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TEILDOKUMENT:



[Seite der Druckausg.: 146 (Fortsetzung)]

Interview Rainer Gries mit Christine Mester
"Sehr geehrte Frau Mester,
vielleicht können Sie sich noch dunkel an mich erinnern - der Typ mit dem SPD-Bezirk Rheinland-Hessen/Nassau - ..."


Mester:


    Von solchen Rückmeldungen von Nutzern unserer Bibliothek habe ich während meiner fast 20-jährigen Tätigkeit in Bibliothek und Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung zahlreiche bekommen, eben auch von Studenten, die in höchster Not vor der Fertigstellung einer Examensarbeit noch Publikationen oder bibliographische Hinweise brauchten. Viele haben sich später in Briefen sehr freundlich und manchmal auch salopp bedankt.

Gries:


    Frau Mester, Sie waren viele Jahre an der Benutzertheke die Verbindung der Bibliothek zur "Außenwelt", Sie haben die Nutzer beraten, ihnen die Publikationen beschafft. Wie waren Sie auf diese Tätigkeit vorbereitet und wann haben Sie sie ausgeübt?

[Seite der Druckausg.: 147]

Mester:


    Ich habe von 1975 bis 1994 an der Benutzertheke, bis 1987 für Bibliothek und Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung, danach nur für das Archiv gearbeitet. In den ersten Jahren war ich auch für die Fernleihe zuständig. Auf meine Tätigkeit bei der Stiftung war ich durch meine frühere Arbeit als Sekretärin im Archiv des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel vorbereitet.

Gries:


    Wenn Sie sich erinnern: Wie sehen Sie die Entwicklung der Bibliothek bis heute?

Mester:

    Zunächst haben sich die Arbeitsbedingungen nicht nur für die Nutzer, sondern auch für die Mitarbeiter durch den Umbau der Bibliothek 1991 verbessert. Früher war z. B. mein Arbeitsplatz durch mangelnde Belüftung im Sommer furchtbar heiß oder die aus dem Magazin beschafften Publikationen mußten wegen der ungünstigen Anordnung des Aufzugs mühsam zur Ausleihtheke getragen werden. Die Arbeitsbedingungen haben sich durch den Umbau stark verbessert.

    Zielsetzung und Aufgabenstellung haben sich mit Blick auf die Nutzer der Bibliothek nicht verändert: Für die Nutzer bleiben der reiche Bestand, der individuelle und unbürokratische Service sowie die Tatsache wichtig, mehrere Informationsquellen (vor allem Bibliothek und Archiv) sowie Gesprächspartner anderer Arbeitsbereiche der Stiftung "unter einem Dach" zu finden.

Gries:


    Wie können Sie die Nutzer beschreiben, wer ist Kunde der Bibliothek?

Mester:

    Zunächst sind es Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen des Hauses, die den Bestand der Bibliothek für ihre Arbeit nutzen. Bei einer großen Zahl von Fachzeitschriften haben wir schon seit langem den internen Umlauf organisiert. Organisationen wie der Parteivorstand der SPD oder Gewerkschaften waren schon immer regelmäßige Kunden. Besonders in der "Vor-Computer-Zeit" erreichten uns von dort noch mehr eilige telefonische Bestellungen.
    Bei den fremden oder externen Nutzern sind auch für "meine" Zeit vor allem Wissenschaftler, Journalisten und Studenten zu nennen - mit dem Schwerpunkt der Region Bonn-Köln, aber auch aus anderen Regionen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus. Nach meiner Erinnerung kamen sehr viele Nutzer aufgrund persönlicher Empfehlungen anderer Nutzer: Zufriedene Kunden sind die beste Werbung!

Gries:


    Dann hat die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung wohl einen guten Ruf?

