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TEILDOKUMENT:


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Hermann Groß
Verbreitung und Struktur von Arbeitszeitkonten


1. Einleitung

Arbeitszeitkontenmodelle sind in den letzten Jahren zu dem herausragenden Instrument der Arbeitszeitflexibilisierung avanciert. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit über ein Konto zu bewirtschaften, ist nicht neu. Im Rahmen von Gleitzeitarbeit werden Arbeitszeitkonten schon seit den 60er Jahren eingesetzt (Bauer/Groß/Schilling 1996). Mit der Umsetzung der seit 1984 vereinbarten Arbeitszeitverkürzungen in Form von Freie-Tage-Regelungen oder Freischichten erlangten Arbeitszeitkonten weitere Breitenwirkung. Für zusätzlichen Impuls sorgten die Altersteilzeitregelungen [ Bis zum Mai 1999 wurden nach dem Bericht des Bundesarbeitsministeriums über 250 Altersteilzeittarifverträge abgeschlossen (Schroth 1999).].

Diese Entwicklung zu variablen Arbeitszeitmustern hatte sich bereits 1984 angekündigt. Durch den sog. Leber-Kompromiß damals wurde in der Metall- und Druckindustrie das industrielle Zeitarrangement erneuert und, auf eine knappe Formel gebracht, ein Tausch von kürzeren gegen flexiblere und produktivere Arbeitszeiten vereinbart (Deutschmann/Schmiede/Schudlich 1987). Mit der Verlagerung der Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung auf die Ebene der Betriebe wurde der Grundstein für die betriebsspezifische Ausformulierung von Arbeitszeitkonten gelegt. Deren Kontextgebundenheit kommt in dem Fehlen einer einheitlichen Begrifflichkeit zum Ausdruck: „Flexi-Zeit", „Variable Arbeitszeit", „Arbeitszeitkorridor", „Arbeitszeitverschiebung", „Jahresarbeitszeit", „Bandbreitenmodelle", „amorphe Arbeitszeit", „Vertrauenszeit" sind ebenso viele wie verschiedene Termini für Arbeitszeitkonten (Klein-Schneider 1999; Klenner/Ochs/Seifert 1998; Linnenkohl u.a. 1996).

Die seit Mitte der 90er Jahre forciert in Angriff genommene Arbeitszeitflexibilisierung in den Betrieben führte zu einer verstärkten Implementation und Nutzung von Arbeitszeitkonten. Ein Indikator dafür ist die zunehmende Entkopplung der Arbeits- von den Betriebszeiten. Trotz Verkürzung der individuellen Arbeitszeiten sind die Betriebszeiten seit 1985 bis heute zum

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Teil stark ausgedehnt worden. Durch die verschiedenen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung vermögen die Betriebe heute die Betriebszeiten so fein zu steuern, dass sie an die jeweilige Kapazitätsauslastung relativ schnell angepasst werden können (Bauer u.a. 1998; Groß 1999). Dies geschieht nicht zuletzt mit Hilfe von Arbeitszeitkonten.

Durch Arbeitszeitkonten können Zeitguthaben und Zeitschulden (in einem festgelegten Umfang) gebildet werden. In einem Ausgleichszeitraum müssen diese Zeitguthaben und -schulden ausgeglichen werden. Maßstab für diesen Ausgleich ist ein in der Regel auf den Tag oder die Woche ausgerichteter, an den gesetzlichen Bestimmungen und/oder tariflichen Vereinbarungen orientierter Arbeitszeitstandard. Er sichert das Funktionieren von Arbeitszeitkonten auch bei Urlaub, Krankheit und Kur. Für den Fall, dass der Ausgleich in dem vorgesehenen Ausgleichszeitraum nicht gelingt, ist in der Regel durch „Warnsysteme" (Ampelkonto oder zweites Konto) dafür gesorgt, dass der Ausgleich langfristig doch zustande kommt. Durch Arbeitszeitkonten werden aufgrund dieses Zusammenspiels von Deregulierung und Reregulierung die Möglichkeiten beträchtlich ausgeweitet, die tägliche, wöchentliche und monatliche Arbeitszeit zu variieren. Arbeitszeitkonten unterscheiden sich im wesentlichen nach dem (hier idealtypisch skizzierten) Regulierungsrahmen und nach den Verfügungsrechten (die darüber entscheiden, wann und in welchem Umfang Zeitguthaben und -schulden gebildet werden können und wann das Guthaben von dem Konto „abgehoben" werden kann).

