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TEILDOKUMENT:
Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik: neue Perspektiven nach Amsterdam Klaus Sieveking
*[Das Manuskript wurde am 16.10.2000 abgeschlossen. Später erfolgten geringfügige Ergänzungen.] [Seite der Druckausg.:21] A. Einführung Beim Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 13.10.2000 in Biarritz äußerte der französische Premierminister Jospin Vorbehalte seiner Regierung gegen die geplanten Mehrheitsentscheidungen in der Asyl-, Visa- und Migrationspolitik.
[FAZ vom 14.10.2000, 6. In gleichem Sinn Bundeskanzler Schröder, FAZ vom 10.11.00, 7. Auch das Treffen des Europäischen Rates vom 7. – 9.12.00 in Nizza hat dazu keine neuen Entscheidungen in Richtung der Anerkennung des Mehrheitsentscheidungsprinzips im Asyl- und Einwanderungsbereich erbracht, vgl. Bulletin Quotidien Europe Nr. 7861, 5; vgl. auch Nr. 7860, 3.]
Nach jüngsten Veröffentlichungen von Eurostat [Eurostat Jahrbuch 2000, 110 f.; Statistik kurzgefasst: Bevölkerung und Soziale Bedingungen, Thema 3 – 10/2000, Bevölkerung und Lebensbedingungen, 3. Zum Wandel der Wanderungsmuster siehe auch: Beschäftigung für alle. Rassismus bekämpfen und Eingliederung von Migranten fördern, Luxemburg 2000, 4. Zur Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland siehe Sell (2000).] leben unter den knapp 375 Mio. Menschen in der Gemeinschaft ca. 19 Mio. Ausländer, davon 70%, also mehr als 13 Mio., aus Nicht-EU-Ländern und 6 Mio. aus Ländern der EU. In Deutschland leben 5,48 Mio., in Frankreich 2,3 Mio. und im Vereinigten Königreich 1,3 Mio. Drittstaater. Hinzuzuzählen sind nach groben Schätzungen ca. eine weitere Million Personen mit illegalem Status. Jährlich kommen derzeit weniger als 250000 Asylbewerber in das Gemeinschaftsgebiet, davon jeweils über 40% nach Großbritannien und Deutsch- [Seite der Druckausg.:22] land. Derzeit werden 60% aller Asylanträge in Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich gestellt. [Angaben nach Brüsseler Vertretern des UNHCR, vgl. Schutz der Flüchtlingsrechte verlangt, FAZ 28.9.2000, 6. Im Jahre 2000 wurden 78.500 Asylanträge in Deutschland gestellt.] Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, der Bevölkerungsdruck aus weniger entwickelten Ländern und der politische Wandel in Ostmitteleuropa haben das Wanderungsschema der EU-Mitgliedstaaten in den jüngsten Jahren verändert. Auch die Wanderungsmuster innerhalb der EU haben sich verändert zugunsten der Wanderung von hochqualifizierten Personen. Die zeitliche Befristung von Wanderung spielt ebenso eine stärkere Rolle wie die aus Studiengründen. Während sich in den nördlichen Ländern die Zuwanderung und der Verbleib von Ausländern konsolidiert hat vor allem durch Familienzusammenführung und das Anwachsen der zweiten Generation -, sind die südlichen Mitgliedsländer zu Einwanderungsländern geworden. Eine Zunahme von illegaler Zuwanderung ist überall zu beobachten. Schließlich bildet seit vielen Jahren der Wanderungssaldo, also die Differenz von Einwanderung und Auswanderung, besonders in Deutschland, Italien und Schweden die Hauptkomponente der Bevölkerungsentwicklung. Es ist davon auszugehen, dass diese Tendenz in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zunehmen wird und deswegen eine Zuwanderung von erheblicher Größenordnung für erforderlich gehalten wird. B. Die politischen Rahmenbedingungen gegenwärtiger Einwanderungs- und Asyldebatten Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages im Mai 1999 wird die Öffentlichkeit in Europa zunehmend mit migrationspolitischen Themen konfrontiert. Dazu tragen nicht nur spektakuläre Ereignisse wie z.B. der Tod von bei der Überfahrt über die Wassergrenzen Europas ertrunkenen Flüchtlingen bei. Die Wissenschaft hat die anstehenden Fragen aufgegriffen [Siehe dazu vor allem die Tagung der Europäischen Rechtsakademie Trier am 18. und 19. Februar 1999. Die Beiträge sind veröffentlicht worden, siehe: Hailbronner (1999).] , und die Medien nehmen in ihrer Berichterstattung über rechtspolitische Entwicklungen in Europa immer häufiger Bezug auf Migration, Einwanderung oder [Seite der Druckausg.:23] Asyl nicht zu sprechen von den anwachsenden Meldungen über antirassistische und fremdenfeindliche Aktionen. Vor diesem Hintergrund wäre wie in Art. 13 Abs. 2 EU vorgesehen - auf europäischer Ebene eine gemeinsame Strategie und ein umfassendes Konzept
[Anderes gilt z.B. für den Bereich der Mittelmeerpolitik, vgl. den Strategiebeschluss Nr. 2000/458/GASP „Gemeinsame Strategie des Europäischen Rates vom 19.06.2000 für den Mittelmeerraum„ ABl. EG L 183/5 vom 22.07.2000.] betreffend Einwanderung und Asyl zu erwarten, da es sich hier um Bereiche handelt, in denen wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen. Hieran mangelt es bis heute - trotz erster Ansätze in der Europäischen Kommission.
