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TEILDOKUMENT:


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Michael Lindenbauer
Weltweite Flüchtlingsbewegungen und das Recht auf Asyl


Wenn man von Akzeptanz und Akzeptanzproblemen spricht, fällt einem sofort Hoyerswerda und Hünxe ein; beide Namen stehen für eine Welle von Gewalt in Deutschland gegenüber Ausländern, die in ihrer Brutalität und Offenheit bis dahin unbekannt war. Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte im letzten Jahr insgesamt rund 4.000 fremdenfeindliche Straftaten, darunter 339 Brandanschläge und 239 tätliche Angriffe auf Personen. Die tatsächliche Zahl der Straftaten liegt wohl weitaus höher, da zu vermuten ist, so ein BKA-Beamter, daß eine Vielzahl der Opfer aus Angst vor weiteren Repressalien oder aus sprachlichen Gründen keine Anzeige erstattet haben. Der durch die Medien vermittelte Eindruck, neonazistische und fremdenfeindliche Aktionen seien vor allem ein Problem in den neuen Bundesländern, läßt sich durch die Statistik nicht erhärten. Drei westliche Bundesländer, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg, stehen an der Spitze der Schreckensbilanz.

Die Angst, nämlich die Angst vor der Einwanderung, die Angst vor der Zukunft und unsere Furcht, daß wir unseren Reichtum vielleicht teilen müssen, die, so Beate Winkler vom Büro der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, sind die Hauptursache für dieses Phänomen. Sie hat daher eine Informations- und Öffentlichkeitskampagne gegen Ausländerfeindlichkeit initiiert, die von den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen und Interessenverbänden getragen wird. Seit dem letzten Herbst gibt es darüber hinaus wohl keine Stadt in Deutschland, in der nicht Arbeitskreise gegen Fremdenfeindlichkeit aktiv wurden, keine Schule, in der nicht im Unterricht über dieses Thema diskutiert wurde. Mit anderen Worten: Wer gegen Fremdenfeindlichkeit angehen will, muß vorhandene Ängste ernst nehmen und sie nicht instrumentalisieren. Und diese Forderung geht zuvorderst an die Adresse der Politik. Eine weitere Forderung, die wohl auch an die Politik zu richten ist: Der Asylstreit darf nicht als Stellvertreterdebatte für die notwendige Auseinandersetzung über die wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme benutzt werden, die letzten Endes die Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung erzeugen.

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Wir alle sind aufgerufen, diesen fremdenfeindlichen Tendenzen entgegenzutreten. Das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) kann aus seiner Erfahrung versuchen, Informationen über die Situation der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, die Problematik zu begreifen, um sie aus einer anderen, differenzierten Sichtweise betrachten zu können und auf deren Grundlage hoffentlich Konzepte für die Bekämpfung dieser Tendenzen erarbeitet werden können.

Zu den Eckpfeilern: 17 Mio. Menschen stehen zur Zeit weltweit unter dem Mandat von UNHCR. Mit anderen Worten: Diese Menschen stehen unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention oder anderer regionaler Vertragswerke, z. B. der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU),

Zwei wichtige Flüchtlingsgruppen sind hierbei nicht erfaßt:

  • die weit über zwei Millionen palästinensischen Flüchtlinge, die von einem eigens gegründeten UN-Hilfswerk (UNRWA) unterstützt werden;

  • die Vertriebenen im eigenen Land, sog. Binnenflüchtlinge, die aufgrund von Bürgerkriegen aus ihrer heimatlichen Umgebung gerissen wurden. Für sie ist formell keine internationale Hilfsorganisation zuständig. Man schätzt ihre Zahl weltweit auf 15-20 Mio.

