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9. Die Sicht der Medien

Der Krieg in Tadschikistan findet abseits von der Weltöffentlichkeit statt. Das Desinteresse an diesem Krieg führt mitunter auch angesehene Zeitungen dazu, Tatsachen - wissentlich oder unwissentlich sei dahingestellt - verdreht oder falsch darzustellen. Die unterschiedlichen Gründe hierfür werden an dieser Stelle nicht untersucht.

Tatsache ist, daß in Tadschikistan nach wie vor alle oppositionellen Parteien verboten sind. Sie haben also keine Chance, sich im Rahmen eines Mehrparteiensystems politisch zu betätigen (vgl. Bess Brown, Tajik Opposition to Be Banned, in: RFE/RL Research Report, Vol. 2, No. 14, 2. April 1993). Nur eine Partei ist in Tadschikistan zugelassen - die Kommunistische Partei Tadschikistans (80.000 Mitglieder; Parteiorgan „Golos Tadschikistana"). Sie übt in Tadschikistan wie zu Sowjetzeiten eine Einparteienherrschaft aus. Die Partei, die Mitglied der „Union der Kommunistischen Parteien - KPdSU" ist, hat ihre Aktivitäten niemals eingestellt, ihre Organisation (die Raj- und Gebietskomitees) ist durchgehend intakt geblieben (vgl. Nezavisimaja Gazeta, 22.6.1993). Ziel der Partei, die 1995 in zwei Stufen ihren 22. Kongreß abhielt, ist - so der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Tadschikistans, Schodi Schabdolow, in einem Interview - die „Neugründung der UdSSR auf freiwilliger Basis" (Pravda, 7.12.1995, S. 1). Der amtierende Präsident Tadschikistans, Rachmonow, antwortete in einem Interview mit dem russischen Fernsehen Ostankino am 30. Mai 1993 auf die Frage „Sind Sie Mitglied der KP?" - „Ja, ich bin Mitglied der Kommunistischen Partei" (DW Monitor-Dienst sowie BBC Monitoring Service, 1.6.1993).

Die Fehlberichterstattung in westlichen Medien begann 1992. Am 2. Juli 1992 schrieb der Moskauer Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung" unter der Überschrift: „Flüchtlingswelle in Tadschikistan", daß es „zwischen Regierungsanhängern und muslimischen Fundamentalisten" zu blutigen Zusammenstößen gekommen sei. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um Zusammenstöße zwischen Anhängern der islamisch-demokratischen Koalitionsregierung (seit Mai 1992 im Amt) und den Kommunisten im Süden des Landes. Der gleiche Beitrag enthielt auch den falschen Satz: „Die Bewohner der Region Kuljab hingegen unterstützen mehrheitlich den Kurs der Regierung". In Wirklichkeit unterstützten die Bewohner von Kuljab mehrheitlich die aus ihren Reihen rekrutierten paramilitärischen Truppen der Kommunisten, die die Nachbarregion Kurgan-Tjube überfielen und im Dezember 1992 die islamisch-demokratische Regierung stürzten. Von einer Unterstützung der Regierung durch die Kuljabis konnte keine Rede sein.

Zu kritisieren ist auch ein Bericht der dpa aus Moskau (Smets) vom 26. Oktober 1992. Darin hieß es u.a., daß der frühere kommunistische Parteichef Nabijew deshalb zum Präsidenten gewählt worden sei, weil er als Garant dafür galt, daß Tadschikistan ein asiatischer Staat mit westlicher Ausrichtung werden würde. Abgesehen von der Echtheit dieser „Wahlen" und der Tatsache, daß der Kommunist Nabijew, der mit seiner Partei programmatisch die Wiederbelebung der UdSSR anstrebte, zu keinem Zeitpunkt eine westliche Ausrichtung des Staates garantieren konnte, ist es schwer vorstellbar, daß eine schon zu Sowjetzeiten traditionell zutiefst islamisch ausgerichtete tadschikische Gesellschaft, die gerade ihre Identität auszuleben beginnt, nach westlicher Ausrichtung strebt. Richtigzustellen bleibt auch im gleichen Bericht die Meldung, daß „frühere Kommunisten und westlich-europäisch geprägte Tadschiken, aber auch Angehörige anderer in Tadschikistan lebender Völker", sich nach Kuljab zurückgezogen hätten, „um von hier aus die Macht zurückzuerobern und eine Islamisierung zu verhindern". Nach Kuljab zogen sich nicht „frühere", sondern ausschließlich „heutige" Kommunisten zurück, um die Macht zurückzuerobern, was ihnen auch gelang. Die „westlich-europäisch geprägten Tadschiken", nämlich die Anhänger der Demokratischen Partei und der Rastochez-Bewegung sowie die Pamir-Völker, zogen sich nicht nach Kuljab zurück, sondern bildeten zusammen mit der Islamischen Partei die Koalitionsregierung, die von den Kommunisten aus Kuljab und der mit ihnen verbündeten usbekischen Minderheit gestürzt wurde. Dazu der Führer der Kuljab-Kommunisten, Sangak Safarow, in einem Interview: „Wir werden Tadschikistan und Rußland von diesem demokratischen Abschaum säubern!" (Nezavisimaja Gazeta, 5. Dezember 1992).

