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Frank Frick
Effizienz und Effektivität der Arbeitsmarktpolitik – Empfehlungen für die Reform des SGB III


400 Milliarden DM wurden in den neunziger Jahren von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gesteckt. Laut Wolfgang Franz, Präsident des ZEW, verweigert sich die BA einer fundierten Evaluation. Er meint, dieser Wahnsinn hat Methode, da der Nachweis der Wirkungslosigkeit der Arbeitsverwaltung Betätigungsfelder raubt, Trägergesellschaften eine lukrative Einkommensquelle entzieht und der Politik einen Anstieg der offiziellen Arbeitslosenzahlen bescheren könnte. Ein hartes Urteil.

Tatsächlich sind in der Diskussion um eine erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Lager gespalten: Die eine Seite will den Staat mit aktiver Arbeitsmarktpolitik noch stärker in die Pflicht nehmen, die andere hingegen plädiert für Deregulierung, Flexibilisierung oder Lohnzurückhaltung und wirft den Verfechtern der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Wirkungslosigkeit ihres Instrumentariums und demzufolge eine Verschwendung öffentlicher Mittel vor. Die Arbeitsmarktpolitik muss sich daher durch die Wirksamkeit der Vermittlungs- und Anpassungsmaßnahmen beweisen. In der Kritik steht auch die Bundesanstalt für Arbeit als zentrale Institution zur Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik. Sie muss durch stärkere Kundenorientierung und wirtschaftliche Leistungserbringung ihr schlechtes Image verändern.

„Hätte der auf dem Arbeitsmarkt erfolgreiche ehemalige Maßnahme-teilnehmer nicht auch ohne die vorangegangene Qualifizierung seine Stelle bekommen?„ Diese Frage weist geradewegs auf die Achillesferse der aktiven Arbeitsmarktpolitik, dass nämlich selbst mit aufwendigsten Verfahren häufig nur vage Aussagen darüber getroffen werden können, was die Maßnahmen im einzelnen tatsächlich bewirken. Bei aller redlichen wissenschaftlichen Analyse kann sich die Reform der Arbeitsmarktpolitik nicht an allein sozialwissenschaftlichen Daten orientieren, da diese nie so umfassend und unzweideutig interpretiert werden können. Wissenschaft kann und darf politische Entscheidungen und reformerisches Handeln nicht ersetzen.

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Die Bertelsmann Stiftung hat in den letzten Jahren nicht nur verschiedene international vergleichende Studien in Auftrag gegeben, sondern auch in unterschiedlichen Projekten mit Arbeits- und Sozialverwaltungen neue Instrumente erprobt und die Reorganisation dieser Institutionen unterstützt. Auf dieser Grundlage möchte ich einige Handlungsempfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik und zur institutionellen Reform in Deutschland ableiten.

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1. Zielsetzung der Arbeitsmarktpolitik und die Philosophie des „Förderns und Forderns„

Oberste Zielsetzung sollte bei allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die schnelle und kostengünstige Integration in den ersten Arbeitsmarkt sein. Gewarnt werden muss vor einer Überfrachtung der Arbeitsmarktpolitik mit allgemeinpolitischen, sozialen und strukturpolitischen Zielen. Wenn es kein klares Ziel gibt, werden die Ergebnisse beliebig: Irgendeines der Ziele – und ist es die schon durch den Maßnahmeantritt verbesserte ökonomische Situation von ABM-Teilnehmern - wird immer erreicht. Die Reform des SGB III von 1997 hat diesbezüglich richtige Weichenstellungen vorgenommen und die Arbeitsmarktpolitik von einigen Überfrachtungen befreit.

Die Zielsetzung „Integration„ erfordert einerseits ein breites Spektrum an Hilfsangeboten, um allen Integrationshindernissen entgegenwirken zu können. Die Angebote müssen in ausreichender Anzahl und zielgruppenspezifisch – d.h. bisweilen auch individuell – ausgestaltet werden. Andererseits ist auch die Verpflichtung des einzelnen notwendig, an seiner Wiedereingliederung aktiv mitzuwirken. Das Leitbild des „Förderns und Forderns„ hat sich in allen Industrieländern durchgesetzt. Dänemark, Schweden und die Niederlande sind Beispiele und vielleicht Vorbilder für eine sich wandelnde Arbeitsethik: Die Regierungen vertreten die Auffassung, dass das Recht der Arbeitslosen auf staatliche Unterstützung mit Pflichten der Erwerbslosen gegenüber der Gesellschaft Hand in Hand gehen muss. Eine staatliche Leistung muss demnach durch eine Gegenleistung der Arbeitslosen gerechtfertigt werden. Deswegen ist die Teilnahme an bestimmten Arbeitsmarktmaßnahmen in diesen Ländern obligatorisch geworden. Das Nichterscheinen bzw. die Nichtteilnahme ohne triftigen Grund wird durch den Entzug – in sozialen Härtefällen durch die Kürzung – der staatlichen Unterstützungsleis-

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tung sanktioniert. An eine staatliche Unterstützung werden strenge Auflagen hinsichtlich der aktiven Jobsuche, der beruflichen und räumlichen Mobilität geknüpft.

