FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



Verena Arenz
Einstellung der Einheimischen gegenüber Fremden und Möglichkeiten der Akzeptanzförderung


[Seite der Druckausg.: 55]

Die Ausländer und Ausländerinnen in den neuen Ländern befinden sich in einer besonderen Situation. In kürzester Zeit änderten sich die Lebensbedingungen der Menschen. Alte Werte verloren ihre Gültigkeit. Neues kam hinzu. Die Menschen fühlten sich verunsichert. Dies wirkte auch auf die Akzeptanz von Ausländern zurück.

Die besondere Situation der Ausländer und Ausländerinnen in den neuen Ländern im Vergleich zu den alten Bundesländern, zeigt sich in folgenden Zahlen: Der Ausländeranteil in der ehemaligen DDR betrug etwa 1,1 %. Nach der Wende und dem folgenden Zusammenbruch vieler Betriebe verringerte sich deren Zahl dramatisch. Viele ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die auf Grundlage von Regierungsabkommen in der DDR waren, mußten in ihre Heimat zurückkehren. Bis zum heutigen Tag hat sich die Zahl von 92.000 (1989) auf ca. 10.000 bis 15.000 Personen reduziert.

Sachsen-Anhalt nahm erstmalig im Dezember 1990 (zeitgleich mit den anderen neuen Bundesländern) Asylbewerber entsprechend der vorgegebenen Quote auf. Der Ausländeranteil in Sachsen-Anhalt liegt heute, die Asylbewerber eingerechnet, bei etwa 0,4 %. In absoluten Zahlen ausgedrückt, sind das etwa 8.000 ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie 6.000 Asylbewerber.

Die Einstellung gegenüber Fremden bzw. Ausländern ist regional unterschiedlich. Erfahrungsgemäß wird sie jedoch durch zwei Faktoren geprägt:

  • Ein weitgehend von den Medien beeinflußtes Ausländerbild, das durch Informationen, Erfahrungen und Meinungen im Bekanntenkreis ergänzt und abgewandelt werden kann sowie

  • persönlichen Erfahrungen mit Ausländern.

[Seite der Druckausg.: 56]

Gerade letzteres erwies sich in der ehemaligen DDR als schwierig und so gab es wenig persönliche Kontakte. Erstens war der Ausländeranteil gering. Die Unterbringung in speziellen Wohnheimen, die für die Bevölkerung kaum zugänglich waren, erschwerte persönliches Kennenlernen. Zweitens wurden enge Kontakte und persönliche Freundschaften von offizieller Seite nicht erwünscht, mitunter sogar unterbunden.

Persönliches Erleben der Ausländer als Nachbarn, mit allen sich daraus ergebenden zwischenmenschlichen Berührungen, ist in einem etwas größeren Umfang erst seit dem vergangenen Jahr möglich. Durch das Schließen der Ausländerwohnheime wurde die Unterbringung in Wohnungen erforderlich. Gleichzeitig konnte die Bevölkerung jetzt Ausländer als bereits vom Gesetz Benachteiligte erleben, denn wie anders wäre der Ausschluß von den Kommunalwahlen sonst zu bewerten. Auch der Umgang der Behörden mit Ausländern weist diese nicht als eine den Einheimischen gleichgestellte Personengruppe aus.

Eine überdimensionale Berichterstattung in den Medien bestärkt Vorurteile. Die Art und Weise der Asyldiskussion durch Politiker schürt zusätzliche Ängste.

Dieser Hintergrund verdeutlicht die Brisanz der Situation beim Umgang mit Asylbewerbern. Zur irrationalen Stimmungsmache der Medien kommen noch die Schwierigkeiten der Unterbringung und die erst ansatzweise vorhandenen Strukturen sozialer Betreuung.

Die Kommunen und Gemeinden stehen durch das Fehlen geeigneter Gebäude bzw. der Freigabe von Kasernen durch den Bund oft vor unlösbaren Problemen. Perspektivisches Arbeiten in Richtung Akzeptanz unter der einheimischen Bevölkerung, wie etwa die Vorbereitung der Gemeinden, des unmittelbar angrenzenden Wohngebietes, auf die Einrichtung eines Asylbewerberheimes, war bislang die Ausnahme.

Die Einwohner wurden oft nur wenige Tage vor der Ankunft der ersten Asylbewerber vor vollende Tatsachen gestellt. Dieses Vorgehen bedeutet letztlich, daß sich die Bürger nicht ernst genommen fühlen. Vorurteile können

[Seite der Druckausg.: 57]

nicht ausgeräumt werden. Die psychisch überforderten Bürger wehren sich gegen die Unterbringung der Fremden.

Vor der Wende lebte die DDR-Bevölkerung in relativer Abgeschiedenheit von anderen Kulturen und Lebensrythmen. Wurde von ihr in hohem Maße Angepaßtsein an geltende Nonnen verlangt, zählte Toleranz gegenüber Andersdenkenden, Anderseienden zu den wenig geübten Tugenden. Offen für Fremdes zu sein, andere Lebensmaxime tolerieren und mitfühlen zu können, setzt innere Sicherheit und Stärke voraus. Wo jedoch sollen Sicherheit und Stärke in der heutigen, von Existenzängsten geprägten Situation herkommen?

Die äußeren Rahmenbedingungen der Asylpolitik - auch für Akzeptanz und Toleranz gegenüber Fremden - werden auf politischer Ebene festgelegt. Politiker tragen Verantwortung durch die gegenwärtige Form des Meinungsstreites. Ein Meinungsstreit, der bar jeder Sachlichkeit und mit deutlichem Blick auf eventuelle Wähler ausgefochten wird. Die Auswirkungen des Parteienstreites in der Asylpolitik sind in Übergriffen auf Ausländer und Asylbewerberheime, sind in Hünxe und Hoyerswerda zu erkennen.