Auch führende deutsche Tageszeitungen irrten bei ihren Schilderungen des Bürgerkriegs in Tadschikistan, so z.B. die Süddeutsche Zeitung vom 8. September 1992 (Seite 8), indem sie schrieb: „Kurgan-Tjube wird von muslimischen und demokratischen Oppositionsgruppen kontrolliert". Die Region Kurgan-Tjube wurde nicht von Oppositionsgruppen, sondern von den Regierungstruppen der islamisch-demokratischen Koalition kontrolliert, die von den oppositionellen Milizen der Kommunisten aus der Region Kuljab überfallen wurden, womit die Flüchtlingswelle nach Afghanistan ausgelöst wurde. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach in ihrer Ausgabe von 22. September 1992 von „national-demokratischen und islamischen Rebellen" in Kurgan-Tjube, obwohl diese die Regierung bildeten, und brachte zusätzlich die Falschmeldung, daß sich in der Stadt Kuljab die „Anhänger Nabijews" verschanzt hätten. Tatsache war, daß sich dort die Anhänger der islamisch-demokratischen Regierung verschanzt hatten, um sich vor den Angriffen der kommunistischen Milizen - rekrutiert aus der Kuljab-Jugend der ehemaligen Nationalgarde Präsident Nabijews - zu schützen.

Zu der im Dezember 1992 neu gebildeten Regierung Tadschikistans schrieb der „Auslandredaktor" der Neuen Zürcher Zeitung am 28. Juli 1993 (Fernausgabe, Seite 3), daß sie von „Exkommunisten" dominiert sei. In Wirklichkeit war die Regierung von Kommunisten dominiert, die wie Präsident Rachmonow bis heute Mitglieder der einzigen zugelassenen Kommunistischen Partei Tadschikistans sind. Unrichtig war auch in einem anderen Artikel des gleichen Autors in der Fernausgabe vom 14. August 1993 (Seite 3), daß die islamisch-demokratische Opposition „sämtliche Sympathien in der Bevölkerung verloren" hätte. Tatsache war, daß das kommunistische Terror-Regime Rachmonows sich nur mit Hilfe der russischen Armee an der Macht halten konnte, daß Hunderttausende aus dem Land flüchteten und die Partisanen Erfolge aufzuweisen hatten. All dies zeigte, daß die islamisch-demokratische Opposition die Sympatien in der Bevölkerung nicht verloren hatte.

Auch in den folgenden Jahren hielten westliche Medien an den Falschmeldungen über die „Exkommunisten" fest. So berichtete Tomas Avenarius in der Süddeutschen Zeitung vom 9. November 1994 („Rußland bleibt tonangebend in Tadschikistan") über den Wahlsieg des „Ex-Kommunisten Rachmonow", obwohl Rachmonow nach eigenen Angaben bis heute Mitglied der einzig legalen Kommunistischen Partei Tadschikistans ist. Auch die Neue Zürcher Zeitung berichtete am 28. Februar 1995 über den „exkommunistischen starken Mann in Duschanbe, Rachmonow". Zwar schrieb die NZZ in einer späteren Ausgabe vom 14. Oktober 1995 (David Schraven/Marcus Bensmann: Russische Übergriffe in Tadschikistan) nicht mehr von „Ex-Kommunisten", doch es entspricht ebensowenig der Wahrheit, das kommunistische Terror-Regime Rachmonows als reformkommunistisch zu bezeichnen und es damit auf die Ebene der Reformkommunisten in Polen oder Ungarn zu heben.

Verwirrung bestand in der deutschsprachigen Berichterstattung über Tadschikistan auch noch 1994 im Hinblick auf die Verwechslung der Kriegsparteien. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. November 1994 (Seite 6) berichtete, daß die unterlegene islamisch-demokratische Opposition die Niederlage nicht klaglos und kampflos hinnehmen würde. „Sie schart sich um Abdumalik Abdulodschanow, den gegenwärtigen Botschafter Tadschikistans in Moskau". Natürlich nahm die islamisch-demokratische Opposition die Niederlage nicht kampflos hin, sie führt bis heute einen Partisanenkrieg gegen das Rachmonow-Regime. Aber sie schart sich nicht um den tadschikischen Botschafter in Moskau. Die FAZ brachte zwei verschiedene Kampflinien durcheinander, nämlich den Kampf der islamisch-demokratischen Opposition gegen das kommunistische Regime und den Machtkampf innerhalb der Kommunistischen Partei, der sich abspielt zwischen den Kommunisten des Nordens aus Chodshent (um Abdullodschanow und den früheren Parteichef Machkamow) und den regierenden Kommunisten des Südens aus Kuljab um Rachmonow. Zu Zeiten der UdSSR hatten stets die Kommunisten des Nordens (Chodshent/ Leninabad) die Macht in Tadschikistan inne. Der interne Machtkampf unter den kommunistischen Klanen hat jedoch mit dem Partisanenkrieg der islamisch-demokratischen Opposition nichts zu tun.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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