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TEILDOKUMENT:


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Margret Jäger
BrandSätze und SchlagZeilen. Rassismus in den Medien


1. Vorbemerkung

In der Diskussion um die Ursachen für den um sich greifenden Rassismus in der Bundesrepublik sind bislang viele Faktoren genannt worden. Die Medien sind in diesem Zusammenhang aber noch kaum beachtet worden. Das müssen sie aber, denn, so meine These, die ich im folgenden begründen werde, die Medien tragen eine erhebliche Mitverantwortung dafür, daß in der Bundesrepublik der Rassismus eine solche Hochkonjunktur erfährt. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Damit sollen andere Institutionen unserer Gesellschaft: Politik, Wissenschaft, Schulen usw. und auch das Individuum nicht von Verantwortung freigesprochen werden. Doch der Grad der Einflußnahme auf das Alltagsbewußtsein ist bei den Medien besonders hoch. Dabei bedienen sie sich bestimmter Instrumente, die möglicherweise sogar nicht mit dem Ziel eingesetzt werden, rassistische Einstellungen zu erzeugen, die dies aber dennoch bewirken.

Dabei möchte ich zuvor auf die eigenständige Wirkung hinweisen, die vom Mediendiskurs ausgeht. Vielfach wird gesagt, Medien geben nur das wieder, was in der Realität geschieht. Diese Sichtweise erfaßt jedoch nur eine Funktion von Medien in unserer Gesellschaft. Viele Ereignisse in unserem Land, z.B. auch die der emotionalen Aufladung der Asyldebatte, lassen sich nur erklären, wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, daß die Diskurse nicht nur Realität abbilden, sondern daß sie "echte Realität" sind. Der Mediendiskurs bildet nicht nur Realität ab, sondern er ist gleichzeitig Applikationsvorgabe bzw. Applikationsvorlage für die Individuen der Gesellschaft. Diese Vorgaben tragen zur Subjektbildung und -findung der Individuen bei und beeinflussen auf diese Weise massiv ihr Bewußtsein und Handeln (vgl. Link 1992).

Lieferant solcher Applikationsvorgaben ist nicht nur der Mediendiskurs. Ich will mich im folgenden aber auf die Medien konzentrieren, auch

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deshalb, weil ich der Auffassung bin, daß es sich bei den Medien um eine ganz wesentliche Vermittlungsinstanz handelt. Sie schaffen zwar nicht alleine den alltäglichen Rassismus, und es handelt sich auch keineswegs um eine Einbahnstraße von den Medien hin zum Alltagsbewußtsein. Selbstverständlich nehmen die Medien alltägliches Denken auf, spitzen es zu und reproduzieren solche Haltungen von Tag zu Tag immer wieder aufs Neue.

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2. Flüchtlinge und Einwanderer im Mediendiskurs der BRD

Bereits seit den späten 70er und frühen 80er Jahren läßt sich bei den Medien eine eigentümliche begriffliche Spaltung erkennen, wenn über Flüchtlinge berichtet wird. Seit dieser Zeit nämlich geistert die neue Bezeichnung "Asylant" durch fast alle Medien. Was hat es mit diesem Neologismus auf sich?

Mit dem Terminus "Asylant", von dem der Sprachwissenschaftler Jürgen Link zu Recht sagt, daß es sich dabei um ein "Killwort" handelt, werden vornehmlich bis ausschließlich nur die Flüchtlinge bezeichnet, die aus Ländern der Dritten Welt zu uns kommen, während für solche aus Osteuropa weiterhin der Begriff "Flüchtling" angewendet wird. Durch diese Terminologie wird eine Aufspaltung in gute, berechtigte Flüchtlinge und schlechte, nicht berechtigte Flüchtlinge vorgenommen.

Die Flüchtlinge, das sind die politisch Verfolgten, von denen es auch nur wenige gibt. "Asylanten", das sind die Massen, die uns bedrängen, die mit dem Grundgesetz Mißbrauch treiben usw. Der SPIEGEL hat diese unterschiedlichen Zuschreibungen in seiner Titelstory vom 9.9.1991 (Nr. 37) prägnant ausgeführt. Dort heißt es in negativer Steigerung: "Flüchtlinge, Aussiedler, Asylanten – Ansturm der Armen".

Dabei ist von Bedeutung, daß hier ein soziales Problem aufgespalten und die eine Seite ausgegrenzt wird. Dies kann sich auch deshalb vollziehen, weil das Wort "Asylant" mit seiner Endung "-ant" bei der deutschen Bevölkerung negativ konnotiert ist. Wir können feststellen, daß Worte, die mit dieser Endung abschließen, im umgangssprachlichen Bereich fast ausnahmslos negative Bilder bei den Rezipientlnnen hervorrufen. Asylant – das erinnert an Querulant, Simulant, Sympathisant und der-

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gleichen. Menschen, die so bezeichnet werden, werden als in die Nähe von Tieren und Ungeziefer gestellte wahrgenommen.

Mit dieser Begriffsaufspaltung wird eine Hierarchisierung von Flüchtlingen vorgenommen. So wird z.B. in der angesprochenen SPIEGEL-Story der Terminus "Asylanten" an der Stelle eingesetzt, wo Zweifel an den Fluchtursachen angemeldet werden. Dies erklärt auch, weshalb die Verbindung von Asylant und "Schein-Asylant" sich so griffig einführen ließ.

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: ich will nicht behaupten, der Begriff "Flüchtling" habe bei Deutschen einen positiven Klang; mit der Aufspaltung in "Asylant" und "Flüchtling" wird jedoch die negative Einstellung noch einmal zu Lasten der sog. "Asylanten" verstärkt. Indem die Medien solche Begriffe reproduzieren, tragen sie mit dazu bei, die Flüchtlinge in der Bevölkerung mit einem negativen Bild zu versehen.

Doch das ist es nicht alleine. Hinzu kommt, daß der Begriff "Asylant" in Verbindung mit anderen Symbolen gebracht wurde und wird, die mit zur Eskalation gegenüber fremden Menschen in unserem Land beigetragen hat.

Symbole, das sind Bilder, die gleichzeitig Träger eines bestimmbaren Sinns sind. Das können Bilder im Wortsinne sein, also Fotos und Karikaturen, es können aber auch Sprachbilder sein. "Wichtig ist, daß diese Symbolik der Medien für den Großteil der Gesellschaft sofort den Effekt von 'Verständlichkeit' hervorruft und eben 'sinnvoll' erscheint." (Gerhard 1992, S. 165).

Ein Beispiel ist die Gestaltung von Statistiken. Obwohl solche Statistiken sich gerade immer den Duktus von objektiver Berichterstattung zu geben versuchen, indem sie vorgeben, der Leserin und dem Leser sozusagen die "harten" Fakten zu servieren, geschieht hier gleichzeitig, wenn nicht sogar in erster Linie, etwas ganz anderes.

So ist z.B. im SPIEGEL vom 9.9.1991 ein Kurvendiagramm mit einem Bild unterlegt, auf dem wir ein Gewimmel von Menschen erkennen können. Wir sehen dunkelhaarige Männer, kopftuchtragende Frauen und am linken Rand eine Frau mit blondem Haar und in einem

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hellen Kostüm. Die Verteilung auf diesem Foto ist sinnbildlich: die Einheimischen werden von den Fremden und Flüchtlingen an den Rand gedrängt, möglicherweise sogar verdrängt. Bei den Betrachtern stellt sich eine gedankliche Verbindung zu einer "Flut" her, die die Deutschen wegschwemmt. In diesem Zusammenhang wirkt dann auch die Zahl 200.000 als die imaginierte Grenze des Fassungsvermögens der BRD, die überschritten zu werden droht. Damit ist die Flutmetaphorik angesprochen, die in der Berichterstattung über Einwanderer und Flüchtlinge eine große Rolle spielt.

