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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 67]
An dieser Stelle sollen einige Aktivitäten der Gesellschaft in Niederschlesien, insbesondere aber in Wroclaw dargestellt werden. Wir bitten um Verständnis, daß hier nur einige Teilaspekte zur Sprache kommen können. In Wroclaw ist auch eine Gesellschaft für Deutsch-Polnische Initiativen tätig (ihre Vertreter nehmen an dieser Konferenz teil) und in ihrem Namen werden wir ebenfalls hier einige Worte sagen. Die seit Anfang 1989 bestehende Gesellschaft Polen-Bundesrepublik Deutschland verfolgt in ihrer Tätigkeit Ziele, die, abgesehen von momentanen politischen Konjunkturen, auch das kulturelle Zusammenleben in Europa berücksichtigen sollen. Die Jahre 1989/90 sind als markante und trotz aller Probleme positive Zäsur geschichtswirksam geworden. Von dieser Zäsur aus und über sie hinausgehend, versucht unsere Gesellschaft kulturgeschichtliche und politische deutsch-polnische Zusammenhänge einem breiteren Interessentenkreis bewußt zu machen. Auf Grund der geopolitischen Lage bzw. der historischen Verflechtung mit Deutschland gilt dies als Herausforderung für Polen in besonderem Maße. In den drei Jahren unserer Tätigkeit wurde die Gesellschaft zu einer wichtigen Institution für die Entwicklung der heute so freundschaftlichen deutsch-polnischen Beziehungen. Die Gesellschaft ist bemüht, daß sich Polen und Deutsche besser kennenlernen und daß dies nicht nur eine Floskel bleibt. Dabei hilft natürlich die nicht immer erfreuliche gemeinsame Vergangenheit, aber auch Verbreitung des Wissens über die alten und reichen Kulturen beider Länder, die Sitten und die nationalen und regionalen Traditionen. Das Leben der Gesellschaft ist durch verschiedene Treffen, Veranstaltungen, Konferenzen, organisatorische Unternehmungen und Beziehungen mit den Vertretern des deutschen Konsulats in Wroclaw und der deutschen Botschaft in Warschau, Wissenschaftlern, Schriftsteilem und Journalisten erfüllt. [Seite der Druckausg.: 68] Wroclaw (Breslau) hat in dieser Zusammenarbeit viel zu bieten. Es ist eine Stadt der Kultur und Wissenschaft, eines der führenden Zentren im geistigen und künstlerischen Leben Polens. Es ist zugleich eine Stadt mit entwickelter Industrie und ein überregionales Zentrum der wirtschaftlichen Planung und Verwaltung. Entscheidend für die Position Wroclaws unter den führenden Städten Polens sind die Autorität seiner wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, die Erfolge der Forschung sowie die hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Kultur. Das rege geistige und künstlerische Schaffen entwickelt sich in unmittelbarer Nachbarschaft des reichen historischen Erbes, der hervorragenden Architektur- und Kunstdenkmäler. Wroclaw ist diejenige Stadt, die der Welt das zeitgenössische Polen näherbringen kann. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten hat die Gesellschaft einerseits eine sehr gute Ausgangsposition, andererseits muß sie auch dem "Druck" der "konkurrierenden" Initiativen standhalten. Sehr viele Kontakte können durch die persönlichen Bekanntschaften zustande gebracht werden; andere Möglichkeiten eröffnet die institutionelle Ebene wie z.B. die Städtepartnerschaft. Wroclaw und Wiesbaden sind Partnerstädte. Auf dieser Schiene laufen seit geraumer Zeit interessante Begegnungen und Veranstaltungen. Die Gesellschaft Polen-Bundesrepublik Deutschland übrigens auf Anregung des Vorsitzenden des Deutsch-Polnischen Vereins in Wiesbaden, Siegurd Bartsch ist bestrebt in diesem Städtedialog mitzuwirken. Die Vorstände und Mitglieder beider Gesellschaften haben sich schon in Wiesbaden und Wroclaw getroffen, intensive Gespräche geführt, Absichtserklärungen verfaßt und ein Rahmenprogramm für eine künftige Kooperation aufgestellt. Unsere Gesellschaft organisiert für