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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 16(Fortsetzung)]


4. Politische Kommunikationskulturen im Systemvergleich

4.1. Normen und Konflikte beim Umgang politischer Sprecher und Journalisten

Die Verhaltenserwartungen und Regeln, die den Umgang von Öffentlichkeitsarbeitern und Journalisten steuern, geben Aufschluß über die Grundlagen der Zusammenarbeit dieser Akteure bei der Produktion und Verarbeitung politischer Botschaften (Saxer 1992: 59-60). Sie sind daher ein wichtiger Aspekt der politischen Kommunikationskultur eines Landes. Man kann die Art und die Qualität der Zusammenarbeit von Journalisten und politischen Sprechern danach beurteilen, welche Regeln sich die Akteure zu eigen machen und ob diese Regeln von beiden Gruppen im jeweiligen Land geteilt werden. Die Frage lautet also: Gelten für die Zusammenarbeit von politischen Sprechern und Journalisten in den USA und der Bundesrepublik die gleichen Normen und werden diese Einstellungen von allen geteilt?

Die Analyse der Regeln der Interaktion im Ländervergleich bezieht sich also auf die Frage, ob angesichts strukturell unterschiedlicher Kommunikationskontexte gleiche Verhaltensnormen auftreten. Von zentralem Interesse ist hier, ob die Regeln der Zusammenarbeit die Regeln der Medien oder die der Politik sind. Die Frage nach dem Bezugssystem der Verhaltenserwartungen knüpft an die im Rahmen der Amerikanisierungsdiskussion virulente Annahme an, daß die Medien vitale Funktionen der politischen Parteien übernehmen und die Regeln der politischen Kommunikation diktieren.

Die Übereinstimmung bzw. Distanz von Journalisten und politischen Akteuren in bezug auf die Regeln des Umgangs gibt Aufschluß über die Nähe bzw. Autonomie der beiden Gruppen. Geringe Unterschiede zwischen politischen Sprechern und Journalisten signalisieren, daß bei der Produktion und Verarbeitung politischer Botschaften gegenseitige politische Rücksichtnahmen wahrscheinlicher werden, was bei anhaltenden Kontakten auch zu einer Einschränkung der Autonomiespielräume führen dürfte. Die Position der Nähe kommt über den Bezug auf gemeinsame soziale Normen der Interaktion oder gemeinsame politische Werte zustande. Normen wie gegenseitiges Vertrauen oder Wahrhaftigkeit sind Verhaltenserwartungen, die in ihrer Konsequenz die Distanz und Autonomie der Akteure eher verringern, weil ihre Verletzung persönliche Verhaltenskonsequenzen hat. Umgekehrt läßt sich die Distanz dadurch ausdrücken, daß in der konkreten Zusammenarbeit von politischen Sprechern und Akteuren der Umgang als geschäftsmäßige Sache charakterisiert wird, der von professionellen journalistischen Regeln und Orientierungen über die Interessenkonstellation der beiden Akteure gesteuert wird. Je mehr sich die Akteure auf professionelle journalistische Normen zurückziehen können, umso mehr wächst ihre Autonomie gegenüber Öffentlichkeitsarbeitern.

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Schaubild 1 zeigt die in Leitfadengesprächen geäußerten Argumente über die bei der Zusammenarbeit von Journalisten und politischen Sprechern geltenden Werte und Normen. Angegeben ist der prozentuale Anteil der Befragten pro Land, die die jeweilige Norm im Gespräch mindestens einmal nennen. Betrachtet man die Verteilung, dann ergibt sich ein klares Muster der normativen Orientierung: Die Akteure der politischen Kommunikation in den USA beziehen sich sehr viel deutlicher auf professionelle journalistische Normen, während bei den Akteuren in Deutschland soziale Normen im Vordergrund stehen. Mit anderen Worten, die Handlungserwartungen in den USA konzentrieren sich darauf, daß beim Umgang von politischen Sprechern und Journalisten die professionellen journalistischen Regeln eingehalten werden. Dazu gehören berufliche Professionalität, die Objektivität bzw. Überparteilichkeit der Information, die Berücksichtigung von inhaltlicher Ausgewogenheit und Vielfaltskriterien sowie die Transparenz der Information im Sinne der Überprüfbarkeit. Im Gegensatz dazu wird unter den deutschen Akteuren deutlich mehr Wert als in den USA auf ethisch korrektes Verhalten, Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander sowie die soziale Gleichbehandlung von Journalisten durch politische Sprecher gelegt.