Und damit komme ich zu einem Bereich, den Jürgen Link auch die "Applikationsmaschine" nennt, mit deren Hilfe in unserer Gesellschaft diskursive Ereignisse codiert und generiert werden (vgl. Link 1992). Die Flutmetapher ist nämlich keine x-beliebige Metapher, sie ist ein wichtiges Kollektivsymbol unserer Gesellschaft.

Unter Kollektivsymbolen sind "kulturelle Stereotypen (zu verstehen)..., die kollektiv tradiert und benutzt werden". (Drews/Gerhard/Link 1985, S. 265). Jede Gesellschaft besitzt ein System kollektiver Symboliken. Es dient dazu, daß sich die Menschen in der Welt, die dem einzelnen als komplexer Zusammenhang gegenübertritt, zurechtfinden und orientieren können. Auf diese Weise läßt sich jede Veränderung – und sie sei noch so dramatisch – symbolisch integrieren, und es läßt sich damit deutlich zwischen "Normalität" und "Abweichung" unterscheiden. In dieser Funktion kann dieses System aber auch dazu dienen, Abweichungen von der Normalität symbolisch zu kodieren und zu überhöhen. Insofern kann die Kollektivsymbolik einer Gesellschaft auch zur Mythenbildung beitragen und diese im Massenbewußtsein verankern.

Vor allem für die symbolische Besetzung der Bereiche "Innen" und "Außen" vollzieht sich dieser Prozeß über verschiedene Symbolserien. Während die Innenwelt, mit der symbolisch der Westen, aber auch nur die BRD gemeint sein kann, zum Beispiel oft als Flugzeug, als Auto, als Schiff oder Haus symbolisiert wird, gelten für die Außenwelt solche Symbole wie etwa Ungeziefer, Stürme, Fluten, Gifte etc.

Zwischen den jeweiligen Symbolserien besteht jedoch ein entscheidender Unterschied: "das eigene System (besitzt) stets Subjektstatus. ... Es ist ein Körper mit Kopf, der sich Therapien gegen die Krankheit

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überlegen kann, es ist ein industrialistisches Vehikel mit Fahrer, der den Fuß vom Gas nehmen kann, es ist ein Haus mit vernünftigen Bewohnern, die die Tür zumachen können, usw. Dieser Subjektstatus gilt ... nicht... für das außersystemische Chaos als solches." (Link 1991).

Gerade an der Debatte über Flüchtlinge, die seit Jahren in den Medien geführt wird, läßt sich nachvollziehen, wie durch den Einsatz und den Gebrauch solcher Kollektivsymboliken in der Bevölkerung ein Bedrohungsgefühl entstanden ist, das geradezu danach verlangt, die Gefahr endlich abzuwehren und nun endlich – möglicherweise auch gewaltsam – dagegen vorzugehen.

Die Flut-Metapher, in diesem Kontext die "Asylantenflut", habe ich bereits genannt. Dieser Symbolkomplex ist in der Presse ganz besonders häufig anzutreffen. Fast überall ist von der "Asylantenflut" oder vom " Flüchtlingsstrom" die Rede, die es "einzudämmen" gelte. Da ist von "brechenden Dämmen" zu lesen, von der Gefahr, Deutschland werde von Flüchtlingen "überflutet".

Besonders auffallend ist dies dem SPIEGEL vom 9.9.1991 gelungen, der das Titelbild mit der bereits angesprochenen Titel-Story mit einem hoffnungslos überfüllten Boot, das zudem noch auf die Arche Noah anspielt, aufmacht. Hier ist es das "Schiff", das gleichzeitig auch als "unser Dorf, unsere Stadt" oder "unser Haus" gelesen werden kann, das in der Gefahr steht, überflutet zu werden. Diejenigen, die in diesem Haus, auf diesem Boot sitzen, sehen sich der Gefahr des Untergangs in den Fluten ausgesetzt.

Damit wird aber gleichzeitig auch eine Handlungsanweisung angesprochen, die da heißt: Das Boot ist voll, Schotten dicht. Die hier benutzte Symbolik legt gleichsam bestimmte Haltungen und Verhaltensweisen nahe. Daraus kommen auch diejenigen nicht heraus, die mit der gleichen Symbolik gegen solche Abschottungen argumentieren, indem sie sagen: "Das Boot ist noch nicht voll." Diese Argumentation greift zu kurz. Die WELT z.B. begegnet solchen Auffassungen in einem Artikel vom 10.8. auf folgende Weise: "Natürlich ist rechnerisch 'das Boot noch lange nicht voll'. Wir sind, gemessen am Gros der anderen, immer noch ein reiches Land. Aber Chaos und Panik können auch ein halbvolles Boot zum Kentern bringen."

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Mit anderen Worten: Normalerweise gehen halbvolle Boote ja nicht unter. Wenn sie jedoch chaotischen Verhältnissen ausgesetzt sind, gibt es keine klaren Gesetzmäßigkeiten mehr, dann können sie trotzdem absaufen.

Doch die Flüchtlingsdebatte in der BRD wird nicht nur mit der Flut- und Boot-Metaphorik in den Medien geführt. Hinzu kommen militärische Symbole, die in Verbindung mit Flüchtlingen und Einwanderinnen häufig auftauchen.

Die Berichte und Kommentare über diese Menschen erinnern oftmals an Kriegsberichterstattung. Diese Assoziation taucht etwa dann auf, wenn die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) z.B. einen Artikel mit der Überschrift aufmacht: "Flüchtlinge sammeln sich an den Grenzen Westeuropas." (v. 8.8.1991) Andere berichten über die "Abwehr illegaler Einwanderer" und daß sich die "Lage an den Ostgrenzen verschärft" habe (WELT vom 3./4.8.1991). Da ist im Zusammenhang mit Flüchtlingen von der "Einfallsroute" und vom "Hinterland" die Rede, (FRANKFURTER RUNDSCHAU), von der Forderung "Soldaten an die Grenzen ... um den Ansturm abzuwehren" (SPIEGEL). Maßnahmen, mit denen weitere Einwanderung verhindert werden sollen, werden als "Rückschlag" (WAZ) bezeichnet, zu dem die Europäische Gemeinschaft sich angesichts der zunehmenden Flüchtlingszahlen gezwungen sähe.

Auch in Schaubildern wird dieser Zusammenhang dann und wann nahegelegt. Zur Verdeutlichung von Wanderungsbewegungen werden z.B. nach Deutschland weisende Stoßkeile als Symbole verwendet, die Flüchtlinge und Einwanderer zur militärischen Bedrohung werden lassen, zur feindlichen Armee, die die Bundesrepublik bzw. Westeuropa belagert.

Dazu paßt auch das Symbol der "Bombe": "Noch mehr Asylanten in einer Stadt – ein Sprengsatz", so ist es im SPIEGEL nachzulesen (Nr. 30/91 vom 30.9.1991).

Eine weitere Verknüpfung finden wir dort, wo Flüchtlinge und Einwanderer neben der Flut-Metaphorik in den Zusammenhang von Schleppern und Schleusern gestellt werden. Die Einreise von Flüchtlingen stellt sich auf diese Weise dar wie das Einschleppen gefährlicher Krankheiten.

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Ein besonders drastisches Beispiel hierzu hat uns die BILD-Zeitung (v. 26.9.1991) geliefert: In einem Interview mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei wird dieser nach einer "Asylantenpolizei" gefragt. Seine Antwort: Diese brauche man ebensowenig wie eine "Aids-Polizei". (vgl. Gerhard 1991).