Die aus Arbeitszeitkonten resultierende Steigerung der Gestaltungsoptionen ermöglicht es den Unternehmen und Betrieben, Markt- und Produktionsbedingungen besser zu synchronisieren, Lieferzeiten zu verkürzen, Lagerhaltungskosten zu senken und (teure) Überstunden abzubauen, d.h., kostengünstiger und produktiver zu produzieren. Ähnlich wie Gleitzeitarbeit können Arbeitszeitkonten die Zeitsouveränität der Beschäftigten steigern, wenn der Regulierungsrahmen und die Verfügungsrechte entsprechend ausgestaltet sind. Kurzum, so ist die These: Arbeitszeitkonten revolutionieren das Arbeitszeitsystem. Sie lösen das bisherige Leitbild der Normalarbeitszeit ab und ersetzen es durch variable Arbeitszeitformen.

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2. Zur Ermittlung von Arbeitszeitkonten

Die folgenden Ausführungen basieren im wesentlichen auf einer 1999 durchgeführten repräsentativen Beschäftigtenbefragung des ISO zu Arbeitszeitformen und -wünschen [ Diese Befragung steht im Kontext einer durch das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium seit 1987 geförderten Berichterstattung des ISO zur Arbeits- und Betriebszeitentwicklung. Die mündliche Befragung erfolgte von Januar bis März 1999. Mit den Feldarbeiten war das Emnid-Institut in Bielefeld betraut. Auf der Grundlage eines 125 Fragen enthaltenden, weitgehend standardisierten Fragebogens wurden 4024 abhängig Beschäftigte deutscher Nationalität im Alter von 18 bis 65 Jahren zu Arbeitszeitformen, -prä ferenzen und -kontenmodellen befragt. (Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000).].
Wegen der starken betriebsspezifischen Einbettung sind Arbeitszeitkonten in repräsentativen Beschäftigtenbefragungen nur näherungsweise zu ermitteln. Wir haben die Verbreitung von Arbeitszeitkonten auf zwei Wegen erfasst. Zum einen wurden die Beschäftigten gefragt, ob für sie ein Arbeitszeitkonto geführt wird. Dies haben 31% der Befragten bejaht. Damit wird die Verbreitung von Arbeitszeitkonten jedoch unterschätzt. Dies zeigt sich, wenn man zum zweiten zusätzlich die Beschäftigten mit Freizeitausgleich für Überstundenarbeit, mit Gleitzeitarbeit und/oder schwankender Arbeitszeitverteilung danach fragt, ob diese Arbeitszeitformen über ein Arbeitszeitkonto gesteuert werden. Dann sind es schon 37% der Befragten, die ein Arbeitszeitkonto aufweisen.

Bei diesem Prozentsatz dürfte es sich immer noch um eine Untergrenze handeln; denn hierin sind erstens keine Beschäftigten mit Arbeitszeitkonten enthalten, die kollektiv für eine Abteilung oder einen ganzen Betrieb (wie beispielsweise bei Block- oder Saisonarbeitszeiten) geführt werden. Zweitens sind hierin nicht die Beschäftigten enthalten, die ihre aus der Umsetzung der Arbeitszeitverkürzungen resultierenden Freischichten- oder Freie-Tage-Regelungen nicht mit Arbeitszeitkonten in Verbindung bringen, obwohl diese Regelungen über Zeitkonten gesteuert werden. Offensichtlich werden diese von den Beschäftigten aber nicht als Zeitkonten wahrgenommen, weil die Freie-Tage-Regelungen die täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeiten nicht tangieren und ähnlich wie Urlaubstage genommen werden können.