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Man kann aus den Interviews die Schlußfolgerung ziehen, daß bei der Interaktion von Sprechern und Journalisten in beiden Ländern unterschiedliche Handlungsspielräume und Distanzen wahrgenommen werden. Die Interaktion wird in den USA vorwiegend über journalistische Normen gesteuert, was auf eine größere Distanz zwischen Journalisten und politischen Sprechern zueinander schließen läßt. Dies drückt sich auch in den Vorstellungen über die Interessenkonstellationen in der politischen Kommunikation aus. In beiden Ländern wird zwar gleichermaßen betont, daß die Interaktion insbesondere als ein Austauschverhältnis verstanden wird. Gleichwohl betonen deutlich mehr

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deutsche als amerikanische Akteure die Interessenidentität, während umgekehrt deutlich mehr amerikanische Befragte auf Interessengegensätze verweisen.

Hinter den Unterschieden auf Länderebene verbergen sich jeweils zwei Akteursgruppen, die aufgrund ihrer Herkunftsrollen im politischen bzw. Mediensystem nicht nur übereinstimmende, sondern vor allem auch gegensätzliche Sichtweisen auf die Interaktion haben dürften. Daher muß man prüfen, ob die im internationalen Vergleich vorfindbaren Unterschiede in gleicher Weise gelten, wenn man nur die jeweiligen Kommunikationsrollen, d.h. die deutschen Sprecher mit den amerikanischen Sprechern und die deutschen Journalisten mit den amerikanischen Journalisten vergleicht. Dieser Gruppenvergleich zeigt, daß die politischen Sprecher in den beiden Ländern in bezug auf ihre normative Orientierung stärker übereinstimmen als die Journalisten. Mit anderen Worten, die Unterschiede kommen vor allem dadurch zustande, daß die amerikanischen Journalisten sich in den meisten Fällen doppelt so häufig wie ihre deutschen Kollegen auf die Geschäftsgrundlage journalistischen Professionsnormen zurückziehen. Insgesamt gilt, daß Journalisten die Distanz zu politischen Sprechern betonen, während politische Sprecher versuchen, die Nähe zu Journalisten zu stabilisieren. Allerdings wird auch deutlich, daß die deutschen Sprecher viel häufiger als ihre amerikanischen Kollegen Werte wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit sowie Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit betonen. Die Unterschiede zwischen deutschen Journalisten und ihren amerikanischen Kollegen sind dagegen deutlich geringer.

Die Länderunterschiede in den Normen der Interaktion drücken sich auch in der generellen Einschätzung des Verhältnisses von Journalisten und Sprechern aus, also darin ob die Interaktion als eher konfliktreich und spannungsgeladen oder als harmonisch und konsensorientiert wahrgenommen wird.

Schaubild 2 zeigt, daß die Beziehung zwischen Journalisten und politischen Sprechern in den USA in deutlich stärkeren Ausmaß als ambivalent und konfliktreich eingeschätzt werden als in der Bundesrepublik. In Deutschland geht die überwiegende Mehrzahl aller Akteure von einem harmonischen Verhältnis aus. Dieses Muster ist sowohl für die politischen Sprecher als auch für die Journalisten konsistent.

