c Impulse für die Arbeitsmarktpolitik. - Teil 8
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[Seite der Druckausg.: 55]


Klaus Clausnitzer
Modernisierung der Arbeitsmarktpolitik –
Modernisierung der Arbeitsverwaltung


Modernisierung heißt Orientierung der Arbeitsmarktpolitik an den Erfordernissen des wettbewerbsbestimmten Arbeitsmarktes durch dezentrale und flexible Entscheidungen. Dabei sind stärkere Effektivität und Zielgruppenorientierung des Mitteleinsatzes auszubalancieren.

Mit der Neufassung des Arbeitsförderungsrechts im Sozialgesetzbuch (SGB III) ist eine Vereinfachung des Rechts und vor allem mehr Handlungsspielraum auf der örtlichen Ebene der Arbeitsämter verbunden. Sie bildet die Basis für den Reformprozess „Arbeitsamt 2000„.

Verstetigung bedeutet vor allem eine längerfristige Gewährleistung der finanziellen Basis für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Damit werden den Arbeitsämtern verlässliche Perspektiven für einen optimierten Einsatz arbeitsmarkpolitischer Instrumente gegeben. Angesichts der nach wie vor viel zu hohen Arbeitslosigkeit insbesondere in den neuen Ländern ist diese Perspektive für die aktive Arbeitsmarktpolitik auf absehbare Zeit unerlässlich.

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Dezentralisierung

Mit Hilfe eines Arbeitsmarktindikators, der die regional unterschiedliche Arbeitsmarktlage erfasst, werden den Arbeitsämtern die Finanzmittel in Form eines Eingliederungstitels ohne jegliche Aufteilungsvorgaben zugeteilt. Zuständig für den konkreten Mitteleinsatz vor Ort sind die Arbeitsämter und deren Verwaltungsausschüsse, die auf der Grundlage einer erleichterten Haushaltswirtschaft deutlich mehr Handlungsspielraum erhalten haben. Die Verlagerung von mehr Entscheidungskompetenz vor Ort wird von den regionalen Akteuren positiv bewertet. Ebenso verhält es sich beim Umgang mit dem Eingliederungstitel. Es wird begrüßt, dass die Mittelumschichtung zwischen den im Eingliederungstitel enthaltenen Instrumenten möglich ist. So können kurzfristig, bezogen auf die regionale Arbeitsmarktentwicklung, Veränderungen vorgenommen werden.

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Flexibilisierung

Die Arbeitsämter verfügen über größere Gestaltungsspielräume, um innovative Instrumente einzusetzen. Bis zu zehn % der im Eingliederungstitel enthaltenen Mittel für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung können für neue Modelle in der Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik verwendet werden. Diese Leistung ist vorrangig als Vermittlungshilfe für den wettbewerbsbestimmten Arbeitsmarkt gedacht. Die Arbeitsämter in Berlin und Brandenburg nutzen diese Förderung als Experimentierfeld für neue Ideen. Dazu gehören u.a. Integrationsagenturen zur beruflichen Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den 1. Arbeitsmarkt, Unterstützung individueller Eingliederungspläne, passgenaue Qualifizierung bei vorliegendem Arbeitsplatzangebot und Förderung der Umwandlung von Überstunden in Arbeitsplätze für arbeitslose Arbeitnehmer. Die Freie Förderung wird zunehmend in Anspruch genommen. 1999 wurden 311.000 Personen gefördert; dies sind mehr als doppelt soviel wie im Vorjahr.

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Mehr Transparenz, Effizienz und Effektivität durch Eingliederungsbilanzen

Jedes Arbeitsamt erstellt seit 1998 nach Abschluss eines Haushaltsjahres eine Eingliederungsbilanz über den Erfolg der Eingliederungsinstrumente. Unterjährige Zwischenergebnisse sind Bestandteile eines Monitoring-Systems und tragen zur verbesserten Planung und Steuerung des Instrumentariums bei.

Mit der Entwicklung der Eingliederungsbilanzen und eines übergreifenden Controllingsystems auf allen drei Ebenen der Arbeitsverwaltung wird die Zielerreichung stärker operationalisierbar. Um die Möglichkeiten des Eingliederungstitels optimal zu nutzen, ist es notwendig, die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen weiter zu verbessern und das „Spartendenken„, soweit es noch nicht geschehen ist, zu überwinden. Der verantwortliche Umgang mit dem Eingliederungstitel erfordert eine ungleich höhere Flexibilität und Verantwortlichkeit.

