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Ruth Brandherm
Zusammenfassung


Die Reform der Arbeitsmarktpolitik steht in Deutschland auf der politischen Agenda. Hierzu liefern die vorliegenden Beiträge Anregungen und Impulse.

Frankreich gehört zu den Ländern der EU, die als sehr erfolgreich im Hinblick auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelten. Dietrich Hoss beleuchtet die besonderen Rahmenbedingungen der französischen Beschäftigungs- und Sozialpolitik - ein zentralistischer, starker Staat, schwache Sozialpartner sowie ein ausdifferenzierter Non-profit-Sektor –, stellt wichtige politische Initiativen vor und zieht eine vorläufige Bilanz. Die Regierung Jospin hat neben der Einführung der 35-Stunden Woche bis zum Jahr 2002 u.a. neue Maßnahmen für ein Jugendbeschäftigungsprogramm und das Gesetz gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung und für die Förderung der Solidarwirtschaft initiiert. Im Jugendbeschäftigungsprogramm wurden bis Februar 2000 beispielsweise 236.000 Arbeitsplätze geschaffen. Ca. 1 Millionen Menschen, vor allem Langzeitarbeitslose in Problemstadtteilen, haben durch Maßnahmen gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung individuelle Hilfestellungen und Beschäftigung in sog. Eingliederungsunternehmen erhalten. Durch die Zusammenführung von lokalen Aktivitäten und freiwilligem Engagement mit staatlichen Maßnahmen soll die Wirkung der Maßnahmen verbessert werden. Die geplante Reform der Arbeitslosenunterstützung wird in Frankreich kontrovers diskutiert.

Die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Entwicklung der Niederlande seit den 80er Jahren liest sich wie eine Erfolgsstory. Ellen van Doorne stellt das Poldermodell vor und geht besonders auf die Beschäftigungsentwicklung ein. Anfang der 80er Jahre befanden sich die Niederlande in einer schweren Krise: Tiefe Rezession, hohe Staatsverschuldung und eine Arbeitslosenquote von 11 % führten Regierung und Sozialpartner zum gemeinsamen Handeln. Man verständigte sich darauf, dass für eine strukturelle Verbesserung der Beschäftigungslage die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Wachstums, ein stabiles Preisniveau und die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen durch die Verbesserung der Ertragslage nötig waren. Die vereinbarten sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnah-

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men wurden für mehrere Jahre festgeschrieben. Die Tarifpartner verständigten sich auf eine Begrenzung der Lohnsteigerungen. In den Niederlanden konnte durch die Flexibilisierung der Arbeit und die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung die Frauenerwerbstätigkeit deutlich gesteigert und die Arbeitslosigkeit verringert werden. Inzwischen liegt die Arbeitslosigkeit bei 3 %, und es gibt mittlerweile einen Mangel vor allem an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Die neueren gesetzlichen Maßnahmen zur Flexibilität und Sicherheit regeln u.a. die Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer. Ellen van Doorne betont, dass an der Schwelle zur wissensintensiven Gesellschaft das Poldermodell der Niederlande sich den neuen Herausforderungen stellen muss und hier der Erfahrungsaustausch in der EU hilfreich ist.

Die Fortentwicklung der gemeinsamen europäischen Beschäftigungsstrategie zum europäischen Beschäftigungspakt ist ein wichtiger Schritt, um die Mitgliedstaaten der EU im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Adi Ostertag skizziert die wesentlichen Elemente einer Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Die vier Säulen der beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU liefern hierzu wichtige Orientierungen. Der Präventivcharakter der Arbeitsmarktpolitik soll gestärkt, eine bessere Vermittlung in den Arbeitsmarkt stattfinden und Langzeitarbeitslosigkeit vermieden werden. Diese Politik setzt dabei auch auf die Eigeninitiative und das Engagement der Arbeitssuchenden. Die Anstrengungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sind erfolgreich, und das langfristig angelegte Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit zeigt auf dem Arbeitsmarkt Wirkung. Die Bundesregierung hat die finanzielle Basis für die Arbeitsmarktpolitik gestärkt und den Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgeweitet. Die Verknüpfung mit anderen Politikfeldern, die Dezentralisierung der Arbeitsverwaltung und die stärkere Einbindung der regionalen Akteure müssen gestärkt und die Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verbessert werden.

Durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wird seit Beginn der 90er Jahre der Prozess der Deutschen Einheit sozial flankiert. Nach Auffassung von Gerd Andres ist deshalb die Beurteilung ihres Erfolgs allein an der Quote der Eingliederung in die reguläre Beschäftigung unzureichend. Die zukünftigen Herausforderungen – Abbau der Arbeitslosigkeit, Anpassung an veränderte Qualifikationsanforderungen, Verringerung und Alte-

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rung der Erwerbsbevölkerung und beizutragen zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in den neuen Ländern – können jedoch nicht allein durch die Arbeitsmarktpolitik gelöst werden. Vielmehr sind Maßnahmen in den verschiedenen Politikfeldern und ein Konsens der gesellschaftlichen Akteure erforderlich. Die Bundesregierung hat eine Verstetigung der Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau beschlossen und wird im Rahmen der geplanten Reform des Arbeitsförderungsrechts neue Akzente setzen. Gerd Andres erörtert am dänischen Beispiel „Job-Rotation„ und am niederländischen „Profiling„, dass ein Blick über die Grenzen nützlich sein kann.