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Die generellen Einschätzungen des Verhältnisses der beiden Akteursgruppen und ihre normativen Orientierungen liefern Hinweise auf mögliche Ursachen unterschiedlicher politischer Kommunikationskulturen in der Bundesrepublik und den USA. Bei einem eher ambivalenten Verhältnis wie in den USA ziehen sich beide Gruppen auf journalistische Professionsnormen als Steuerungsmechanismen der Interaktion zurück. Anhaltspunkte für diesen Mechanismus finden sich auch in der Kommunikatorstudie von Donsbach (1993a: 291): „Das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern in den USA ist eher als eine professionelle Beziehung zu beschreiben. Sie ist nicht von ideologischen Grundpositionen bestimmt, sondern von der Überzeugung der amerikanischen Journalisten, daß die unabhängige Recherche von Informationen absolute Priorität gegenüber allen anderen Tätigkeitsmerkmalen hat." In der Bundesrepublik hingegen ist das Verhältnis zwischen politischen Sprechern und Journalisten auf Konsens angelegt, was erklärt, daß soziale Normen die Interaktion steuern. Hier geht es, mit den Worten von Saxer (1992: 73), um die „emotionale Integration" und die Aufrechterhaltung des Verhältnisses durch die Herstellung von sozialer Nähe: So „nimmt dann auch mit räumlicher und sozialer Nähe zu Machtelite und Honoratioren die journalistische Neigung ab, diese harsch zu kritisieren, zumal wenn sie zugleich als Informanten für die journalistische Produktion unentbehrlich sind" (Saxer 1992: 59).

Diese Interpretation der Unterschiede läßt sich erhärten, wenn man die Regelverstöße betrachtet, die im jeweiligen Land zu Konflikten zwischen Journalisten und politischen Sprechern führen. Schaubild 3 zeigt die Ursachen von Konflikten, die das Verhältnis von Journalisten und politischen Sprechern stören. In den USA wird vor allem die Verletzung sozialer Normen als Belastung des Verhältnisses von Journalisten und politischen Sprechern angesehen wird. Jeder zweite politische Sprecher in den USA kritisiert, daß es Konflikte beim persönlichen Umgang mit Journalisten gebe, daß Fairneß verletzt und Vertrauen gebrochen werde und daß getroffene Absprachen nicht eingehalten werden. Diese Konflikte werden auch von einem Drittel der amerikanischen Journalisten gesehen. In der Bundesrepublik hingegen führen vor allem solche Regelverstöße zu Konflikten, bei denen professionelle Normen nicht eingehalten werden. In Deutschland sehen Journalisten die Ursachen von Konflikten in einer Verletzung des Quellenschutzes, während sich die politischen Sprecher über unwahre, falsche oder einseitige Darstellungen sowie über das in ihrer Sicht „niedrige" Niveau der Berichterstattung beschweren. Schaubild 3 zeigt auch, daß es in beiden Ländern zu Konflikten kommt, wenn die Interessenkonstellation unterschiedlich interpretiert werden. Jeder dritte Journalist, der sich über Konflikte äußert, kritisiert die Instrumentalisierung der Medien durch Politiker.

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Das Bild, das sich aus den Befunden zu den Regelverstößen ergibt, legt nahe, daß die Zusammenarbeit von Journalisten und politischen Sprechern dadurch aufrechterhalten wird, daß die Grundnormen nicht verletzt werden. Dies bedeutet, daß die Konflikte, die zwischen Sprechern und Journalisten auftreten, in Bereichen ausgetragen werden, die die Aufrechterhaltung der Beziehung nicht gefährden.

Das entscheidende Kriterium beim Austausch politischer Botschaften ist in den USA, ob die Informationen eine „gute", im Sinne von mediengerechte und reichweitenstarke Story abgeben. Kommt es zu Mißstimmigkeiten, dann wird dies der Person des Journalisten oder Sprechers persönlich angelastet, die professionelle Rolle wird indessen nicht in Frage gestellt. In Deutschland hingegen geht es um das „Stichwort: Vertrauen gegen Vertrauen" (Saxer 1992: 73): „Wer sich, anders herum, dieser emotionalen Integration eher verweigert und getreu der Distanznorm lebt, dürfte größere Schwierigkeiten haben, wertvolle Quellen zu finden." Diese Orientierung führt in Deutschland dazu, die gegenseitige Vertrauensbasis nicht in Frage zu stellen. Bei Konflikten wird der jeweilige Interaktionspartner in seiner professionellen Rolle kritisiert und als „schlechter" Journalist oder „unfähiger" Pressesprecher bezeichnet.

