als Mittel zur Erhöhung des Arbeitslohnes befürwortet, obwohl die Gefahren der Akkordarbeit gesehen werden, da Arbeiter durch sie "Sklaven ihrer selbst" werden können. Zu empfehlen sei die Gründung von Produktionsgenossenschaften. Die Arbeiter werden aufgefordert, sich mit aller Kraft für die Eroberung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts einzusetzen. Die Beschlußfassung über die Frauenarbeit setzt der Kongreß aus. Er erklärt sich aber mit den Leitsätzen eines Referenten einverstanden, wonach die Frauen zu allen Arbeiten zuzulassen seien, zu denen sie fähig sind. Auch wird angeregt, durch Belehrung und Unterstützung der Arbeiterinnen dafür zu wirken, daß Arbeiterinnenvereine nach den Grundsätzen der Selbsthilfe gegründet werden sollen. Die Beschlüsse über die soziale Befreiung der Frauen schließe auch die Forderung des Stimmrechtes für sie ein.
Die Organisation zählt 106 Vereine mit 23.000 Mitgliedern.

14./15. Oktober 1865

In Leipzig beraten Zigarrenarbeiter aus 23 meistens mitteldeutschen Städten Probleme ihrer Branche, so u.a. eine Petition betr. Abschaffung der Zigarrenarbeit in den Strafanstalten und Zuchthäusern, die Beratung eines Statuts für Begründung einer Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, die Gründung eines Vereins-Preß-Organs, die Gründung von Produktivassoziationen, die Einführung von Witwen- und Invalidenkassen, die Anschaffung von gesunden Arbeitslokalen seitens der Arbeitgeber, die Beschränkung der Hausarbeit als Ursache der Verschlechterung der Lohnverhältnisse, die Abschaffung der Prämienarbeit und die Beseitigung der Frauen und Kinder aus den Arbeitslokalen im Interesse der Moral und Sittlichkeit.

16. Oktober 1865

Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins auf einer Frauenkonferenz in Leipzig unter Leitung von Louise Otto-Peters. Der Verein sieht seine Aufgabe "für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken". Er fordert die soziale Gleichberechtigung der Frau, gleiche Bürgerrechte und Bürgerpflichten für Mann und Frau, Koalitionsfreiheit und gesetzlichen Arbeitsschutz für Arbeiterinnen.

November 1865

F. W. Fritzsche ruft die Tabakarbeiter erneut zu einem Kongreß Weihnachten 1865 in Leipzig auf.

1. Dezember 1865

Leipziger Buchdrucker berufen für Pfingsten 1866 einen Vereinstag der deutschen Buchdrucker nach Leipzig ein.

24./27. Dezember 1865

In Leipzig wird - auf Initiative von F. W. Fritzsche (Vizepräsident des ADAV) - der "Allgemeine Deutsche Zigarrenarbeiterverein" gegründet, dessen Zweck nach § 1 des Statuts in einer "auf Gegenseitigkeit gegründeten Unterstützung in Fällen der Arbeitslosigkeit" besteht. An der Spitze der Verbandsforderungen stehen - wie 1848 - die Beseitigung der Frauenarbeit, das Verbot der Zigarrenherstellung in Zuchthäusern, die Gründung von Assoziationsfabriken und die Einrichtung von Kranken- und Sterbekassen. Neu ist die Forderung, die Heimarbeit zu beschränken, da der Verband in ihr die Ursache für die schlechten Lohnverhältnisse der Zigarrenarbeiter sieht. Der Verband strebt vor allem die gegenseitige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit durch eine Unterstützungskasse an, ein Ziel, das wegen der ständigen Geldnöte erst viele Jahre später verwirklicht werden kann.
Der Beitritt ist auf die Zigarrenarbeiter beschränkt, wird aber 1869 auf "sämtliche Arbeiter der Tabakproduktion" ausgedehnt.
Wegen der noch bestehenden Vereinsgesetze sind alle Mitglieder direkt am Verbandssitz angemeldet - Einheitsorganisation mit direkter Mitgliedschaft. Zum Vorsitzenden wird F. W. Fritzsche gewählt. Sitz des Verbandes wird Frankfurt a. Main, ab 1. Januar 1868 Berlin. Als Publikationsorgan bis zur nächsten Generalversammlung wird neben dem "Social-Demokrat" die Zeitung des Coburger Arbeiterbildungsverein "Arbeiter-Zeitung" gewählt. Der Zigarrenarbeiterverband ist die erste zentrale gewerkschaftliche Organisation in Deutschland seit 1849.