[Hinzuweisen ist auf frühere Mitteilungen der Europäischen Kommission über „Asyl und Einwanderung„ z.B. 1994.]
Betrachtet man die bislang entwickelten Instrumente, so überwiegt der sicherheitspolitische Aspekt. Welches Gewicht dabei den außen- und inte-grationspolitischen Zielen oder Vorstellungen einer Rechts- und Wertegemeinschaft zukommt, lässt sich nicht immer deutlich erkennen. Die Verortung dieser Gesichtspunkte im Rahmen eines strategischen Konzepts wäre vonnöten. Dass dies keine leichte Aufgabe ist, ist nicht nur der Komplexität der angesprochenen Problemfelder zuzuschreiben. Die Schwierigkeit liegt in der notwendigen Bearbeitung des Themas im Kontext internationaler, europäischer und nationaler Politik. Für Fragen einer derartigen Mehrebenenpolitik [Vgl. dazu: Jachtenfuchs/ Kohler-Koch, in dies . (Hrsg.) (1996), 15-44; Zürn (1998).] sind noch keine hinreichenden Strukturen entwickelt. Zur näheren Illustration sei auf weitere Stichworte hingewiesen:
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ausdrücklich kritisiert -, hält angesichts sinkender Geburtenraten in Europa allein für Deutschland bis zum Jahre 2050 die Einwanderung von 25 Mio. Menschen für erforderlich; Vor diesem Hintergrund ist zunächst der Diskussionsrahmen zu verdeutlichen, innerhalb dessen und von dem aus europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik diskutiert und beeinflusst wird. Ich unterscheide dabei drei Ebenen:
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dung Europas.
[Fischer (2000) und die Beiträge von Müller-Graff , Schneider und Kohler-Koch in demselben Heft integration 2/2000.]
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Aufenthaltsfreiheit heißt es in Abs. 2: Staatsangehörigen dritter Länder, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, kann gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt werden. Die angesprochene Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen ist ein aktuell diskutiertes Thema, das durchaus kontrovers eingeschätzt wird. Z.B. befürchtet der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Singhammer, dass die Erweiterung der Geltung von Arbeitserlaubnissen für ein EU-Land auf die gesamte Union zu massiver Zuwanderung führen würde. Er beruft sich auf die vielen Brasilianer, die über ihre portugiesischen Verbindungen in Portugal Aufenthaltsrecht genießen. [Zitiert nach: CSU fragt Herzog: Wo bleibt das Volk? Scharfe Kritik am Entwurf für Grundrechtscharta, Die Welt vom 23.9.2000, 2.] - Intensive Diskussionen hat es zum Asylrecht nach Art. 18 der Charta gegeben, der das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Konvention sowie dem EG-Vertrag gewährleistet. Das bezeugen die zahlreichen Stellungnahmen der Verbände in den Mitgliedstaaten, von internationalen Organisationen, insbesondere diverser Nichtregierungsorganisationen. [Stellvertretend die Stellungnahmen von Amnesty International vom April 2000 und 22.08.00, nachzulesen im internet www.consilium.eu.int. Zahlreiche Stellungnahmen enthält auch das Stenographische Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Deutscher Bundestag (43. Sitzung) und des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union – Bundesrat – am Mittwoch, 5. April 2000. ] Zur Debatte stehen einheitliche Beurteilungskriterien für Flüchtlinge und harmonisierte Verfahrensrechte. [Seite der Druckausg.:28] und Asyl. Die Debatten über ein nationales Einwanderungsgesetz werden jetzt geführt, wobei die Abgrenzung zu den Maßnahmen auf europäischer Ebene näher festzulegen sein werden. Fragen der Integration der eingewanderten Personen und die Auseinandersetzung mit fremdenfeindlichen Aktionen werden auf nationaler Ebene ausgetragen. Gleiches gilt für Entscheidungen über die bilateralen Rückübernahme-Abkommen als verfahrensrechtliche Instrumente des Kampfes gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung, die außerhalb des Gemeinschaftsrahmens getroffen werden. C. Der rechtlich-institutionelle Rahmen von Einwanderung und Asyl I. Der Kompetenzwandel im Bereich von Einwanderung und Asyl: Vom sozialpolitisch motivierten Konzertierungsverfahren zur eigenständigen Kompetenz für Inneres (1974-1999) Bereits 1974 stellte der Rat in seiner Entschließung vom 21. Januar 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm [ABl.EG C Nr. 13, 1.] fest, dass die Wanderungspolitik der Mitgliedstaaten der EG aufgrund ihres Einflusses auf den Arbeitsmarkt und auf die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer für die Sozialpolitik der Gemeinschaft von Bedeutung ist. Der Rat anerkannte die Notwendigkeit der Abstimmung der Wanderungspolitik gegenüber Drittländern. Diese Erwägungen waren Gegenstand der Ratsentschließungen vom 9. Februar 1976 über ein Aktionsprogramm zugunsten der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen [ABl.EG C Nr. 34, 2.] und vom 27. Juni 1980 über Leitlinien für eine Arbeitsmarktpolitik der Gemeinschaft [ABl.EG C Nr. 168, 1.]