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10. Die Präsenz der UNO und der OSZE

Die Intervention Rußlands in Tadschikistan erfolgte offiziell auf Bitten des Präsidenten Rachmonow. Ihr Ziel war, das kommunistische Regime gegen die islamisch-demokratische Opposition zu schützen. Die rechtliche Grundlage für die Intervention bildeten das Abkommen über kollektive Sicherheit der GUS-Staaten sowie der bilaterale Freundschaftsvertrag. Das Vorgehen Moskaus hatte insofern Ähnlichkeit mit den militärischen Interventionen der Sowjetarmee 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei, die formal-rechtlich ebenfalls auf Ersuchen der einheimischen Kommunisten sowie der Grundlage des Warschauer Vertrages und der bilateralen Freundschaftsverträge erfolgten. Die russischen Truppen in Tadschikistan nennen sich zwar „Friedenstruppen", verhalten sich jedoch nicht friedensstiftend und neutral, sondern unterstützen einseitig eine der Konfliktparteien. Die Präsenz der russischen Armee wirkte nicht als Stabilisierungsfaktor, sondern trug zur Verschärfung des Krieges in Tadschikistan bei.

Kürzlich beschwerte sich der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Alexander Lebed, über die Anwesenheit der OSZE in Tschetschenien, da der Tschetschenien-Konflikt eine innere Angelegenheit Rußlands sei. Schließlich sei die OSZE auch in Nordirland oder im Baskenland nicht anwesend (Interfax, 16.8.1996). Tadschikistan und die dortigen Aktivitäten der russischen Armee sind jedoch auch nach russischer Rechtsauffassung keine innerrussische Angelegenheit. Sowohl die UNO als auch die OSZE könnten hier im Prinzip unbeschwert Flagge zeigen.

Die ersten UN-Experten tauchten im Januar 1993, kurz nach der gewaltsamen Machtübernahme der Kommunisten im Dezember 1992, in Tadschikistan auf (Itar-Tass, 9.1.1993). Im August 1993 führte der Sonderbotschafter des UN-Generalsekretärs, Ismat Kittani, Verhandlungen über die Möglichkeit der Rückführung tadschikischer Flüchtlinge (Itar-Tass, 25.8.1993). Gleichzeitig informierten Rußland, Tadschikistan, Kasachstan, Usbekistan und Kyrgystan den UN-Sicherheitsrat über die Entsendung von „Koalitionstruppen" nach Tadschikistan zum Schutze der tadschikisch-afghanischen Grenze (Itar-Tass, 31.8.1993).

Am 1. Dezember 1993 beschlossen die Außenminister der KSZE/OSZE in Rom, auf Wunsch der Regierung in Duschanbe eine Mission nach Tadschikistan zu schicken, um zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln und den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. Die Mission begann am 19. Februar 1994 unter Leitung von Gantscho Gantscheff ihre Arbeit in Duschanbe, unterstützt von vier Mitarbeitern (ÖMZ, Nr. 5/1994).

Die erste Verhandlungsrunde zwischen Regierung und Opposition fand unter Schirmherrschaft der UNO und des neuen UN-Sonderbotschafters Ramiro Perez Ballon im April 1994 in Moskau statt. Auf seiten der Opposition nahmen Akbar Turadschonsoda und Muhammad Scharif Chimatsoda von der Islamischen Partei sowie Otachon Latifi vom Koordinierungszentrum der Demokratischen Kräfte Tadschikistans teil (Izvestija, 19.4.1994, S. 3). Man einigte sich auf eine Tagesordnung, zu der die Frage der Entwaffnung, die Rückführung der Flüchtlinge und die Durchführung demokratischer Neuwahlen gehörten.

Erste grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten traten im Sommer 1994 auf, als die Regierung Rachmonow beschloß, ohne Mitwirkung der Opposition Präsidentschaftswahlen und ein Referendum über die neue Verfassung durchzuführen. Moskau und der Botschafter der USA, Stanley Escudero, unterstützten offenbar diese einseitige Maßnahme der tadschikischen Regierung in der Hoffnung, auf diese Weise das kommunistische Regime zu stabilisieren und eine Beteiligung der islamischen Opposition an der Macht zu verhindern. Die OSZE war dagegen der Meinung, daß der Text der neuen Verfassung den Prinzipien der Demokratie nicht entspricht und daß Referendum und Präsidentschaftswahlen nicht zur Stabilisierung, sondern zur Fortsetzung des Krieges führen (vgl. Nezavisimaja Gazeta, 6.8.1994). Die OSZE lehnte es ab, Beobachter zur Überwachung der Wahlen zu entsenden, weil die tadschikische Regierung die Vorschläge der OSZE zur Demokratisierung des Wahlgesetzes nicht berücksichtigt hatte.