1866

1866 / 1895

In diesen 30 Jahren verlassen 2,9 Millionen Deutsche ihre Heimat nach Übersee - 2,6 Millionen allein in die USA -, weil sie für sich keine dauerhafte Erwerbsmöglichkeiten sehen.

21. Januar 1866

In einem im "Boten vom Niederrhein" veröffentlichten Aufruf "An die Arbeiter von Essen und Umgebung" - er dient der Unterstützung eines vom lokalen ADAV geplanten Arbeitertages - heißt es u.a. :
"In ganz Europa beginnt sich der Arbeiterstand zu regen, um durch vereinte Kraft auf dem Wege des Gesetzes ein besseres materielles Los und volle bürgerliche Gleichberechtigung mit allen andern Berufsklassen zu erlangen. In England, wo die Übermacht des Kapitals lange Zeit am drückendsten war, wird das Coalitionsrecht in immer größerem Maßstabe zum Vorteil der arbeitenden Klasse angewandt und in zahlreichen Volksversammlungen wird das allgemeine Wahlrecht verlangt. Selbst in dem so schwer unterdrückten Frankreich haben die Arbeiter bereits eine Besserung der Gesetzgebung zu ihren Gunsten erlangt und harren des Tages, der ihnen ein volleres Maß der Freiheit ringen wird. Jenseits des Ozeans kämpfen die Arbeiter unter dem Schutz der freien Gesetzgebung der Vereinigten Staaten jetzt für die Beschränkung der Arbeitszeit auf acht Stunden. Leider sind wir von einem solchen Fortschritt in Deutschland noch weit entfernt; aber doch ist in allen Teilen unseres großen Vaterlandes wenigstens der unerläßlichste Anfang zu einer Besserung gemacht, indem die Arbeiter begonnen haben über ihre Lage nachzudenken, die ihnen fehlenden Rechte zu fordern und sich durch Vereine und Genossenschaften soweit selbst zu helfen, als es die engen Schranken unserer bestehenden Gesetzgebung zulassen. Arbeiter von Essen und Umgegend! Duldet nicht länger, daß sie allein in dieser großen, gemeinsamen Sache zurückstehe. Beteiligt Euch scharenweise an der bevorstehenden Versammlung und unterstützt jedes zweckmäßige Mittel, das Euch zur Besserung Eurer Lage vorgeschlagen wird. Laßt Euch nicht dadurch abschrecken, daß der Erfolg noch in weiter Ferne steht. Einmal muß angefangen werden, und wenn auch Generationen vergehen sollten, bevor sich der Arbeiterstand in der ganzen zivilisierten Welt eine wahrhaft menschenwürdige Stellung errungen hat, so wird doch kein wackerer Mann bei diese Arbeit zurückstehn wollen. Nicht stets hatten solche Bestrebungen, die ohne alle Verabredung in den verschiedensten Ländern mächtig und immer mächtiger auftraten, einen großen geschichtlichen Beruf. So ist es jetzt mit der allgemeinen Arbeiter-Bewegung, und darin liegt die Bürgschaft für einen schönen, wenn auch schwer zu erringenden Erfolg."

1. April 1866

"Der Botschafter", Fachblatt des Allgemeinen Zigarrenarbeitervereins erscheint unter der Leitung von F. W. Fritzsche zum ersten Mal und künftig wöchentlich.

20./22. Mai 1866

In Leipzig treffen sich aus 85 Städten 34 Delegierte von örtlichen und regionalen Buchdruckerverbänden, die mehr als 3.000 Gehilfen vertreten. Von diesem Kongreß an wird die Gründung des Deutschen Buchdruckerverbandes datiert, obwohl zunächst nur ein Kartell der selbständig bleibenden Vereine des Vereinsrechts wegen gebildet wird. Es ist "eine Verbindung, die weniger durch geschriebene Paragraphen, wie durch den in ihr waltenden Geist der Brüderlichkeit befestigt" wird. In seiner Eröffnungsrede erklärt Richard Härtel: "Resolutionen sind in den letzten Jahren zur Genüge gefaßt, ohne einen weiteren Zweck zu haben; fügen wir nicht neue hinzu, sondern bewegen wir uns auf ausschließlich praktischem Gebiet!" Die Delegierten fordern das Koalitionsrecht, Produktivgenossenschaften und Unterstützungskassen.
Aus bestehenden lokalen Unterstützungskassen soll ein einheitliches auf Gegenseitigkeit beruhendes Unterstützungswesen aufgebaut werden.
Ab 1. Januar 1868 darf die Reiseunterstützung nur den Organisierten gezahlt werden. Ein Statut wird nicht beschlossen. Alle zwei Jahre soll ein Buchdruckertag stattfinden, eine ständige Kommission, die Verbindung aufrechterhalten und Anweisungen herausgeben. In den Vereinen soll Freizügigkeit auf Grund von Gegenseitigkeitsverträgen eingeführt werden.