All diese Beispiele zeigen, daß die verschiedenen Symbole nicht isoliert von einander funktionieren, sondern in einem Zusammenhang stehen. Ute Gerhard kommt in ihrer Analyse der Medien zu folgendem Ergebnis, dem ich mich anschließen möchte: "Die Bundesrepublik ist im Verhältnis zu Flüchtlingen und Einwanderern wie eine 'Insel', ein 'Land' ohne 'Damm' angesichts von Fluten; wie ein 'Boot', in den 'Fluten' mit 'geöffneten Schotten' bzw. 'Undichtigkeiten', wie ein Land, bei dem trotz einer 'Belagerung' bzw. 'Invasion' die 'Einfallstore' weit offenstehen, wie ein 'Haus, in dem ein 'Sprengsatz' deponiert wird; wie ein 'Körper', der von 'Krankheiten', 'Giften', wie z.B. 'Drogen' bedroht ist; wie eine 'Haus' mit 'nicht funktionierender Tür' bzw. Tor' angesichts des 'Riesenandrängens' bzw. 'Ansturms' und schließlich wie eine 'Oase der Ordnung' die bedrängt wird von der 'Wüste des Chaos'." (Gerhard 1992, S. 170).

Hier wird ein Bild entworfen, das ein Subjekt in absoluter Bedrohung zeigt, eine existenzielle Situation, die gerade nach Handlungsbedarf schreit. Und genau hier ist das Moment auszumachen, wo die Medien mit dazu beitragen, bei den Menschen im Lande Handlungsbereitschaften auch zur Gewalt zu erzeugen bzw. diese Gewalt zu akzeptieren.

Wichtig aber ist, daß sich diese Notwehrsituation allein aufgrund der bildlichen Logik der Symbole ergibt. Die gewalttätigen Gruppen, die angesichts dieser Formulierungen in den Medien zur Tat schritten, müssen sich durch die Berichterstattung und Einschätzungen der Medien (und Politiker) dazu geradezu aufgefordert fühlen. Das erklärt auch mit, warum die Täterinnen von Hoyerswerda, Hünxe, Rostock, Mölln und anderswo ihre Taten auch damit rechtfertigten, sie seien nur die Vollzieher dessen, was der größte Teil der Bevölkerung will und wozu sich die Politiker nicht trauen.

Der massive Einfluß der Medien wird auch durch eine Studie bestätigt, die den Alltagsdiskurs über Einwanderinnen und Flüchtlinge in der

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Bundesrepublik zum Gegenstand hat und 1992 unter dem Titel BrandSätze veröffentlicht wurde (vgl. Jäger 1992). [In dem Projekt BrandSätze, an dem ich auch mitgearbeitet habe, wurde eine größere Anzahl von nicht standardisierten Interviews ausgewertet, die in fünf großen Ruhrgebietsstädten durchgeführt wurden: in Duisburg, Essen, Mülheim, Gelsenkirchen und Oberhausen. Die Gesprächspartnerinnen sind dabei so ausgewählt worden, daß die Interviews für BewohnerInnen der großen Städte in der (alten) BRD repräsentativ sind. In dem Corpus finden sich Menschen aller Altersgruppen, beiderlei Geschlechts, unterschiedlicher Parteipräferenzen, unterschiedlichen Bildungsstandes etc. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist, daß alle interviewten Menschen mehr oder minder stark in den rassistischen Diskurs verstrickt sind, egal, ob alt oder jung, männlich oder weiblich, egal, welche Partei sie wählen und welchen Beruf sie ausüben. Der Hinweis auf die umfassende, quasi flächendeckende Wirksamkeit von Rassismus bedeutet aber nicht, daß es sich bei all diesen Menschen um Rassisten handelt. Mit dem Terminus der "Verstrickung" soll gerade deutlich werden, daß es sich dabei vielfach um einen unhinterfragten Umgang mit rassistischen Konstruktionen handelt, was wiederum nicht heißen soll, nicht-rassistische Denk- und Ausdrucksweise sei in der Bundesrepublik nicht möglich.]

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3. Die wichtigsten Ergebnisse eines Projektes zum alltäglichen Rassismus

Im Alltagsdiskurs der Bundesrepublik taucht ein Katalog von etwa 30 Vorurteilen gegenüber Einwanderinnen und Flüchtlingen auf, der, insofern er von den meisten strikt geteilt wird, nicht ein individuelles Problem, sondern ein soziales Problem markiert. Interessant für den hier diskutierten Zusammenhang ist nun, daß all diese Vorurteile sich auch in den Medien finden. Dabei können als ein Indiz für den massiven Einfluß der Medien bei der Herausbildung und Verfestigung der Vorurteile bzw. rassistischen Einstellungen die so genannten "journalistischen Schlüsselwörter" angesehen werden. Damit sind solche Begriffe und Wörter gemeint, die nicht zur "normalen" Sprache des Ruhrgebiets gehören, die aber dennoch relativ häufig vorkommen. Beispiele: Diskriminierung, Identität, Infrastruktur, Mentalität, Kultur, Kulturkreis, Strukturwandel, Territorium – um nur einige zu nennen.

Diese Begriffe wurden von den Interviewten gerade an den Stellen genutzt, wenn es darum ging, einen für sie komplizierten Sachverhalt kurz und knapp zu erklären. "Die Ausländer haben halt eine andere

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Mentalität." Der Begriff der Mentalität, zumal in aller Munde, macht eine Hinterfragung, was denn diese Mentalität eigentlich ausmacht, scheinbar unnötig, denn er spricht für sich.

Ähnlich ist dies beim Begriff der anderen Kultur zu beobachten. So wird zum Beispiel geäußert, die EinwanderInnen sollten durchaus ihre Kultur beibehalten können, doch sie sollten deutsch sprechen und europäische Kleidung tragen. Dies weist darauf hin, daß der Begriff Kultur als "Füllwort" genutzt wird, für etwas, was man eigentlich nicht weiß, was es ist. Der Medien-Diskurs hält solche griffigen Formulierungen und Wendungen parat, denen sich dann die Interviewten bei Bedarf bedienen.

Hinzu kommt, daß die von den SprecherInnen vorgenommenen Ab- und Ausgrenzungen mit Hilfe von sprachlichen Bildern markiert werden, bei denen die Kollektivsymbolik ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Beispiele: "Fluten bedrohen uns", "Dämme müssen errichtet werden", "eine Giftsuppe kocht hoch" usw. Auch hier können wir vermuten, daß sich der Einfluß der Medien geltend macht.

Charakteristisch für den Alltagdiskurs ist dabei die Verwendung von Pragma-Symbolen. So wird das "Kopftuch" zum Beispiel als konkreter Gegenstand und als Symbol für Rückständigkeit gleichzeitig angesprochen.

Schließlich: Die Ausgrenzungen der Einwanderer und Flüchtlinge gehen einher mit latenten Handlungsbereitschaften. Auch dies ist ein wichtiges Ergebnis der Studie. Damit ist nicht nur die Inkaufnahme und Einforderung von struktureller staatlicher Gewalt gemeint, wie dies bei der Abschiebung der Fall ist. Man will unter Umständen selbst Hand anlegen, um die Ausländer los zu werden. Insofern kamen die Beifallsbekundungen der Bürgerinnen und Bürger in Hoyerswerda, Rostock und andernorts für uns auch nicht überraschend.

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4. Der Beitrag der Medien zur Herstellung von Gewaltbereitschaft

Damit sollte deutlich geworden sein, daß die Medien mit ihrer Berichterstattung über Einwanderinnen und Flüchtlinge eindeutige Spuren im Bewußtsein ihrer Leserinnen hinterlassen. Doch damit nicht genug. Sie tragen auch mit dazu bei, die Bereitschaft zur fördern, gegen diese Bevölkerungsgruppe auch mit Gewalt vorzugehen, bzw. diese Gewalt zu akzeptieren.

Ein besonders eklatantes Beispiel dafür, wie sich solche Handlungsbereitschaften fördern, wenn nicht gar herstellen lassen, konnten wir mit der Kampagne der BILD-Zeitung im Herbst letzten Jahres verfolgen. Bereits im Sommer hatte die Flucht albanischer Menschen, die mit dem Schiff Vlora nach Italien zu kommen versuchten, in der Bundesrepublik eine heftige Diskussion ausgelöst, die in den Zeitungen mit den angesprochenen kollektiven Symbolen geführt wurde. Die BILD-Zeitung beteiligte sich daran in einer besonders krassen Form, die ihr nicht nur bei dieser Thematik häufig eigen ist.

