Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Im "Pantheon" in Leipzig wird durch F. Lassalle und zwölf Delegierte aus elf Städten: Barmen, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. Main, Hamburg, Harburg, Köln, Leipzig, Mainz und Solingen im Beisein von einigen hundert Leipziger Arbeitern der "Allgemeine Deutsche Arbeiterverein" (ADAV) gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehören unter anderen J. Vahlteich, F. W. Fritzsche, Th. Yorck. Vorsitzender der Versammlung ist J. Vahlteich. Die Versammlung berät die Statuten und wählt für fünf Jahre mit neun von zehn Stimmen F. Lassalle zum Präsidenten. Der Präsident ist in seinen Entscheidungen weitgehend von den Vereinsmitgliedern unabhängig. J. Vahlteich wird Sekretär des Vereins, zu dessen Sitz Leipzig bestimmt wird.
Stichtag:
23. Mai 1863
Paragraph 1 des Statutes des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins lautet: "Unter dem Namen 'Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein' begründen die Unterzeichneten für die deutschen Bundesstaaten einen Verein, welcher, von der Überzeugung ausgehend, daß nur durch das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eine genügende Vertretung der sozialen Interessen des deutschen Arbeiterstandes und eine wahrhafte Beseitigung der Klassengegensätze in der Gesellschaft herbeigeführt werden kann, den Zweck verfolgt, auf friedlichem und legalem Wege, insbesondere durch das Gewinnen der öffentlichen Überzeugung, für die Herstellung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts zu wirken."
Paragraph 2: "Jeder Arbeiter wird durch einfache Beitrittserklärung Mitglied des Vereins mit vollem, gleichem Stimmrecht und kann jederzeit austreten. Über die Frage, ob jemand ein Arbeiter im Sinne des Vereins sei, entscheidet der Vorstand. Ebenso ist der Vorstand berechtigt, auch Nichtarbeiter, welche dem Verein beitreten wollen und mit den Grundsätzen und Zwecken desselben einverstanden sind, als Mitglieder aufzunehmen."
Alle Mitglieder müssen dem Verein direkt angehören, da die bestehenden Vereinsgesetze die Bildung von lokalen Gruppen nicht zulassen.
Die Vereinsgründung findet zunächst kaum Resonanz; die Arbeiter bleiben in den Arbeiter- und Bildungsvereinen.
Im Gegensatz zu Großbritannien und den USA geht in Deutschland die Parteigründung der deutschen Arbeiterbewegung den gewerkschaftlichen Gründungen voraus. Für die sozialdemokratische Arbeiterbewegung entwickelt sich daraus bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein Führungsanspruch der politischen Partei.