Der weitere Rahmen - die Mindestanforderungen an Gemeinschaftsunterkünfte - wurde durch das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt gesteckt. Es muß an dieser Stelle deutlich gesagt werden, daß die geplanten Sammelunterkünfte, wie z.B. Mohlau, der Akzeptanzförderung entgegenstehen. Gemeinden und Kommunen mit etwa tausend Einwohnern kann unmöglich die Unterbringung von ebenso vielen Asylbewerbern zugemutet werden. Hier haben Überfremdungsängste ihre Berechtigung. Außerdem dürfte sich die Beschulung der schulpflichtiger Kinder von Asylbewerbern in Sammelunterkünften schwierig gestalten. Schulpflicht besteht jedoch laut § 36 des Schulreformgesetzes.

Eine regional recht unterschiedlich geprägte Akzeptanz zeigt sich auch gegenüber Asylbewerberheimen: So sind im Magdeburger Asylbewerberheim Wolfswerder über 280 Asylbewerber untergebracht. Sie kommen aus Ghana, Kenia, Thailand, Vietnam, Iran und Irak. Gemeinsam mit der Heimleitung konnten die Asylbewerber die Abschaffung der Gemeinschaftsverpflegung erreichen. Der Einsatz der Sozialarbeiter in diesem Wohnheim ist enorm und geht über das dienstliche Maß hinaus. Das Heim liegt mitten in einem

[Seite der Druckausg.: 58]

Wohngebiet. Bei seinem Bezug durch die Asylbewerber bildete sich eine "Bürgerinitiative Wolfswerder" mit dem erklärten Ziel, die Belegung des Heimes mit Asylbewerbern rückgängig zu machen. Nach mehreren Diskussionen mit den Anwohnern, Vertretern des Magistrates und der Landesregierung konnte ein Teilerfolg verzeichnet werden. Die Asylbewerber berücksichtigten die berechtigten Beschwerden der Anwohner. Und diese brachten mehr Verständnis für die Situation der Asylbewerber auf. Letzteres sei mit der Einschränkung gesagt, daß ein Teil der Bürgerinitiative bei seiner absoluten Ablehnung blieb.

Als weiteres Beispiel sei das Asylbewerberheim Kannenberg benannt: Hier sind räumlich gute Voraussetzungen für etwa 40 Asylbewerber vorhanden. Nach zwei Besichtigungen dieser Unterkunft muß festgestellt werden, daß die Einstellung des Heimpersonals wie auch der Betreiberfirma eine qualitativ gute Betreuung bislang verhinderte. Die Mängel reichen vom verzögerten Wechseln der Bettwäsche (erst nach elf Wochen) über nicht ausreichende Beköstigung bis zur Überbelegung einzelner Räume. Den jungen Müttern unter den Asylbewerbern wurde von Kannenbergern das Angebot unterbreitet, für ihre Wäsche die Waschküchen zweier Familien aus dem Ort zu benutzen. Obwohl die direkten Kontakte zwischen Anwohnern und Asylbewerbern nur sporadisch sind, werden sie von allen Seiten als gut bezeichnet. Gemeinsam mit dem Innenministerium wird eine Lösung angestrebt, die eine Umverteilung der Asylbewerber und Schließung des Heimes zur Folge hat.

Vor allem Kirchengemeinden und Ausländervereine ermöglichen Kontakte zu Fremden und führen Veranstaltungen mit informativem Charakter durch. Das Interesse daran ist groß. Allerdings werden Ausländer und Asylbewerber sowie engagierte Vereine ablehnende Teile der Bevölkerung kaum erreichen.

Möglichkeiten der Akzeptanzförderung werden vor allem im Sozialkundeunterricht an den Schulen, in der Informationsarbeit und durch Modellprojekte gesehen. Ein Dokumentarfilm, der auf die Ursachen von Gewalt und Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen eingeht, wurde durch das Sozialministerium in Auftrag gegeben und soll als Diskussionsgrundlage im Schulunterricht dienen. Kinder und Jugendliche sind vorrangig die Zielgruppe, um Vorurteile gegenüber Ausländern abzubauen. Die in diesem Jahr ausgeschriebenen

[Seite der Druckausg.: 59]

thematischen Mal-, Zeichen- und Ideenwettbewerbe richteten sich daher vor allem an diese Altersgruppen.

Die Systematisierung der Zusammenarbeit des Referates für Ausländerfragen im Sozialministerium mit dem Kultusministerium auf dem Gebiet des Sozialkundeunterrichts wird in einer Arbeitsgruppe angestrebt.

Eine Fotodokumentation über die Unterbringung der Asylbewerber, die großen Anklang fand, sollte dem Argument: "Die leben bei uns wie in Interhotels" entgegenwirken.

Zusammengefaßt beinhaltet die Strategie zur Akzeptanzförderung die folgenden Maßnahmen:

  • Auseinandersetzung mit der Problematik an Schulen;

  • Verstärkung der Jugendarbeit mit Ausländern;

  • Aufklärung über Leistungen an Asylbewerber, Situation der Ausländer in Sachsen-Anhalt und Fluchtursachen in Form von fotodokumentarischen Ausstellungen und Broschüren sowie

  • Förderung von Kulturzentren der hier lebenden Ausländer.

Sicher ein Weg der kleinen Schritte, aber ein Weg in die richtige Richtung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 2001

Previous Page TOC Next Page