Sie startete bundesweit eine Kampagne gegen Flüchtlinge, im Ruhrgebiet unter dem Titel: "Asylanten im Ruhrgebiet – Wer soll das bezahlen?" (vgl. dazu ausführlich Quinkert/Jäger 1992) In anderen Großstädten wurde das Wort Ruhrgebiet dann durch den entsprechenden Namen der Stadt ersetzt. Sozusagen als Einstimmung auf diese Serie muß dabei ihr Aufmacher vom 5.9.1991 angesehen werden. Drei große Überschriften bestimmen das Titelblatt: Blutschande, Asylanten, Miethaie. Durch das in allen drei Balkenüberschriften auftauchende Wort "Endlich" wird eine Verbindung zwischen diesen Überschriften hergestellt. Dies wird nochmal dadurch unterstrichen, daß die Wörter in rot gesetzt werden.

Schauen wir uns an, was sie aussagen, so erkennen wir, daß BILD hier die Flüchtlinge in einen Zusammenhang mit Blutschande und Miethaien bringt. Sie werden gleichsam von diesen beiden Problemfeldern in die Zange genommen. Assoziationen zum Dritten Reich drängen sich auf: "Blutschande" ist ein Begriff aus der Zeit des Nationalsozialismus. So wurde damals ein Vorgang genannt, wenn jüdische und nicht-jüdische Menschen sexuelle Beziehungen eingingen. Auch die Miethaie legen für

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einen Teil der Leserinnen eine gedankliche Verknüpfung zu den Juden nahe. Es waren damals ja angeblich die Juden, die den Nicht-Juden das Geld abpressten. Bei den Lesern soll ankommen: Sogenannte "Asylanten" schänden unsere Kinder. Über die Gedankenkette: Flüchtlinge erzeugen Wohnungsnot, Wohnungsnot erzeugt Mietwucher von Miethaien werden sie zugleich für die Wohnungsmisere verantwortlich gemacht – das ist die Botschaft, die graphisch durch das dreifache Wörtchen "endlich" vermittelt wird.

Der erste Artikel der 11-teiligen Serie erschien am 16. September 1991. Er enthält drei Bilder. Wir sehen einen Menschen, der auf der Straße seinen Teppich säubert – ein Bild, das zwei Informationen transportiert:

  1. Der Mann besitzt einen Teppich.

  2. Er macht ihn auf der Straße sauber, also auf eine Weise, die in der BRD nicht üblich ist.

Das zweite Bild bestätigt die vordringliche Intention des ersten Bildes: Es zeigt einen Flüchtling im Luxus. Es trägt auch die entsprechend deutliche Bildunterschrift. "Video, Fernseher, Stereoanlage – alles da. Mohammeds Freund Sivo (25) arbeitet in einer Papierfirma, kann sich ein Auto leisten." Mit der Armut, von der einige im Zusammenhang mit Flüchtlingen sprechen, so die Aussage, kann es somit nicht weit her sein.

Schließlich sehen wir ein Bild mit einem Flüchtling, der an einer Singer-Nähmaschine arbeitet, eine Beschäftigung, die bei uns vorzugsweise von Frauen ausgeführt wird, was bei dem deutschen BILD-Leser den Eindruck hervorbringen soll und kann, dieser Mensch sei ein weibischer Schwächling.

Der Artikel selbst hat keine eigene Überschrift. Wer sich neben den Bildern oberflächlich orientieren will, bleibt deshalb bei den Zwischenüberschriften hängen. Sie lauten "Nur jeder 13. ist politisch verfolgt" "Vier Quadratmeter: Ist das menschenwürdig?" "Zauberwort Asyl – schon gibt's Bett und Geld." Wir werden später sehen, daß der Hinweis auf das Bett, das jedem Flüchtling angeblich zusteht, nicht zufällig ist. Die letzte Zwischenüberschrift lautet "Wir können nicht alle Probleme der Welt lösen" – das krönende Fazit.

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Im Grunde ist die Botschaft mit diesen Zwischenüberschriften bereits heraus: Wir haben es in der BRD mit "Scheinasylanten" zu tun, die uns Betten (mitsamt den darinliegenden Frauen) und Gelder wegnehmen. Denen geht's möglicherweise schlecht, doch wir können ihnen nicht helfen. Auch für diejenigen, die da möglicherweise humanistische Skrupel haben, halten sie ein Argument parat. Wir können ihnen keine menschenwürdigen Unterkünfte geben. Also sollen sie doch bitteschön da bleiben, wo sie diese auch nicht haben.

Die Story selbst ist schnell erzählt. Der Flüchtling aus Sri Lanka mit dem bezeichnenden Namen Mohammed wohnt in einer Zechensiedlung, lebt von Sozialhilfe und besitzt den bereits ins Bild gesetzten Fernseher, die Stereoanlage usw. "alles da!" Und das bei 400 Mark Sozialhilfe im Monat. Mohammed ist ganz offensichtlich ein zu Recht abgelehnter Flüchtling, der nur deshalb in der BRD ist, weil es ihm hier so gut geht und nicht etwa deshalb, weil es ihm in seiner Heimat schlecht ergeht. Damit er nach Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka nicht abgeschoben werden kann, ist er auf der Suche nach einer deutschen Frau.

Aha, da haben wir's! Die Flüchtlinge sind nicht nur auf unser Geld scharf, sie sind auch scharf auf unsere Frauen. Nun wird auch der Stellenwert der Zwischenüberschrift für den Gesamtartikel deutlich. Ganz nebenbei bemerkt, kann diese Diffamierung natürlich nur dann fangen, wenn der Leser der BILD entweder ein Mann ist und/oder er die Angst der deutschen Männer vor potenten ausländischen Konkurrenten um "ihre" Frauen verständlich findet. Von dieser Voraussetzung ist bei den meisten BILD-Lesern jedoch auszugehen.

Nach dieser Eingangsstory werden nun die bekannten Argumente heruntergespult: Die Flüchtlinge kosten Geld und sind gar nicht verfolgt. Besonders am Herzen scheint den BILD-Redakteuren die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge zu liegen, sie zitieren die Sprecher verschiedener Städte, die bestätigen, daß eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr gewährleistet sei. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand "Das Boot ist voll." So ein Sprecher der Düsseldorfer Sozialministeriums, und er sagt weiter "was wächst, ist die Ablehnung der Bevölkerung." Denn es würden kaum Flüchtlinge abgeschoben, im Gegenteil: "Wer das Zauberwort Asyl sagt, hat ... einen gesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe, kostenlose ärztliche Hilfe und ein Dach über

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dem Kopf." Dazu würden die Flüchtlinge sogar in Hotels untergebracht, wodurch den Städten enorme Kosten entstehen, die für Kindergärten, Krankenhäuser und Wohnungen dringend gebraucht würden.

Interessant ist an diesem Artikel, daß trotz der eindeutigen Parteinahme gegen Flüchtlinge und für den deutschen Mann und Steuerzahler hin und wieder Gegenargumente eingestreut werden, um sie im nächsten Satz dann sofort zu widerlegen. Da finden wir den Hinweis auf die unzumutbare Unterbringung der Flüchtlinge, aber auch den auf die "mahnenden" Stimmen, die sagen, Deutschland müsse alle Flüchtlinge aus Menschlichkeit aufnehmen. Allerdings wird bereits in der darauf folgenden Formulierung diese Haltung ad absurdum geführt: "Koste es, was es wolle!" Solchen angeblich traumtänzerischen Positionen wird mit der bescheidenen Haltung begegnet: "Wir können die Problem dieser Welt nicht alle bei uns lösen."