. Die Europäische Kommission legte am 8. Juli 1985 ihre Entscheidung zur Einführung eines Mitteilungs- und Abstimmungsverfahrens über die Wanderungspolitik gegenüber Drittländern [ABl.EG L Nr. 217, 25. ] vor. Danach unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten rechtzeitig und spätestens bis zum Zeitpunkt ihrer Bekanntmachung über geplante Maßnahmen gegen- [Seite der Druckausg.:29] über Wanderarbeitnehmern aus Drittländern und ihren Familienangehörigen betreffend Zuwanderung, Aufenthalt und Beschäftigung einschließlich illegaler Zuwanderung, illegalem Aufenthalt und illegaler Beschäftigung. Einen Monat später, am 16. Juli 1985, fasste der Rat eine Entschließung über Leitlinien für eine Wanderungspolitik der Gemeinschaft. Darin anerkannte der Rat, dass es zweckmäßig ist, die Zusammenarbeit und Konzertierung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission in bezug auf die Wanderungspolitik zu fördern, und zwar auch gegenüber Drittländern. Der von Frankreich und Deutschland gegen das Mitteilungs- und Abstimmungsverfahren angerufene Europäische Gerichtshof wertete in seinem Urteil von 1987 das ausländerpolitische Konzertierungsverfahren als Ausfluss der sozialpolitischen Kompetenz der Gemeinschaft nach Art. 118 EWG (Art. 137 EG Amsterdam) mit der Folge, dass über die mitgliedstaatliche Unterrichtungspflicht hinaus inhaltliche Vorgaben seitens der Gemeinschaft unzulässig sind. [EuGH Slg. 1987, 3203 (Rs. 281, 283, 284, 285 und 287/85 - Bundesrepublik Deutschland u.a. gegen Kommission). Die Kommission wiederholte unter Berücksichtigung der Auffassung des EuGH die Entscheidung über ein Mitteilungs- und Abstimmungsverfahren, vgl. ABl. EG Nr. L 183 vom 14.7.1988.] Die spätere Entwicklung löste die Frage nach der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Wanderungspolitik gegenüber Drittländern allmählich aus ihrem sozialpolitisch motivierten Kontext der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in sozialen Fragen. Die Asyl- und Einwanderungspolitik, ein Kernbereich nationaler Souveränität, wurde - nach vergeblichen Versuchen, sich über einen Vorentwurf zu einer Asylrechtsrichtlinie mit dem Vereinigten Königreich zu einigen - seit 1985 nach dem Muster des deutsch-französischen Regierungsabkommens von 1984 über den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den Grenzen in die multilaterale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen des sog. Schengener Vertragssystems, also außerhalb der Gemeinschaftszuständigkeiten überführt. Mit der Etablierung der Gruppe der Schengen-Staaten 1985 und dem Schengener Durchführungsabkommen von 1990 wurde eine neue Form intergouvernementaler Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten im Be- [Seite der Druckausg.:30] reich der Asyl- und Einwanderungspolitik geschaffen, die vor allem wegen der fehlenden Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Laufe der Zeit als unbefriedigend empfunden wurde. Parallel und zu gleicher Zeit, nämlich am 15. Juni 1990, vereinbarten sämtliche Mitgliedstaaten der EU das Dubliner Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Überprüfung eines in einem Mitgliedstaat der EG gestellten Asylantrags [ABl.EG C 254/1 vom 19.08.97.] , das erst am 01.09.1997 in Kraft trat. [ABl.EG C 268/1 vom 04.09.97.] Mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 wurde die Personenfreizügigkeit als Bestandteil des Binnenmarktes eingeführt. Damit erhielt auch die Frage nach der Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen innerhalb der Gemeinschaft und damit verbunden die Frage nach der Gemeinschaftskompetenz bezüglich ihrer Rechtsstellung, insbesondere ihrer Zulassung und ihrer innergemeinschaftlichen Rechtsposition neue Aktualität. Der Maastrichter Vertrag über eine europäische Union von 1992 überführte die auf völkerrechtlicher Basis behandelten Themen in den verfassungsrechtlichen Gemeinschaftsrahmen der sog. Dritten Säule. Erstmals wurde mit der Gemeinschaftskompetenz in Art. 100c EGV betreffend Entscheidungen über eine gemeinsame Visapolitik gegenüber Drittstaatsangehörigen ein kleiner Teil der Asyl- und Einwanderungspolitik an das gemeinschaftliche Handeln herangeführt. Im übrigen verblieb die Politik grundsätzlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und