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Maria Diersch
Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen – Gesellschaft für Sächsisch-Polnische Zusammenarbeit e.V.




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1. Gründungsphase

Am 15. Januar 1992 fand im Kraszewski-Museum in Dresden die Gründungsversammlung der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen – Gesellschaft für Sächsisch-Polnische Zusammenarbeit" statt.

Die Gründung initiierte Elzbieta Zimmermann, Germanistin aus Warschau, die seit über zwanzig Jahren in Dresden lebt und mit dem Komponisten und Intendanten der Leipziger Oper Prof. Udo Zimmermann verheiratet ist. Sie gab zuerst in Dresden Polnischunterricht, den sie nicht nur als Vermittlung von Sprache, sondern vor allem als Vermittlung von Kultur, als Herstellung einer inneren Brücke zwischen Polen und Deutschen verstand.

Die Gesellschaft geht aus dem um Elzbieta Zimmermann beim Kulturbund der DDR in Dresden versammelten Freundeskreis für polnische Sprache und Literatur, der sich regelmäßig im Kraszewski-Museum traf, hervor. Nach der Vereinigung beider deutscher Staaten wurde unter den veränderten politischen Bedingungen die Idee der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft" geboren. In ihrem Vorhaben wurde Frau Zimmermann vom Vorsitzenden der Hamburger "Deutsch-Polnischen Gesellschaft", Gerd Hoffmann, der das Büro des Beauftragten der Partnerstadt Hamburg in Dresden leitet, mit Rat und Tat unterstützt.

Das zahlreiche und honorige Publikum der Gründungsversammlung wählte Elzbieta Zimmermann zu ihrer Präsidentin. Vizepräsidenten wurden Maria Diersch (Ausländerbeauftragte im Regierungspräsidium Leipzig, Germanistin aus Krakau, die seit zwölf Jahren in Leipzig lebt) und Professor Wolfgang Marcus (Mitglied des Sächsischen Landtags, Gastprofessor für Philosophie an der TU Dresden und PH Dresden, der 1945 aus Sachsen nach Westdeutschland fliehen mußte und im Herbst 1990 in seine alte Heimat zurückkehrte). Zum Vorstand gehören außer-

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dem sächsische Wissenschaftler, Gewerkschaftler und Journalisten. Die Gesellschaft hat ihren Sitz im Kraszewski-Museum in Dresden.

Der Verein "Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen – Gesellschaft für Sächsisch-Polnische Zusammenarbeit" wurde am 15. September 1992 in das Vereinsregister des Kreisgerichts Dresden eingetragen.

Am 31. März 1992 wurde im Polnischen Institut in Leipzig die Leipziger Niederlassung der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen" gegründet. Dadurch erweiterte sich der Wirkungskreis der Gesellschaft.

Die "Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen" hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl in Polen als auch in Sachsen, für eine Verständigung zwischen beiden Ländern zu werben und den Nachbarschaftsvertrag zwischen Polen und Deutschen mit Leben zu erfüllen. Sie will sich um die Verbesserung der politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen bemühen. Die Vorhaben der Gesellschaft reichen von Studienreisen und Vorträgen, Ausstellungen und Theateraufführungen bis zum Austausch von Schülern und zur Vermittlung von Partnerstädten und wirtschaftlichen Kontakten.

"Für den Aufbau eines in Freiheit vereinten Europas kommt insbesondere den deutsch-polnischen Beziehungen eine herausragende Bedeutung zu. Ohne deutsch-französische Freundschaft hätte das Werk der Einigung Europas nicht begonnen werden können, ohne deutschpolnische Partnerschaft wird es sich nicht vollenden lassen," schreibt Bundeskanzler Helmut Kohl in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2.10.1990. Dem Land Sachsen kommt in diesem Werk aufgrund der großen Traditionen der sächsisch-polnischen Geschichte und der unmittelbaren Grenze eine besondere Rolle zu. Programme und Konferenzen können jedoch nicht persönliche Begegnungen und Gespräche zwischen den Menschen ersetzen. Nur durch das persönliche Erleben des Fremden werden gegenseitige Vorurteile und Klischees abgebaut.