Zur Zeit sind mithin mindestens 30 Mio. Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Kriegen, Bürgerkriegen, aus Furcht vor Verfolgung und Unterdrückung. Daß ihre Zahl steigt, beweist ein Blick auf die UNHCR-Statistik: Danach hat sich die Zahl der unter UNHCR-Mandat stehenden Flüchtlinge seit 1980 verdoppelt. Brennpunkte der Flüchtlingstragödie finden sich vor allem in Afrika und dem Mittleren Osten: Allein in Pakistan und dem Iran leben seit über zehn Jahren über 5,5 Mio. afghanische Flüchtlinge; am Horn von Afrika, im Sudan, Äthiopien und Somalia sind über zwei Mio. Menschen als Flüchtlinge und sog. Rückkehrer - ehemalige Flüchtlinge, die zurück in ihrem Heimatland jedoch noch nicht Fuß fassen konnten - registriert. Zudem rechnet man am Horn von Afrika mit über sechs Millionen Binnenflüchtlingen, allein im Sudan 4,5 Mio. Innerhalb eines Jahres sind ca. 250.000 somalische und äthiopische Flüchtlinge nach Kenia geflüchtet. Dort, wo sich die großen Flüchtlingslager befinden, nämlich im Norden des Landes, herrscht extreme Unterernährung (nicht nur auf

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seiten der Flüchtlinge). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Liberias - 1,7 von 2,5 Mio. Menschen - ist aufgrund eines blutigen Bürgerkrieges entwurzelt. Und im Süden Afrikas hat ein Staat wie Malawi mit rund acht Mio. Einwohnern fast eine Million mosambikanische Flüchtlinge aufgenommen. Diese Statistiken können nur Anhaltspunkte quantitativer Natur sein. Den Einzelschicksalen, die sich hinter den nackten Zahlen verbergen, werden sie gewiß nicht gerecht.

Auch die "jugoslawische" Tragödie hat auf erschütternde Weise deutlich gemacht, welche schwierige Aufgabe sich uns zur Bewältigung dieser Probleme stellt. Manche Konflikte, die man seit Jahrzehnten überwunden glaubte, waren offensichtlich nur verschüttet und entladen sich nun mit erschreckender Gewalt. Die täglichen Bilder im Fernsehen, aber auch die Berichte meiner Kollegen sind unfaßbar. Wer früher noch über manchen ethnischen Konflikt in Afrika den Kopf geschüttelt hat, muß nun erleben, daß dies auch mitten in Europa, nur gute 1.000 Kilometer von hier entfernt, möglich ist. Nicht zuletzt diese bittere Erkenntnis müßte all jenen zu denken geben, die glauben, die gesamte Flüchtlingsproblematik unter dem Gesichtspunkt der Einwanderungskontrolle lösen zu können. Die Hoffnung hat sich als Trugschluß erwiesen, mit der Einleitung eines neuen politischen Zeitalters seien die Fluchtursachen ausgeräumt worden. Insofern ist unser Amt ein nachhaltiger Verfechter für die Aufrechterhaltung der humanitären Tradition des Asylrechts in Europa. So wenig eine Asylpolitik eine umfassende Flüchtlingspolitik ersetzen kann, so wenig macht es Sinn, flüchtlingspolitische Konzeptionen ohne ein liberales Asylrecht zu gestalten. Gerade in diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, daß in den westlichen Industrieländern (einschließlich USA und Kanada) zur Zeit nur ca. 10 % der unter UNHCR-Mandat stehenden Flüchtlinge leben.

Ich betone nochmals: Asylrecht eignet sich nicht als Instrument der Einwanderungskontrolle. Leider ist jedoch das Asylverfahren unter diesem Aspekt nicht nur in Deutschland, sondern in allen westeuropäischen Ländern im Laufe der letzten Jahre mehrmals verändert worden. Denken Sie nur an die Einengung der Kriterien, die für die Anerkennung im Asylverfahren zugrunde gelegt werden, denken Sie an die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Asylbewerber oder aber auch an die Androhung von Sanktionen für Fluggesellschaften, die potentielle Asylbewerber in ihr Zufluchtsland transportieren. Die Leidtragenden einer solchen Entwicklung sind in erster Linie jene, die man durch solche Maßnahmen zu schützen vorgibt: die sog. bona fide Flüchtlinge, deren besondere