19. August 1866

In Chemnitz wird u.a. von A. Bebel und W. Liebknecht die "Sächsische Volkspartei" gegründet. In der Präambel verpflichtet sich die Partei, "die Feinde der deutschen Freiheit und Einheit unter allen Umständen und auf allen Gebieten zu bekämpfen. Zu den Programmforderungen gehören das unbeschränkte Selbstbestimmungsrecht des Volkes, die Forderung des allgemeinen Wohlstandes und die Befreiung der Arbeit und der Arbeiter von jeglichem Druck und jeglicher Fessel".

3./8. September 1866

Auf dem ersten Kongreß der IAA in Genf wird der Achtstundentag, das Verbot der Kinderarbeit und ein gesetzlicher Arbeiterschutz gefordert. "Die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages ist eine Vorbedingung, ohne welche alle anderen Bestrebungen nach Verbesserung und Emanzipation scheitern müssen. Sie ist erheischt, um die Gesundheit und körperliche Energie der Arbeiterklasse wiederherzustellen und ihr die Möglichkeit geistiger Entwicklungen, gesellschaftlichen Verkehrs und sozialer und politischer Tätigkeit zu sichern. Der Arbeiterschutz für Kinder und Jugendliche soll, in Verbindung mit polytechnischer Ausbildung, u.a. dazu führen, daß sich die Arbeiterklasse weit über das Niveau der Aristokratie und Bourgeoisie erheben kann."
Der Kongreß nimmt am 6. September eine Resolution "Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gewerksgenossenschaften" an, in der es u.a. heißt:
"Die einzige gesellschaftliche Macht der Arbeiter ist ihre Zahl. Die Macht der Zahl wird jedoch durch Uneinigkeit gebrochen. Die Uneinigkeit der Arbeiter wird erzeugt und erhalten durch ihre unvermeidliche Konkurrenz untereinander. Gewerksgenossenschaften entstanden ursprünglich durch die spontanen Versuche der Arbeiter, diese Konkurrenz zu beseitigen oder wenigstens einzuschränken, um Kontraktbedingungen zu erzwingen, die sie wenigstens über die Stellung bloßer Sklaven erheben würden. Das unmittelbare Ziel der Gewerksgenossenschaften beschränkte sich daher auf die Erfordernisse des Tages, auf Mittel zur Abwehr der ständigen Übergriffe des Kapitals, mit einem Wort, auf Fragen des Lohns und der Arbeitszeit. Diese Tätigkeit der Gewerksgenossenschaften ist nicht nur rechtmäßig, sie ist notwendig. Man kann ihrer nicht entraten, solange die heutige Produktionsweise besteht. Im Gegenteil, sie muß verallgemeinert werden durch die Gründung und Zusammenfassung von Gewerksgenossenschaften in allen Ländern. Auf der anderen Seite sind die Gewerksgenossenschaften, ohne daß sie sich dessen bewußt wurden, zu Organisationszentren der Arbeiterklasse geworden, wie es die mittelalterlichen Munizipalitäten und Gemeinden für das Bürgertum waren...
Die Gewerksgenossenschaften haben sich bisher zu ausschließlich mit dem lokalen und unmittelbaren Kampf gegen das Kapital beschäftigt und haben noch nicht völlig begriffen, welche Kraft sie im Kampf gegen das System der Lohnsklaverei selbst darstellen. Sie haben sich deshalb zu fern von allgemeinen und politischen Bewegungen gehalten. In letzter Zeit scheinen sie jedoch zum Bewußtsein ihrer großen historischen Mission zu erwachen...
Abgesehen von ihren ursprünglichen Zwecken müssen sie jetzt lernen, bewußt als organisierende Zentren der Arbeiterklasse zu handeln, im großen Interesse ihrer vollständigen Emanzipation. Sie müssen jede soziale und politische Bewegung unterstützen, die diese Richtung einschlägt. Wenn sie sich selbst als Vorkämpfer und Vertreter der ganzen Arbeiterklasse betrachten und danach handeln, muß es ihnen gelingen, die Außenstehenden in ihre Reihen zu ziehen. Sie müssen sich sorgfältig um die Interessen der am schlechtesten bezahlten Gewerbe kümmern, z.B. der Landarbeiter, die durch besonders ungünstige Umstände ohnmächtig sind. Sie müssen die ganze Welt zur Überzeugung bringen, daß ihre Bestrebungen, weit entfernt, begrenzte und selbstsüchtige zu sein, auf die Emanzipation der unterdrückten Millionen gerichtet sind."