Am nächsten Tag erscheint die zweite Folge der Serie, in der dann der Versuch eines illegal eingewanderten Rumänen geschildert wird, in der BRD Fuß zu fassen. Der Flüchtling trägt übrigens den Namen "Illi", der die Assoziation zur Illegalität nahelegt. Auch hier erfolgt zunächst eine Einzelfallschilderung, die dann verallgemeinert wird.

Eine Steigerung erfährt die Kampagne in der dritten Folge. Hier wird Gewaltanwendung gegenüber Flüchtlingen suggeriert. Ein Foto mit martialisch auftretenden deutschen Sportlern, die gewillt sind, notfalls ihre Sporthalle zu blockieren, sollten dort etwa Flüchtlinge untergebracht werden, richtet das Augenmerk der Leser auf notwendige Gegenwehr der Bürger. Unterstrichen wird dies durch ein kleineres Foto, auf dem zwei Frauen mit einer Waffe abgebildet sind, die sie auf den Leser richten. Darunter steht: "Aus Vorsicht wurden die Verkäuferinnen vom "US-Verkauf" mit Gaspistolen ausgerüstet. "Bei uns wurde schon am hellen Tag eingebrochen".

Dieses Bild ist aus mehren Gründen interessant. Es legt die folgenden Gedanken nahe:

  1. Flüchtlinge gefährden "unsere" Frauen.

  2. Flüchtling sind kriminell.

  3. Man muß sich mit Waffen ausstatten.

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  4. Es droht ein Bürgerkrieg; Schließlich wurden die Frauen mit Pistolen "ausgerüstet", ein Wort, daß die Verbindung zu "aufgerüstet" nahelegt, die wiederum eine militärische Auseinandersetzung assozieren läßt.

Auch das Bild der Sportler hebt die Notwendigkeit von Gegenwehr hervor. Und zu alledem äußert sich der ehemalige SPD-Bürgermeister von Datteln, Horst Niggemeier: "Wir sind so voll, wir können nicht einmal einer afrikanischen Ameise Asyl gewähren." Der Vergleich von Flüchtlingen mit Ameisen, die ja meist in Scharen auftauchen, ist bezeichnend. Doch bezeichnend ist auch, daß BILD in dieser Kampagne systematisch SPD-Politiker zu Wort kommen läßt und mit ihren Aussprüchen ihre "Reportagen" garniert.

Vor diesem Hintergrund muß es zynisch klingen, wenn nach den Brandanschlägen in Hoyerswerda und Hünxe die gleiche BILD-Zeitung scheinheilig fragt: "Warum dieser Haß in Hoyerswerda?"

Sie mäßigte ihre Hetztiraden in den folgenden Monaten zwar, hielt aber das Asylthema ständig am Köcheln. Auch nach Rostock wurde zunächst eine Schlagzeile gebracht, die von Schande für Deutschland sprach, aber zugleich werden wieder die bedrohlichen Fluten beschworen, die drohende Überfüllung. Am 1.9.1992 titelte sie auf der Front-Seite "Asylanten jetzt auf Schulhöfe. Neue Welle! Und bis Weihnachten kommen noch 400 000."

Nun könnte man meinen, die BILD-Zeitung ist hier eine Ausnahme und die übrigen Medien bemühten sich spätestens nach den Ereignissen nach Hoyerswerda, Hünxe, Rostock und Mölln um eine insgesamt ausgewogene Berichterstattung. Dies ist leider nicht so. Weiterhin wird von den "Asylanten-Strömen" gesprochen, weiterhin sehen die meisten Journalistinnen die "Dämme brechen" und Deutschland in einem Meer von Flüchtlingen versinken. Nach Hoyerswerda und vor allem nach Rostock ist jedoch noch etwas anderes hinzugekommen. Die Medien vollbringen das Kunststück, sich gegen die Überfälle zu empören und gleichzeitig rassistische Einstellungen weiter zu verfestigen.

Unsere Presseanalysen zur Berichterstattung über die Ereignisse in Rostock zeigen, daß die hinter dem Aufschrei verborgene Botschaft nahezu der gesamten Presse darauf hinauslief, das Problem dadurch zu

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lösen, daß man die Grenzen dicht machte, daß unberechtigte Flüchtlinge abgeschoben werden etc. Der Grundtenor dieser Berichterstattung muß deshalb auch als rassistisch bezeichnet werden (vgl. DISS, SchlagZeilen 1992).

Neben solchen eindeutigen Kommentierungen lassen sich auch Berichte und Stellungnahmen auffinden, die sich zwar nicht gegen die anwesenden Flüchtlinge und Ausländer richten, die aber gleichwohl andere diskriminierende Argumentationstypen darstellen: Da werden die Jugendlichen, die Ostdeutschen oder auch die Sozialschwachen als diejenigen hingestellt, die für die Gewalttaten verantwortlich sind. Die Hauptsache scheint dabei zu sein, schnell einen Sündenbock auszumachen, um dann wieder zur Tagesordnung, zur Normalität, übergehen zu können.

Sicherlich tragen die Medien nicht die alleinige Schuld am Zustand unserer Republik, bescheinigt werden muß ihnen nach unseren Analysen jedoch eine erhebliche Mitschuld an den Ereignissen. Sie haben dazu beigetragen, daß die Flüchtlinge, die in unserer Land einreisen als eine solch gravierende Abweichung von unserer Normalität angesehen werden, daß der daraus resultierende Handlungsbedarf geradezu als zwingend erscheint, und sie tragen weiterhin dazu bei, daß sich angesichts der inhumanen Vorgänge in unserem Land antirassistisches Gedankengut nur schwer durchsetzen kann.

Wichtig ist mir der Nachweis, daß die zentralen Inhalte der Medien und die in den Medien damit einhergehende Kollektivsymbolik auch im Alltagsbewußtsein bzw. alltäglichen Sprechen erscheinen, so daß bereits daraus der Schluß gezogen werden kann, daß die Medien einen erheblichen Einfluß auf den Alltagsdiskurs haben. Ich habe bereits von den sogenannten journalistischen Schlüsselwörtern gesprochen, die wir in unseren Gesprächen aufgefunden haben. Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß die von uns Interviewten in vielen Fällen die von ihnen konsumierten Medien als Quellen ihres Wissens explizit angegeben haben.

Insofern haben die Medien dazu beigetragen, daß die Flüchtlinge, die in unserer Land einreisen als eine solch gravierende Abweichung von

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"unserer Normalität" angesehen werden, daß der daraus resultierende Handlungsbedarf geradezu als zwingend erscheint.

Denn die Normalität ist in der Bundesrepublik offenbar von besonderer Wichtigkeit. Ich wage sogar die These, daß wir es in der Bundesrepublik vorherrschend mit einer normalistischen Kultur zu tun haben (vgl. Link 1992). D.h. es besteht die Tendenz, alle Fakten und Ereignisse hinsichtlich der Normalität zu befragen und zu normalisieren. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, daß Durchschnitte errechnet werden, daß Richtwerte, Toleranzgrößen und Grenzwerte ermittelt werden, innerhalb dessen eine Entwicklung als normal angesehen wird. Alles, was noch in diesen Bereich hineinfällt, ist okay und normal, außerhalb dieser Bereiche beginnt jedoch "Denormalisierung" und damit ein Handlungsbedarf, der darauf ausgerichtet ist, die Normalität wieder herzustellen.