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3. Zentrale Befunde

3.1 Verbreitung von Arbeitszeitkonten

Wie gesagt: Bereits mehr als jede(r) dritte abhängig Beschäftigte (37%) verfügt über ein Arbeitszeitkonto. Die wesentlichen Einsatzgebiete von Arbeitszeitkonten liegen in der Verwaltung von Überstunden (West: 46%; Ost: 50%) und von gleitender Arbeitszeit (West: 36%; Ost: 26%). Auf die sonstigen Kontenmodelle entfallen 27% der Arbeitszeitkonten (West: 27%; Ost 28%).

Nur 15% der Konten in Westdeutschland und 20% der in Ostdeutschland dienen der Verwaltung von Plus- und Minusstunden aus schwankender Arbeitszeitverteilung (Tabelle 1). Für die einzelnen Beschäftigten können mehrere unterschiedliche Zeitelemente (z. B. Überstunden und Plus- und Minusstunden aus gleitender Arbeitszeit) über ein Arbeitszeitkonto verwaltet werden. Ebenso können mehrere Konten parallel geführt werden.

93% der Beschäftigten mit Arbeitszeitkonten geben jedoch an, dass für sie nur ein Konto geführt wird. Auch bei Beschäftigten, die zwei oder mehr Zeitelemente auf einem Konto verbuchen können, werden diese in 90% der Fälle über nur ein Konto verwaltet (ohne Tabelle).

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Tabelle 1:

Verbreitung von Arbeitszeitkonten und Kontenformen nach Geschlecht (Angaben in Prozent)

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Fragen:

  1. An alle Beschäftigten: „Haben Sie ein Arbeitszeitkonto oder wird für Sie ein Arbeitszeitkonto geführt?"

  2. An alle Überstundenbeschäftigten mit Freizeitausgleich: „Werden die Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto verbucht?"

  3. An alle Gleitzeitbeschäftigten: „Haben Sie die Möglichkeit, ein Gleitzeitkonto zu bilden?"

  4. An alle Beschäftigten mit schwankender Arbeitszeitverteilung: „Wird die Verteilung der unterschiedlich langen Arbeitszeiten über ein Arbeitszeitkonto geregelt?"

In Westdeutschland sind Zeitkonten mit 38% stärker verbreitet als in Ostdeutschland (32%; Tabelle 1). Dies liegt zum einen an der unterschiedlichen Betriebsgrößenstruktur: In Ostdeutschland arbeiten drei Viertel der Beschäftigten (75%) in Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten, in Westdeutschland dagegen nur 61% (ohne Tabelle). In Klein- und Mittelbetrieben werden Arbeitszeitkonten jedoch, wie später gezeigt wird, weitaus seltener praktiziert (Tabelle 4). Ein weiterer Grund für die geringere Verbreitung von Arbeitszeitkonten in Ostdeutschland ist die vergleichsweise geringe Umsetzung tariflicher Arbeitszeitverkürzungen. Die Einführung von Arbeitszeitkonten steht in einem engen Zusammenhang mit der tariflichen Arbeitszeitverkürzung (Herrmann u.a. 1999). Mit einem Anteil von 47% in West-

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deutschland und 44% in Ostdeutschland verfügen Vollzeitbeschäftigte mit tariflicher Arbeitszeitverkürzung signifikant häufiger über ein Arbeitszeitkonto als die Vergleichsgruppe der Vollzeitbeschäftigten ohne tarifliche Arbeitszeitverkürzung (West: 28%; Ost: 31%; ohne Tabelle). Besonders deutlich ist die Differenz hinsichtlich der Verbreitung von Arbeitszeitkonten in West- und Ostdeutschland bei den Männern (Männer West: 41%; Männer Ost: 34%; Tabelle 1). Dies ist vor allem auf die nach wie vor geringe Gleitzeitquote der ostdeutschen Männer zurückzuführen.

