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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
1. November 1868

Die "Volks-Zeitung" veröffentlicht einen u.a. von M. Hirsch und F. Duncker unterzeichneten Aufruf "An die deutschen Arbeiter aller Berufszweige", der mit der Endfassung der von der Statutenkommission unter Vorsitz von F. Duncker ausgearbeiteten Musterstatuten ergänzt wird.
Danach sollen, wie es im Aufruf heißt, die "aus den Berufszweigen" als den "naturgemäßen und hauptsächlichen" Gruppierungszentren der "unzählbaren Arbeiterscharen" zu schaffenden Gewerkschaften nun die Lebensfrage des Arbeiters, seinen Anteil an der Produktion und Verteilung der Arbeitserzeugnisse bestimmen".
"Was aber die Ziele und leitenden Grundsätze des Musterstatuts betrifft, so sind wir für diese der freudigen Zustimmung aller selbstbewußten Arbeiter, aber auch aller humanen Arbeitgeber gewiß. Mit klaren, festen Zügen sind die berechtigten Forderungen der modernen Arbeit aufgestellt, welche schließlich auch mit den wahren Interessen des Kapitals übereinstimmen. Deshalb ist jede prinzipielle Feindseligkeit gegen das Kapital gänzlich ausgeschlossen."
Die Statuten lauten u.a.:
"Die Gewerkvereine bilden die freie Organisation der Arbeitnehmer zum Schutz und zur Förderung ihrer Rechte und Interessen auf gesetzlichem Wege. Ihre Hauptaufgabe besteht aber in der gegenseitigen Unterstützung aller Gewerksgenossen bei Krankheit, Todesfall (wo nicht bereits in ausreichender Weise für beides gesorgt ist), Wanderschaft, Arbeitsunfähigkeit infolge von Unfall oder Altersschwäche, sowie insbesondere bei Arbeitslosigkeit durch Geschäftsstockung, Aussperrung und Arbeitseinstellung. Außerdem haben die Gewerkvereine dem gewerblichen Unterricht, der Arbeitsstatistik und Arbeitsvermittlung ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und die Arbeitnehmer ihres Gewerks gegenüber den Arbeitgebern, dem Publikum und den Behörden mit Mäßigung und Energie zu vertreten.
Zur Unterstützung von Arbeitseinstellungen schreiten die Gewerkvereine erst, nachdem die Beschwerden der betr. Arbeitnehmer vom Ortsverein resp. dem Generalrat reiflich geprüft und für begründet erachtet sind. Eine Deputation des Orts- resp. Gewerkvereins soll dann mit den betreffenden Arbeitgebern gütlich unterhandeln, eventuell ein paritätisches Schiedsgericht vorschlagen. Bleiben trotzdem die Arbeitgeber hartnäckig, so ist die Arbeitseinstellung sofort zu beschließen und mit allen Kräften bis zur Abstellung der Beschwerden durchzuführen."
Die Statuten enthalten auch soziale Forderungen so u.a.:
"Der Arbeitslohn muß ausreichen zum kräftigen Unterhalt des Arbeiters und seiner Familie, mit Einschluß der Versicherung gegen jede Art von Arbeitsunfähigkeit sowie der nötigen Erholung und humanen Bildung.
Die Sonntagsarbeit ist, bis auf das unerläßlich Notwendige, gänzlich abzustellen.
Die Arbeitszeit für Erwachsene ist auf höchstens 12 Stunden inkl. zwei Stunden Pause zu normieren.
Die Nachtarbeit ist, ebenfalls bis auf das unerläßlich Notwendige, gänzlich abzustellen.
Jede neue Fabrik- resp. Arbeitsordnung ist zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vereinbaren.
Zur Erledigung von Differenzen zwischen Arbeitgebern und -nehmern ist ein paritätisches Schiedsgericht mit einem unparteiischen Obmann zu bilden.
Das weibliche Geschlecht soll vollständige Arbeitsfreiheit genießen; doch ist ihr Arbeiten in Fabriken und Werkstätten mit allen Garantien für Gesundheit und Sittlichkeit zu umgeben.
Die gewerbliche Arbeit der Kinder und Unerwachsenen muß so beschränkt werden, daß die vollständige körperliche, geistige und sittliche Ausbildung der Jugend dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Die Zuchthausarbeit darf nicht von den Arbeitgebern zur Konkurrenz mit der freien Arbeit mißbraucht werden."
Der Gewerkverein baut sich auf Ortsvereinen auf. An der Spitze steht der Generalrat, höchste Instanz ist die Generalversammlung.



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