Die zweite Verhandlungsrunde, die im Juni 1994 in Teheran stattfand, wurde ohne Ergebnis abgebrochen, obwohl der Oppositionsführer und Chef der Exilregierung, Abdullo Nuri, versicherte, daß die Opposition die strategischen Interessen Moskaus anerkenne und Rußland weiterhin Grenztruppen in Tadschikistan stationieren könne, solange es sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einmische (NZZ, 5.7.1994). Die Regierung Rachmonow war zunächst weder in Moskau noch in Teheran bereit, ein zeitweiliges Waffenstillstandsabkommen abzuschließen (Interfax, 24.8.1994). Erst bei der Fortsetzung der Teheraner Verhandlungen kam es am 18. September 1994 zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens (Itar-Tass, 18.9.1994). Dieses begann mit einem Wortbruch der Regierung, die ihre Zusage, 52 politische Gefangene im Austausch für 40 gefangene Regierungssoldaten freizulassen, nicht einhielt. Die Regierung behauptete, sie habe nur 23 politische Gefangene und weigerte sich, eine Namensliste zu erstellen.

Im Oktober 1994 trafen 16 UNO-Beobachter, u.a. aus Dänemark und Österreich, in ihren Einsatzorten im Pamir-Gebirge und an einzelnen Abschnitten der tadschikisch-afghanischen Grenze ein (NZZ, 22.10.1994). Im Dezember 1994 beschloß der UN-Sicherheitsrat (Resolution Nr. 968), im Rahmen der UNMOT (United Nations Military Observers in Tajikistan) bis zu 44 Beobachter unter der Voraussetzung zu entsenden, daß der Waffenstillstand fortgesetzt und freie Wahlen vorbereitet werden. Die Militärbeobachter sollten in Duschanbe, Tawildara und Kurgan-Tjube stationiert werden (SZ, 19.12.1994).

Während der dritten Verhandlungsrunde im November 1994 in Islamabad wurde vereinbart, das Waffenstillstandsabkommen bis zum 6. Februar 1995 zu verlängern, eine gemeinsame Beobachter-Kommission mit Sitz in Duschanbe zu gründen und unter Mitwirkung des Internationalen Roten Kreuzes jeweils 27 Gefangene auszutauschen (Itar-Tass, 1.11.1994). Der Gefangenenaustausch fand in Chorog statt. Die Mitglieder der gemeinsamen Kommission sollten ihre Aufgaben in Begleitung von UNO-Beobachtern durchführen. Die erste Tagung der gemeinsamen Kommission am 14. November 1994 in Duschanbe leitete der UN-Missionschef in Tadschikistan, Liviu Bota. Er wurde im März 1995 durch Darko Silovic abgelöst. Die gemeinsame Kommission setzte sich aus jeweils sieben Mitgliedern der Regierungsseite sowie der Opposition zusammen, die wöchentlich zweimal in Anwesenheit der UN-Militärbeobachter tagten. Die Kommission hatte die Befugnis, nur die Waffenstillstandsverletzungen durch die tadschikische Regierung und die Opposition, jedoch nicht die der russischen Grenztruppen, zu beobachten. Die Kommission machte sich dadurch unbeliebt, daß sie zu 80% Waffenstillstandsverletzungen durch die Regierungstruppen feststellte (Nezavisimaja Gazeta, 17.11.1995, S. 3).

Im Januar 1995 forderten OSZE-Generalsekretär Wilhelm Höynck und UN-Sonderbotschafter Ramiro Perez Ballon die tadschikische Regierung auf, die für den 26. Februar 1995 vorgesehenen Parlamentswahlen zu verschieben, um den Oppositionsparteien die Teilnahme am politischen Leben zu ermöglichen (Itar-Tass, 12.1.1995). Da sich die tadschikische Regierung weigerte, dieser Aufforderung nachzukommen und damit die Abhaltung demokratischer Wahlen zu garantieren, beschlossen die OSZE und die Europäische Union, keine Wahlbeobachter zu entsenden (Interfax, 16.2.1995). Kaum war die Wahlfarce vorbei, stellte die EU dem kommunistischen Terror-Regime im Rahmen des Tacis-Programms jedoch Finanzhilfen im Wert von 4,8 Mill. Dollar zur Verfügung (Interfax, 25.3.1995).