Die Verbreitung von Arbeitszeitkonten variiert stark mit dem beruflichen Status der Beschäftigten: Differenziert man nach Arbeitern/Arbeiterinnen, Angestellten und Beamten/Beamtinnen, zeigt sich, dass bei Männern und Frauen in West- und Ostdeutschland Beamte/Beamtinnen mit insgesamt 51% am häufigsten über ein Arbeitszeitkonto verfügen. Angestellte (37%) und Arbeiter/-innen (34%) liegen in der Verbreitung von Kontenmodellen nicht weit auseinander. Bei den Männern in West- und Ostdeutschland verfügen Arbeiter und Angestellte zu fast gleichen Anteilen über ein Arbeitszeitkonto. Bei den Frauen besteht dagegen ein großer Rückstand der Arbeiterinnen im Vergleich zu den Angestellten (Tabelle 2). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Frauen gerade in den Branchen, in denen am wenigsten mit Zeitkonten gearbeitet wird, wie dem Handel, den privaten Dienstleistungen und der Konsumgüterindustrie, die größten Anteile bei den Arbeiterinnen stellen.

Während bei den Arbeiterinnen der Anteil der Beschäftigten mit einem Arbeitszeitkonto nicht nach den Qualifikationsstufen variiert, steigt bei den Arbeitern die Verbreitung von Zeitkonten mit dem Hierarchiegrad entsprechend an. Im Angestellten- und Beamtenbereich haben Arbeitszeitkonten auf der mittleren Ebene die größte Verbreitung. Die vergleichsweise geringe Verbreitung von Arbeitszeitkonten bei hochqualifizierten Angestellten lässt vermuten, dass hier die Erfassung und Protokollierung von Arbeitszeit an Bedeutung verliert und sich auf der oberen Hierarchieebene mehr und mehr entstandardisierte, ergebnisorientierte Arbeitszeiten durchsetzen. Dies gilt insbesondere für die männlichen Beschäftigten.

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Tabelle 2:

Anteil der Beschäftigten mit einem Arbeitszeitkonto nach Geschlecht und Stellung im Beruf
(Angaben in Prozent)

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Arbeitszeitkonten sind bei den Beschäftigten am stärksten verbreitet, deren Arbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden liegt und damit in etwa den tariflichen Arbeitszeitstandards entspricht. Demgegenüber spielen Arbeitszeitkonten im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nur eine geringe Rolle: Erwerbstätige, bei denen eine vertragliche Arbeitszeit unter 15 Stunden vereinbart ist, verfügen nur zu 13% über ein Arbeitszeitkonto (Tabelle 3). Auch bei Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen sind Arbeitszeitkonten mit 29% unterrepräsentiert (ohne Tabelle). Diese werden

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also hauptsächlich dazu eingesetzt, die Arbeitszeit der (in der Regel vollzeitbeschäftigten und unbefristeten) Stammbelegschaft zu flexibilisieren.

Je mehr sich die Teilzeitarbeit in der Stundenzahl der Vollzeitbeschäftigung nähert, umso häufiger finden Arbeitszeitkonten Anwendung. Bei den Vollzeitbeschäftigten zeigt sich, dass Beschäftigte mit einer vertraglichen Arbeitszeit über 40 Stunden mit 21% vergleichsweise selten über ein Konto verfügen. Dies verweist auf den Tatbestand, dass flexible Arbeitszeitregelungen allgemein und Zeitkonten im besonderen gerade im Zuge der tariflichen Arbeitszeitverkürzung an Verbreitung gewonnen haben. Zum anderen haben gerade die männlichen Hochqualifizierten, die hinsichtlich der Führung von Arbeitszeitkonten unterrepräsentiert sind, überproportional häufig vertragliche Arbeitszeiten über 40 Stunden.

