Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Der Reichstag nimmt die Reichsverfassung an. Sie ist die unwesentlich geänderte, durch Verträge mit den süddeutschen Staaten ergänzte Verfassung des Norddeutschen Bundes. Der Reichstag, hervorgegangen aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen (Frauen haben kein Wahlrecht), bewilligt den Haushalt. Von ihm angenommene Gesetze werden erst gültig nach Zustimmung des Bundesrates, dem höchsten Organ, in dem Preußen mit 17 Vertretern von 58 aus 26 deutschen Staaten dominiert. Beim Bundesrat liegt die Einbringung, Ausführung und Kontrolle der Gesetze. Der Reichskanzler, vom Kaiser berufen und nur ihm rechenschaftspflichtig, führt die Regierung. Der Kaiser entscheidet über Krieg und Frieden, repräsentiert Deutschland gegenüber dem Ausland und verkündet die Gesetze. Die Verfassung enthält keine bürgerlichen Grundrechte.
Stichtag:
14. April 1871
Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Machtverhältnisse werden vom Adel und von dem, Industrie, Handel und Banken tragenden, Großbürgertum bestimmt.
Dem Groß- und Mittelbürgertum gelingt es nicht, seine wirtschaftliche Macht in politische Herrschaft umzumünzen und eine demokratisch-parlamentarische Ordnung des Staates durchzusetzen. Es bleibt bei der monarchisch-autoritären Struktur des Staates und der Gesellschaft; denn das Bürgertum paßt sich in seinem Verhalten sehr stark an den durch den Adel geprägten Stil an.