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Schutzbedürftigkeit die internationale Staatengemeinschaft in der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt hat. 40 Jahre nach Verabschiedung dieser Magna Charta des internationalen Flüchtlingsrechts muß man bedauerlicherweise feststellen, daß die von den Verfassern festgeschriebene "großzügige Handhabung" der Konvention im Gegensatz zu den 50er und 60er Jahren auf dem Rückzug ist. Zehntausende von Flüchtlingen aus Ungarn und der Tschechoslowakei wurden damals von den westeuropäischen Staaten als Konventionsflüchtlinge anerkannt und unter den Schutz des Abkommens gestellt. Kämen sie heute noch einmal, so würden sie wahrscheinlich als Flüchtlinge aus Krisen- oder Bürgerkriegsgebieten eingestuft und wegen mangelnder individueller Verfolgung in den Asylverfahren abgelehnt. Es unterscheidet sie nämlich wenig von Flüchtlingen aus Sri Lanka oder Somalia.

Vor dem Hintergrund dieser bedenklichen Entwicklung findet derzeit die europäische Asylrechtsharmonisierung statt. Wie Sie wissen, bemüht man sich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft schon seit längerer Zeit, eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik zu formulieren. Die Mitgliedstaaten konzentrieren sich seit Mitte der 80er Jahre auf die Frage, wie im Zuge des Abbaus der Grenzkontrollen bis 1993 die Einreise von Bürgern aus Drittstaaten kontrolliert werden kann. Mit dem Stichwort von der Harmonisierung der europäischen Asylpolitik fand man hierfür eine griffige Formel. Deren Elemente bilden drei Vertragswerke, die allerdings bis heute noch nicht in Kraft betreten sind: das Schengener Zusatzabkommen, die Dubliner Asylkonvention und ein Abkommen zur Sicherung der Außengrenzen, das bislang allerdings noch nicht einmal von den Staaten unterzeichnet worden ist.

Auch hier zuerst kurz zur Ausgangslage: Die Zahl der Asylbewerber in den europäischen Staaten ist mit einigen regionalen Schwankungen in den letzten Jahren stark in die Höhe gegangen. Waren es 1983 noch ca. 72.000 Asylbewerber in Europa (EG), liegt die Zahl für 1991 bei ca. 430.000 in den EG-Staaten und 550.000 in gesamt Westeuropa. Unbestritten hat die Bundesrepublik Deutschland die größte Zahl, d.h. etwa die Hälfte, der Asylantragsteller registriert. Nicht vergessen solle man hier jedoch, daß, gemessen am Bevölkerungsschlüssel, z.B. die Schweiz oder Österreich einen ähnlich großen Anteil von Asylbewerbern aufgenommen haben. In diesem Europa finden wir sehr unterschiedlich ausgestaltete Asylverfahren mit äußerst unterschiedlichen Anerkennungspraktiken und Anerkennungsquoten; gemeinsam ist diesen Staaten

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lediglich, und hier ist die Bundesrepublik die einzige Ausnahme, daß die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 die Grundlage für die Anerkennung eines Flüchtlings darstellt.

Obwohl es bereits vor Schengen Bemühungen gegeben hatte zu "harmonisieren", z.B. im Rahmen des Europarates (CAHAR), hat Schengen die Marschrichtung festgelegt. Der Vertrag vom Juni 1985 regelte zunächst lediglich den freien Personen- und Warenverkehr innerhalb der Benelux-Staaten, Frankreich und der Bundesrepublik. Inzwischen schlössen sich Spanien, Portugal und Italien an. Sie alle unterzeichneten ein Zusatzabkommen zu dem ursprünglichen Vertragswerk. Neben der Einrichtung eines Informationssystems wird dort u.a. mittels einer Kriterien-Liste festgelegt, welcher Staat für die Überprüfung und die mögliche Abschiebung eines Asylsuchenden zuständig ist. Nach dem "one time only"-Prinzip sollen Mehrfachanträge bzw. sukzessive Asylanträge verhindert werden. Ein anderer wichtiger Bestandteil des Systems ist das sog. SIS (Schengener Informations-System), das den Staaten erlauben soll schnell auf die Daten potentieller Asylbewerber zurückzugreifen, die vielleicht schon in einem anderen Land einen Antrag eingebracht haben.

