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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
5. Dez. 1966

W. Brandt schreibt an die Mitglieder der SPD, die Bildung der Regierung Kiesinger-Brandt bedeutet einen wichtigen Schritt für unsere Partei. Der 1. Dezember 1966 bedeutet auch einen Einschnitt in die deutsche Nachkriegsentwicklung. Zum erstenmal seit 36 Jahren wird die deutsche Regierung wieder durch unsere Partei mitgetragen.
Wir haben uns die Entscheidung über diesen Schritt nicht leicht gemacht. In langen Beratungen wurde das Für und Wider abgewogen. Dabei ergab sich: Eine handlungsfähige Bundesregierung konnte nicht mehr ohne die SPD gebildet werden. Falls SPD und FDP bei der Kanzlerwahl überhaupt die Mehrheit erreicht hätten, würde eine so gebildete Regierung nicht stabil genug gewesen sein, um die großen Aufgaben nach innen und außen zu meistern.
Für die große Mehrheit des Parteivorstandes, des Parteirates und der Bundestagsfraktion stellt es sich deshalb so dar, daß zu entscheiden war zwischen Verbleiben in der Opposition und Mitverantwortung für eine auf breiter Basis gebildete Regierung. Die Entscheidung wurde dadurch erleichtert, daß unser Sachprogramm im Mittelpunkt der Koalitionsgespräche stand und in allen wesentlichen Teilen anerkannt wurde.
Die Regierung Kiesinger-Brandt wird ungewöhnliche Aufgaben zu meistern haben, wenn unser Volk und unser Staat nicht schweren Schaden erleiden sollen.
Keine der anderen Parteien war bereit, den Weg zu Neuwahlen freizumachen. Die Bildung der neuen Regierung auf der breiten Grundlage von CDU/CSU und SPD bedeutet keine Verbrüderung, kein Verwischen der Gegensätze, schon gar nicht ein Vermischen von Grundüberzeugungen. Worum es sich handelt, ist eine Partnerschaft, um einige große Aufgaben für die Bundesrepublik gemeinsam anzupacken. Jeder der politischen Partner trägt die Verantwortung für das, was er sachlich und personell in die Regierungsarbeit einbringt.
Wir werden alles tun, um die Sicherheit der Arbeitsplätze und das wirtschaftliche Wachstum zu sichern, die Gesundung der Staatsfinanzen und die Reform des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu erreichen, die Gefahr außenpolitischer Isolierung abzuwenden und Handlungsfähigkeit für die Bundesrepublik wiederzuerlangen und nicht zuletzt vernünftige, wirklichkeitsnahe Aktivität in die gesamtdeutsche Politik einzuführen.

Die Entscheidung für die Große Koalition wird in der SPD heftig diskutiert. In zahlreichen Konferenzen, Tagungen und Rundschreiben wird die Entscheidung vom Parteivorstand gegenüber den Parteimitgliedern verteidigt.


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net edition fes-library | Juni 2001