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4.2. Strategische Kalküle in bezug auf das Mediensystem und die Nachrichtenproduktion

Aus der Sicht derjenigen, die politische Botschaften verbreiten wollen, sind die Strukturbedingungen des Mediensystems und die Regeln der Nachrichtenproduktion wichtige Rahmenbedingungen ihres Handelns. Der Erfolg politischer Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen wird also nicht zuletzt davon abhängen, ob es den Akteuren gelingt, die Strukturen des Mediensystems und die Vorgaben der Nachrichtenproduktion richtig einzuschätzen und ihre Kommunikationsstrategien darauf hin auszurichten.Für die Verbreitung politische Botschaften können folgende Merkmale von Medien relevant sein: we-

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lche Reichweiten und Zielgruppen ein Medium besitzt, ob ein Medium, insbesondere eine Fernsehstation, öffentlich-rechtlich oder privat organisiert ist, ob ein Titel oder eine Sendung ideologisch profiliert ist und ob ein Medium eine Meinungsführerposition innerhalb des Mediensystems einnimmt.

Betrachtet man die Literatur über politische Kommunikation sowohl in der Bundesrepublik als auch in den USA, dann wird das Argument hoher Reichweiten ins Feld geführt, um die Dominanz des Fernsehens als zentrales Medium der politischen Kommunikation zu begründen. In Deutschland spielt zudem die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Kanälen eine Rolle, weil sich mit damit verschiedene Wahrnehmungen der Kontrollmöglichkeit, der Gemeinwohlverpflichtung und der Qualität der Berichterstattung verbinden. Ebenso ist im Hinblick auf die Verbreitung politischer Botschaften in Deutschland die ideologische Positionierung eines Mediums relevant, weil sich in einer Parteiendemokratie wie der Bundesrepublik viele Kontakte zwischen politischen Sprechern und Journalisten auch entlang politischer Nähe sortieren lassen. Schließlich wissen politische Öffentlichkeitsarbeiter auch um die Relevanz sog. Meinungsführermedien im Mediensystem. Einen strategischen Stellenwert für die Kommunikation politischer Akteure haben Meinungsführermedien deshalb, weil sich andere Journalisten stark an ihrer Berichterstattung dieser Medien orientieren (Kepplinger 1994). Aufgrund dieser Koorientierung kommt es zu sog. „Intermedia-Agenda-Setting" Effekten (McCombs 1992), d.h. einer Übernahme der Themen und Meinungen von Folgemedien mit ähnlicher politischer Ausrichtung (Schulz/Kindelmann 1993, Mathes/Pfetsch 1991).

Medieninternen Prozesse der Nachrichtenproduktion gehören ebenfalls zu den Bedingungen, die die Verbreitung politischer Botschaften beeinflussen. Daher werden Öffentlichkeitsarbeiter insbesondere Anschluß an die Gesetzmäßigkeiten der Nachrichtenproduktion suchen (Ruß-Mohl 1999, Schönbach 1992). Dazu gehört die Berücksichtigung von sog. Nachrichtenfaktoren (Schulz 1976) als Auswahlkriterien von Themen und Ereignissen, die die Nachrichtenproduktion kalkulierbar macht und die Möglichkeit, entsprechende Medienstrategien zu entwerfen. Strategien des sog. „Framing" von politischen Botschaften, also die Festlegung bestimmter Interpretationsmuster, und Strategien des Themenmanagementes im Sinne von sog. Pseudoereignissen (Boorstin 1987, Schmitt-Beck/Pfetsch 1994) bei denen den Medien gezielt Anlässe zur Berichterstattung angeboten werden, setzen auf die Wirksamkeit von Nachrichtenfaktoren. Schließlich gehören zu den journalistischen Standards in der politischen Kommunikation auch Aspekte der handwerklichen Recherche und professionelle Normen über die publizistische Güte und Qualität von Informationsquellen (Ruß-Mohl 1999: 4). So werden insbesondere in der US-amerikanischen Literatur über politische PR eine Reihe von Praktiken des sog. Leaking diskutiert. Gemeint ist damit, daß Öffentlichkeitsarbeiter die Mechanismen der Konkurrenz und das Interesse an Exklusivinformationen antizipieren, indem sie versuchen, die journalistische Recherche zu steuern. Zu den Leaking-Praktiken gehört, Informationen aus inoffiziellen Quellen gezielt zu streuen oder durchsickern zu lassen, um bestimmte Botschaften zu plazieren oder andere zu verhindern (Kurtz 1998).