1867

Der "Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen" organisiert Reisen von Arbeitern und "unbemittelten Gewerbetreibenden" zur Pariser Weltausstellung. Er setzt diese Aktivitäten mit Reisen 1873 zur Wiener und 1876 zur Weltausstellung in Philadelphia fort. Durch diese Vorbilder angeregt und im Hinblick auf den betriebsinternen Nutzen, z.T. als Belohnung für verdiente Arbeiter, beginnen in den 1880er Jahren in ähnlicher Weise einzelne Unternehmer, fähige Arbeiter auf Betriebskosten zu Ausstellungen und Messen zu schicken.

In Leipzig gelingt es den Buchbindergehilfen durchzusetzen, daß die Verwaltung der Krankenkasse, die von der "Buchbinder-Innung" wahrgenommen wird, ihnen in Selbstverwaltung übertragen wird.

12. Februar 1867

A. Bebel wird als erster Sozialdemokrat in den Norddeutschen Reichstag gewählt.

16. April 1867

Der Norddeutsche Reichstag nimmt mit großer Mehrheit die Verfassung des Norddeutschen Bundes an.
Am 4. Juli wird der preußische Ministerpräsident Otto v. Bismarck zum Bundeskanzler gewählt.

1./3. und 5. Mai 1867

Im "Social-Demokrat" beweist J. B. von Schweitzer die Nutzlosigkeit und sogar Schädlichkeit von Gewerkschaften.
"Nicht hingegen vermögen wir den Streiks eine Berechtigung da zuzuerkennen, wo es nach den Gesetzen des Landes der Arbeiterklasse ermöglicht ist, direkt auf das wichtigste, ja allein entscheidende Ziel - Erringung von Einfluß auf die Staatsgewalt - loszusteuern. Wo dies möglich ist, soll die Arbeiterklasse hierauf ihre ganze Kraft, all ihre Mittel und all ihr Streben vereinigen.
Hier könnten also nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen Arbeitseinstellungen gebilligt werden; solche besonderen Fälle mögen vorkommen, da in menschlichen Dingen, bei der Vielgestaltigkeit der menschlichen Beziehungen keine Regel schlechthin und ohne Ausnahme gilt. Aber als unumstößliche Grundregel wird nichtsdestoweniger aufgestellt werden müssen, daß, wo das Streben nach Enfluß auf die Staatsgewalt zum Zweck der Aenderung der ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft gesetzlich möglich ist, die Arbeiterklasse ihre volle Kraft hierauf werfen soll.
Wir können schließlich unsere Ergebnisse in drei Sätze zusammenfassen:
1. Die Streiks sind ökonomisch notwendig erfolglos (d.h. unter den heutigen Verhältnissen bestimmt sich die Höhe des Lohnes nach gewissen, in den Grundlagen der Gesellschaft wurzelnden Gesetzen, gegen deren Wirksamkeit auf die Dauer nicht anzukommen ist).
2. Die Streiks sind nichtsdestoweniger ein vorzügliches Mittel, die Arbeiterbewegung zum Ausbruch zu bringen und bis zu der Höhe zu fördern, wo die Arbeiterklasse für ihre eigentliche Klassenerkenntnis reif ist (d.h. sie sind geeignet, die Arbeiterklasse so weit vorwärts zu bringen, daß sie die in ihrem eigenen Interesse auftretende sozialistische Wissenschaft begreift und demgemäß einsieht, daß der Arbeiter Anspruch auf den vollen Ertrag seiner Arbeit hat und daß ein dementsprechender Zustand nur durch die Gesetzgebung hervorgerufen, beziehungsweise geregelt werden kann).
3. Wo die Arbeiterbewegung offen für ihr letztes Ziel wirken kann, sind Streiks in der Regel nicht zu billigen (weil nämlich die Arbeiterklasse ihrer vollen Kraft bedarf, um das Endziel - Aenderung der gesellschaftlichen Grundlagen - zu erreichen, durch die Streiks aber die Kräfte vieler von dem einen gemeinsamen Ziel abgelenkt werden, ohne daß der vermeintliche Erfolg, Erhöhung des Lohnes, erreicht wird)."