wurde in den dritten Pfeiler, die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres überführt. [Aus der 1986 eingesetzten permanenten „Einwanderungsgruppe„ ging die Zusammenarbeit im Rahmen der dritten Säule des Maastrichter Vertrags von 1992 hervor. Ausführlich Taschner (1998).] Art. K.1 EUV bestimmte, dass die Mitgliedstaaten neben Asyl- und Einwanderungspolitik und Vorschriften betreffend das Überschreiten der Außengrenzen auch die Politik gegenüber den Staatsangehörigen dritter Länder als Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse betrachten. [Die Entscheidungen über die in Art. K.1 Ziffern 1 bis 6 genannten Bereiche konnten unter den Voraussetzungen des Art. K.9 in das Abstimmungsverfahren nach Art. 100c EGV überführt werden.] [Seite der Druckausg.:31] In dem institutionellen Gefüge des Maastrichter Vertrags hatte der Europäische Rat mit spezifischen Handlungsformen wie der Festlegung gemeinsamer Standpunkte oder der Annahme gemeinsamer Maßnahmen (soft law) eine führende Rolle gegenüber dem Parlament und der Kommission. Die Beteiligungsbefugnisse des Parlaments waren beschränkt. Von den im Rahmen der dritten Säule durchgeführten Arbeiten wurde es lediglich unterrichtet. Auch der EuGH hatte im Rahmen des dritten Pfeilers kaum Jurisdiktionsbefugnisse. In einem der wenigen Urteile in diesem Politikfeld vom 12. Mai 1998 entschied der Gerichtshof über die Zulässigkeit der Rechtsgrundlage eines Rechtsaktes des Rates - Gemeinsame Maßnahme betreffend den Transit auf Flughäfen [EuGH, Slg. 1998, I 2763, Rechtssache C-170/96 (Kommission ./. Rat).] - im Rahmen der dritten Säule. Der EuGH hielt sich für zuständig, den Inhalt des Rechtsakts anhand des Artikels 100c EG-Vertrag zu prüfen, wies aber die Klage der Kommission ab, die das Gemeinschaftsrecht für verletzt ansah. Das hier sichtbar werdende strukturelle Defizit des Maastrichter Vertrags führte schon bald zu Revisionsüberlegungen des Vertrags. Für abänderungsbedürftig hielt man insbesondere
Mit dem im Mai 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam vom Oktober 1997 setzte sich die Gemeinschaft u.a. das in Art. 2 EUV erwähnte Ziel, nämlich die Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der [Seite der Druckausg.:32] Kriminalität der freie Personenverkehr gewährleistet ist.
[Zu Entwicklung und Perspektiven dieses Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Monar (2000).]
II. Neue Kompetenzen im Bereich von Asyl und Einwanderung Von der grundlegenden Neuordnung der Bereiche Justiz und Inneres sowie des Rechts zur Abschaffung der Binnengrenzkontrollen soll hier nur der Ausschnitt Asyl und Einwanderung dargestellt werden. [Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei: Heimann (1999); Hailbronner/ Thiery (1998) .] Als Ermächtigungsgrundlage für gemeinschaftliches Handeln im Bereich der künftigen Asyl-, Einwanderungs- und wie es heißt - Vertriebenenpolitik [Der Vertriebenenbegriff meint in Abgrenzung zum Flüchtlingsbegriff vertriebene Personen, die ihr Herkunftsland wegen bewaffneter Konflikte verlassen haben, jedoch nicht im Sinne der GFK verfolgt werden.] dient Art. 63 EG. Die Zuständigkeit der Gemeinschaft sie ist nicht umfassend und auch nicht ausschließlich - konkurriert mit derjenigen der Mitgliedstaaten, d.h. die Länder bleiben solange zuständig, bis die Gemeinschaft für einen Bereich eine abschließende Regelung getroffen hat. Die [Seite der Druckausg.:33] Gemeinschaft muss sich bei ihrer Rechtssetzung an das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 5 EGV halten. Nach Nr. 6 S. 3 des Protokolls (Nr. 21) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ist der Rat grundsätzlich gehalten, bei seinen Maßnahmen eine Richtlinie einer Verordnung vorzuziehen. Maßnahmen des Rates und hier handelt es sich um eine Handlungspflicht - im Bereich von Asyl, Einwanderung (Art. 63) und Rechte der Drittstaatsangehörigen (Art. 62) werden während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags einstimmig und auf Vorschlag der Kommission oder auf Initiative eines Mitgliedstaates und nach Anhörung des Parlaments entschieden. Allerdings gilt dieser Zeitplan gemäß Art. 63 letzter Satz EG nicht für die Förderung einer ausgewogenen Lastenverteilung, für Vorschriften bezüglich Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen und Verfahren zur Erteilung langfristiger Visa und Aufenthaltstitel sowie Maßnahmen zur Festlegung der Aufenthaltsrechte Drittstaatsangehöriger. Nach Ablauf der Übergangszeit werden Vorschriften über die Erteilung kurzfristiger Visa durch die Mitgliedstaaten sowie