Tabelle 3:

Verbreitung von Arbeitszeitkonten nach der vertraglichen Arbeitszeit (Angaben in Prozent)

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Die Verbreitung von Arbeitszeitkonten steigt mit der Betriebsgröße: Diese sind bei Beschäftigten in Kleinstbetrieben (bis zu 20 Beschäftigten) mit nur 21% deutlich unter-, bei Beschäftigten in Großbetrieben (500 und mehr Beschäftigte) mit 55% dagegen deutlich überrepräsentiert (Tabelle 4). Dieser Befund verweist darauf, dass Arbeitszeitkonten einen Formalisierungsgrad voraussetzen, den Kleinbetriebe oft nicht haben und auch nicht benö-

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tigen. Hier überwiegen eher informelle Regelungen der Arbeitszeit. Arbeitszeitkonten setzen zwar einerseits eine Deregulierung bestehender Arbeitszeitstandards voraus. Andererseits erfordern sie neue und in aller Regel differenziertere Regulierungen, die den unterschiedlichen Zeitanforderungen einzelner Betriebsteile und Beschäftigtengruppen möglichst gerecht werden. Dadurch dürfte der Regelungsaufwand eher noch wachsen. Deswegen sind Arbeitszeitkonten an das Betriebs- und Arbeitszeitmanagement von größeren Betrieben viel anschlußfähiger als an das von kleinen Betrieben, in denen die Balance von Flexibilität und Verläßlichkeit in der Regel informell geregelt ist.

Tabelle 4:

Verbreitung von Arbeitszeitkonten nach Betriebsgrößen- klassen (Angaben in Prozent)

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Beschäftigte in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat verfügen fast zur Hälfte (48%) über ein Arbeitszeitkonto, Beschäftigte in Betrieben ohne Betriebs- oder Personalrat dagegen nur zu gut einem Fünftel (22%; ohne Tabelle). Dies wiederum verweist auf den Einfluß der Betriebsgröße und die hohen Regulierungserfordernisse von Arbeitszeitkonten. Zudem dürften betriebliche Interessenvertretungen daran interessiert sein, unverbindliche, vage und damit auch konfliktträchtige informelle Regelungen durch formelle zu ersetzen, in denen die „Rechte und Pflichten" der Beschäftigten eindeutig formuliert sind (WSI-Projektgruppe 1998, 660).

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3.2 Zweck der Kontenführung aus Sicht der Beschäftigten

Mit Arbeitszeitkonten werden durch die Ausweitung des für die vertragliche Arbeitszeit verbindlichen Bezugszeitraums die Handlungsspielräume der Arbeitszeitgestaltung beträchtlich erweitert. Dies eröffnet für die Beschäftigten potentiell die Chance, ihren außerberuflichen Zeitbedarf bei der Festlegung der Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit stärker zu berücksichtigen. Es besteht aber auch das Risiko, dass sich die Verteilung der Arbeitszeit vorrangig nach den von wechselnden Nachfrageeinflüssen abhängigen Anforderungen der Betriebe richtet und die Beschäftigten dadurch in verstärkte Zeitkonflikte geraten.

Das Interesse der Beschäftigten nach einer besseren Anpassung der Arbeitszeit an ihren außerberuflichen Zeitbedarf und das betriebliche Interesse nach einer besseren Anpassung der Arbeitszeit an die betrieblichen Erfordernisse entsprechen sich nicht automatisch, sondern können einander konträr gegenüberstehen. Diese unterschiedlichen Interessen „zusammenzubringen", ist eine Angelegenheit der innerbetrieblichen Aushandlungsprozesse.