17. Mai 1867

Theodor Leipart wird in Neubrandenburg geboren.

27. Mai 1867

Eine Vereinbarung von Firmen des Handelskammerbezirks Gladbach über eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 12 Stunden wird u.a. damit begründet "in Anbetracht der sich immer mehr Bahn brechenden Erkenntniß, daß die Beschränkung der täglichen Arbeitszeit in den geschlossenen Etablissements auf ein gewisses Maß dem Wohl und Interesse der Arbeiter förderlich ist, und daß erfahrungsgemäß im Allgemeinen und auf die Dauer die Leistungsfähigkeit des Arbeiters überhaupt hierdurch nicht vermindert, sondern erhöht wird".

29. Juni 1867

Tausende von Bergleuten erbitten in einer Petition an das preußische Handelsministerium eine Verbesserung ihrer elenden Lage. Die Festsetzung der Arbeitszeit, sei inzwischen "zwangsweise so übermäßig verlängert worden", daß viele Bergleute mit 30 bis 35 Jahren arbeitsunfähig würden. Die Gewerke seien "so rücksichtslos", in Zeiten wirtschaftlicher Flaute fast stets nur ältere Bergleute mit geringerer Leistungskraft zu entlassen. Auch bei Besetzung von Aufsichtspositionen in den Belegschaften würden nicht etwa ältere, erfahrene Kräfte berücksichtigt; vielmehr werde Beförderung jenen zuteil, die sich "bei der Grubenverwaltung beliebt gemacht haben und sich dazu eignen, die anderen Bergleute so lange zur Arbeit anzutreiben, bis diese nicht mehr können." Im letzten Abschnitt der Petition beklagen die Beschwerdeführer, die Bergleute hätten "gegenwärtig sozusagen gar keinen tatsächlichen Schutz", nicht zuletzt, weil ihnen "nicht die Mittel zu Gebote stehen, ihre Klagen vernehmlich und mit Nachdruck vorzubringen". Das Handelsministerium weist die Klagen zurück, da von Amts wegen, eine Einflußnahme auf die Arbeitsverhältnisse nicht mehr stattfinde.

Pfingsten 1867

Der sächsische Arbeitertag in Frankenberg fordert den zehnstündigen Normalarbeitstag, die Abschaffung der Sonntagsarbeit und der Arbeit der Kinder in den Fabriken und Werkstätten, sowie Vereinbarungen über Fabrik- und Werkstattordnungen zwischen Arbeitern und Unternehmern. Die von H. Schulze-Delitzsch zur Lösung der sozialen Frage vorgeschlagenen Mittel seien unzulänglich und zu verwerfen, da die soziale Frage nur in einem demokratischen Staat gelöst werden könne.

1. Juli 1867

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes tritt in Kraft. Sie enthält das direkte, gleiche und geheime Wahlrecht für die Reichstagswahlen. Dem Norddeutschen Bund, der nach dem Krieg mit Österreich an die Stelle des Deutschen Bundes tritt, gehören neben Preußen und Sachsen nord- und mitteldeutsche Kleinstaaten sowie Freie Städte an.
Bei den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag werden vier Vertreter der "Sächsischen Volkspartei" und 3 bzw. 2 Vertreter des inzwischen gespaltenen ADAV gewählt.

12. Juli 1867

Der "Correspondent" weist darauf hin, sobald das "Bewußtsein über sich, ihre Stellung in der Gesellschaft" bei den Arbeitern "aufzudämmern" begonnen habe, seien "überall in England, Frankreich, Amerika, Deutschland Koalitionen zur Hebung der Arbeitslöhne" entstanden.

September 1867

Im Norddeutschen Reichstag will J. B. v. Schweitzer einen aus 47 Paragraphen bestehenden Arbeiterschutzgesetzentwurf einbringen, der den zehnstündigen Arbeitstag für alle erwachsenen Arbeiter und die Einsetzung von Fabrikinspektoren und ständigen Parlamentskommissionen zur Erhebung und Festsetzung der im Gebiete des Norddeutschen Bundes vorhandenen städtischen und ländlichen Arbeiterverhältnisse fordert. Es gelingt ihm nicht, die erforderlichen 15 Unterschriften zu sammeln. Wilhelm Liebknecht erklärt, er könne keinen Antrag unterschreiben, der den Norddeutschen Bund durch wichtige Entscheidungen stützen wolle.