Eindeutig ist in den letzten Monaten und Jahren in der Presse das Bild von einer Denormalisierung im Bereich der Flüchtlinge und Einwanderer gezeichnet worden, bis hin zu dem fahrlässigen Gerede vom Staatsnotstand, der ausgebrochen sei, und gleichzeitig wird dies mit Hilfe der kollektiven Symboliken in die Subjektivität der Menschen übersetzt. Obwohl es in der Tat in den letzten Jahren eine Reihe von Ereignissen gab, die als nicht normal angesehen werden können, wie die deutsche Vereinigung, wie der Zusammenbruch des Gegensystems Kommunismus, wie Kriege vor der Haustüre usw., wird dies in den Medien in der Tendenz als funktionierende Normalität dargestellt. Doch bei den Flüchtlingsbewegungen läuten die gesellschaftlichen Alarmglocken auf. Es ist von daher geradezu "logisch", daß es Menschen gibt, die sich in diesem als aus den Fugen geraten markierten Bereich ausagieren und Flüchtlingsheime anzünden, um wieder Normalität einziehen zu lassen. Und damit ist gemeint: Eine Bundesrepublik Deutschland ohne Fremde.

An dieser Stelle wird meines Erachten noch eine weitere Funktion der Medien sichtbar: Sie markieren nicht nur Denormalisierung, sondern wirken gleichzeitig als Normalisatoren von Ereignissen (vgl. Link 1992).

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5. Was tun?

Die Debatte darüber, inwiefern die Medien mit ihrer Berichterstattung zur Gewaltbereitschaft beitragen, ist in der Bundesrepublik nicht neu. Im Dezember 1989 noch veröffentlichte die "Gewalt-Kommission" der Bundesregierung ihre Analysen über die "Ursachen (zur) Prävention und Kontrolle von Gewalt", und dabei nahm sie auch die Medien unter die Lupe.

"Gewaltdarstellungen in den Medien", so heißt es da, "(haben) gewaltfördernde Auswirkungen." Besonders politisch motivierte Täter hätten es darauf abgesehen, daß die Medien über ihre Taten berichten, weil solche Darstellungen andere potentielle Täter dazu motivierten, weitere Straftaten zu begehen. Um deshalb den schädlichen Einfluß der Medien zu vermindern, solle die Sportberichterstattung z.B. nicht die Randale am Rand der Spielfelder, sondern die friedlichen Fans zeigen – sozusagen als Vorbild. Sie solle sich zudem einer weniger militanten Sprache bedienen und auch subtile Degradierungen von Menschen, besonders von Frauen, sollten vermieden werden. Das sind die wesentlichen Aussagen der "Gewalt-Kommission" hierzu.

Solche Empfehlungen sind zwar nicht restlos falsch, aber sie reichen bei weitem nicht aus, um das Problem zu erfassen. Sie können sogar negative Wirkungen erzeugen, dann nämlich, wenn sie von den Medien nur teilweise und/oder nur halbherzig umgesetzt werden.

Die WAZ zum Beispiel reagierte – wie die meisten anderen Tageszeitungen auch – auf die kriminellen Übergriffe auf Flüchtlingsheime damit, daß sie lange Zeit die Berichterstattung darüber an den Rand zu drängen versuchte, bzw. gänzlich ausschaltete. Stattdessen brachte sie eine "Gegenkampagne" unter dem Titel: "Stop den Rassismus" und veröffentlichte Statements prominenter Mitbürger, in denen diese sich gegen die eskalierende Gewalt gegenüber Flüchtlingen und Fremden in unserem Land aussprachen. Wozu aber solche Statements, wenn die gleiche Zeitung den Eindruck erwecken will, man habe das Problem im Griff?

Diese Kampagne war sicher gut gemeint. Trotzdem muß sie ihr Ziel verfehlen. Doch noch aus einem anderen Grunde ist die positive Wir-

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kung fraglich. Schließlich ist nicht nur wichtig, daß sich Prominente gegen Rassismus aussprechen, sondern auch, was sie zu sagen haben. Das aber war bei der WAZ-Kampagne in der Regel ausgesprochen problematisch. Da wurde z.B. Heiner Geißler zitiert, der gesagt habe, Rassismus lasse sich dadurch in den Griff bekommen, daß man "diese ... Verbrecher" ... "hinter Schloß und Riegel" bringe. Ähnlich wurde Franz Beckenbauer zitiert, der gesagt habe: Es seien immer die Gleichen, die, die in den Stadien randalieren und die, die Flüchtlinge angriffen. Auch sein Rezept lautet: Hinter Schloß und Riegel damit. Hier wird das Problem nicht nur auf eine Handvoll Leute reduziert, sondern auch noch mit dem autoritären Bewußtsein der Leserinnen und Leser gearbeitet. Nach Rostock ist die gleiche Diskussion wieder aufgebrochen. Rostock wurde zu einem Polizeiproblem stilisiert. Selbst Gefängnis für Kinder wurde ins Gespräch gebracht. Solche Lösungsversuche gehen am Problem vorbei und können zumindest auf Dauer eine sachliche Auseinandersetzung und Berichterstattung nicht ersetzen.

Was aber können die Medien und die Politik tun, damit nicht die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung, sondern vielmehr die Gewaltprävention gefördert wird?

Grundsätzlich ist dazu zu sagen: Wir müssen zunächst ein Bewußtsein über die Macht der Diskurse verbreiten, über die die Politiker und die Medien verfügen. Die Medien referieren eben nicht einfach die "Stimme des Volkes", wie kürzlich ein Vertreter des Presserates im Fernsehen meinte – sie formen sie.

Die zweite, auch noch sehr allgemeine, Schlußfolgerung ist, daß die Medien den Politikern nicht nach dem Munde reden sollten, sondern ihre politischen Konzepte kritisch analysieren. Dazu gehört auch, die von ihnen und von den Politikern benutzte Symbolik zu hinterfragen, also zu hinterfragen, ob wir es tatsächlich mit einer Situation zu tun haben, in der die Bundesrepublik wegen der Flüchtlinge am Rand des Abgrunds steht.

Als positives Beispiel ist uns ein Kommentar in der WAZ vom 25.1.1992 von Rainer Bonhorst aufgefallen.

Bonhorst versucht nicht nur, eine sachliche Diskussion dadurch wieder führbar zu machen, daß er die allgemein gehandelten Zahlen zurechtzu-

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rücken versucht. Er stellt auch die Frage: "Treiben sie (die Flüchtlinge) uns Eingesessene damit an den Rand des Ruins. Überfluten sie uns sogar?" Oder weiter im Zusammenhang mit den hier lebenden Ausländern: "Kein Handlungsbedarf, wie die Politiker sagen. Warum zeigen wir gegenüber den Asylsuchenden sowenig Gelassenheit?" Hier scheint zumindest auf, daß er – zwar weiterhin im Rahmen der Normalität argumentierend – die Überhöhung der Debatte zugleich mit ihrer suggestiven Symbolik zu kritisieren bemüht ist.

Schon durch eine kritische Hinterfragung der Anwendung solcher kollektiven Symboliken in diesem Bereich kann die Presse einen positiven Beitrag leisten. Ein weiterer Beitrag könnte auch darin bestehen, daß sie nicht mehr von der "Flut der Asylanten" und mehr von den ökonomischen und politischen Hintergründen der Völkerwanderung, die derzeit im Gange ist und die in der Bevölkerung weitestgehend unbekannt sind, berichtet. Dies ist freilich nicht ohne die Problematisierung des Reichtums der Industrienationen und der Armut im restlichen Teil der Welt zu haben. Auch hier ist es längst überfällig, daß die reichen Länder das Lied vom Teilen anstimmen. Solche Bemühungen sind auch im Fernsehen zu beobachten. So gab es mehrere Spielfilme, Dokumentationen und Berichte, die alle zum Thema: "Eine Welt" liefen. Wenn wir uns dann allerdings die Sendezeiten anschauen, dann wissen wir, daß diese Filme nur einen Bruchteil der Bevölkerung erreicht haben.

Insgesamt muß es darum gehen, wenn wir keine weitere undemokratische und autoritäre Entwicklung dieser Gesellschaft wollen, in den Medien und bei uns selbst das Gebot demokratischer und fairer Darstellung und Behandlung von Menschen jeglicher Herkunft, beiderlei Geschlechts, ob behindert oder nicht, ob gesund oder krank, jung oder alt durchzusetzen. Das wird nicht einfach sein!