[Seite der Druckausg.: 57]

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Zielgruppen berücksichtigen

Das SGB III stellt den Grundsatz auf, dass die Erfolgsaussichten einer Eingliederung maßgebend für die Maßnahmeart der aktiven Arbeitsförderung sein sollten. Dies darf aber nicht dazu führen, dass Arbeitslose, die einer besonderen Förderung bedürfen, um wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben, in den Hintergrund treten. Deshalb schreibt das Gesetz vor, dass die besonders förderungsbedürftigen Personengruppen - Langzeitarbeitslose, Schwerbehinderte, Ältere mit Vermittlungserschwernissen usw. - hinsichtlich des Anteils an den Arbeitslosen angemessen vertreten sein sollen. Die Unterbringung eines älteren Langzeitarbeitslosen ist sehr viel schwieriger als die eines jungen kurzfristig Arbeitslosen. Eine frühzeitige Eingliederung von Personen mit hohem Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit (durch sog. Profiling) vermeidet am besten die Entstehung von hohen finanziellen Kosten für die Sozialversicherungen und sozialen Belastungen der Gesellschaft.

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Modernisierung der Arbeitsverwaltung: Reformkonzept Arbeitsamt 2000

Die BA ist bestrebt, stärker als bisher auf die Erwartungen ihrer Kunden und Kooperationspartner einzugehen. Die Attraktivität des Dienstleistungsangebots soll dadurch erhöht werden, dass die Anliegen der Kunden schnell, unbürokratisch und qualitativ gut erledigt werden. Gefragt sind Dienstleistungen, die der Kunde ortsnah, flexibel und aus einer Hand in Anspruch nehmen kann und bei dem auch dem zunehmendem Bedürfnis nach Selbstinformation Rechnung getragen wird.

Im Mittelpunkt der Konzeption „Arbeitsamt 2000„ steht der Übergang von der gegenwärtig nach Abteilungen gegliederten Organisationsform hin zu kundenorientierten Mitarbeiter-Teams. Innerhalb der Arbeitsämter erreichen wir damit, dass der Kunde i.d.R. nur noch einen Ansprechpartner hat. Das heißt konkret, dass alle Dienstleistungen der BA, von der Information und Beratung über die Vermittlung und arbeitsmarktpolitische Förderung bis hin zur Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. -hilfe von einem Team angeboten werden.

[Seite der Druckausg.: 58]

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Weiterentwicklung der Vermittlungs- und Beratungsdienste

Die BA ist keine „Arbeitslosenanstalt„, sondern eine Einrichtung, die sowohl nach eigenem Selbstverständnis als auch nach Auffassung des Gesetzgebers sehr viel breiter angelegte Aufgaben hat und intensivere Aktivitäten entwickelt. Die Unterstützung von Arbeitslosen ist im Wege mehrstufiger Eingliederungspfade durch individuelle Beratung und fortlaufende Eingliederungsbemühungen zu verstärken. Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Hilfen zur quantitativen Erhöhung und auch qualitative Verbesserung von Beschäftigung sind weniger bekannt und werden den Betrieben z. B. im sog. Angebotskonzept offeriert. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ist entscheidend, den Wechsel auf einen neuen Arbeitsplatz direkt aus Beschäftigung heraus zu fördern und die eine Wiederbeschäftigung behindernde Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

In den letzten Jahren haben sich die herkömmlichen Strukturen von Erwerbsarbeit verändert. Eine lebenslange Beschäftigung bei einem Arbeitgeber ist zum Ausnahmefall geworden. Eher werden sich die Erwerbsphasen abwechseln zwischen Perioden abhängiger Beschäftigung, Selbständigkeit, Vollzeitarbeit, Teilzeitarbeit, Projektarbeit, Qualifizierungsperioden und Arbeitslosigkeit. Dies erfordert ergänzende und neue Akzente im Bereich „Vermittlung und Beratung„. Ziel ist es, die kompetente Instanz für alle Fragen der Erwerbstätigkeit zu werden.

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Der Niedriglohnsektor als Schnittstelle von Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik

Um die Beschäftigungschancen im Bereich der einfachen personen- und haushaltsbezogenen Dienstleistungen zu erhöhen, werden in Deutschland verschiedene Ansätze der Subventionierung niedriger Löhne unter dem Stichwort „Niedriglohnsektor„ diskutiert. In diesem Zusammenhang hat das von der Bundesregierung initiierte „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit„ die Diskussion um die Verbesserung von Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte im Niedriglohnbereich belebt. Gemeinsam ist den diskutierten Modellen eine Konzentration auf den „ersten„ Arbeitsmarkt. Weiter wird in Rechnung gestellt, dass eine niedrig entlohnte Arbeit häufig Gelegenheit für einen Übergang in höherwertige Beschäftigung bietet.