über ein einheitliches Visum im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 (modifizierte Fassung von ex Art. 189b ) EG erlassen. Für alle Bereiche des Titels IV EG gibt es dann kein mitgliedstaatliches Initiativrecht, d. h. das Vorschlagsmonopol der Kommission wird wiederhergestellt. Schließlich fasst der Rat einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments einen Beschluss, wonach auf alle oder einige Bereiche des Titels IV EG das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG Anwendung findet. Gemäß Art. 68 EG unterliegt der neue Titel zwar der Auslegungshoheit des EuGH; hierbei sind jedoch einige Einschränkungen und Besonderheiten zu beachten, die vom bislang bekannten Rechtsschutzsystem erheblich abweichen [Ausführlich dazu Heimann (1999), 50 ff.], z.B. die Beschränkung der Vorlageverpflichtung auf einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Des weiteren sind Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen zu erwähnen. Der Rat erlässt gemäß Art. 62 Nr. 2 lit. b EG Vor- [Seite der Druckausg.:34] schriften über Visa von höchstens drei Monaten Gültigkeit. Hierzu erstellt er eine Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige der Visumpflicht unterliegen (Negativliste), sowie der Drittländer, deren Staatsangehörige davon befreit sind (Positivliste). Damit wird die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Vergleich zu Art. 100c EGV a. F. zu einer umfassenden Regelungskompetenz auf dem Gebiet der Visapolitik für Aufenthalte von bis zu drei Monaten erweitert. Neu ist die in Art. 62 Nr. 2 EG erwähnte Kompetenz der Gemeinschaft, Vorschriften für ein einheitliches Visum zu erlassen. Der Rat regelt ebenso Verfahren und Voraussetzungen für die Visumerteilung durch die Mitgliedstaaten. Nach der Erklärung Nr. 6 der Regierungskonferenz dürfen bei der Anwendung des Art. 62 Nr. 2 lit. b EGV auch außenpolitische Überlegungen berücksichtigt werden. Diese Regelung ist Teil der sog. Übernahme des Schengen aquis. III. Die Entwicklung seit 1997 Der Rat (Justiz und Inneres) legte am 3. Dezember 1998 in Wien den Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vor. [ABl.EG C 19/1 vom 23. Januar 1999.] Der Plan soll im Geiste interinstitutioneller Zusammenarbeit (Ziff. 4) den allgemeinen Ansatz und die Philosophie des Konzepts eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ausdruck bringen. Anstelle fehlender rechtlicher Bindung von vielen bereits getroffenen Entschließungen und Empfehlungen sollen jetzt verbindliche Gemeinschaftsinstrumente und angemessene Überwachungsmechanismen eingesetzt werden. Im Hinblick auf den Raum der Freiheit soll bei der Einwanderungs- und Asylpolitik [Zur Asylpolitik siehe Huber (2000) und zahlreiche Beiträge in: Barwig u.a. (1999), 407-556.] der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und der Integration sowie den Rechten der sich rechtmäßig aufhaltenden Drittstaatsangehörigen Priorität zukommen (Ziff. 8). Bei künftigen Maßnahmen wollen sich Rat und Kommission nicht nur vom Grundsatz der Subsidiarität, sondern gerade bei grenzüberschreitenden Herausforderungen vom Grundsatz der Solidarität zwischen den Mit- [Seite der Druckausg.:35] gliedstaaten und zwischen diesen und den europäischen Organen leiten lassen. Der Rat betont, dass bei der Ausarbeitung von Maßnahmen der Tatsache gebührend Rechnung zu tragen sei, dass es sich bei den Bereichen Asyl und Einwanderung um unterschiedliche Bereiche handelt, die unterschiedliche Ansätze und Lösungen erfordern (Ziff.33). Seiner Ansicht nach sollte eine umfassende Migrationsstrategie entwickelt werden, bei der ein System europäischer Solidarität herausragende Bedeutung haben sollte. [Ziffer 34. des Beschlusses, Fn. 39. Der Beschluss unterscheidet zwischen binnen zwei Jahren zu ergreifenden Maßnahmen, Maßnahmen, die so schnell wie möglich ergriffen werden sollen, und binnen fünf Jahren zu ergreifende Maßnahmen.] Im folgenden wird nach zeitlichen Perioden (nach 2 bzw. 5 Jahren und so schnell wie möglich) gestaffelt ein Katalog von Maßnahmen formuliert, der Maßnahmen gemeinsam für Asyl und Einwanderung und jeweils gesondert für Asyl und Einwanderung vorsieht. Während der Aktionsplan als Instrument der Planung und Organisation wichtige Impulse für die Selbstbindung der Gemeinschaftsorgane setzte, signalisierte der Europäische Rat Tampere zur Justiz- und Innenpolitik Mitte Oktober 1999 der europäischen Öffentlichkeit, dass sich die EU nach der wirtschaftlichen Integration mit Binnenmarkt und Währungsunion nun mit Nachdruck zu einer politischen Union mit einer gemeinsamen Innen- und Justizpolitik