Auch in Deutschland findet dieser Richtungswechsel und die Abkehr von der versorgenden Arbeitsmarktpolitik und die Stärkung der Eigenverantwortung in Fachkreisen fast ungeteilte Zustimmung. Allerdings findet sich diese Philosophie noch nicht durchgängig im arbeitsmarktpolitischen Regelwerk. Laut einem vom dänischen Finanzministerium entwickelten Indikator werden Teilnehmer in Deutschland kaum in die Pflicht genommen.

Die folgenden Ausführungen verstehen sich auch als ein Schritt, diesem Gegenseitigkeits-Prinzip mehr Geltung zu verschaffen.

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2. Empfehlungen für eine effektivere Arbeitsmarktpolitik

Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente besser abstimmen

Geringste Kosten mit monatlich 500,- DM, mit 60-80% eine hohe Integra-tionsquote – der seit 1997 existierende Eingliederungsvertrag müsste ein Renner sein. Doch dem ist nicht so, lediglich 4.500 Verträge wurden in den letzten drei Jahren abgeschlossen. Denn die Förderinstrumente sind schlecht aufeinander abgestimmt. So kann nach 6-monatiger Arbeitslosigkeit nicht nur der gerade einmal 500,- DM teure Eingliederungsvertrag eingesetzt werden, sondern auch der für Arbeitgeber ungleich attraktivere Lohnkostenzuschuss von 1.937,- DM (SAM) (siehe Graphik 1). Die starre Instrumentenauswahl nach Dauer der Arbeitslosigkeit macht keinen Sinn und führt häufig zur Verschwendung öffentlicher Mittel. Fachleute sind sich einig, dass der Einsatz der Instrumente nach Effizienz- und Effektivitätskriterien erfolgen muss. Bei geringem Verbleibsrisiko sollten kostengünstige und arbeitsmarktnahe Instrumente eingesetzt werden (Eingliederungsvertrag, Kurzqualifizierung, ...), bei höheren Risiken die teuren und/oder arbeitsmarktferneren Instrumente (ABM, SAM, ...) (siehe Graphik 2).

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Graphik 1

TM – Trainingsmaßnahme; SAM – Strukturanpassungsmaßnahme; EV – Eingliederungsvertrag; ABM – Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

Graphik 2

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Durch „Profiling„ Risiken und Handlungsbedarf erkennen

Heute müssen wir bei einem ungelernten, körperlich beeinträchtigten Mitvierziger 12 Monate beim Verfall von Motivation und Wissen zusehen, bevor wir ausreichende Geldmittel, beispielsweise für einen Lohnkosten-zuschuss oder für ABM, haben. Bei derart offensichtlichen Risiken böte eine frühzeitige Diagnose die Chance, eher die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Die Niederlande und die USA haben sehr positive Erfahrungen mit einem Expertensystem, mit dessen Hilfe sich die Wahrscheinlichkeit abschätzen lässt, ob eine Person langzeitarbeitslos wird. Dabei werden persönliche Risikofaktoren (geringe Qualifikation, Behinderung, fehlende Sprachkenntnisse, Alter, ohne Schulabschluss etc.) und regionale Arbeitsmarktfaktoren sofort bei der Arbeitslosmeldung erhoben und – bei Vorliegen entsprechender Risiken – umgehend die notwendigen Maßnahmen ergriffen. Erste Evaluierungen zeigen eine verkürzte Arbeitslosigkeit und höhere Einkommen bei den vormals Arbeitslosen sowie geringere Arbeitslosengeldzahlungen und ein breiteres Spektrum an Integrationsdienstleistungen bei den Vermittlungsinstanzen.