Aus Sicht des Flüchtlingsrechtsschutzes als problematisch sehen wir die sog. "Carrier Sanctions", d.h. die Bestrafung von Transportunternehmen, die Flüchtlinge in das Schengengebiet befördert haben. Problematisch insofern, als diese Einrichtung möglicherweise "fluchtverhindernd" wirken könnte. Auf die erst kürzlich erfolgte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei hingewiesen, die in Frage stellte, ob diese Bestrafung im Einklang mit Art. 16 GG sei. UNHCR hat in einem kürzlich an die Regierungen übermittelten Positionspapier zu aktuellen Fragen des Asylrechts u.a. dargelegt, daß "die Staaten Sanktionen nur dann verhängen sollten, wenn sie (die Staaten) nachgewiesen haben, daß Beförderungsunternehmen bei der Überprüfung von Reisedokumenten nachlässig sind und wissentlich eine Person in ein Land befördert haben, die nicht im Besitz eines gültigen Reisdokumentes war und bei der er (ebenfalls der Staat) festgestellt hat, daß sie keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat".

Im Inhalt sehr ähnlich ist auch eine Asylkonvention, die ebenfalls Juni 1990 von den EG-Mitgliedsstaaten in Dublin unterzeichnet wurde. Erklärtes Ziel: Einen Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zu verpflichten und damit Mehrfachanträge zu vermeiden. Ferner streben die EG-Staaten eine Harmoni-

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sierung der Einreisebestimmungen, der Grenzkontrollen und der Visumspolitik an. Das Ziel soll ebenfalls, ähnlich wie in Schengen II, durch einen Kriterienkatalog für die Zuständigkeit (geprüft wird welchem Staat zurechenbar ist, daß der Asylsuchende das Gemeinschaftsgebiet betreten hat, wie z.B. durch die Erteilung eines Visum) durch die Einführung eines Informationssystems erreicht werden.

Aus Sicht des UNHCR ist positiv anzumerken, daß beide Abkommen ausdrücklich Bezug nehmen auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. In beiden Abkommen ist darüber hinaus festgelegt, daß die Mitgliedsstaaten keinen geographischen Vorbehalt zur GFK anwenden werden. Als vorläufiges Fazit läßt sich jedenfalls feststellen: Wenn in der Europäischen Gemeinschaft von der Harmonisierung der Asylpolitik die Rede ist, sind fast ausschließlich technische Fragen, Verfahrensfragen gemeint, vor allem jene, die mit dem Zugang zu einem Asylverfahren zu tun haben. Ausgeklammert bleiben hingegen alle Probleme, die mit dem materiellen Asylrecht zu tun haben. Auch beim Maastrichter EG-Gipfel hat man sich lediglich darauf geeinigt, auch auf diesem Gebiet eine Vereinheitlichung anzustreben. Ob und vor allem in welchem Zeitrahmen dies gelingt, ist unklar. Es versteht sich von selbst, daß UNHCR eine Vereinheitlichung der Kriterien auf der Grundlage einer liberalen Interpretation der Genfer Konvention begrüßen würde. Grundsätze, auf die man sich (d.h. die Staaten) geeinigt hat, betreffend dieser humanitären Anwendung der Konvention, wie sie beispielsweise in den Beschlüssen des Exekutivkomitees des UNHCR, aber auch im Handbuch über die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft dargelegt sind, sollten dabei Anwendung finden.

In diesem Zusammenhang möchte ich neuerlich auf das vorerwähnte UNHCR-Grundsatzpapier zurückkommen aus dem hier einige zentrale Punkte kurz skizziert werden sollen:

  • Legitime Grenzkontrollen müssen mit dem Recht des Einzelnen, um Asyl nachzusuchen, und der Verpflichtung der Staaten, Flüchtlinge nicht zurückzuweisen, in Einklang gebracht werden. Aus diesem Grund lehnt UNHCR die Einrichtung sog. "internationaler Zonen", z.B. an Flughäfen grundsätzlich ebenso ab, wie die oben erwähnten Sanktionen gegen Beförderungsunternehmen.

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  • UNHCR unterstützt die beschleunigten Verfahren für offensichtlich unbegründete Anträge. Bei allen Asylbewerbern sollte jedoch, und hier insbesondere wegen der Gefahr, die beschleunigte Verfahren für den Rechtsschutz mit sich bringen können, eine umfassende Beratung vor der ersten Befragung stattfinden. Jedenfalls sollte auch bei einem beschleunigten Verfahren eine unabhängige Überprüfung des Asylantrags bei einer Ablehnung möglich sein.