und zu einem wirklichen Europa der Bürger entwickelt. Die Schlussfolgerungen des Vorsitzes [Bulletin Quotidien Europe Nr. 2158 vom 19.10.1999; Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 7.12.1999, 793; zu den Beschlüssen siehe Wilhelm (2000).] dokumentieren den ernsthaften Willen zur Umsetzung der im Vertrag von Amsterdam vorgesehenen Möglichkeiten zur Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, über dessen Ziele und Grundsätze ein offener Dialog mit der Bürgergesellschaft entwickelt werden soll. An der Spitze der wie es heißt Meilensteine von Tampere steht die Europäische Integration, die sich auf das gemeinsame Bekenntnis zur Freiheit gründet, das sich auf die Menschenrechte, demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit stützt. Weiter heißt es: [Seite der Druckausg.:36] Diese Freiheit sollte jedoch nicht als ausschließliches Vorrecht für die Bürger der Union betrachtet werden. Die Tatsache, dass sie existiert, hat Sogwirkung auf viele andere Menschen in der Welt, die nicht in der Freiheit leben, die die Unionsbürger als selbstverständlich empfinden. Es stünde im Widerspruch zu den Traditionen Europas, wenn diese Freiheit den Menschen verweigert würde, die wegen ihrer Lebensumstände aus berechtigten Gründen in unser Gebiet einreisen wollen. Dies erfordert wiederum, dass die Union gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitiken entwickelt und dabei der Notwendigkeit einer konsequenten Kontrolle der Außengrenzen zur Beendung der illegalen Einwanderung und zur Bekämpfung derjenigen, die diese organisieren und damit zusammenhängende Delikte im Bereich der internationalen Kriminalität begehen, Rechnung trägt. Nach Ansicht des Europäischen Rates machen die gesonderten, aber eng miteinander verbundenen Bereiche Asyl und Migration die Entwicklung einer gemeinsamen Politik der EU erforderlich, die folgende Elemente einbezieht: Partnerschaft mit den Herkunftsländern, ein gemeinsames Europäisches Asylsystem, die gerechte Behandlung von Drittstaatsangehörigen und die Steuerung der Migrationsströme. Es verwundert nicht, dass der Europäische Rat Tampere auch die Modalitäten für die Einsetzung eines später Konvent genannten Gremiums zur Erarbeitung einer Grundrechtscharta der EU festlegte, bei dessen Arbeiten insbesondere die Fragen des Asyls eine wichtige Rolle spielten. Von besonderer praktischer, vor allem aber politischer Bedeutung war der Auftrag an die Kommission, ein Score-board vorzulegen, das sämtliche Justiz- und Inneres-Aufträge des Amsterdamer Vertrags, des Wiener Aktionsplans von 1998 und des Europäischen Rates Tampere mit den jeweiligen Zieldaten in einem Dokument übersichtlich zusammenfasst. Dieses Score-Board oder - wie es auf Deutsch heißt: Anzeiger - ist im März 2000 als Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament ergangen [Anzeiger der Fortschritte bei der Schaffung eines „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts„ in der Europäischen Union, KOM(2000) 167 endgültig vom 24.3.2000.] und soll im November 2000 fortgeschrieben werden. Dieses Dokument fasst klar und übersichtlich sämtliche angedachten und [Seite der Druckausg.:37] geplanten und in Durchführung befindlichen Maßnahmen und erforderlichen Rechtssetzungsinstrumente zusammen, die zur Schaffung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beitragen sollen. Insofern hat der Anzeiger nicht nur Orientierungsfunktion; er ist auch eine Art Kontroll-instrument, das Verantwortlichkeiten überprüfbar macht. Das Score-Board ist Ergebnis von Beratungen mit den Mitgliedstaaten, mit dem Europäischen Parlament und mit Vertretern der Zivilgesellschaft, wie z.B. UNHCR und NRO wie Amnesty International.
[Siehe auch Peers (2000) und Niessen/Rowlands (2000), deren Beitrag Diskussionsergebnisse dreier maßgeblicher NROs ist, dem „European Network against Racism (ENAR, Brüssel), der Immigration Law Practitioners` Association (ILPA, London) und der Migration Policy Group (MPG, Brüssel). Beteiligt an diesen Arbeiten sind Guild , Niessen , Peers und Rowlands . Zur Rolle der Nichtregierungsorganisationen siehe Niessen (2000). ] Mehr als sechs Jahre nach einem ersten Vorstoß zu einer liberal ausgerichteten Zuwanderungspolitik der EU hat die Europäische Kommission Ende November 2000 erneut einen Vorstoß unternommen und zwei Mitteilungen zur Wanderungs- und Asylpolitik vorgelegt.
[Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Migrationspolitik der Gemeinschaft, KOM (2000) 757 endgültig vom 22.11.2000 und die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, KOM (2000) endgültig vom 22.11.2000.]