Der Ablauf im einzelnen:

  1. Bei Arbeitslosmeldung erfolgt zuerst eine Diagnose mit Abschätzung des Verbleibsrisikos.

  2. Die Einstufung in eine bestimmte Risikogruppe bestimmt die Budgets.

  3. Der Berater/Vermittler entscheidet, für welche Instrumente er die Gelder verwendet. Diagnose/Einstufung und Maßnahmedurchführung dürfen nicht in einer Hand liegen.

Dann bestimmen die Integrationshindernisse des jeweiligen Arbeitslosen über den Instrumenteneinsatz – und nicht die Dauer der Arbeitslosigkeit. Mit Profiling setzt die Hilfestellung dann ein, wenn es im Einzelfall sinnvoll ist. Damit würde auch das Ausmaß der Mitnahmeeffekte begrenzt, da die Förderung nun hauptsächlich Arbeitsuchenden zugute kommt, die aus eigener Kraft offensichtlich keine neue Anstellung finden. Insoweit werden die Finanzmittel effizient eingesetzt. Daher wird empfohlen, den Zugang zu Arbeitsmarktprogrammen an den individuellen Risiken zu orientieren.

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Arbeitslose zu Mitverantwortlichen machen – Arbeitssuch-Vertrag

Wer ist dafür verantwortlich, dass Arbeitslose eine neue Beschäftigung finden? Das Arbeitsamt! Diese unsinnige Ansicht findet sich noch allzu häufig. An die Eigenverantwortung der Arbeitslosen denkt kaum jemand. Dabei sollte dieser das größte Interesse an einer neuen Beschäftigung haben, entsprechende Suchaktivitäten per Zeitung, Internet, Jobbörsen starten und sich möglichst oft bewerben. Doch darauf wird von Beraterseite eher nebenbei und routinemäßig hingewiesen – geschweige denn, dass die Eigenmotivation gezielt gefördert würde. Als wäre die Motivation des Arbeitslosen nicht eine der wichtigsten Aspekte bei der Stellensuche. Jedes Unternehmen weiß um die Bedeutung der soft skills – Motivationsförderung ist daher ein Schlüssel zum Erfolg. Die britische und die niederländische Arbeitsmarktpolitik setzen hier auf europäischer Ebene Maßstäbe: Zu Beginn der Arbeitslosigkeit setzen Arbeitsberater und Arbeitsloser mit einem „Arbeitssuch-Vertrag„ verbindlich fest, welche konkreten Schritte von beiden Seiten getan werden, um einen raschen Integrationserfolg zu erzielen. Diese Zielvereinbarung mit Maßnahmenkatalog und Zeitplan macht transparent, wer wann was tun wird, um eine geeignete Beschäftigung zu erreichen. Der „Beamte des Arbeitsamtes„ wird zum Coach und Integrationshelfer, die Verantwortung liegt in erster Linie beim Betroffenen!

Übergang in reguläre Beschäftigung attraktiv machen

Dass Arbeitsmarktprogramme als Alternative zur Erwerbstätigkeit angesehen werden, hängt maßgeblich von der Höhe der Entlohnung in diesen Programmen ab. Zumindest die Zahlung von Tariflöhnen für Teilnehmer an Arbeitsmarktprogrammen sollte unter diesem Gesichtspunkt generell ausgeschlossen werden. Statt dessen sollte die Entlohnung die Arbeitslosenunterstützungsleistung nicht wesentlich übersteigen. Die vorgeschlagene Ausgestaltung wird gleichzeitig zu einer erhöhten Suchintensität der Maßnahmenteilnehmer führen, da der Anreiz zur Aufnahme einer regulären Beschäftigung – aufgrund der deutlichen Einkommensdifferenz – steigt.

Ein pragmatischer Vorschlag zur Implementierung einer geringeren Entlohnung könnte wie folgt aussehen: Der Maßnahmenträger bezahlt weiterhin den tarifvertraglich vereinbarten Stundenlohn, er bietet aber nur eine Teilzeitbeschäftigung an. Sobald das Produkt aus Arbeitszeit und Stundenlohn

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die Höhe der Arbeitslosenunterstützungsleistung erreicht, ist der Maßnahmenteilnehmer verpflichtet, seine freie Zeit auf die intensive Suche nach einer regulären Beschäftigung zu verwenden.

Eine besondere Problemkonstellation erleben wir z.Z. bei einigen Maßnahmen des Jugendsonderprogramms, wo bisher nicht ausbildungsfähige Jugendliche bisweilen einen Bruttolohn von DM 2.500,- erhalten – mit der Folge, dass diese Jugendlichen nicht mehr zu einer anschließenden Ausbildung mit Bezügen von DM 1.000,- zu motivieren sind. Die sicherlich sinnvolle Fortführung dieses Programms sollte hier dringend andere Regelungen treffen, da der Misserfolg quasi im Programm angelegt ist.