Welche der unterschiedlichen Zeitinteressen sich letztlich durchsetzen kann, hängt sowohl von der Arbeitsorganisation als auch von den Verfügungsrechten über die Zeitgestaltung ab. Nach den Ergebnissen der WSI-Betriebsrätebefragung von 1999/2000 können in knapp 20% der Fälle die Beschäftigten überwiegend allein über die Entnahme von Zeitguthaben verfügen, wohingegen nur in 5% der Fälle dieses Recht ausschließlich bei den Vorgesetzten liegt. In der weit überwiegenden Mehrheit der Betriebe erfolgt die Gestaltung der täglichen und/oder wöchentlichen Arbeitszeit in enger Abstimmung zwischen den einzelnen Beschäftigten, den Arbeitskollegen und den Vorgesetzten (WSI-Projektgruppe 2000).

Worin sehen nun die Beschäftigten selbst den Zweck von Arbeitszeitkonten? Die Beschäftigten mit einem Arbeitszeitkonto nennen zu etwa gleichen Anteilen als Zweck des Kontos die Anpassung der Arbeitszeit an betriebliche Erfordernisse (48%) und an den außerberuflichen Zeitbedarf (52%), wobei in Westdeutschland die außerberuflichen Zwecke (52%) vor den betrieblichen (47%) rangieren. In Ostdeutschland dominieren dagegen die betrieblichen (55%) vor den außerberuflichen Zwecken (50%) (Tabelle 5).

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Tabelle 5:

Zweck der Kontenführung nach Stellung im Beruf und Qualifikationsgruppe (Angaben in Prozent)

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Die Stellung im Beruf hat einen wesentlichen Einfluß auf den Zweck der Kontenführung. Für Arbeiter und Arbeiterinnen in West- und Ostdeutschland stehen häufiger als für Angestellte und Beamte/Beamtinnen die betrieblichen Zwecke des Arbeitszeitkontos im Vordergrund. Die außerberuflichen Zwecke sind dagegen mit 39% deutlich unterrepräsentiert. Angestellte geben zu 60%, Beamte/Beamtinnen zu 57% die Anpassung der Arbeitszeit an den außerberuflichen Zeitbedarf als Zweck ihres Arbeitszeitkontos an. Betrachtet man dies differenziert nach Qualifikationsgruppen, so zeigt sich, dass in Westdeutschland insbesondere Beschäftigte mit niedriger Qualifikation in Arbeitszeitkontenmodellen tätig sind, die hauptsächlich

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betrieblichen Zwecken dienen (54%). Außerberufliche Zwecke werden hier mit 44% deutlich seltener genannt als von Beschäftigten der mittleren (56%) oder der hohen Qualifikationsgruppe (50%). In Ostdeutschland geben die Beschäftigten mit hoher Qualifikation mit 64% überdurchschnittlich häufig außerberufliche Zwecke der Kontenführung an (Tabelle 5).

3.3 Wirkungen von Arbeitszeitkonten auf die effektive Arbeitszeit

Mit Zeitkonten verfügt die betriebliche Personalpolitik über ein funktionales Äquivalent zu Überstunden. Zeitkonten bieten die Möglichkeit, kurzfristig auf Schwankungen des Arbeitsanfalls zu reagieren, ohne auf definitive (bezahlte und unbezahlte) Überstunden zurückgreifen zu müssen. Durch eine Umwandlung der definitiven Überstunden in transitorische (in Freizeit ausgeglichene) Überstunden und deren Bewirtschaftung über ein Zeitkonto können die effektiven Arbeitszeiten verringert werden. Hinweise darauf, ob dieses Potenzial in der Praxis ausgeschöpft wird, lassen sich durch einen Vergleich der definitiven Überstunden von Beschäftigten mit und ohne Zeitkonten gewinnen.