In der ehemaligen DDR wurden die Beziehungen und Kontakte der Bevölkerung zu dem polnischen Nachbar durch vorgegebene Raster bestimmt; entweder ordnete der Staat die Freundschaft an, oder aber man distanzierte sich von dem politisch unzuverlässig gewordenen

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"Bruderland". Die Deutschen und Polen haben jetzt die historische Chance, ihre Beziehungen frei und neu zu gestalten. Im gemeinsamen Haus Europa ist das – historisch so vorbelastete – Verhältnis zwischen den beiden Völkern auf gegenseitiges Aufeinanderzugehen angewiesen; "Wer den Frieden gewinnen will, muß Freunde gewinnen" (Karl Dedecius). Es gibt viele Freundschaften zwischen den Menschen in beiden Ländern. Jetzt gilt es nur, sie zu fördern, wiederzubeleben, nicht verkümmern zu lassen.

Die Satzung des Vereins legt die Berufung eines Kuratoriums fest, dessen Mitglieder "in hervorragender Weise für den Zweck der Gesellschaft, insbesondere für die Förderung sächsisch-polnischer Kontakte wirken".

Bis jetzt hat die Gesellschaft zwei Kuratoren gewinnen können: den Stadtpräsidenten von Leipzig und Superintendenten der Nikolaikirche in Leipzig, Herrn Friedrich Magirius, die Symbolfigur des Leipziger Herbstes 1989, dessen gewachsene Beziehung zu Polen und sein Einsetzen für die "Solidarnosc-Bewegung" zu einer Zeit, wo dies Zivilcourage erforderte, unvergeßlich bleibt und den Chefredakteur der Tageszeitung "Zycie Warszawy", Herrn Wojcicki, den feinfühligen Politologen, Deutschlandexperten und Europäer par excellence.

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2. Tätigkeitsbericht für das Jahr 1992

In diesem Jahr verfolgte die Gesellschaft vor allem drei Ziele:

  • Förderung des kulturellen Austausches zwischen Sachsen und Polen;
  • Förderung der Begegnungen zwischen Bürgern der BRD und Polen, insbesondere der Jugend beider Länder;
  • Förderung der Partnerschaften zwischen sächsischen und polnischen Städten und Gemeinden.


2.1 Kultureller Austausch

Höhepunkte der kulturellen Veranstaltungen waren die Begegnungen mit dem polnischen Schriftsteller Andrzej Szczypiorski in Leipzig und

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Dresden. Szczypiorski eröffnete am 6. Mai 1992 im Gewandhaus Leipzig gemeinsam mit dem deutschen Schriftsteller Günter de Bruyn die Buchmesse. Die brillante Rede des polnischen Europäers hinterließ bei den Zuhörern bleibenden Eindruck. Sie zwang zum Nachdenken über Europa und die Welt und forderte jeden heraus. Szczypiorski wies auch auf die sächsisch-polnischen Beziehungen hin:

    "Leipzig hat eine große Chance, wieder jene Hauptstadt des Buches zu werden, die sie im neunzehnten und in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts war. Das ist wichtig für Polen, für die polnische Literatur sowie für den Buchhandel und das Verlagswesen. Leipzig ist doch von Polen nicht so weit entfernt wie Frankfurt am Main. Außerdem spielten die sächsischen Städte in der Geschichte der polnisch-deutschen Verhältnisse immer eine sehr wesentliche Rolle, Sachsen war nämlich das, was in einem hohen Grade das polnische Denken an Deutschland und an das deutsche Volk bestimmte. Ich möchte darauf hinweisen, daß eines unserer größten und ergreifendsten Epen, das aus der Feder des größten polnischen Dichters Adam Mickiewicz stammt, den Titel "Dziady Drezdenskie" ("Die Dresdener Totenfeier") trägt, denn viele Fragmente dieses Werkes waren in Dresden geschaffen worden.