55jährige im Arbeitmarkt halten

Angesichts zurückgehender Arbeitslosigkeit, zunehmendem Facharbeitermangel und absehbaren Finanzierungsengpässen in der Rentenversicherung müssen wir umgehend aufhören, ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt zu komplementieren. In der Schweiz und Japan sind doppelt so viele Arbeitnehmer über 55 Jahren erwerbstätig, in Holland spezialisieren sich Zeitarbeitsunternehmen auf die Vermittlung über 65jähriger. Auch ist in Dänemark in der Frage der Frühverrentung ein Richtungswechsel vollzogen worden; Vorruhestandsprogramme wurden teilweise zurückgenommen bzw. schwerer zugänglich gemacht. Während in den 80er Jahren die politische Maxime darin bestand, das Arbeitskräftepotential durch Frühverrentung systematisch zur Entlastung des Arbeitsmarktes zu verkleinern, wird nun mit Hilfe einer Aktivierungsstrategie versucht, das Ausscheiden von Personen aus dem Erwerbsleben zu verhindern. Vorausschauende Politik beschäftigt sich heute mit dieser Frage – nicht erst, wenn in 5 Jahren der Fachkräftemangel volkswirtschaftliche Schäden verursacht.

Fachkräftemangel durch Höherqualifizierung mindern

Angesichts fehlender Fachkräfte und einem Heer an An- und Ungelernten ist mehr Unterstützung bei der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit nötig. Auch Arbeitnehmer sollten gefördert werden, wenn sie ihre Arbeitsmarktchancen verbessern wollen. Warum nicht Ungelernte in kurzen, gezielten Qualifizierungen für anspruchsvollere Aufgaben vorbereiten – ne-

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benbei werden deren alte Stellen frei für ungelernte Arbeitslose. Als innovatives arbeitsmarktpolitisches Instrument ist hier das schwedische Jobrotationsprogramm zu erwähnen. Durch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung bleiben normalerweise reguläre Arbeitsplätze temporär unbesetzt. An dieser Stelle setzt die schwedische Stellvertreterregelung an: Sie fördert einerseits die berufliche Weiterbildung durch die Gewährung eines Bildungszuschusses, und sie setzt mit Hilfe von Lohnkostenzuschüssen andererseits Anreize, vorübergehend einen Arbeitslosen anstelle des angestammten Mitarbeiters zu beschäftigen. Dabei kann die Höhe des staatlichen Zuschusses erhöht werden, wenn der Vertretungskraft eine qualifizierende Ausbildung angeboten wird. Das Jobrotationsprogramm bietet also den Unternehmen die Möglichkeit, in das Humankapital ihrer Mitarbeiter zu investieren, und die Arbeitslosen werden in die Lage versetzt, Arbeitserfahrung im regulären Arbeitsmarkt zu sammeln.

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3. Empfehlungen für institutionelle Reformen

Schon mit den Empfehlungen zum „Profiling„ und dem „Arbeitssuch-Vertrag„ sowie dem Plädoyer für eine Erfolgsorientierung und größeren Freiräumen für die Mitarbeiter in den Arbeitsämtern wurde indirekt die Reform der Institution „Arbeitsverwaltung„ angesprochen.

Von der Instrumenten- zur Erfolgsorientierung

In Deutschland gibt es eine ausgeprägte Instrumentenorientierung, die es zu überwinden gilt. Bei regional unterschiedlichen Arbeitsmarktstrukturen und stark individuell geprägten Problemkonstellationen ist ein flexibler und veränderbarer Baukasten erforderlich statt eines rigiden Instrumentensets mit Förderung der beruflichen Weiterbildung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Trainingsmaßnahme, Eingliederungsvertrag, Lohnkostenzuschuss, Strukturanpassungsmaßnahme etc., das für jeden Einzelfall seine Anwendung en detail regelt.