Befragt man politische Sprecher und Journalisten nach der Bedeutung einzelner Medien für die politische Kommunikation, so zeigt sich, daß die in der Literatur häufig behauptete Dominanz des Fernsehens nicht haltbar ist. Für die Akteure der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik und den USA sind sowohl die Printmedien als auch das Fernsehen zentral und weder die Sprecher noch die Journalisten wollen sich auf eine eindeutige Präferenz festlegen. Bemerkenswert ist für die Bundesrepublik, daß das Fernsehen in bezug auf strategische Kalküle der politischen Kommunikation kaum eine Rolle zu spielen zu spielen scheint, während die Printmedien als das dominante öffentli-

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che Forum der politischen Auseinandersetzung wahrgenommen werden. Betrachtet man die Argumente, die zur Grundlage einer Einschätzung strategischer Potentiale des Mediensystems gemacht werden, so sind es in der Bundesrepublik insbesondere die überregionalen Qualitätszeitungen, denen eine entscheidende politische Rolle zugeschrieben wird. Aus der Sicht politischer Sprecher und Journalisten sind die überregionalen Qualitätszeitungen (FAZ, SZ, FR, Welt, taz) die politisch bedeutsamsten Medien, weil diese als sog. Leitmedien wahrgenommen werden, die sog. Intermedia-Agenda-Setting Effekte auslösten können (Pfetsch 2000b). In der gezielten Kommunikation von Politik erscheint es also wichtig, insbesondere diejenigen Medien anzusprechen, die innerhalb des Mediensystems eine Meinungsführerposition einnehmen. Als wichtiges Datum der politischen Öffentlichkeitsarbeit der damaligen Regierung Kohl wurde auch politische die Positionierung eines Mediums angesehen. Hier wird die Erwartung positiver oder negativer Berichterstattung mit dem politischen Standort des Mediums verbunden. In der Zeit der konservativ-liberalen Regierungskoalition glaubten politische Sprecher, daß Medien des konservativen Spektrums eine wichtige Rolle bei der Plazierung politischer Botschaften spielen. Auch Journalisten waren der Meinung, diese Medien werden von politischen Sprechern bevorzugt bedient.

Freilich erscheint nicht jede Botschaft, die politische Akteure als Information an die Medien geben, in gleicher Weise wirkungsvoll. In ihrer Antizipation der Produktionsbedingungen der Medien wissen politische Sprecher wie Journalisten sehr wohl, daß die Berücksichtigung bestimmter Nachrichtenfaktoren und Nachrichtenquellen die Chance der Medienpräsenz politischer Botschaften erhöhen. Zwei Aspekte der Nachrichtenproduktion sind in der Wahrnehmung politischer Sprecher und Journalisten in der Bundesrepublik besonders präsent. Einerseits, daß die Medien solche Themen bevorzugen, die Konflikte signalisieren, und andererseits, daß infolge des Konkurrenzdruckes im Mediensystem der Exklusivinformation ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Die Informationspolitik spekuliert daher bewußt auf Mechanismen des sog. Leaking. D.h. gerade solche Informationen aus dem Regierungsapparat und den Parteiorganisationen, die als exklusive Hinweise aus undichten Stellen oder inoffizielle Hintergrundinformation gelten, haben die besten Chancen haben, im Nachrichtenprozeß verarbeitet zu werden. Wenn sich diese Informationen zudem noch auf Konflikte im eigenen politischen Lager des Informanten beziehen, sind die wahrgenommenen Durchsetzungschancen in den Medien am höchsten.

Journalisten und politische Sprecher in der Bundesrepublik schätzen die strategischen Potentiale bestimmter Medien sowie die Produktionsbedingungen politischer Nachrichten weitgehend gleich ein. Dies bedeutet, daß in der Wahrnehmung der Strukturbedingungen und Medienlogik gegenseitige Prozesse der Koorientierung stattfinden. Die Konvergenz der Orientierungen beider Gruppen unterstreicht, daß sich die politische Kommunikationskultur der Bundesrepublik nicht nur durch übereinstimmend wahrgenommene Normen und Rollen auszeichnet, sondern auch durch geteilte Wahrnehmungen in bezug auf die Bedeutung und die Gründe für die Wichtigkeit verschiedener Medien sowie die bewußte Kalkulation der strukturellen und journalistischen Bedingungen des Mediensystems.