    Im neunzehnten Jahrhundert fanden polnische Schriftsteller, polnische Patrioten und Freiheitskämpfer in den sächsischen Städten Zuflucht, Unterstützung sowie das Klima der europäischen Solidarität, das wir alle heute in dieser Kurve der gemeinsamen Geschichte so unbedingt brauchen.

    Für einen Polen ist es sehr erfreulich, daß Leipzig als eine Stadt, in der das literarische Vermögen des vereinigten Deutschlands sowie des ganzen Europas zur Schau gestellt wird, wieder zu seinem ehemaligen Glanz kommt. Es wäre gut, sich gemeinsam Mühe zu geben, damit Leipzig in naher Zukunft zur Hauptstadt des Buches für das ganze Mitteleuropa wird – und das polnische Krakau wegen seiner Denkmäler zur mitteleuropäischen Architektur-Hauptstadt."

Am 7. Mai las der Schriftsteller im Polnischen Institut in Leipzig aus seinen Werken, kam ins Gespräch mit seinen Lesern und signierte seine Bücher. Die Lesung, die eine gemeinsame Veranstaltung des Pol-

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nischen-Instituts, der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen", des Verlags SAWW Poznan, des Diogenes Verlags Zürich und der Franz-Mehring-Buchhandlung Leipzig war, wurde von einer Ausstellung der Bücher des Schriftstellers in polnischer und deutscher Sprache begleitet. Die Dresdner Leser begegneten Andrzej Szczypiorski am 8. Mai im Zentrum für zeitgenössische Musik.

Am 9.5. war der Schriftsteller Ehrengast des vierten "Sächsisch-polnischen Abends" von Frau Zimmermann und Herrn Ulf Göpfert in Dresden. In Anwesenheit des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und seiner Gattin sowie des sächsischen Kultusministers Hans-Joachim Meyer kam es zu einer regen Diskussion, nicht nur über die Beziehungen zwischen Polen und der DDR, auch deutsch-deutsche Befindlichkeiten wurden zur Sprache gebracht. Es ging um das Verhältnis zwischen Geist und Macht, Kultur und Staat. Man war sich darüber einig, daß besonders der Jugendaustausch zwischen beiden Ländern gefördert werden soll. Im Rahmen des Festaktes zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1992 hielt Andrzej Szczypiorski, der überzeugte Europäer und kritische Freund Deutschlands, auf Einladung des Präsidenten des Sächsischen Landtags die Festrede.

Eine wissenschaftliche Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut fand am 10. September in Leipzig, am 20.9. in Döbeln und am 21.9.1992 in Dresden statt. Der polnische Historiker aus Torun, Prof. Jacek Staszewski, stellte das Ergebnis seiner 30jährigen historischen Forschung zur Polnisch-Sächsischen Union vor. Prof. Staszewski führte seine Forschungen auch im Dresdner Archiv durch. Mit den Leipziger Kollegen (Prof. Karl Czok) und Gästen entwickelte sich ein langes Gespräch, wobei man ein Defizit im Wissen über die Geschichte der Beziehungen zwischen Polen und Sachsen feststellen mußte. Die Vergabe wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema an sächsischen Hochschulen, die Sensibilisierung des historischen Bewußtseins und eine wissenschaftliche Konferenz wären nach Meinung der Diskutanten sehr wichtig.

In Dresden (Schauspiel, Kleines Haus) gastierte am 9., 10. und 11. Oktober das einzigartige polnische Theater "Scena Plastyczna" aus Lublin. Aus diesem Anlaß fand im Kraszewski-Museum ein Gespräch

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mit dem Regisseur Leszek Madzik statt. Über den Inhalt seiner Stücke sagt Leszek Madzik:

"... Es ist zutiefst menschliche Wirklichkeit. Ihr Inhalt besteht aus Leidenschaft und existentiellen Zuständen, die dem Menschen nicht immer bewußt sind, die vom Verstand nicht erfaßt werden: Liebe, Glauben, Frömmigkeit, Entsetzen, Vergänglichkeit, Tod. ..." (Teatr 1983, Heft 6, "Ich denke in Bildern"). "Die Scena Plastyczna" von Leszek Madzik entzieht sich jeglicher Etikettierung. Das dramatische Szenarium wird aus Raum, Licht, rhythmischer Bewegung und Musik gebaut. Das Theater erfreute sich einer tiefen Resonanz.

