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7. Die Usbekistan-Connection

Im Falle eines Sieges der islamischen Bewegung über die kommunistischen Machthaber in Tadschikistan dürfte ein Konflikt mit dem Nachbarstaat Usbekistan unausweichlich sein. In Usbekistan leben rund 1 Mill. Tadschiken, in Tadschikistan 1 Mill. Usbeken. Beide Völker sind Sunniten. Die Usbeken zählen jedoch zu den Turk-Völkern, während die Tadschiken eine persische Sprache sprechen. Ein latent vorhandener Konflikt zwischen beiden Ländern verbirgt sich hinter der von Stalin verordneten Grenzziehung, wonach die uralten tadschikischen Städte Samarkand und Buchara Usbekistan zugeschlagen wurden. Es liegt auf der Hand, daß Tadschikistan eines Tages diese ursprünglich tadschikischen Gebiete zurückfordert und die in Usbekistan lebenden Tadschiken eine Sezessionsbewegung organisieren. Die Gefahr einer solchen Entwicklung ist allerdings gering, solange in beiden Ländern die alte kommunistische Nomenklatura an der Macht ist.

Andererseits könnnte auch eine Abspaltung des Gebiets Chodshent (Leninabad) im industrialisierten Norden Tadschikistans und sein Anschluß an Usbekistan eines Tages Wirklichkeit werden. Die meisten in Tadschikistan lebenden Usbeken sind in diesem Gebiet, vor allem im tadschikischen Teil des Fergana-Tals, ansässig. Sie stellen ein Drittel der Bevölkerung im Gebiet Chodshent. Zu Sowjet-Zeiten stellten die im Norden Tadschikistans lebenden Klane die kommunistische Parteiführung, auf die sich Moskau stützte. Der verstorbene frühere KP-Chef und Präsident Tadschikistans, Nabijew, soll eigentlich Usbeke gewesen sein. Jedenfalls wurde in seiner Familie Usbekisch gesprochen. Tatsächlich fühlen sich die im tadschikischen Norden lebenden Tadschiken aufgrund der gemeinsamen sunnitisch-islamischen Religion eher den Usbeken als - aufgrund der gemeinsamen Sprache - den Persern verwandt. Nach offizieller usbekischer Auffassung sind die Tadschiken eigentlich Usbeken, die lediglich eine andere Sprache sprechen. Natürlich träumt auch die usbekische Führung von der Schaffung eines Groß-Usbekistan. Das tadschikische Gebiet Chodshent im Norden wird bereits als usbekische Interessensphäre angesehen. In dem von Usbeken bewohnten Norden Afghanistans kann Usbekistan mit dem Usbeken-General Dostom rechnen.

Usbekistan ist - ebenso wie Moskau - daran interessiert, daß die Kommunisten in Tadschikistan an der Macht bleiben. Eine islamisch-demokratische Regierung in Tadschikistan würde die Positionen der in Usbekistan regierenden Kommunisten gefährden. Die usbekische Minderheit in Tadschikistan war nach dem Rücktritt von Präsident Nabijew die Hauptstütze seiner kommunistischen Anhänger im Norden (Chodshent) und im südlichen Kuljab. Usbekistan unterstützte die kommunistische Volksfront von Sangak Safarow beim Angriff auf die islamisch-demokratische Koalitionsregierung im November 1992 durch Waffenlieferungen und militärische Beratung (Kommersant-Daily, 15.12.1992, S. 18; Nezavisimaja Gazeta, 11.12.1992).

Nach dem Sturz der islamisch-demokratischen Koalitionsregierung nahm der Einfluß Usbekistans auf die neuen kommunistischen Machthaber in Duschanbe zu. Präsident Rachmonow ernannte einen Usbeken, Oberst Alexander Schischljannikow, zum neuen Verteidigungsminister. Schischljannikow war zuvor im Verteidigungsministerium Usbekistans beschäftigt gewesen. Sein Stellvertreter wurde Schubajew, ein gebürtiger Russe aus Usbekistan. Als die tadschikische islamische Bewegung gemeinsam mit afghanischer Mujahedin im Mai 1993 ihre Partisanen-Aktivitäten aufnahm, gelang es ihnen, mit einer Stinger-Rakete ein usbekisches Kampfflugzeug vom Typ Su-24, geflogen von zwei russischen Piloten, abzuschießen (Itar-Tass, 4.5.1993). Daraufhin setzte Usbekistan MIG-23-Kampfflugzeuge auf tadschikischem Territorium gegen die Aufständischen ein.

Erst 1995 unternahm Moskau erste Schritte, um den Einfluß Usbekistans in Tadschikistan zu begrenzen. Eine bewaffnete Rebellion der in Tadschikistan lebenden Usbeken in Kurgan-Tjube und Tursunsade zeigte 1995/96 die Gefahr auf, daß der innertadschikische Konflikt sich zu einem usbekisch-tadschikischen Konflikt erweitern könnte. Im Mai 1996 warf der tadschikische Präsident Rachmonow dem usbekischen Staatschef Karimow vor, Hauptinitiator des innertadschikischen Konfliktes zu sein (Interfax, 17.5.1996). Usbekistan stellte kurzfristig die Gaslieferungen an Tadschikistan ein. Ob es Moskau gelingt, zwischen den beiden Kontrahenten einen Ausgleich zu erzielen, bleibt abzuwarten. Im August 1996 vereinbarte Moskau mit Usbekistan eine Koordinierung der Politik zur Stabilisierung der Lage in Tadschikistan.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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