  • UNHCR ist gegen die Einführung einer sog. Länderliste verfolgungsfreier Länder als Instrument, den Zugang zum Asylverfahren für Staatsangehörige bestimmter Herkunftsländer automatisch zu versperren. Diese Maßnahme ist unserer Auffassung nach mit dem Inhalt der GFK nicht zu vereinbaren. Eine solche Liste würde beispielsweise auch eine geographische Einschränkung des Abkommens bedeuten; hier sei nochmals auf die Abkommen von Schengen und Dublin verwiesen, die ausdrücklich die geographische Einschränkung der Anwendung der GFK verneinen.

  • Vom Begriff des sicheren Herkunftslandes ist derjenige des sicheren Erstasyllandes zu trennen. Hier seien einige Mindestanforderungen genannt, die aus unserer Sicht die Anwendung dieses Begriffs möglich erscheinen lassen:

  • Ratifizierung und auch Einhaltung der GFK, vor allem des Abschiebeverbots;

  • Ratifizierung und Einhaltung von internationalen Menschenrechtsabkommen;

  • Bereitschaft des jeweiligen Staates, dem betreffenden Asylbewerber den Aufenthalt für die Dauer eines Asylverfahrens zu gestatten;

  • regelmäßige Überprüfung der Anwendung des Begriffs auf gewisse Staaten.

Notwendig wird es darüber hinaus sein - will man eine europäische Harmonisierung der Anwendung des materiellen Flüchtlingsrechts -, daß man eine europäische Instanz (beispielsweise eine besondere Kammer beim Europäischen Gerichtshof) im Verfahren anbietet. Aber auch andere Rechte (z.B. soziale Rechte) sollten so weit als möglich angeglichen werden, um "Pull-Fak-

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toren" für Flüchtlingsbewegungen innerhalb Europas nach Möglichkeit zu vermeiden.

In Anbetracht des derzeitigen Standes der Harmonisierungsbestrebungen in Sachen Asyl werden die nationalen Rechte, jedenfalls in nächster Zukunft, aber die Grundlage für die Behandlung von Asylbewerbern darstellen. Und damit wären wir beim letzten Punkt angelangt, nämlich beim Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland.

Wie Sie wahrscheinlich der Presse entnommen haben, soll ein neues Asylverfahrensgesetz am 1. Juli 1992 in Kraft treten. Die Neuerungen, die das neue Asylverfahrensgesetz bringen soll, zielen auf eine weitere Beschleunigung des Asylverfahrens und insbesondere auf eine Beschleunigung der Verfahren offensichtlich unbegründeter Antragsteller ab. Wie ich bereits weiter oben ausgeführt habe, wird diese Absicht von UNHCR durchaus unterstützt. Ohne ins Detail gehen zu wollen, möchte ich Ihnen jedoch gerne die zwei aus Sicht des UNHCR wichtigsten Kritikpunkte am Entwurf darlegen, auf die wir uns in der Diskussion um den Gesetzesentwurf konzentriert haben:

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1. Die fehlende Berücksichtigung des Art. 1 GFK im deutschen Asylverfahren

Wie Sie wissen, hat sich die Rechtsprechung zu Art. 16 GG und Art. 1 GFK seit ca. Anfang der 80er Jahre auseinanderbewegt. Diese "Lücke", die dadurch geschaffen wurde, daß nämlich eine Vielzahl von Asylsuchenden keine Anerkennung finden konnte (nach Art. 16 GG), obwohl es sich bei diesen Menschen um Flüchtlinge nach der Konvention handelte, wurde teilweise durch die Änderung des Ausländergesetzes geschlossen. Aber leider nur teilweise, denn unter § 51 AusIG lassen sich nicht alle Konventionsflüchtlinge (nach Art. 1 GFK) subsumieren. Flüchtlinge, die in anderen Staaten Europas, weil dort die GFK Anspruchsgrundlage ist, grundsätzlich anerkannt werden müßten, können aus Rechtsgründen hier keine Anerkennung finden und müssen das Schicksal jener großen Gruppe der sog. de-facto Flüchtlinge teilen, d.h. sie werden zwar in der Regel nicht abgeschoben, die Rechte, die ihnen nach der GFK zustehen, werden ihnen jedoch vorenthalten.