Gabriele Schöttler stellt die Grundzüge der Berliner Arbeitsmarktpolitik vor und erläutert, wie Konzepte und Impulse der europäischen Union im Bereich der Beschäftigungspolitik umgesetzt werden. Berlin betreibt seit etwa 10 Jahren eine regionalisierte, auf die lokalen Bedürfnisse bezogene Arbeitsmarktpolitik, die auf einem arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramm basiert. Die Grundsätze für die Berliner Arbeitsmarktpolitik haben durch die europäische Beschäftigungspolitik vielfältige Anregungen erfahren. Noch weiter reicht der Vorschlag, eine Modellregion Berlin-Brandenburg zu entwickeln. Das breite Spektrum von Gestaltungsaufgaben bietet auf der regionalen Ebene erhebliche Potentiale für Beschäftigung. Offen ist derzeit, wie die Städte von der fortschreitenden Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt betroffen sein werden.

Die Neufassung des Arbeitsförderungsrechts im SGB III war, dies führt Klaus Clausnitzer aus, mit Vereinfachungen und mehr Handlungsspielräumen für die Arbeitsämter vor Ort verbunden. Bis zu 10 % der Mittel im Eingliederungstitel können für neue Arbeitsmarktmodelle und Instrumente eingesetzt werden. Die Arbeitsämter in Berlin und Brandenburg nutzen dies, um neue Ideen und Ansätze, z.B. Unterstützung individueller Eingliederungspläne, passgenaue Qualifizierung für bestimmte Arbeitsplätze zu erproben. Das Reformkonzept „Arbeitsamt 2000„ zielt auf die Modernisierung der Arbeitsverwaltung. Durch die Schaffung von kundenorientierten Mitarbeiterteams soll das Angebot verbessert werden und der Kunde eine Dienstleistung aus einer Hand ortsnah und flexibel erhalten. Ziel ist es, als Arbeitsverwaltung die kompetente Instanz für alle Fragen der Erwerbstätigkeit zu werden. Neue Integrationsansätze werden z.B. im Hinblick auf die Beschäftigung von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen in Bran-

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denburg erprobt. Neben den traditionellen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik soll der Einsatz der Mittel Impulse für wirtschaftliche Entwicklungen in Berlin und Brandenburg geben.

Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz und Qualität der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik aus Sicht der Gewerkschaften stellt Johannes Jakob in seinen Thesen vor. Er wendet sich gegen eine Sichtweise, die den Erfolg arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen ausschließlich an Kosten- und Effizienzkriterien misst und Maßnahmen unabhängig von ihrem Kontext und der Zielgruppe beurteilt. Angesichts der Komplexität des Arbeitsmarktes ist die Integration in den ersten Arbeitsmarkt mit sehr unterschiedlichem Aufwand und nur durch besonders auf die jeweiligen Bedingungen abgestimmte Strategien zu erreichen. Durch die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die Arbeitsämter vor Ort kann eine größere Zielgenauigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen erreicht werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht sollte die aktive Arbeitsmarktpolitik verstetigt und die Bedingungen in den Arbeitsämtern für die Vermittlung verbessert werden. Auf einzelne arbeitsmarktpolitische Instrumente geht Johannes Jakob differenzierter ein. Zur besseren Steuerung der Arbeitsmarktpolitik ist ein umfassendes Controlling-Instrument erforderlich. Eingliederungsbilanzen sollen auch genutzt werden, um Optimierungsmöglichkeiten zu prüfen. Johannes Jakob plädiert dafür, zukünftig Arbeitsmarktbilanzen zu erstellen, die die Gesamtwirkung der Arbeit der Arbeitsämter auf den Arbeitsmarkt erfassen.

Aus unterschiedlichen Studien und handlungsorientierten Projekten der Bertelsmann-Stiftung leitet Frank Frick Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung des SGB III und für institutionelle Reformen ab. Integration in den ersten Arbeitsmarkt erfordert ein breites Spektrum an spezifischen Hilfsangeboten sowie die aktive Mitwirkung der Einzelnen. Frank Frick empfiehlt eine Intensivierung der Beratung und Vermittlung, eine bessere Abstimmung der Instrumente und den Einsatz von Verfahren, die es möglich machen, frühzeitig die je nach individuellen Risiken erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Stärkung der Eigenmotivation der Arbeitslosen bei der Arbeitsplatzsuche, eine Vergütung, die das Lohnabstandsgebot wahrt, sowie Maßnahmen, die die Beschäftigung von Älteren unterstützen und Qualifizierung verstärken, sind weitere Vorschläge. Die Empfehlungen für institutionelle Reformen zielen auf die Ausweitung der Handlungs- und

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Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter der Bundesanstalt und auf eine stärkere Ergebnis- und Erfolgsorientierung der Arbeit. Die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit sollte zu einer zentralen Controlling-Instanz entwickelt werden. Der Wettbewerb mit privaten Anbietern kann die Bundesanstalt bei ihrer Umstrukturierung unterstützen und die Kooperation zwischen den regionalen Arbeitsmarktakteuren verbessern.