Gleichzeitig begannen die USA, ihre Tadschikistan-Politik zu revidieren. Im Februar 1995 verhandelten Akbar Turadschonsoda und Muhammad Scharif Chimatsoda von der Islamischen Bewegung in den Staaten mit Vertretern der US-Regierung (James F. Collins und Robin Raphael). Sie führten auch Gespräche in Frankreich und am 5. April 1995 in Taschkent auch Gespräche mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow sowie mit dem Präsidenten Kyrgystans, Akajew. Dabei beschuldigten sie Rußland und die russischen Grenztruppen in Tadschikistan, das zwischen Regierung und Opposition geschlossene Waffenstillstandsabkommen nicht anzuerkennen (Moskovskije Novosti, Nr. 24/1995, S. 10). Dies entsprach der Wahrheit. Die russischen Grenztruppen erkannten das geschlossene Waffenstillstandsabkommen tatsächlich nicht an, ließen an der tadschikisch-afghanischen Grenze keine Beobachter zu und konnten so beliebig auch afghanisches Gebiet bombardieren. Nach Angaben des Leiters der UN-Beobachtermission, Darko Silovic, töteten die russischen Grenztruppen z. B. im September 1995 grundlos zahlreiche Zivilisten.

Die ursprünglich für Dezember 1994 geplante vierte Verhandlungsrunde, die in Moskau stattfinden sollte, wurde immer wieder verschoben, weil die Sicherheit der Vertreter der Opposition nicht garantiert werden konnte (Interfax, 10.2.1995). Die im April 1995 in Moskau geführten Vorbereitungsgespräche wurden von der Opposition unterbrochen, die eine Stellungnahme des russischen Außenministers Kosyrew als Drohung aufgefaßt hatte (Itar-Tass, 19.4.1995). Auch war die Opposition nicht bereit, den Waffenstillstand zu verlängern, da sie das Abkommen ohne die Anerkennung durch die russischen Grenztruppen als wertlos betrachtete. Nachdem sich Präsident Rachmonow bereit erklärte, mit Oppositionsführer Abdullo Nuri zusammenzutreffen, setzte die Opposition die Moskauer Verhandlungen fort. Ihrer Delegation gehörten an: Akbar Turadschonsoda, Muhammad Scharif Chimatsoda (beide von der Islamischen Partei), Otachon Latifi (Koordinierungszentrum der Demokratischen Kräfte), Abdunabi Sattorsoda, Chudoberdy Chaliknasarow (beide von der Demokratischen Partei), Said Saidow und Bosorali Safarow (Nezavisimaja Gazeta, 19.4.1995).

Die vierte Verhandlungsrunde fand schließlich im Mai 1995 in Almaty (Kasachstan) statt. Vereinbart wurde die Verlängerung des Waffenstillstands um weitere drei Monate sowie der Austausch von Kriegsgefangenen. Die tadschikische Regierungsdelegation bot dem früheren Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Schodmon Jusufow, an, nach Tadschikistan zurückzukehren und sich dort politisch zu betätigen. Den Vorschlag der Opposition, gemeinsam einen Rat der nationalen Versöhnung und eine Übergangsregierung zu bilden, lehnte sie jedoch als „nicht verfassungsmäßig" ab. Auch auf dem GUS-Gipfel vom 26. Mai 1995 in Minsk zeigte der tadschikische Präsident Rachmonow keine Bereitschaft, die Vorschläge von Kasachstan, Kyrgystan und Usbekistan zu akzeptieren und die Macht mit der Opposition zu teilen. UN-Sonderbotschafter Perez Ballon schlug vor, einen gemeinsamen Konsultativrat zu bilden (Interfax, 26. und 30.5.1995). Präsident Rachmonow schuf 1996 tatsächlich einen Präsidialrat zu konsultativen Zwecken, die Opposition lehnte es jedoch ab, sich daran zu beteiligen. Zu guter Letzt unterbreitete der russische Außenminister Primakow seinen Vorschlag über die Bildung einer gemeinsamen Schiedskommission mit koordinierenden und beratenden Aufgaben (Itar-Tass, 10.7.1996).