Was kümmert es, mit welchem Instrument die Integration gelingt – Hauptsache, der Arbeitslose hat wieder Arbeit, das Unternehmen den gesuchten Mitarbeiter sowie Politik und Verwaltung einen Arbeitslosen weniger. Eine eindeutige Zielsetzung braucht keine dezidierten Verfahrensvorschriften,

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wie das Ziel zu erreichen ist. Jedes halbwegs erfolgreiche Unternehmen hat mittlerweile erkannt, wie wichtig die Kreativität ihrer Mitarbeiter bei der Entwicklung von Lösungen ist. Und Kreativität braucht Freiräume! Eine klare Zielvereinbarung auf der Basis eines gemeinsamen Wertekanons und verbunden mit entsprechenden Leistungsanreizen (auch finanziellen!) für die Berater/Vermittler, die Integration mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen, ist hierbei der geeignetste Weg. Ob Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aufgrund ihrer geringen Effektivität eingeschränkt werden sollten, interessiert daher nicht. In einem gut funktionierenden System setzen sich die effektiven und effizienten Instrumente durch. Außerdem darf der Erfolg nicht wie bisher an einer Verbleibsquote gemessen werden, die auch Teilnehmer der nächsten Maßnahme und diejenigen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, einschließt – eben alle, die nach 6 Monaten nicht mehr arbeitslos gemeldet sind.

Die Dezentralisierung vorantreiben

Mit der Neufassung des SGB III wurde auch die Reform der Organisa-tionsstrukturen innerhalb der Arbeitsverwaltung vorangebracht. Um den Erfordernissen der lokalen Arbeitsmärkte besser gerecht zu werden, wurden die Zuständigkeiten dezentralisiert. Die Arbeitsämter haben mit den „Experimentiertöpfen„ nach § 10 SGB III nun eine größere Autonomie bei der Implementierung von Arbeitsmarktprogrammen.

Auf politischer Ebene gilt es, die Programmverantwortung deutlich weiter zu dezentralisieren, um problemnahe Maßnahmen entwickeln zu können. Erfolgsorientiertes Handeln der örtlichen Arbeitsämter erfordert erweiterte Entscheidungsbefugnisse der Programmumsetzer. Diese müssen durch entsprechende Anreize an den Kosten wie am Erfolg der Maßnahmen beteiligt werden. Die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit wäre zukünftig die zentrale Controlling-Instanz – also nicht weniger wichtig, sondern schlicht mit anderen Aufgaben betraut. Sie würde mit den Programmumsetzern Ziele, Erfolgsmaßstäbe und Anreizmechanismen aushandeln, überprüfen und regelmäßig dokumentieren.

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Die Kooperation mit regionalen Arbeitsmarktpartnern ausweiten

Eine erfolgsorientierte Arbeitsmarktpolitik wird die Kooperation mit allen Institutionen ausbauen, die bei der Integration von Arbeitslosen behilflich sein können. Bisher sind Kooperationsvereinbarungen von Arbeits- und Sozialämtern, Schuldnerberatungen etc. die Ausnahme – obwohl ohne ganzheitlichen Lösungsansatz, der finanzielle, familiäre, Wohnungs-, Kinderbetreuungs- und Suchtprobleme einschließt, Wiedereingliederung unmöglich ist.

In Dänemark wurde die zentrale, regelgebundene Durchführung der aktiven Arbeitsmarktpolitik abgeschafft. Sie verhinderte zum einen, flexibel auf Bedürfnisse des einzelnen Arbeitslosen eingehen zu können, und sie bedeutete zum anderen, den Anforderungen des lokalen Arbeitsmarktes nicht ausreichend Rechnung tragen zu können. An ihre Stelle trat eine dezentrale Organisationsstruktur: Landesweit bestehen gegenwärtig 14 regionale Arbeitsmarkträte, die für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich festlegen, welche Zielgruppen besonders angesprochen und welche Projekte speziell gefördert werden sollen. Das Wissen der lokalen Akteure (z. B. Kommunen und Sozialpartner) wird bei der Implementierung von Maßnahmen berücksichtigt, da sie in den Arbeitsmarkträten repräsentiert sind.

Wettbewerb mit/zwischen regionalen Arbeitsmarktpartnern fördern

Das Pendant zu mehr regionaler Kooperation ist die Förderung des Wettbewerbs. Dazu gehört auch, sich auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren und spezialisierte Dienstleistungen extern auszuschreiben. Auch hier sollte eine strenge Erfolgsorientierung mit entsprechenden Anreizen selbstverständlich sein. Träger und Dienstleister werden an ihren Ergebnissen gemessen. Langfristig werden alle Träger einen kontinuierlichen Anreiz zur Verbesserung ihres Angebotes haben.