Anläßlich des Polnischen Nationalfeiertages am 11. November 1992 hielt Kazimierz Wojcicki (Chefredakteur der Tageszeitung "Zycie Warszawy" und Kurator der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen") im Dresdner Klub vor vielen Gästen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einen Vortrag zum Thema "Drei Jahre Unabhängigkeit – Polen 1992". Der musikalische Rahmen der Veranstaltung wurde von Cornelia Wosniza (Sopran) und Hans-Peter Richter (Klavier) gestaltet.

2.2 Begegnungen

Seit ihrer Gründung im Januar 1992 bestimmten zwischenmenschliche Begegnungen das Leben der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen". Die Kurzstudienreise der Gesellschaft im Juni 1992 in die Partnerstadt Dresdens an der Oder, Wroclaw/Breslau, war dank der großartigen Unterstützung durch Vertreter der Stadt Wroclaw ein großer Erfolg. Auf dem Programm stand die Besichtigung der Stadt, dann ging es zur Leopoldine, der berühmten Universität. Im Rathaus nahm man an der Plenarsitzung der Stadtverordneten teil. Der Bürgermeister der Stadt Wroclaw, Bogdan Zdrojowski, empfing eine Abordnung der Reisegruppe und übermittelte eine Grußbotschaft an den Oberbürgermeister Dresdens Dr. Herbert Wagner. In einem Cafe trafen sich die Mitglieder der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen" mit den Vertretern der "Gesellschaft Polen - Bundesrepublik Deutschland", der "Gesellschaft für deutsch-polnische Initiativen" und der "Stiftung Krzyzowa"

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(Kreisenau). Am stärksten war die Gruppe von den Aktivitäten der "Gesellschaft Polen - Bundesrepublik Deutschland" beeindruckt. Kern dieser Gesellschaft bilden Lehrkräfte der philologischen Fakultät der Universität Wroclaw, vor allem der Germanistik. Der Vorsitzende Prof. Honsza berichtete über die Arbeit der Gesellschaft, über Kontakte und Vorhaben. Am Abend stand ein Opernbesuch auf dem Programm: "Tosca" von Puccini. Die Besichtigung des "Panoramabildes von Raclawice" durfte nicht fehlen. Beeindruckend war der Besuch des jüdischen Friedhofs, auf dem u.a. Ferdinand Lasalle seine letzte Ruhestätte fand. Nachdenklich kehrte man nach Dresden und Leipzig zurück.

Eine Begegnung anderer Art war das Treffen der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Sachsen" mit den Mitgliedern der "Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hannover" im Garten des Kraszewski-Museums am 12.9.1992. Beim Barszcz, Bigos und Wein kam man miteinander ins Gespräch, lernte sich kennen. Die Hannoveraner besitzen bereits eine lange Tradition und verfügen über reiche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Polen. Von ihnen gingen viele Impulse für gemeinsame Projekte aus. Diese Begegnung diente der gegenseitigen Information und der Förderung künftiger Vorhaben.