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2. Effizienz und Fairness des vorgeschlagenen Verfahrens

Die größte Sorge, die wir im Zusammenhang mit dem Entwurf des Asylverfahrens geäußert haben, ist die Problematik der Beratung der Asylsuchenden. UNHCR begrüßt ein schnelleres Verfahren, doch wir müssen gleichzeitig verhindern, daß die Asylbewerber durch das nach wie vor sehr komplexe Verfahren quasi durchgezogen werden. Dies, und da komme ich neuerlich auf das Positionspapier des UNHCR zurück, ist am besten dadurch zu erreichen, wenn man den Menschen am Beginn des Verfahrens eine entsprechende Beratung zuteil werden läßt. Die verkürzten Fristen, die das Gesetz mit sich bringen wird, machen diese Beratung, denn die Anwälte werden größte Schwierigkeilen haben, diese Fälle zu begleiten, umso notwendiger. Feststeht, daß sich damit jedenfalls die Gefahr eines "Refoulements", d.h. die Abschiebung eines Flüchtlings in das Verfolgerland, erhöht.

Zum Schluß möchte ich vom engen Blickwinkel des Asylverfahrens nochmals zu einer anderen Perspektive kommen. Dies mit dem bereits eingangs erwähnten Grundgedanken, daß man mit einem juristisch fixierten Instrumentarium, und dies ist das deutsche Asylverfahren, keine wirklichen Lösungen für das Problem Flucht und Verfolgung finden kann.

Schon das Problem "Jugoslawien", das uns in diesen Tagen natürlich besonders herausfordert, macht klar, daß eine Asylverfahrensregelung für diese Frage nicht ausreicht bzw. auch nicht dienlich ist. Ich möchte die Frage stellen, warum mußten letztes Jahr 75.000 Menschen und dieses Jahr bereits 40.000 Menschen, die überwiegend vorübergehenden Schutz vor einer Kriegssituation gesucht haben, durch das komplizierte und aufwendige Asylverfahren gehen (bzw. gehen sie wahrscheinlich noch lange), um dann aus Rechtsgründen abgelehnt zu werden. Eine vorübergehende Bleiberechtsregelung, die den Menschen eine vorübergehende Zuflucht gewähren würde, hätte dafür sicherlich ausgereicht.

Aber selbst diese Überlegung kann nur ein Baustein bei den Bemühungen sein, die notwendig sind, der Problematik von Fluchtbewegungen zu begegnen. Hier wird es erforderlich sein, sich verstärkt auf folgende Maßnahmen zu konzentrieren:

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  • Sog. Ursachenbekämpfung; Ansätze sind vorhanden, z.B. in Form der Flüchtlingskonzeption der Bundesregierung, aber auch in Form ähnlicher Konzeptionen anderer Länder in Europa. Substanzielle Mittel mit dahinterstehendem substanziellen Engagement sind aber noch notwendig.

  • Aber nicht nur (wirtschaftliche) Ursachenbekämpfung ist unabdingbar;
    Verbesserung im Bereich der Menschenrechtssituation in den Ursprungsländern ist Voraussetzung für greifbare Ergebnisse einer präventiven Flüchtlingspolitik. Die Resolution 688 der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit dem Konflikt im Norden des Irak, die das völkerrechtliche Prinzip der "Nichteinmischung" erstmals durchbrochen hat, stellt für diese Art von Maßnahmen möglicherweise einen Präzedenzfall dar.

Wie wir sehen, stehen noch gigantische Aufgaben vor uns. Aufgaben, von deren Lösung enorm viel für unsere gemeinsame Zukunft abhängt. Nur dann jedenfalls, wenn es uns gelingt, diese Probleme schnellstmöglich in den Griff zu bekommen, wird es uns gelingen, das Asylrecht als eine der wichtigsten Errungenschaften in Sachen Humanität beizubehalten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 2001

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