IV. Einzelne Aktionsbereiche Seit 1999, insbesondere im ersten Halbjahr 2000 ist auf dieser Grundlage von der Europäischen Kommission eine Reihe von Vorschlägen verabschiedet worden, aus der abzulesen ist, in welche Richtung die Politik der Ge- [Seite der Druckausg.:38] meinschaft geht. Diese Maßnahmen sind im folgenden näher vorzustellen und zu bewerten. 1. Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen der EU für höchstens drei Monate (Art. 62 Nummer 2 EG) Ende Januar 2000 veröffentlichte die Kommission den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Aufstellung der Liste von Drittländern, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste von Drittländern, deren Staatsangehörige von dieser Visumspflicht befreit sind. [KOM (2000) 27 endgültig vom 26.1.2000.] Dieser Vorschlag knüpft an den im Rahmen des alten Art. 100c EGV verfolgte Ziel und den Schengen-aquis an und entwickelt ihn auf der Grundlage von Art. 62 Nummer 2 Buchst. b) EG fort. Mit dieser Maßnahme soll die vollständige Harmonisierung der für Drittstaatsangehörige geltenden Visumsregelung für Drittländer erreicht werden. Gleichzeitig soll den Mitgliedstaaten auch weiterhin die Möglichkeit eingeräumt werden, für bestimmte Personengruppen Ausnahmen, insbesondere aus völker- und gewohnheitsrechtlichen Gründen, vorzusehen. Unterschiedliche Vorstellungen bestehen innerhalb des Rates zu den jeweiligen Länderlisten. Mit der Vorlage eines geänderten Vorschlags der Kommission ist demnächst zu rechnen, nachdem man sich beim Treffen der Innenminister in Paris am 28.9.2000 darauf einigen konnte, dass die beitrittsuchenden Länder Bulgarien und Rumänien in die Positivliste aufzunehmen sind. [Bulletin Quotidien Europe Nr. 7809 vom 29.9.2000.] 2. Asyl- und Vertriebenenpolitik (Art. 63 Nummern 1 und 2 EG) Die Kommission legte Anfang März 1999 ein Arbeitsdokument Gemeinsame Normen für das Asylverfahren [KOM SEK (1999) 271 endg. vom 3.3.1999. Siehe auch den Bericht über das Arbeitsdokument vom Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten des Europäischen Parlaments vom 19.4.2000, Berichterstatter Ingo Schmitt, PE 285900.] vor, das einen Anstoß zur Debatte über die Asylverfahren im Rat und im Parlament geben sollte. Dieses Ar- [Seite der Druckausg.:39] beitsdokument liest sich wie ein Legislativprogramm für asyl- und schutzbezogene Maßnahmen, die nach dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags auf der Grundlage von Art. 63 Nummern 1 und 2 EG umgesetzt werden sollen. Im Zentrum stehen Vorschläge der Kommission für Rechts-instrumente der Gemeinschaft für Mindestnormen im Asylverfahren.
3. Einwanderungspolitik (Art. 63 Nummer 3 EG) Das Einwanderungsthema scheint den Institutionen der EU wohl am meisten Kopfzerbrechen zu machen. Von zahlreichen erwarteten Maßnahmen im Bereich Einwanderung ist bislang eine, freilich sehr wichtige Anfang Dezember 1999 vorgelegt worden, nämlich der in allen Mitgliedstaaten bereits heftig diskutierte Vorschlag der Richtlinie des Rates über das Recht auf Familienzusammenführung. [KOM (1999) 638 endgültig vom 1.12.1999.] Mit dieser Initiative beginnt die Kommission ihre Einwanderungsvorstellungen mit einem Vorschlag für eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt in der EU zu konkretisieren. Diese Initiative ist als erster Schritt hin zu einer aktiven europäischen Einwanderungspolitik anzusehen, mit dem sich die Kommission gleichzeitig von dem Konzept eines Einwanderungsstopps distanziert, das Mitte der 80er Jahre in großen Teilen Europas, insbesondere in Deutschland praktiziert wurde. Dass die Familienzusammenführung gewählt wurde, hat nicht nur gesellschaftliche Gründe. Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung stehen auch in einem spezifischen internationalrechtlichen Rechtsrahmen (UN-Menschenrechtspakte von 1966, Übereinkommen der ILO Nr. 143, GFK, Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989, EMRK, Europäische Sozialcharta). Dass der Vorschlag einen weit gefassten Familienbegriff zugrunde legt, zeigt sich an der Einbeziehung nicht nur der Ehegatten und Kinder, sondern auch der Großeltern, Verwandten, nicht verheirateten Paaren und gleichgeschlechtlichen Partner. [Seite der Druckausg.:43] 4. Aufenthaltsrecht der Drittstaatsangehörigen
Im Rahmen der Einwanderungspolitik der EU hatte die Kommission Mitte 1997 auf der Grundlage von Art. K 3 Abs. 2 Buchst. c) des dritten Pfeilers des Maastrichter Unionsvertrags den Vorschlag für einen Rechtsakt des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens zur Regelung der Zulassung von Drittstaatsangehörigen dritter Länder in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten [KOM (97) 387 end. vom 30.7. 1997.] vorgelegt. Darin ist das Konzept der Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen mit Daueraufenthaltsrecht in einem Mitgliedsland bislang am deutlichsten entwickelt. Schon damals ging die Kommission davon aus, dass mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags die Einwanderungspolitik vergemeinschaftet werden würde, und kündigte deshalb zu gegebener Zeit einen neuen Vorschlag in Form einer Richtlinie an. Es ist derzeit nicht abzusehen, wann die Kommission ihren Vorsatz umsetzen wird. Schließlich ist zum Thema der grenzüberschreitenden Wanderung von Drittstaatsangehörigen auf zwei Richtlinienvorschläge der EU-Kommission zum Thema: Drittstaatsangehörige in der EU: Freizügigkeit für Arbeitnehmer oder Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit für Unternehmer hinzuweisen. [KOM (2000) 271 endg. vom 8.5.2000.] D. Perspektiven