Lebenslanges Lernen ist als Schlagwort in aller Munde. Vor einigen Jahren hat das BIBB einen ersten Vorschlag für eine Gesamtperspektive in der beruflichen Bildung vorgelegt, der eine stärkere Verzahnung von Aus- und Weiterbildung vorsieht. Edgar Sauter knüpft an die aktuelle Diskussion an, in der es u.a. um die Frage geht, durch welche Flexibilisierungsansätze eine Verbindung von Berufskonzept (Ausbildung) und Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit (Weiterbildung) erreicht werden kann. Als ein Instrument sowohl in der Aus- als auch in der Weiterbildung bieten sich Zusatzqualifikationen an. Auf einige Schwachpunkte der Weiterbildung geht Edgar Sauter näher ein. Kaum gesicherte Lernzeiten sind ein Haupthindernis, um lebensbegleitendes Lernen umzusetzen. Trotz Einigung der Sozialpartner wurde bisher ein System von bundeseinheitlichen Weiterbildungsberufen nicht realisiert. Die fehlende Transparenz und Qualitätssicherung auf dem Weiterbildungsmarkt erfordert zur besseren Orientierung der Nutzer eine Qualitätssicherung und kompetente Weiterbildungsberatung. Die Zertifizierung der in der Weiterbildung erworbenen Kenntnisse, die auch im Hinblick auf eine europaweite Vergleichbarkeit erforderlich ist, ist bisher nicht umgesetzt worden.

Karin Schober analysiert die Bedeutung des Konzepts „Beschäftigungsfähigkeit„, das in den Leitlinien der EU vor allem im Hinblick auf Langzeitarbeitslose und andere Benachteiligte auf dem Arbeitsmarkt verwendet wird, für die Integration Jugendlicher ins Erwerbsleben. Da in Deutschland der Zugang zum Beschäftigungssystem vielfach über eine duale Berufsausbildung erfolgt, stellt sich für Jugendliche nicht allein die Frage der Beschäftigungsfähigkeit, sondern auch der Ausbildungsfähigkeit. Dies wird in besonderer Weise von vorgelagerten Bildungs- und Sozialisationsprozessen beeinflusst, die dementsprechend in die Diskussion einbezogen werden müssen. Karin Schober schlägt vor, im allgemeinbildenden Schulwesen stärker die Anforderungen des Beschäftigungssystems zu berücksichtigen, um den Jugendlichen ein Verständnis für die Funktionsweise und die An-

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forderungen der Wirtschaft und der Arbeitswelt zu vermitteln. In der beruflichen Bildung greifen das Berufsbildungsgesetz und Ausbildungsordnungen Elemente des Konzepts bereits auf. Obwohl für die Berufsausbildung von Jugendlichen das Ziel „Ausbildung für alle„ Konsens ist, zeigt sich, dass es für alle Jugendlichen nicht auf dem gleichen Wege zu erreichen ist. Karin Schober widmet sich abschließend der Frage, wie Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit bei benachteiligten Jugendlichen erreicht werden kann, da etwa 10 % eines Altersjahrgangs dauerhaft ohne abgeschlossene Berufsausbildung bleibt.

Matthias Knuth beschreibt den wechselvollen Weg, den die Verzahnung von Arbeits- und Strukturpolitik nach der Deutschen Einheit vor allem in den neuen Bundesländern genommen hat, und kommt zu dem Schluss, dass die sog. „investive Arbeitsmarktpolitik„ ohne nachhaltige Wirkung geblieben ist. Er konstatiert ein konzeptionelles Vakuum der Strukturpolitik hinsichtlich der Frage, auf welchem Weg Innovation, Wachstum und Beschäftigung erreicht werden können. Seine These ist, dass es unter veränderten beschäftigungspolitischen Vorzeichen – vor allem in Westdeutschland – in den nächsten Jahren nicht mehr um Ersatzbeschäftigung für fehlende Arbeitsplätze geht, sondern vor allem um die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit für den Übergang in einen aufnahmefähigeren Arbeitsmarkt. Damit stellen sich für die Verknüpfung von Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik neue Fragen, u.a. nach zukünftig verwertbaren Qualifikationsprofilen und sinnvollen Einsatzfeldern. Für Matthias Knuth sind Innovationen in der Arbeitsmarktpolitik dringend erforderlich.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001

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