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Das Bündnis für Arbeit schlägt zwei Modelle zur Erprobung vor: a) „Modellversuch zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze für Geringqualifizierte„ der Gemeinschaftsinitiative Saar (SGI) und b) „Mainzer Modell für Beschäftigung und Familienförderung„ (Mainzer Modell). Die Modellvorhaben sollen in je einem ost- und westdeutschen Bundesland in ausgewählten Arbeitsmarktregionen erprobt werden und drei Jahre laufen (wobei die individuelle Förderdauer der Projektteilnehmer 18 Monate nicht überschreiten soll). In Brandenburg laufen derzeit die Vorbereitungen für die Erprobung des Mainzer Modells in einem noch auszuwählenden Arbeitsamtsbezirk.

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Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Arbeits- und Sozialämtern

Arbeitsämter und Sozialhilfeträger bündeln ihre Ressourcen und stimmen sie stärker aufeinander ab, um die Effektivität der gemeinsamen Beschäftigungsförderung zu erhöhen. Dritte können im Auftrag der Arbeitsämter und Sozialhilfeträger arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger bei der Eingliederung in Arbeit unterstützen. Die Erfahrungsberichte zeigen eine große Bandbreite praktizierter Kooperationen zwischen Arbeitsamt und Sozialamt.

In Berlin gründeten die bezirkliche Sozialverwaltung, die Senatsverwaltung für Arbeit und das regional zuständige Arbeitsamt z. B. die regionale Beschäftigungsagentur „StellWerk„. Personelle Grundlage der Beschäftigungsagentur ist eine vom Arbeitsamt bewilligte ABM mit einer ergänzenden Finanzierung der Senatsverwaltung für Arbeit. Die Agentur berät in erster Linie alle arbeitsfähigen und über 18jährigen, die erstmals einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, und sucht für sie Wege zur Wieder-eingliederung ins Erwerbsleben. Seit November 1998 haben entsprechend einer Vereinbarung mit Träger und dem Bezirksamt zwei Mitarbeiterinnen des Arbeitsamtes ihren Arbeitsplatz in den Räumen von „StellWerk„ und sind Ansprechpartner für die hier beratenen Sozialhilfeempfänger.

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Förderungsschwerpunkt selbständige Erwerbstätigkeit

Neben der Arbeitsvermittlung, der Vermittlung von Arbeitslosen mit Lohnkostenzuschüssen in Betriebe und der Qualifizierung (zuletzt auch verstärkt

[Seite der Druckausg.: 60]

im IT-Bereich) bauen die Arbeitsämter immer öfter Brücken in die Selbständigkeit: Das seit 1986 gezahlte Überbrückungsgeld für Arbeitslose, die sich selbständig machen wollen, wurde im letzten Jahr über 98.000 mal bewilligt, fast 1,5 Milliarden DM hierfür ausgegeben. Seit 1986 sind insgesamt 610.000 Existenzgründungswillige mit einem Gesamtaufwand von 6,4 Milliarden DM gefördert worden.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung führt seit Frühjahr 1995 eine Längsschnittuntersuchung zur Wirksamkeit des Überbrückungsgeldes durch. Demnach waren drei Jahre nach der Existenzgründung 70 % der Geförderten auch weiterhin als Selbständige tätig, nur 11 % der Existenzgründer waren nach diesem Zeitraum wieder arbeitslos gemeldet. Die Existenzgründer haben auch in erheblichem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen. Rechnerisch entfiel auf jeden geförderten und nach drei Jahren noch selbständigen Existenzgründer ein neuer Mitarbeiter.

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Stärkere Verzahnung der Arbeitsmarktpolitik mit Mitteln anderer Fachressorts

Mit zunehmender Dauer der Beschäftigungskrise ist deutlich geworden, dass Arbeitsmarktpolitik allein das Arbeitsplatzdefizit nicht beseitigen kann. Zur Lösung des Beschäftigungsproblems gibt es kein Patentrezept aus einem Guss - das folgt schon aus der Dimension der Arbeitslosigkeit und ihrer Finanzierungslast. Die Verzahnung investiver Arbeitsmarktpolitik mit regionaler Strukturpolitik zielt einerseits auf kurzfristige Entlastungseffekte durch Beschäftigungsförderung und langfristig auf Unterstützung unabweisbarer Investitionserfordernisse.

Über die traditionell flankierende Rolle der Arbeitsmarktpolitik hinaus ging es zunehmend auch darum, mit Mitteln der Arbeitsförderung den Wirtschaftsaufschwung direkt zu fördern und zu unterstützen. Durch eine intensivere Kooperation mit dem Land Brandenburg soll eine Bündelung beschäftigungswirksamer Landespolitik mit Mitteln der Arbeitsförderung erreicht werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001

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