Beschäftigte mit Arbeitszeitkonto leisten pro Woche durchschnittlich knapp eine Stunde weniger definitive Überstunden als Beschäftigte ohne Arbeitszeitkonto. Diese Reduktion setzt sich aus 0,8 unbezahlten und 0,1 bezahlten Überstunden pro Woche zusammen. Dementsprechend ist die Reduktion der effektiven Arbeitszeit bei Beschäftigten mit einem hohen Volumen an unbezahlten Überstunden am deutlichsten: Hochqualifizierte Beschäftigte mit einem Zeitkonto leisten durchschnittlich pro Woche 2,9 unbezahlte Überstunden weniger als hochqualifizierte Beschäftigte ohne Zeitkonto; bei Beschäftigten der mittleren Qualifikationsgruppe sind es 0,6 und bei den Geringqualifizierten nur 0,1 unbezahlte Überstunden weniger (Tabelle 6).

Mithilfe von Zeitkonten kann also das Ausmaß der unbezahlten Überstunden verringert und dadurch die tatsächliche an die tarifliche Arbeitszeit angenähert werden. Diese rationalisierte Bewirtschaftung der Arbeitszeit kann helfen, gerade bei den qualifizierten und hochqualifizierten Beschäftigten die beschäftigungsmindernden, insbesondere aber die unbezahlten Überstunden einzudämmen.

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Tabelle 6:

Anzahl der definitiven (bezahlten und unbezahlten) Überstunden pro Woche von Beschäftigten mit und ohne Zeitkonto nach Qualifikationsgruppen
(in Stunden)

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Arbeitszeitkonten eröffnen durch die Reduktion von definitiven Überstunden ein beschäftigungssteigerndes Potenzial. Voraussetzung dafür, dass dieses Potenzial wirksam wird, ist allerdings, dass die Beschäftigungssteigerung nicht durch Produktivitätssteigerungen kompensiert oder sogar überkompensiert wird. Durch den zielgenaueren Einsatz der Arbeitszeit kann es durch Vermeidung von Leerzeiten zu einer Leistungsverdichtung kommen. Dies kann im Rahmen dieser Beschäftigtenbefragung nicht exakt quantifiziert werden. Wir verfügen jedoch über Angaben der Befragten zu (ständigem) Termin- und Leistungsdruck. Diese können als ein erster Anhaltspunkt für Leistungsverdichtung und damit für Produktivitätssteigerungen betrachtet und zu Arbeitszeitkonten in Beziehung gesetzt werden.

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Beschäftigte mit einem Arbeitszeitkonto geben mit einem Anteil von 56% überproportional häufig an, praktisch immer oder häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck zu arbeiten (Tabelle 7). Betrachtet man die Angaben differenziert nach Qualifikationsgruppen, so zeigt sich, dass man vor allem bei den Geringqualifizierten einen leistungsverdichtenden Effekt der Zeitkonten annehmen kann. Geringqualifizierte Beschäftigte mit einem Arbeitszeitkonto geben in Westdeutschland um 13 Prozentpunkte und in Ostdeutschland sogar um 15 Prozentpunkte öfter an, dass sie regelmäßig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeiten, als die Vergleichsgruppe ohne Zeitkonten. Auch bei den qualifizierten Beschäftigten ist der Anteil derer, die häufig unter Druck arbeiten, bei denen mit Arbeitszeitkonto merklich höher (um 10 Prozentpunkte in Westdeutschland und um 11 Prozentpunkte in Ostdeutschland) als bei denen ohne.

Tabelle 7:

Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig unter starkem Termin- und Leistungsdruck arbeiten, nach Qualifikationsgruppen und Verfügung über ein Zeitkonto (Angaben in Prozent)

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Diese Befunde deuten darauf hin, dass hochqualifizierte Beschäftigte den größten Nutzen von Kontenregelungen erwarten können. Zum einen ist hier die Reduktion der effektiven Arbeitszeit am stärksten (Tabelle 6), zum anderen wird der ohnehin hohe Anteil derer, die häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck stehen, für diese Beschäftigtengruppe durch Kontenregelungen nicht weiter gesteigert. Bei den anderen Beschäftigtengruppen bestehen jedoch Hinweise darauf, dass die Einführung von Arbeitszeitkonten mit einer Leistungsverdichtung einhergeht. Für geringqualifizierte Beschäftigte deutet sich hier sogar eine Negativbilanz an: Die effektive Arbeitszeit von Beschäftigten mit Konten liegt hier nur geringfügig unter der von Beschäftigten ohne Konten. Dem steht entgegen, dass geringqualifizierte Beschäftigte mit Arbeitszeitkonten weitaus häufiger über Termin- und Leistungsdruck klagen als die Vergleichsgruppe ohne Arbeitszeitkonten.

