DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

DEKORATION DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG DEKORATION


TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
7./8. Juni 1863

Erster Vereinstag der deutschen Arbeitervereine in Frankfurt a. Main. Auf ihm vertreten 110 Delegierte 54 Vereine aus 48 Städten. Auch drei Berufsvereine sind vertreten: die Gesellschaft der Buchbinder und Portefeuillearbeiter, der Sattlerverein und der Verein der Metallarbeiter, alle aus Offenbach a. Main. Die Zahl der Arbeiter, welche diese Teilnehmer gewählt haben, wird auf rund 17.000 geschätzt. A. Bebel nimmt als Delegierter des Leipziger Gewerblichen Bildungsvereins teil.
Zu Beginn wird - gewissermaßen programmatisch - ein Antrag des liberalen Professors Adolf Roßmäßler angenommen:
"Der erste Vereinstag deutscher Arbeiter- und Arbeiterbildungsvereine stellt an die Spitze seiner Beratungen und Beschlüsse den Ausspruch, daß er es für die erste Pflicht der in ihm vertretenen und aller anderen Arbeitervereine sowohl als überhaupt des gesamten Arbeiterstandes hält, bei der Verfolgung seines Strebens nach geistiger, politischer, bürgerlicher und wirtschaftlicher Hebung des Arbeiterstandes einig unter sich, einig mit allen nach des deutschen Vaterlandes Freiheit und Größe Strebenden, einig und mithelfend zu sein mit allen, welche an der Veredelung der Menschheit arbeiten.
Der Vereinstag der Arbeiter- und Arbeiterbildungvereine erklärt ferner: daß die Vermehrung der Kenntnisse des Arbeiters eines der vorzüglichsten Mittel zur Hebung des Arbeiterstandes ist und fordert die Arbeitervereine auf, ihre Mitglieder und Freunde in den weitesten Kreisen in Schrift und Wort auf die Notwendigkeit hinzuweisen, ihre Kenntnisse in geistiger, geschäftlicher und volkswirtschaftlicher Hinsicht zu erweitern und ihren moralischen und bürgerlichen Charakter zu bilden und zu stählen. Als geeignete, zunächstliegende Mittel werden empfohlen:
1. durch Gewinnung von Lehrkräften und Einrichtung von Unterrichtsstunden Gelegenheit zur Nachhilfe in der Schulbildung zu schaffen;
2. soweit es lokale Verhältnisse und materielle Mittel gestatten, durch gesellige Unterhaltungen die Arbeiter von schädlichem Umgange fernzuhalten und in ihnen den Sinn für edlere Lebensweise zu erwecken;
3. alle Mittel zu versuchen, um durch maßvolle Leitung und Haltung der Vereine sich einen höheren, moralischen Boden in der bürgerlichen Gesellschaft zu erwirken."
Der Vereinstag einigt sich darüber, daß die Vertreter der Arbeitervereine in der Regel alljährlich zusammenkommen sollen. Gegenstand der Verhandlung soll alles sein, was auf die Wohlfahrt der arbeitenden Klassen von Einfluß sein kann. Die Delegierten sprechen sich für die Gewerbefreiheit, die Gründung von Genossenschaften nach den Schulze-Delitzschen Vorschlägen - als eines der besten Mittel zur Förderung des materiellen Wohls und der bürgerlichen Selbständigkeit des Arbeiters - und für Alters- und Invalidenversicherung aus. In Sachsen scheitert die Gründung an der Ablehnung des sächsischen Ministeriums.
Dieser Vereinstag erfolgt als Reaktion auf die Gründung des ADAV. Er bleibt zunächst unter Einfluß liberaler Reformbürger.



Vorhergehender StichtagInhaltsverzeichnisFolgender Stichtag


net edition fes-library | 1999