[Seite der Druckausg.:44]
würden Entscheidungen des Rates erleichtert werden, und auch das Europäische Parlament erhielte mehr Einflussmöglichkeiten. Literatur: Baer, Susanne (2000), Grundrechtscharta ante portas, Zeitschrift für Rechtspolitik, 361-364 Eichenhofer, Eberhard (Hrsg.) (1999), Migration und Illegalität, IMIS-Schriften 7, Osnabrück Fischer, Joschka (2000), Vom Staatenbund zur Föderation Gedanken über die Finalität der Europäischen Integration, integration 3, 149-156 Freckmann, Anke, Green Card ist nicht alles: Beschäftigung von Ausländern in Deutschland, Betriebs-Berater 2000, 1402-1407 Gaul, Björn/Stefan Lunk (2000), Greencard: Chancen und Probleme bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im IT-Bereich, Der Betrieb, 1281-1284 Groenendijk, Kees (1994), Europäische Migrationspolitik: Festung Europa oder das Aufrechterhalten imaginärer Grenzen?, in: K.Barwig/ G.Brinkmann/ B.Huber/ K.Lörcher/ C.Schumacher (Hrsg.), Asyl nach der Änderung des Grundgesetzes, Baden-Baden 1994, 57-70 [Seite der Druckausg.:45] Hailbronner, Kay/ Thiery, Claus (1998), Amsterdam Vergemeinschaftung der Sachbereiche Freier Personenverkehr, Asylrecht und Einwanderung sowie Überführung des Schengenbesitzstands auf EU-Ebene, in: Europarecht (EuR), 583-615 Hailbronner, Kay (Hrsg.) (1999), Von Schengen nach Amsterdam. Auf dem Weg zu einem europäischen Einwanderungs- und Asylrecht, Köln Heimann, Josef, (1999), Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr der neue Titel IV EGV unter besonderer Berücksichtigung des Schengen-Protokolls, ZERP-Diskussionspapier 2/99, Bremen Hönekopp, Elmar/ Werner, Heinz (1999), Droht dem deutschen Arbeitsmarkt eine Zuwanderungswelle?, IAB-Kurzbericht Nr. 7/17.8.1999 Huber, Bertold (2000), Die europäische Asylpolitik nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages, Informationsbrief Ausländerrecht, 302-307 Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate, (Hrsg.) (1996), Europäische Integration, Heidelberg Kuijper, P.J. (2000), Some legal problems associated with the communitarization under the Amsterdam treaty and incorporation of the Schengen aquis, Common Market Law Review (CMLR) 37: 345-366 De Master, Sarah/ LeRoy, Michael K. (2000), Xenophobia and the European Union, Comparative Politics, Vol. 32, No. 4, July, 419-436 Meyer, Jürgen (2000), Die Aufnahme des Prinzips der Solidarität in die Charta, EU-Magazin 10, 16 Monar, Jörg (2000), Die Entwicklung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Perspektiven nach dem Vertrag von Amsterdam und dem Europäischen Rat von Tampere, Integration 1/, 18-33 Niessen, Jan (1999), International Migration on the EU Foreign Policy Agenda, European Journal of Migration and Law (EJML) 1, 483-496 Niessen, Jan (2000), The Amsterdam Treaty and NGO Responses, European Journal of Migration and Law (EJML) 2, 203-214 Niessen, Jan/Susan Rowlands (eds) (2000), The Amsterdam Proposals or how to influence policy debates on asylum and migration, Brussels. Peers, Steve (1998), Building Fortress Europe: The Development of EU Migration Law, Common Market Law Review 35: 1235-1272 Peers, Steve et al. (2000),The Amsterdam Proposals. The ILPA/MPG proposed directives on immigration and asylum (Elspeth Guild, Jan Nissen, Susan Rowlands), Brussels Pernice, Ingolf (2000), Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Deutsches Verwaltungsblatt, 847-859 Pfaff, Viktor (2000), Anmerkungen zur Green Card-Diskussion, Kritische Justiz, 147-158 [Seite der Druckausg.:46] Schieffer, Martin (1998), Die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten in den Bereichen Asyl und Einwanderung, Baden-Baden Schily, Otto, Die Europäisierung der Innenpolitik, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2000, 883-889 Sell, Stefan (2000), Demographie und Sozialpolitik: Herausforderungen durch die Bevölkerungsentwicklung, Sozialer Fortschritt, 217-219 Taschner, Hans C. (1998), Schengen, Baden-Baden Twomey, Patrik (2000), Europe`s Other Market. Trafficking in People, European Journal of Migration and Law 2: 1-36 Weber, Albrecht (1998), Möglichkeiten und Grenzen europäischer Asylrechtsharmonisierung vor und nach Amsterdam, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (ZAR) 1998, 147-152 Weber, Albrecht (2000), Die Europäische Grundrechtscharta auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, Neue Juristische Wochenschrift, 537-544 Wilhelm, Heinz (2000), Der Europäische Rat Tampere zur Justiz- und Innenpolitik, Zeitschrift für Gesetzgebung, 63-68 Zürn, Michael (1998), Regieren jenseits des Nationalstaates, Frankfurt a.M. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001 |