Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Gertrud Guillaume-Schack gründet in Berlin den "Verein zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen". Zur Leitung gehören u.a. Emma Ihrer und Pauline Staegemann.
Stichtag:
Anfang 1885
Als Aufgaben stellt sich der Verein: Hebung der geistigen und materiellen Interessen der Mitglieder, insbesondere Regelung der Lohnverhältnisse, gegenseitige Unterstützung bei Lohnstreitigkeiten, Aufklärung durch fachgewerbliche und wissenschaftliche Vorträge, Beschaffung einer Bibliothek, Pflege der Kollegialität durch gesellige Zusammenkünfte und die Errichtung eines Arbeitsnachweises. Nach den Statuten können nur "Frauen und Mädchen" dem Verein angehören. Männer haben gewöhnlich keinen Zugang zu den Vereinsversammlungen. Eine Petition des Vereins gegen die Einführung eines Zolls auf englisches Nähgarn (das die Arbeiterinnen selbst bezahlen mußten) wird mit Tausenden von Unterschriften aus ganz Deutschland unterstützt und "allen Fraktionen zur Befürwortung überreicht", mit dem Erfolg, daß die Zollerhöhung unterbleibt.
Am 8. Mai nimmt der Verein eine Resolution an, mit der der Reichskanzler ersucht wird, über die Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen in der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche sowie über den Verkauf oder die Lieferung von Arbeitsmaterial (Nähfaden) seitens der Arbeitgeber an die Arbeiterinnen und über die Höhe der dabei berechneten Preise Ermittlungen zu veranlassen und dem Reichstage über das Ergebnis in der nächsten Session Mitteilung zu machen. Aber erst im Frühjahr 1896, als bei Gelegenheit des Konfektionsarbeiterinnenstreiks erneute Debatten über diese Branche im Reichstag geführt werden, erinnert man sich der entsprechend jenem Beschluß veranstalteten Enquete, deren Ergebnisse bereits im April 1887 dem Reichstag übermittelt wurden. Das gesetzliche Ergebnis dieser Initiativen besteht darin, daß der § 115 der Gewerbeordnung dahingehend verändert wird, daß die Verabfolgung von Arbeitsmaterial durch den Arbeitgeber nur zu den ortsüblichen und nicht, wie es durchaus üblich war, zu überhöhten Preisen an die Arbeiterinnen künftig erfolgen darf.