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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
15. Januar 1885

Reichskanzler O. von Bismarck erklärt im Reichstag zu einem Antrag des Zentrums, den Normalarbeitstag gesetzlich zu verankern: "Ein Normalarbeitstag, wenn er sich erreichen ließe, wäre ja außerordentlich wünschenswerth. Wer empfindet nicht das Bedürfniß, zu helfen, wenn er den Arbeiter gegen den Schluß des Arbeitstages müde und ruhebedürftig nach Hause kommen sieht, wenn er ihn mißmuthig unter der Zumuthung von Ueberstunden, erbittert darüber findet, daß ihm die Ruhe nicht gestattet ist, die ihm lieber wäre als das Geld, was er für die Ueberstunden noch verdient! - der müßte kein Herz im Leibe haben, der nicht den dringenden Wunsch hätte, dem Arbeiter aus dieser Nothlage herauszuhelfen. Wie dies aber gemacht werden soll, - ja, da hoffe ich, daß, wenn es dahin kommt, daß die Regierung sich mit den Arbeiten beschäftigt, die Herren, welche den Antrag auf Normalarbeitstag gestellt haben, auch ihrerseits die Leitung der Thätigkeit der Regierung dabei übernehmen werden; denn die Herren, welche diesen Antrag gestellt haben, wissen offenbar ein Mittel, wie es zu machen sei (Heiterkeit); sonst würden sie den Antrag doch nicht gestellt haben. ... Der Arbeiter hat in den meisten Fällen jetzt gerade so viel, wie er bei seinen Bedürfnissen braucht; sinkt der Lohn, so hat er weniger. Also das muß ihm auf irgend eine Weise ersetzt werden. Wollen Sie es dem Arbeitgeber auferlegen, wie ich aus dem Tenor der Rede des Herrn von Hertling schließe, so ist es möglich, daß eine Anzahl Industrien das tragen können; ob sie es tragen wollen, ob sie sich nicht zurückziehen, ob nicht dadurch wie ich vorhin sagte, der Tod der eierlegenden Henne eintritt, die Arbeit absolut aufhört, und der Arbeiter gar keine Arbeit mehr findet, - das ist eine Frage, die kann durch Enqueten ermittelt werden, und ich bin gegen keine Enquete. ... Die Konkurrenz im Umland kann durch Bestimmungen beschränkt werden, aber die Spitze unserer Industrie ist die Exportindustrie; lassen sie die Exportindustrie konkurrenzunfähig werden mit dem Ausland, und unsere ganze Industrie wird darunter leiden; die Möglichkeit die Arbeiter zu beschäftigen, wird sofort erheblich zurückgehen, wenn die Exportindustrie geschädigt und nicht mehr mit dem bisherigen Erfolg zu arbeiten imstande ist."


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