Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Der Bundesvorstand des ADGB erklärt: »Die Gewerkschaften sind der Ausdruck einer unabweisbaren sozialen Notwendigkeit, ein unerläßlicher Bestandteil der sozialen Ordnung selbst. Als organisierte Selbsthilfe der Arbeiterschaft sind die Gewerkschaften ins Leben getreten und im Verlaufe ihrer Geschichte aus natürlichen Gründen mehr und mehr auch mit dem Staate selbst verwachsen. Die sozialen Aufgaben der Gewerkschaften müssen erfüllt werden, gleichviel welcher Art das Staatsregime ist. Durch die Anerkennung und Inanspruchnahme des staatlichen Schlichtungswesens haben die Gewerkschaften gezeigt, daß sie das Recht des Staates anerkennen, in die Auseinandersetzungen zwischen organisierter Arbeiterschaft und Unternehmertum einzugreifen, wenn das Allgemeininteresse es erforderlich macht. Die SPD-Reichstagsabgeordneten nehmen an der Reichstagseröffnung in der Potsdamer Garnisonkirche nicht teil. Der Reichspräsident verkündet eine Notverordnung »Zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung« - d. h. gegen jede antifaschistische Tätigkeit.
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
21. März 1933
Die Gewerkschaften haben der freiwilligen Vereinbarung mit den Unternehmern stets den Vorzug vor Zwangstarifen gegeben und halten auch weiterhin an dieser Auffassung fest. Sie sind durchaus bereit, auf diesem Wege im Sinne einer Selbstverwaltung der Wirtschaft auch über das Gebiet der Lohn- und Arbeitsbedingungen hinaus dauernd mit den Unternehmerorganisationen zusammen zu wirken. Eine staatliche Aufsicht über solche Gemeinschaftsarbeit der freien Organisationen der Wirtschaft könnte unter Umständen durchaus förderlich sein, ihren Wert erhöhen und ihre Durchführung erleichtern.
Die Gewerkschaften beanspruchen nicht, auf die Politik des Staates unmittelbar einzuwirken. Ihre Aufgabe in dieser Hinsicht kann nur sein, die berechtigten Wünsche der Arbeiterschaft in bezug auf sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen der Regierung und Gesetzgebung zuzuleiten sowie der Regierung und dem Parlament mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen auf diesen Gebieten dienlich zu sein.
Die Gewerkschaften beanspruchen für sich kein Monopol. Über der Form der Organisation steht die Wahrung der Arbeiterinteressen. Eine wahre Gewerkschaft kann sich aber nur auf freiwilligen
Zusammenschluß der Mitglieder gründen, sie muß von den Unternehmern ebenso wie von politischen Parteien unabhängig sein.«
Diese Erklärung wird A. Hitler am 21. März durch Th. Leipart übermittelt.
In einer zweiten Verordnung werden für Straftaten, die im Kampf für die nationale Erhebung des deutschen Volkes, zu ihrer Vorbereitung oder im Kampfe für die deutsche Scholle begangen sind, Straffreiheit gewährt.
Eine dritte Verordnung über die Bildung von Sondergerichten bestimmt, daß für den Bezirk jedes Oberlandesgerichtes ein Sondergericht gebildet wird. Die Sondergerichte sind zuständig für die in der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 und der Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21. März 1933 bezeichneten Verbrechen und Vergehen, soweit nicht die Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Oberlandesgerichte begründet ist.