Dazu ist vor allen Dingen erforderlich, daß keine BrandSätze mehr formuliert werden, die zu Brandsätzen gegen Einwanderer und Gastarbeiter und ihre Unterkünfte transformiert werden oder gar zu kriegerischen Einsätzen gegen die sogenannte Dritte Welt.

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6. Literatur

Drews, A./Gerhard, U./Link, J.: Moderne Kollektivsymbolik. Eine diskurstheoretisch orientierte Einführung mit Auswahlbibliographie, Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 1. Sonderheft Forschungsreferate 1985, S. 256-375.

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung: Schlagzeilen. Rostock: Rassismus in den Medien, Duisburg 1992.

Gerhard, U.: Wenn Flüchtlinge und Einwanderer zu "Asylantenfluten" werden – zum Anteil des Mediendiskurses an rassistischen Pogromen, in: S. Jäger/F. Januschek (Hrsg.): Der Diskurs des Rassismus. Ergebnisse des DISS-Kolloquiums November 1991, (= OBST 46), S. 163-178.

Jäger, S.: BrandSätze. Rassismus im Alltag, Duisburg 1992.

Link, J.: "Der irre Saddam setzt seinen Krummdolch an meine Gurgel!" Fanatiker, Fundamentalisten, Irre und Trafikanten. – Das neue Feindbild Süd, in: S. Jäger: Text- und Diskursanalyse. Eine Anteilung zur Analyse politischer Texte. Mit zwei Beispielanalysen, Dortmund 1991.

Link, J.: Die Analyse der symbolischen Komponenten realer Ereignisse. Ein Beitrag der Diskurstheorie zur Analyse neorassistischer Äußerungen, in: S. Jäger/F. Januschek (Hrsg.): Der Diskurs des Rassismus. Ergebnisse des DISS-Kolloquiums November 1991, (= OBST 46), 1992, S. 163-178.

Quinkert, A./Jäger, S.: Warum dieser Haß in Hoyerswerda? Die rassistische Hetze von BILD gegen Flüchtlinge im Herbst 1991, Duisburg 1991.

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Georgios Tsapanos
"Immer in Anführungszeichen"
– Ausländer und Fremdenfeindlichkeit als Thema der Medien


Eigentlich hätten die Medien und ihre Macher auch dieses Mal auf dem alten Grundsatz verweisen können, nach dem in Deutschland immer der Schuld hat, der auf den Dreck zeigt und nicht der, der ihn gemacht hat. Doch einmal im Zuge ihrer Berichterstattung über die fremdenfeindlich und rassistisch motivierten Gewalttaten in den Verdacht geraten, den "Dreck" nicht nur gezeigt, sondern ihn auch mitverantwortet zu haben, reagierten die Medienmacher beinahe schon bemerkenswert verunsichert. Der Grat in der Berichterstattung zwischen objektiver Information, der unbeabsichtigten und oft auch unbewußten Bestätigung und Verstärkung von Vorurteilen und der zynischen Kolportierung von Cliches wird als so schmal empfunden, daß beinahe jeder Bericht zum Thema "Ausländerproblematik" die eigene Distanzierung von sich selber oder zumindest von seiner Sprache mit beinhaltet, daß das Reden zu diesem und über dieses Thema nur noch in Anführungszeichen möglich scheint.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Vorträgen beruhen die folgenden Gedanken und Überlegungen nicht auf empirisch-analytischen Untersuchungen. Sie erfüllen weder die Anforderungen der Wissenschaftlichkeit, noch erheben sie den Anspruch auf Vollständigkeit. Der folgende Vortrag versteht sich als Diskussionsbeitrag, gespeist aus den eigenen Erfahrungen im Umgang mit dem Problembereich "Ausländer und Fremdenfeindlichkeit als Thema der Medien", wie mit den Medien selber.

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I.

Die Medien berichten in der Regel über Ausländer so wie sie über das Ausland berichten. Ausland wie Ausländer werden in der Regel dann erst zur "Nachricht", wenn sie sich mit einer wie auch immer gearteten Ausnahmesituation, besser noch: einer Katastrophe, in Verbindung bringen lassen.

Wird in den deutschen Medien etwa über ein Land der sogenannten Dritten Welt ausführlicher berichtet, so kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß in diesem Land entweder Bürgerkrieg herrscht, Hungersnot ausgebrochen ist oder eine Naturkatastrophe wütet – oder alles zusammen. In jedem Fall ist nicht das Land die Nachricht, sondern dessen "Heimsuchung". In der allgemeinen Wahrnehmung wird aber die jeweilige Katastrophe mit dem jeweiligen Land verbunden.

So wie etwa Somalia die Landung amerikanischer Truppen "benötigte", um wenigstens für eine gewisse Zeit ins Zentrum des Mediengeschehens zu rücken – es ist bezeichnend und nicht ohne Ironie, daß der Invasion der Soldaten, die Invasion der Journalisten vorausging –, so "benötigten" die Ausländer in Deutschland Hoyerswerda, Rostock und Mölln, um angesichts der offensichtlichen Fremdenfeindlichkeit auch deren subtile Formen dem allgemeinen Medieninteresse näher zu bringen. In der allgemeinen Wahrnehmung wurden "Ausländer in Deutschland" Tag für Tag und Abend für Abend mit Unordnung, Gewalt und Chaos in Verbindung gebracht. Denn im Grunde waren nicht Ausländer zum Thema der Medien geworden, sondern eben die Unordnung, die Gewalt und das Chaos.

II.

Die deutschen Medien sind zuallererst deutsche Medien. Selbst Berichte, die ein positives Bild von den Ausländern in Deutschland zu zeichnen beabsichtigen, können sich nur schwer von der letztlich verhängnisvollen Wir-und-die-anderen-Rhetorik trennen.

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Ein besonders offenkundiges Beispiel: Journalisten, die die Nützlichkeit des Aufenthaltes von Ausländern in Deutschland betonen wollen, enden früher oder später bei dem Argument: "Die Ausländer sind nützlich für unsere Wirtschaft, für unser System der sozialen Sicherung". Es sind immer sie, die nützlich sind für unsere Wirtschaft, unser System der sozialen Sicherung. Das es sich aufgrund der geschichtlichen Entwicklung der Arbeitsmigration, aufgrund dessen, daß die "Ausländer" in ihrer überwiegenden Mehrheit zu einem integralen Bestandteil der bundesdeutschen Bevölkerung geworden sind, auch um ihre Wirtschaft, um ihr System der sozialen Sicherung handelt, ist bereits (wohlwollenden) Journalisten kaum vermittelbar und wird umso weniger vermittelt.

Was dagegen sehr wohl vermittelt wird, ist der Subtext dieses vermeintlich so guten Arguments gegen Ausländerfeindlichkeit. Und der lautet, oder kann es zumindest: "Wir brauchen nur so lange nett zu Ausländern sein, solange sie uns nützen!" Beispiele nach diesem Prinzip "Gute Absichten – fatale Folgen" gibt es mehrere.

III.

Das Problem – nicht nur – der Medienmacher, wenn Ausländer und Fremdenfeindlichkeit zu Themen der Medien werden, beginnt in diesem Zusammenhang ("Gute Absichten – fatale Folgen") bereits bei der verwendeten und verwendbaren Sprache. Die Palette reicht hier von kaum kaschierten Euphorismen bis zu eindeutig zweideutigen Vokabeln.

Früher nannten wir die Ausländer "Gastarbeiter" – obwohl es allgemein anerkannt ist, daß Gäste in der Regel nicht arbeiten müssen. Heute nennen wir sie "ausländische Mitbürger" – obwohl Mit-Bürger, denen essentielle Bürgerrechte fehlen, nichts weniger sind als das. Wir sprechen, mit den Beispielen fremdenfeindlicher und rassistischer Gewalt im Hinterkopf, von "Ausländerproblematik", gerade so, als seien hier die Ausländer das Problem. Wir sprechen von "Ausländerkindern", und meinen Kinder und Jugendliche, die zum größten Teil in Deutschland geboren wurden oder zumindest hier aufgewachsen sind.