Beim Treffen des tadschikischen Präsidenten Emomali Rachmonow und des Führers der Vereinten Opposition, Prof. Said Abdullo Nuri, am 17. August 1995 in Teheran wurde ein Protokoll über die Grundprinzipien zur Wiederherstellung von Frieden und nationaler Einheit unterzeichnet. Man einigte sich, eine Konsultativkonferenz der Völker Tadschikistans einzuberufen und den Waffenstillstand um weitere sechs Monate zu verlängern. Im Oktober 1995 warf die Opposition der Regierung vor, durch die Verlegung einer Armee-Brigade in das Wachsch-Tal am Fuße des Pamir das Waffenstillstandsabkommen zu verletzen (Interfax, 13.10.1995). Bei einer Schießerei zwischen der 1. und der 11. Brigade der tadschikischen Armee in Kurgan-Tjube kam am 18. September 1995 Oberstleutnant Wolf Sponner aus Österreich, der die UN-Beobachtergruppe in Kurgan-Tjube geleitet hatte, ums Leben. Dennoch beschloß der UN-Sicherheitsrat, die Mission der UN-Militärbeobachter bis zum 15. Dezember 1996 zu verlängern (Itar-Tass, 14.12.1995). Die tadschikische Regierung verhinderte allerdings eine Beobachtung der Kämpfe und großangelegten Militäroperationen im Bezirk Tawildara. Tawildara wurde am 12. Mai 1996 von den Kräften der Vereinigten Opposition erobert.

Am 26. Februar 1996 lief die Frist des Teheraner Waffenstillstandsabkommens sowie des Mandats der gemeinsamen Überwachungskommission ab, ohne daß eine Verlängerung erreicht werden konnte. Zugleich wurde der Leiter der Oppositionsseite der Kommission, Safar Rachmonow, von Regierungssoldaten in Duschanbe entführt. Kurz davor hatte die tadschikische Regierung den Schutz für die Mitglieder der Kommission aufgehoben. Die restlichen sechs Mitglieder der Kommission, die von der Opposition gestellt wurden, flüchteten in die iranische Botschaft. Sie trauten weder der Regierung noch der UNO-Mission. Sie nahmen ihre Arbeit erst auf Veranlassung des neuen UN-Sonderbotschafters Gerd Merrem im Juni 1996 wieder auf. Die tadschikische Regierung gewährte ihnen nur einen „begrenzten" Schutz, was bedeutete, daß die Bewegungsfreiheit der Kommission erheblich eingeschränkt wurde (Itar-Tass, 12.6.1996). Soldaten der tadschikischen Armee hinderten im Juli 1996 die UN-Beobachtermission daran, die Einhaltung des Waffenstillstands in Tawildara zu beobachten, woraufhin die Mission ihre Tätigkeit in Tawildara einstellte (Interfax, 31.7. und 14.8.1996).

Die fünfte Verhandlungsrunde endete im Juli 1996 in Aschhabad (Turkmenistan) mit der Unterzeichnung einer Deklaration über die Verlängerung des Waffenstillstands bis zum 31. Dezember 1996 und eines Protokolls über Gefangenenaustausch. Es wurde auch ein neues Treffen zwischen Präsident Rachmonow und Oppositionsführer Abdullo Nuri in Moskau vereinbart.

Im Gegensatz zu den Aktivitäten der UNO ist es um die OSZE-Mission in Tadschikistan inzwischen still geworden. Während die UNO-Mission durch ständige Kontakte zu Regierung und Opposition als mehr oder weniger erfolgreicher Vermittler eine nützliche Aufgabe erfüllt, pflegt die OSZE zu einseitige Beziehungen zum kommunistischen Regime von Präsident Rachmonow. Diesem Regime, das Denkmustern aus Breshnew-Zeiten verhaftet ist, im Kriegszustand demokratische Prinzipien beizubringen, dürfte illusorisch sein. Das von der OSZE organisierte Seminar über Sicherheit und vertrauensbildende Maßnahmen in Zentralasien im April 1996 in Duschanbe sowie die OSZE-Projekte, einen Ombudsmann für Menschenrechte sowie eine unabhängige Volksanwaltschaft einzusetzen, stießen bislang seitens des Rachmanow-Regimes, das ums Überleben kämpft, auf wenig Interesse.

Obwohl das Desinteresse Präsident Rachmonows an demokratischen Prinzipien offenkundig ist, bevorzugte der Westen weiterhin sein Regime. Der IWF gewährte Tadschikistan im Mai 1996 erstmals einen Kredit von 22 Mill. $. Wenig später stellte die Weltbank dem Regime 55 Mill. $ zur Verfügung. Schließlich versprach die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die bereits vier Mill. $ für eine Landebahn des Flughafens Duschanbe zur Verfügung gestellt hat, bis Ende 1996 weitere 15 Mill. $ zu überweisen. All dies verstand eine IWF-Delegation, die im August 1996 Duschanbe besuchte, als eine „Geste der Unterstützung" für das Rachmonow-Regime, mit dessen „Wirtschaftsreformen" sich die IWF-Delegation sehr zufrieden zeigte (Itar-Tass, 13.8.1996).

(Fertigstellung des Manuskripts: 31. August 1996)


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