6./7. Oktober 1867

Auf dem 4. Vereinstag der Arbeitervereine in Gera spricht A. Bebel über den Schutz der Bergarbeiter. Die bestehenden Kranken- und Unterstützungskassen existieren überwiegend durch die Beiträge der Arbeiter, dagegen bezahlen die Werksbesitzer ganz wenig, beanspruchen aber die ausschließliche Leitung und Verwaltung. Anlaß für die Diskussion ist ein schweres Grubenunglück im Lugauer Revier. Für die Witwen und Waisen der toten Bergleute werden 1.400 Taler gesammelt. Der Vereinstag fordert von den Landesregierungen Haftpflichtgesetze und die Verwaltung der Knappschaftskassen durch die Arbeiter.
Der Vereinstag beschäftigt sich ausführlich mit der Frauenfrage und fordert in einer Resolution, die volle soziale Gleichheit der Frau mit dem Manne, die Gründung von Fortbildungsanstalten für Arbeiterinnen und die Gründung von Arbeiterinnenvereinen.
Die Delegierten verlangen das allgemeine gleiche Stimmrecht, betonen aber, daß dies die Gewährung des Stimmrechts für Frauen einschließt.

13. Oktober 1867

9 Delegierte, die 16 Städte vertreten, beschließen die Gründung des "Allgemeinen Deutschen Schneidergehülfen-Vereins". Anstoß war eine Lohnbewegung Londoner Schneider, die sich hilfesuchend an ihre deutschen Kollegen gewendet hatten.
Die zentralen Gewerkschaften der Zigarrenarbeiter und Buchdrucker werden "als Vorbilder" anerkannt. Die Delegierten beschließen eine Wander- und Sterbehilfe und sehen finanzielle Hilfe in arbeitsmarktpolitischen Kampfsituationen lediglich in Fällen von "Willkür und Druck der Arbeitgeber" und bei Arbeitseinstellung "ehrenhalber" vor, da es vorläufig nur darum gehe, "den übermäßigen Ausschreitungen des Großkapitals in etwa einen Damm entgegensetzen zu können". Als Organ des ADSV wird der "Social-Demokrat" bestimmt, als Vereinssitz Köln gewählt.
Im Jahr darauf sind auf der Generalversammlung in Kassel schon 60 Orte durch 18 Delegierte für 3.000 Mitglieder vertreten.
Der Schneiderverein steht dem ADAV nahe.

14. Oktober 1867

Bei der Beratung eines Antrages von H. Schulze-Delitzsch, das Koalitionsverbot aufzuheben, spricht sich Freiherr von Stumm im Norddeutschen Reichstag dagegen aus, erklärt aber gleichzeitig, daß "ich die Gründung von Pensionskassen für Fabrikarbeiter für ein sehr wirksames und notwendiges Korrelat für die Gewährung des Koalitionsrechtes halte. Diese Kassen dienen wesentlich dazu, das Gefühl und das Interesse der Zusammengehörigkeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern immer mehr zu befestigen, sie werden deswegen die aus der Koalitionsfreiheit hervorgehenden und auch von dieser Seite nicht bestrittenen Gefahren der Arbeitseinstellungen wesentlich zu mindern in der Lage sein."

22./25. November 1867

Die 6. Generalversammlung des ADAV in Berlin fordert die Beschränkung der Arbeitszeit für Jugendliche, das Verbot der Kinderarbeit, einen Maximal-Arbeitstag von 12 Stunden, einschließlich 2 Stunden für Mahlzeiten und Verbot der Sonntagsarbeit in Großbetrieben. Ferner soll die Frauenarbeit abgeschafft und die Verfälschung der Lebensmittel durch den Staat bekämpft werden.
"Da das Kapital einem naturgemäßen Trieb folgt, den Arbeitstag maß- und rücksichtslos zu verlängern und dadurch die Lebenskraft der Arbeiterschaft bis zur völligen Widerstandskraft erschöpft würde, wenn diesem Triebe keine Schranke gesetzt werden sollte, muß der Arbeitstag von Staats wegen beschränkt werden und die genaue Einhaltung seiner gesetzlich vorgeschriebenen Dauer mittels der äußeren Strenge des Gesetzes erzwungen werden. Wir erblicken in der gesetzlichen Beschränkung des Arbeitstages eine Vorbedingung zu weiteren Schritten auf der Bahn der Befreiung der Arbeit von den Fesseln des Kapitals."


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