interessierte Hörer einen regulären Vortragszyklus über die neueste Geschichte, deutsch-polnische Beziehungen und über deutsche Literatur und Kunst. Ziel und Absicht solcher Vorlesungen ist, schwierige und kontroverse Themen im deutsch-polnischen Dialog zur Sprache zu bringen. Themen zum Umweltschutz, über deutsch-polnische Kulturbeziehungen, deutsche Minderheit in Polen, aber auch über Günter Grass oder Ernst Jünger füllen immer wieder die Hörsäle. Unsere Gesellschaft versucht, verschiedene Formen der gegenseitigen, Information zu fördern. So fand zum Beispiel im [Seite der Druckausg.: 69] Frühjahr 1992 eine Ausstellung der Karikatur "Polen-Deutsche. Deutsche-Polen" statt. Es war ein Querschnitt von Zeitungskarikaturen, die eine Entwicklung von Feindbildern zu Versöhnungsbildern schilderten. Die Ausstellung leistete zweifelsohne einen beachtlichen Beitrag zur Relativierung von Stereotypen und Klischees. Eine besondere Erwähnung verdient die gemeinsame Initiative der Deutsch-Polnischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Polnisch-Deutsche Initiativen, vom 16. November d.J. Es fand eine Podiumsdiskussion zum Thema "Zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Über den Radikalismus der 90er Jahre in Mitteleuropa" statt. Die im großen Ratssaal des Breslauer Rathauses versammelten Gäste konnten sich an einem regen Gedankenaustausch beteiligen, zu dem als besondere Gäste Prof. Edward Klimczak aus Warschau, Dr. Joseph Neubauer aus Wien, Dr. Theodor Kanitzer, Vorsitzender der Österreichisch-Polnischen-Gesellschaft und der Kulturattache des Deutschen Konsulats in Breslau, Herr Rainer Sachs, eingeladen waren. Die über zwei Stunden lang andauernde Diskussion wurde durch die Lesung eines Abschnittes aus dem Stück "Schöne Ausländerin" von Klaus Pohl eingeleitet. Der Gedankenaustausch war von jenem Thema beherrscht, das auch im Rahmen unseres Treffens eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Er zeigte keineswegs eine Ratlosigkeit gegenüber dem Fremdenhaß, sondern vor allem ein Bemühen, eine vernunftsmäßige Erklärung für diese Erscheinung zu finden. Die Gesellschaft bringt auch ein Mitteilungsblatt heraus, in dem nicht nur die internen Angelegenheiten behandelt werden. Platz findet hier auch eine bescheidene Publizistik zu deutsch-polnischen Themen. Die Redakteure sind mit dem Lehrstuhl für moderne Literatur des Germanistischen Instituts verbunden. Die Gesellschaft Polen-Bundesrepublik Deutschland ist zu einer Partnerschaftsvereinbarung mit der Bayrisch-Polnischen Gesellschaft gekommen. Sie hat das Ziel, durch Verständigung, Zusammenarbeit und gegenseitiges Kennenlernen einen Beitrag dazu zu leisten, die traditionellen Beziehungen im Bereich der Kultur, des Handwerksund der mittelständischen Wirtschaft beider Länder zu fördern und sie im Rahmen eines geeinten Europas näherzubringen. Es wurden auch gemeinsame Aktivitäten zwischen den Handelskammern von Schwaben und Nieder- [Seite der Druckausg.: 70] Schlesien sowie der Elektroindustrie von Kaufbeuren und Wroclaw und der städtischen Berufsschule Kaufbeuren mit dem Berufsschulkomplex Wroclaw vereinbart. Die beiden Gesellschaften brachten gezielt Menschen zusammen, die mit einem gemeinsamen ausgearbeiteten Programm die Arbeit fortführten. Auch im kulturellen Bereich können beide Gesellschaften Erfolge verzeichnen, um nur an dieser Stelle den Besuch einer bayrischen Jazz-Band in Wroclaw zu erwähnen (unter anderem Auftritte im großen Studio des Rundfunks und im Generalkonsulat). Wir sind der Meinung, daß nicht offizielle Delegationen, sondern Künstler, Schriftsteller und Ensembles zu einer Förderung und Verständigung im Bereich der Kunst und Literatur beitragen können. So veranstaltete die Gesellschaft zusammen mit dem deutschen Generalkonsulat im Museum der Architektur ein Konzert des bekannten Sängerchors "Cantores Minores Wratislavienses" unter der Leitung des ausgezeichneten Dirigenten Edmund Kajdasz. Die hier angeführten Beispiele sollen paradigmatisch zeigen, wie eine Zusammenarbeit auf bescheidener Ebene möglich ist. Wir verstehen uns als ein kleines Rädchen im großen Getriebe der Völkerverständigung. Dieses Ziel verfolgen in Breslau auch andere Institutionen, Gesellschaften und Stiftungen, um nur den Kreisauer Kreis, die Edith-Stein-Gesellschaft und die Gesellschaft für Polnisch-Deutsche Initiativen zu erwähnen. Die Gesellschaft für Polnisch-Deutsche Initiativen entstand im Dezember 1990 auf Anregung mehrerer Personen aus den verschiedenen Städten Deutschlands (darunter Mainz) und Polens. Ihr Ziel ist, laut Programm, alle Initiativen zu unterstützen, die ein zivilisatorisches Gefälle zwischen Deutschland und Polen reduzieren und somit eine Eingliederung Polens als gleichberechtigtem Partner in die Familie der europäischen Völker ermöglichen können. Zum Vorsitzenden der Gesellschaft wurde auf der Tagung am 16. März 1991 Prof. Jerzy Przystawa gewählt. Heute zählt die Gesellschaft über 300 Mitglieder, die in verschiedenen Ortsgruppen vereinigt sind: in Kalisz, Krakow, Katowice, Legnica, Ostrow Wlkp., Torun, Warszaka. Mitglieder der Gesellschaft sind auch Deutsche aus Aachen, Euskirchen, Gauting, Gutenzell- [Seite der Druckausg.: 71] Hurbel, Mainz, Tauche. Der Hauptsitz des Vorstandes ist in Wroclaw, in der Nähe des Deutschen Konsulats. Die Aktivitäten der Gesellschaft wurden mit der Tagung "Ökonomische und gesellschaftliche Aspekte einer regionalen Umstrukturierung" initiiert; die Tagung fand vom 16.-20. September 1992 statt und konnte mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der Selbstverwaltungsorgane der Wojwodschaft Walbrzych veranstaltet werden. Es beteiligten sich Experten aus Belgien, England, Deutschland, Frankreich und sogar aus Japan. Die Gesellschaft für Polnisch-Deutsche Initiativen veranstaltet jeden Monat im Rahmen des Zyklus "Deutsch-Polnische Gespräche" ein Kolloquium. Als Teilnehmer traten u.a. auf: Prof. Wojciech Wrzesinski, Rektor der Universität Wroclaw, Wojciech Wieczorek, der ehemalige Botschafter Polens in Berlin, Hans-Georg Fleck, der Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung, Bruno Weber, Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Wroclaw, Marek Zielinski, Sekretär der Polnischen Botschaft in Köln, Dr. Ralf Langner, Direktor der Firma DEA-Castrol Westtank aus Hamburg, Thomas Hardieck, Handelsattache der deutschen Botschaft in Warschau, und Horst Pahlhans, der ehemalige Direktor der Bundeszentrale für Politische Bildung. Die Mitglieder der Gesellschaft nahmen an einigen internationalen Tagungen teil, die in der BRD veranstaltet wurden. Sie waren z.B. auf dem Kongreß "Polen und Deutsche gemeinsam in Europa", der vom 1. bis zum 3. Mai 1992 in Berlin stattfand. Die Gesellschaft gibt ein Mitteilungsblatt heraus. Die eigene Rolle wird von der Gesellschaft auf zweifache Art und Weise wahrgenommen: sie will im wirtschaftlichen Bereich wirken, d.h. jene deutsch-polnischen Unternehmen unterstützen, die einen Transfer des Kapitals und der Technologien von Deutschland nach Polen begünstigen sowie einen Export der polnischen Waren, der wissenschaftlichen und technischen Leistungen nach Deutschland ermöglichen. Eine wesentliche Rolle spielen auch in der Gesellschaft Beratungsgespräche in technischen, ökonomischen und juristischen Bereichen. Die Probleme des Denkmalschutzes und der Ökologie sollen dabei keineswegs vernachlässigt werden. [Seite der Druckausg.: 72] Eine besondere Aufgabe sieht die Gesellschaft in der Bewußtseinsgestaltung der Polen und der Deutschen. Dies soll durch zahlreiche Kontakte auf politischer, wissenschaftlicher und kultureller Ebene verwirklicht werden. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2002 |