Mester:

    Es hatte sich herumgesprochen, dass wir uns schnell, unbürokratisch und individuell um die Unterstützung der Nutzer und die Beschaffung von Publikationen und Informationen bemühen. In zahlreichen in- und ausländischen Dissertationen und historischen Fachbüchern wurden die Mitarbeiter von Bibliothek und Archiv dankbar erwähnt. Dass die Nutzer unseren Service nicht als Selbstverständlichkeit ansahen, will ich anhand von Zitaten aus zwei Dankschreiben von 1986 und 1987 illustrieren:

    [Seite der Druckausg.: 148]

    "... Dass Sie sich noch an den rast- (oder besser rat-)losen jungen Mann erinnern, der den Nachlaß von Georg Eckert durchforschte, will ich doch hoffen. Wenn ja, so sei Ihnen allen ein ganz herzliches Dankeschön ausgesprochen, ..."

    oder:

    "...Sie haben mir bei den umfangreichen Bemühungen, die spanische Tageszeitung EL PAIS von Januar 1987 aufzutreiben, unendlich geholfen. Dafür möchte ich Ihnen im Nachhinein herzlich danken. Keine Institution im Bundesgebiet konnte helfen, aber Sie. ..."

    Unter den Nutzern waren auch immer schon namhafte Wissenschaftler oder Journalisten, die wir bei den Recherchen für geplante Veröffentlichungen unterstützen konnten. Über uns erhielten sie dann in der Regel auch Veröffentlichungen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Für sie war die Bibliothek die "Anlauf-stelle" in der Stiftung.

Gries:


    Welche Rolle spielten ausländische Nutzer?

Mester:

    Wir haben immer zahlreiche Nutzer und Gäste aus anderen Ländern gehabt; vor allem aus USA, Frankreich, China, Jugoslawien, Rumänien, Türkei oder aus Japan. Häufig waren es Gastwissenschaftler und Studenten, die ein Stipendium der Stiftung hatten, oder Nutzer, die über die Auslandsarbeit der Stiftung auf die Bibliothek aufmerksam wurden. Heute ist die Bibliothek ja weltweit über das Internet präsent.

Gries:


    Haben Sie unterschiedliche Erwartungen bei deutschen und ausländischen Nutzern festgestellt?

Mester:

    Ausländische Nutzer, Wissenschaftler oder Studenten, sind im Rahmen ihrer meist zeitlich knapp bemessenen Forschungs- und Studienaufenthalte in Deutschland unter besonderem Zeitdruck und schätzen es daher, wenn wir sie bei der Vorbereitung eines Arbeitsaufenthaltes in der Bibliothek unterstützen. Viele senden vorab eine "Wunschliste" oder lassen einen Arbeitsplatz im Lesesaal reservieren. Häufig haben sie auch den Wunsch, weitere Gesprächspartner in der Stiftung zu treffen. Viele ausländische Nutzer danken uns nach ihrer Rückkehr für die Beratung und die guten Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel ist mir noch gut in Erinnerung, obwohl es nicht eigentlich typisch ist für den Arbeitsauftrag einer Bibliothek: 1975 konnten wir einen chilenischen Professor - vermittelt durch eine Gruppe von Exil-Chilenen - bei der Recherche seiner (deutschen) Familiengeschichte unterstützen. Es konnte belegt werden, dass sein Urgroßvater Deutscher war. Der chilenische Hochschullehrer erhielt die deutsche Staatsangehörigkeit.

Gries:


    Diesen Service würde man wohl normalerweise nicht von einer Bibliothek erwarten!

Mester

    Das ist richtig, unsere Nutzer haben das auch immer als besondere Unterstützung anerkannt. Individueller Service heißt aber auch, immer ein wenig über den Tellerrand (der Bibliothek) schauen. Der Bibliothek der Friedrich-Ebert-

    [Seite der Druckausg.: 149]

    Stiftung bieten sich schon innerhalb der Stiftung so viele Möglichkeiten, die für unsere Nutzer von Bedeutung sind. Wir haben uns immer darüber gefreut, auch ein wenig ein "Aushängeschild" der Stiftung zu sein!




Besuch des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, im Archiv der sozialen Demokratie, 25.10.1982

Besuch des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, im Archiv der sozialen Demokratie, 25.10.1982 (hier: an der Informationstheke der Bibliothek) - v. l.: Johannes Rau, Christine Mester.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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