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4. Zusammenfassung

Mittlerweile gehören Arbeitszeitkonten in der Mehrzahl der Betriebe zur „Grundausstattung" des Betriebs- und Arbeitszeitmanagements. Für mindestens 37% der abhängig Beschäftigten wird die Arbeitszeit mit Hilfe eines Kontos „bewirtschaftet". Arbeitszeitkonten sind bei den Beschäftigten am häufigsten anzutreffen, deren vertragliche Arbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden liegt und damit dem Normalarbeitszeitstandard noch am nächsten kommt. Dies verweist auf die für Arbeitszeitkonten typische Dialektik von Deregulierung und Reregulierung. Ohne eine Ausbalancierung dieser ebenso widersprüchlichen wie prekären Einheit von Deregulierung und Reregulierung stehen Arbeitszeitkonten in der Gefahr, im betrieblichen Alltag nicht zu funktionieren und nur einseitig an der Bewältigung der betrieblichen Erfordernisse ausgerichtet zu sein; denn diese Ausbalancierung scheint auch dafür verantwortlich zu sein, dass durch Arbeitszeitkonten Interessen der Betriebe und der Beschäftigten gleichermaßen abgedeckt werden, dass also Arbeitszeitkonten eine „interessenausgleichende" Funktion haben. Dies ist jedenfalls die Sicht der Beschäftigten, die betonen, dass Arbeitszeitkonten gleich häufig den betrieblichen Erfordernissen wie den außerberuflichen Bedarfen der Beschäftigten nutzen. Auch hört man verhältnismäßig wenig von betrieblichen Konflikten über Arbeitszeitkonten.

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Mit Arbeitszeitkonten werden die bezahlten, insbesondere aber die unbezahlten Überstunden merklich verringert. So gesehen sind Arbeitszeitkonten beschäftigungsfördernd und ein funktionales Äquivalent für die beschäftigungsmindernden bezahlten und unbezahlten Überstunden und können ebensogut wie diese als „Flexibilitätspuffer" zur Bewältigung von Personalengpässen oder von Produktionsschwankungen eingesetzt werden. Zugleich sind Arbeitszeitkonten (insbesondere für die geringqualifizierten Beschäftigtengruppen) mit Leistungs- und Produktivitätssteigerungen verbunden. Dadurch dürften die beschäftigungsfördernden Effekte wieder kompensiert werden. Es besteht freilich noch erheblicher Forschungsbedarf, diese aus dem Einsatz von Arbeitszeitkonten resultierenden gegenläufigen Beschäftigungseffekte annähernd zu quantifizieren und gegeneinander aufzurechnen.

Die „interessenausgleichende" Funktion von Arbeitszeitkonten kommt, insbesondere in den Einschätzungen der Angestellten, Beamtinnen und Beamten sowie der Hochqualifizierten zum Ausdruck. Mit Blick auf die nach dem beruflichen Status differenzierte Bewertung von Arbeitszeitkonten und angesichts der relativ pauschal abgefragten Einschätzungen bleiben jedoch die mit Arbeitszeitkonten verbundenen Risiken und unerwünschten Nebenfolgen untererfasst. Chancen und Risiken von Arbeitszeitkonten sind also zukünftig noch differenzierter und vor allem im Zusammenhang mit den neuen Managementstrategien der Organisation der Arbeit zu erforschen.

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Literatur

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