Die Leipziger Niederlassung der Gesellschaft traf sich am 17. und 18. Oktober 1992 mit den Mitgliedern der "Gesellschaft für Deutsche und Polnische Kultur – Freundeskreis Frankfurt a.M./Krakow". Das Treffen war dem jüdischen Schriftsteller Bruno Schulz gewidmet. Im Polnischen Institut hielt der Leipziger Wissenschaftler Dr. Christian Trepte einen Vortrag über Bruno Schulz. Die Gäste hatten auch die Möglichkeit zu einem Gespräch mit dem deutschen Kurator der sächsischen Gesellschaft, dem Stadtpräsidenten und Intendanten der Nikolaikirche in Leipzig Friedrich Magirius. Man besuchte dann gemeinsam die Aufführung der Oper "Die Puppen" von Zbigniew Rudzinski. Der Komponist ist eigens zu dieser Veranstaltung aus Warschau gekommen. Im Kellertheater war die Ausstellung "Die Welt des Bruno Schulz. Der große polnisch-jüdische Schriftsteller als Zeichner" zu sehen. Am späten Abend saß man zusammen in "Auerbachs Keller" und schmiedete Pläne für zukünftige gemeinsame Veranstaltungen. Auf Wunsch der Gäste fand am nächsten Tag die Besichtigung der Leipziger Oper und ein Gespräch mit dem Intendanten Prof. Udo Zimmermann statt. Mit

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sachkundiger Begleitung schloß sich dann ein Spaziergang durch die Leipziger Altstadt an. 1993 will man gemeinsam u.a. eine Reise nach Krakau, Auschwitz und Zakopane unternehmen. Der Termin steht schon fest.

Im Mai wird in Leipzig eine Konferenz über die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den jüdischen Gemeinden in Polen und Deutschland vom 16. bis zum 20. Jahrhundert stattfinden. Die Hauptreferate sollten Prof. Jozef Gierowski vom Forschungszentrum für Jüdische Geschichte und Kultur in Polen (Jagiellonen-Universität Krakow) und Prof. Grözinger (Seminar für Judaistik, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M.) halten.

Die "Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen" beteiligte sich 1992 an den Vorbereitungen des Jugendaustausches zwischen Sachsen und Polen. Nachdem, bedingt durch die politischen Ereignisse in der ehemaligen DDR, der traditionelle Ferienaustausch im Regierungsbezirk Leipzig mit Polen zwei Jahre ruhte und alte Kontakte abbrachen, fand im Sommer 1992 erneut ein Austausch von Kindern und Jugendlichen aus Polen statt. Maßgebend war dies der engagierten Arbeit von Frau Dr. Finder (Ref. Kultur, Jugend und Sport des Regierungspräsidiums Leipzig) zu verdanken.

Trotz vieler Probleme und Schwierigkeiten verbrachten 176 polnische Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 bis 22 Jahren gemeinsam mit etwa 64 sächsischen Freunden im Alter von 14 bis 18 Jahre ihre Ferien in Sachsen. 126 deutsche Kinder und Jugendliche fuhren nach Polen, um sich dort mit ca. 140 polnischen Kindern und Jugendlichen zu erholen. Im Zeitraum vom 5.7. bis zum 2.8.1992 wurde der Austausch in zwei Durchgängen zu je 14 Tagen in den Jugendherbergen des Regierungsbezirkes Leipzig (Colditz, Großdeuben, Dahlen, Grethen, Mutzschen) und in Ferienobjekten und Internaten in Polen (Warschau, Krakau, Olsztyn, Konin, Jelenia Gora) in Form von gemeinsamen Erholungsaufenthalten durchgeführt. Dank der Hilfe von Betreuern und Herbergseltern konnten die Kinder und Jugendlichen aus Polen und Sachsen erlebnisreiche Ferien und Begegnungen bei Sport, Spiel und Wanderungen erleben. Während der Tagesfahrten nach Weimar, Dresden und Leipzig lernten die Gäste Sachsen kennen. Für die deutschen Teilnehmer in Polen wurden ebenfalls Stadtbesichtigungen, Wanderun-