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Von der Katastrophenrhetorik im Zusammenhang mit der Asyldebatte, den vollen Booten, Wellen, Fluten und geborstenen Deichen einmal ganz zu schweigen.

Es ist diese vermeintliche oder tatsächliche Unzulänglichkeit der Sprache, die bei Journalisten den Wunsch nach unverdächtigen Sprachregelungen erwachsen läßt. Und sie führt auch dazu, daß "ausländische Journalisten", gemeint sind Ausländer, vor allem der zweiten Generation, in den deutschen Medien beinahe ausschließlich in den Ausländerredaktionen anzutreffen sind. Aus der (zu) einfachen Logik heraus, daß wenn Ausländer die falschen Worte verwenden, der Verdacht des Rassismus leichter zu widerlegen ist.

IV.

In diesen Tagen finden immer wieder Veranstaltungen, Seminare statt, an deren Ende oft die Forderung steht, dem mehr oder weniger latenten Rassismus-Vorwurf gegen die Medien, durch die Konstruktion und Propagierung eines "neuen Bildes" von Ausländern zu begegnen.

Hinter Forderungen dieser Art stehen oft zu einfache Konzeptionen eines Reiz-Reaktions-Mechanismus und die beinahe schon romantische Vorstellung von der Existenz der Objektivität. Dabei sind gerade die Medien, ganz gleich ob Fernsehen, Hörfunk, Zeitungen oder Zeitschriften, die am wenigsten wahrscheinlichen Fundorte einer wie auch immer gearteten Objektivität. Die gerade deutschen Medien so oft abverlangte Ausgewogenheit ist nicht dasselbe wie Objektivität.

Hinter Forderungen dieser Art steht aber auch die Versuchung der angenommenen negativen Diskriminierung von Ausländern, die absichtsvoll positive Diskriminierung gegenüber zu stellen. Auch wenn das im Zusammenhang mit einem Seminar, das der Verantwortung der Medien für den alltäglichen Rassismus nachspüren will, auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen mag: die positive Diskriminierung ist nicht weniger rassistisch als die negative; einen Ausländer zu lieben weil er Ausländer ist, ist nicht viel klüger als ihn aus eben demselben Grund zu hassen.

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Ausländer sind – nicht nur in Deutschland – keine "edlen Wilden", die deshalb an ihrer Umwelt leiden. Will das durch die Medien vermittelte "Bild vom Ausländer" in der Rezeption der Medien-Konsumenten bestehen, so muß es seine Entsprechung in der Perzeption des alltäglichen Bildes vom Ausländer haben. (Auch wenn die Grenzen gerade in diesem Bereich fließend sind und die jeweiligen Wechselwirkungen kaum exakt nachzeichenbar.)

Werden die Medien-Bilder für unglaubwürdig erachtet, so ist selbst die positivste Propaganda vergebene Liebesmüh!

V.

Es ist bemerkenswert, daß bei der Debatte um Rolle und Funktion der Medien im Zusammenhang mit dem Thema "Ausländer" und "Fremdenfeindlichkeit" zwei Aspekte regelmäßig zu kurz kommen oder aber gar nicht genannt werden, die aber dennoch größten Einfluß auf jeweilige Berichte haben: 1) Die Produktionsbedingungen des jeweiligen Mediums und, damit zusammenhängend, die Arbeitsbedingungen der Medienmacher und 2) der Produktionszweck von Medien.

Der Vorwurf, Journalisten verfügten über ein höchst unzureichendes Fachwissen und/oder recherchierten nicht gründlich genug, entbehrt gerade bei dem in vielerlei Hinsicht komplizierten Themen wie Ausländerpolitik und Ausländerrecht leider nicht immer der Grundlage. Das Fehlen von Fachjournalisten in Verbindung mit dem täglichen Diktat der Deadline, macht sich gerade in kleineren Redaktionen negativ bemerkbar.

Zum zweiten müssen sich Medien verkaufen. Bei den Endabnehmern ebenso wie bei den Inserenten. Leider hat es zusätzlich den Anschein, daß die wachsende (kommerzielle) Konkurrenz im Bereich des Privatfernsehens ebenso wie die zunehmende Konzentration im Bereich der Printmedien im Hinblick auf die Qualität eher negative Effekte mit sich bringt.

Das soll keine Versäumnisse und schon gar keine Exzesse entschuldigen, es soll aber in der Hektik der Debatte nicht vergessen werden.

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VI.

Wenn von der Darstellung der Ausländer in den Medien die Rede ist, beschränkt sich die Sichtweise zumeist nur auf das Genre "Nachrichten und Informationen". Die Darstellung der Ausländer in Fernsehserien, Fernseh- und Spielfilmen und natürlich in der Werbung wird vernachlässigt, obwohl sie in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen ist.

Dieses Thema ist allerdings ein eigenes Seminar wert, und deshalb soll es zunächst mit dieser Bemerkung sein bewenden haben. Positiv anzumerken ist, daß etwa in der Werbebranche mit dem Bild des Italieners positive Assoziationen verbunden werden. Vor zwanzig Jahren waren die Italiener noch die "Itakker" und "Spaghettifresser".

VII.

Man kann am Ende dieses Vortrags den Eindruck bekommen, die Kritik an den Medien und ihren Machern sei zu kurz gekommen. Das heißt nicht, daß es an den Medien und der Art und Weise ihrer Berichterstattung nichts zu kritisieren gäbe. Wieso etwa werden die Zusammenhänge zwischen institutioneller Diskriminierung, rechtlicher Schlechterstellungen und privater Diskriminierung von Ausländern so selten beim Namen genannt? Wo blieb bei der Berichterstattung über die Lichterkette dieser oder jener Stadt die parallele Berichterstattung über die Ausländerpolitik der Ausländerbehörde derselben Stadt? Die Auseinandersetzung der Medien und ihrer Macher über die eigene Rolle, das eigene Selbstverständnis, die eigenen Möglichkeiten und Grenzen nicht nur im Hinblick auf die Ausländer-Asyldebatte steckt immer noch in den Kinderschuhen. Das Bewußtsein vor allem im Laufe der nicht immer sehr be- und durchdacht geführten Asyldebatte manche Politikerworte, auch die leichtfertigeren, zu unreflektiert aufgenommen und dadurch in ihrer Wirkung verstärkt zu haben, ist inzwischen zwar weit verbreitet, aber der Eindruck, die Medien-Macher hätten daraus ihre Lehren gezogen, will sich bis heute nicht einstellen.

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Dennoch: die Schuld an den ausländerfeindlichen und rassistischen Gewalttaten allein oder zu großen Teilen den Medien zuzuschreiben, ist eine zu einfache Lösung, um diesem Pfad einfach zu folgen.

Die Punkte, die hier genannt worden sind, sollen, gerade weil sie auf den ersten Blick als wenig zusammenhängend erscheinen, die Verschiedenheit und Vielzahl der immanenten Probleme und Schwierigkeiten andeuten, wenn Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit zum Thema der Medien werden. Dabei ist die alte Frage, ob die Medien die Wirklichkeit nur wiedergeben, oder ob die Wirklichkeit allein durch die Wiedergabe schon manipuliert wird, noch gar nicht zur Sprache gekommen; auch deshalb nicht, weil sie an die Frage nach der Henne und dem Ei erinnert. Dafür wie dagegen lassen sich Belege und Beweise zu Häuf anführen.

Es ist die Diskussion über die Funktion der Medien, gerade in ihrer Eigenschaft als sogenannte "vierte Gewalt", die unbedingt weitergeführt werden muß. Eine Diskussion, die durch eindeutige Schuldzuweisungen aber abrupt zu einem Ende gebracht wird.

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