Der Wettbewerb darf aber auch vor den Arbeitsämtern nicht halt machen. Bei einer Großorganisation mit Monopolstellung, die zudem noch dem öffentlichen Dienstrecht unterliegt, sind die Beharrungs- und Erstarrungsanreize doch zu ausgeprägt. Arbeitsmarktpolitik sollte auch für private Organisationen geöffnet werden, wie es in anderen Ländern mit viel Erfolg betrieben wird. Vielleicht entstehen dann auch bei uns für die Durchführung

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bestimmter Programme innovative Joint-Ventures von Zeitarbeitsunternehmen (mit gutem Kontakt zu Arbeitgebern), Unternehmensberatern (mit Management-know-how) und Beratungsgesellschaften (mit Zielgruppen-Zugang). Konkurrenz zur Arbeitsverwaltung belebt sicherlich deutlich deren Innovationskraft – ansonsten wird das Image der Arbeitsverwaltung sich weiter verschlechtern und die Forderungen nach einer aggressiven Privatisierung lauter.

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4. Fazit

Das deutsche System stellt sich insgesamt als vergleichsweise zentralistisch organisiert, schwer überschaubar und entsprechend unflexibel in der Praxis dar. Auch wenn kein einzelner Maßnahmetyp, eine bestimmte Organisationsform oder gar die beschäftigungspolitische Gesamtstrategie den Königsweg aus der Arbeitslosigkeit markiert, so kristallisieren sich als Quintessenz doch einige klare Kriterien für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik heraus:

Auf der operativen Ebene zeigt sich zunächst, dass die „klassische„ Beratung und Vermittlung überdurchschnittlich erfolgreich ist und daher intensiviert werden sollte. Insbesondere eine frühzeitige Diagnose ist angezeigt. Zumal diese Maßnahmen aus ordnungspolitischer Sicht mit einer niedrigen Eingriffsintensität verbunden sind und daher kaum negative Sekundärwirkungen hervorrufen. Unabhängig davon ist aber bei der Ausgestaltung von Maßnahmen grundsätzlich darauf zu achten, dass die Instrumente besser aufeinander abgestimmt sind, die Eigenverantwortung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen gestärkt und bei Vergütungen das Lohnabstandsgebot gewahrt wird.

Zukünftig wird bei sinkenden Arbeitslosenzahlen und steigenden Finanzierungsrisiken in der Sozialversicherung die Ausweitung des Arbeitskräfteangebots erforderlich sein. Einer weiteren „Aussteuerung„ älterer Arbeitnehmer sollte daher baldmöglichst Einhalt geboten werden. Zugleich gilt es, dem qualifikatorischen mismatch entgegenzuwirken und die Beschäftigungsfähigkeit auch der zur Zeit Beschäftigten zu fördern.

Die notwendigen institutionellen Reformen werden sicherlich einen politischen Kraftakt erfordern – sie versprechen allerdings den größten

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Nutzen. Langfristig muss die Arbeitsmarktpolitik und mit ihr die Arbeitsverwaltung dezentraler und erfolgsorientiert gesteuert werden. Mehr Wettbewerb durch private Anbieter wird die Bundesanstalt bei ihren Umstrukturierungen unterstützen und sie gleichsam motivieren, die Kooperation mit regionalen Akteuren zu intensivieren.

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Literaturempfehlungen

Download/Bestellung: www.stiftung-bertelsmann.de/publika/programm/

Internationales Beschäftigungs-Ranking 2000, Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2000, 294 Seiten, Broschur, DM 40,- / öS 292,- / sFr 37,-, ISBN 3-89204-510-0

Mit aktiver Arbeitsmarktpolitik aus der Beschäftigungsmisere?, Ansätze und Erfahrungen in Großbritannien, Dänemark, Schweden und Deutschland, Martin Kröger, Ulrich van Suntum, 2. Auflage 2000, 232 Seiten, Broschur, DM 25,- / öS 182,- / sFr 23,-, ISBN 3-89204-443-0

Stellenbesetzungsprobleme trotz hoher Arbeitslosigkeit im Bereich des Arbeitsamtes Bielefeld/Gütersloh, Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Hans-Peter Klös, Franz Egle, 1999, 204 Seiten, Broschur, kostenlos, ISBN 3-89204-161-X

Beschäftigungsorientierte Sozialpolitik in Kommunen, Strategien zur Integration von Sozialhilfeempfängern in das Erwerbsleben, Stefan Empter, Frank Frick (Hrsg.), 2. überarbeitete Auflage 2000, 184 Seiten, Broschur, kostenlos, ISBN 3-89204-168-7

Kooperation statt Konkurrenz, Studie über die Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern, Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), 2000, 164 Seiten, Broschur, kostenlos, ISBN 3-89204-523-2


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