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gen, Sport- und Spielveranstaltungen organisiert. Diese Art der Feriengestaltung wurde von vielen Kindern und Jugendlichen gern angenommen, eine große Zahl möchte 1993 wieder unbedingt dabei sein. Am Austausch nahmen etwa 80% Jugendliche aus Leipzig und 20% aus Dresden teil. Sie alle haben sich aufgrund von Annoncen in Tageszeitungen bzw. im Rundfunk zusammengefunden. Es gab große Probleme bei der Gewinnung von Betreuern und Dolmetschern, da finanzielle Anreize fehlten. Finanziert wurde der Austausch von deutscher Seite, zu einem kleinen Teil (ca. 25%) aus Teilnehmerbeiträgen – 170 DM für den Aufenthalt in Polen und 120 DM für den Aufenthalt in Sachsen – und zum weitaus größeren Teil aus Landesmitteln, die durch den Bundesjugendplan für den deutsch-polnischen Jugendaustausch zur Verfügung gestellt wurden. Da jedoch die Mittel erst in der sprichwörtlich letzten Minute abgerufen werden konnten, kam es zu vielen Komplikationen. Am 1. Dezember kommen die polnischen Partner nach Leipzig, wo die Auswertung des Jugendaustausches mit den Herbergseltern vorgenommen werden soll.

2.3 Förderung der Städtepartnerschaft

Krakau ist Leipzigs Partnerstadt. Der Leipziger Studentenklub "Moritzbastei", unterstützt durch unsere Gesellschaft, organisierte im Oktober 1992 "Krakower Tage" in der Moritzbastei, um die Stadt Leipzig an ihre traditionelle Partnerstadt zu erinnern und die Beziehungen zwischen den beiden Städten, vor allem auf der kulturellen Ebene, neu zu beleben. Zwei Veranstaltungen verdienen, hervorgehoben zu werden. Die Theatergruppe "Om" kam mit dem Stück "Zujnia" ("Das Kauen"). Das Stück, das eine Botschaft gegen die vom Konsum beherrschte Gesellschaft und gegen die menschliche Habgier verbirgt, fand beim vorwiegend studentischen Publikum eine große Resonanz.

Der Film von Harriet Eder und Michael Marton "Noch ist Polen nicht verloren", oder wie sich manche Deutsche die "Wiedereroberung der Ostgebiete vorstellen", versammelte ein interessiertes Publikum. Die Filmemacher schufen einen entlarvenden und authentischen Report, der durch die Vielschichtigkeit und surrealistische Überbelichtung ein Kunstwerk darstellt. Die anschließende Diskussion mit der Autorin war sehr anregend.

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Die "Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen" sieht es als ihr besonderes Anliegen an, die historische und kulturelle Entwicklung von Sachsen und Polen unter Berücksichtigung der gemeinsamen Beziehungen aufzuarbeiten und zu pflegen. Sie unterstützt dabei u.a. "Societas Jablonoviana" in Leipzig, die Leipziger "Chopin-Gesellschaft", die Kraszewski-Gedenkstätte in Dresden, die Pflege der historischen Gräber der polnischen Emigranten auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden, einschließlich der wissenschaftlichen Betreuung. Man ist bemüht um Kontakte zum Görlitzer Verein "Via regia". Gute Verbindungen bestehen zu der neu gegründeten Vereinigung polnischer Bürger in Sachsen, "Polonia". Man arbeitet gut mit dem Polnischen Institut in Leipzig zusammen, dessen Direktor Eugeniusz Piliszek ein engagierter Mitstreiter für die polnische Sache in Sachsen ist.

Die "Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen" ist noch sehr jung und lernt gerade laufen, denkt man an ähnliche Gesellschaften in Hannover oder Hamburg. Wir sind jedoch auf das Erreichte stolz im Wissen darum, wieviel noch zu tun ist, ehe die immer noch vorhandenen politisch-psychologischen Barrieren überwunden sind.

"Wir werden danach streben, daß zwischen dem heutigen deutschen und polnischen Volk Verständnis, Achtung und Sympathie herrschen, und daß auf diesem Boden einmal eine wahre Freundschaft erwächst." In der Zeit des Umbruchs, in der wir jetzt leben, gilt es, die Worte Konrad Adenauers mit Leben zu erfüllen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2002

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