Im Vergleich zur die Bundesrepublik, findet man in den USA eine zweigleisige Strategie bei den strategischen Kalkülen der Bedingungen des Mediensystems. Die US-Akteure, und hier vor allem die Journalisten, betonen die Wichtigkeit regionaler und lokaler Medien für die politische Kommunikation. Diese Einschätzung mag auf den ersten Blick überraschend sein, vor allem wenn man aus deutscher Sicht Regionalmedien mit Tageszeitungen gleichsetzt. Vor dem Hintergrund der Struktur des US-amerikanischen Medienmarktes bezieht sich die Bedeutung von Regionalmedien in erster Linie auf die lo-

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kalen Fernsehstationen. Als Lizenznehmer für die Versorgung regional gegliederter Medienmärkte haben die lokalen Fernsehstationen nicht nur das Recht der Verbreitung von Fernsehprogrammen, sondern insbesondere auch die Pflicht zur Ausstrahlung lokaler und nationaler Nachrichtensendungen. Diese Sendungen sind aus der Sicht politischer Akteure wichtige Kommunikationskanäle, um regionale Publika anzusprechen.

Ein wichtiger Teil der Informationspolitik der Regierung ist daher damit befaßt, Nachrichtenbeiträge, Originalinterviews und Soundbites aus Washington für die lokalen Fernsehstationen zu produzieren und zu vertreiben. Diese Strategie des White House Office of Communications wird nicht zuletzt deshalb hoch eingeschätzt, weil die politischen Sprecher in der Regierung die als kritisch wahrgenommene Hauptstadtpresse in Washington zu umgehen glauben. Das zweite Standbein strategischer Kalküle sind – wie in Deutschland - die wichtigsten national verbreiteten Qualitätszeitungen – insbesondere die New York Times, die Washington Post, das Wallstreet Journal und die Los Angeles Times, die ebenfalls als besonders wichtig eingeschätzt werden, wenn es um die strategischen Kalküle der Kommunikation in politischen Auseinandersetzungen geht. Ein großer Teil der politischen Sprecher und Journalisten in Washington Befragten sprechen von diesen Medien als Leitmedien, die Intermedia-Agenda-Setting Effekte anstoßen.

In bezug auf die Nachrichtenproduktion dominiert ein Argument bei den US-amerikanischen Befragten: Die besten Chancen der Durchsetzung politischer Botschaften sind in ihrer Sicht dann gegeben, wenn sie aus einer undichten Stelle des Regierungsapparates kommt. Diese eindeutige Einschätzung, die insbesondere auf die US-amerikanischen Journalisten zurückgeht, ist aus zwei Gründen plausibel: Einerseits pflegen die Reporter in Washington ein Selbstbild, das in der Tradition des investigativen Journalismus steht. Informationen aus internen Dokumenten oder undichten Stellen im Regierungsapparat haben daher einen hohen Stellenwert und dienen häufig als Anlaß weiterer Recherche. Andererseits herrscht zwischen den Medien ein starker Konkurrenzdruck, der auch dazu führt, daß sich die Reporter um brisante Exklusivinformationen bemühen. Umgekehrt wissen Journalisten, daß politische Sprecher genau diesen Mechanismus nutzen, um den Wert ihrer Informationen zu erhöhen.

Vergleicht man die Einschätzungen zu den Faktoren der Nachrichtenproduktion mit denen der deutschen Akteure, so fällt insbesondere auf, daß innerparteiliche Konflikte zu den Lieblingsthemen deutscher Journalisten und Sprecher gehören, während diese Überlegung von den Befragten in den USA nicht angestellt wird. Der Befund erscheint plausibel vor dem Hintergrund, daß die Regierung versuchen muß, sich aus innerparteilichem oder zwischenparteilichem Streit herauszuhalten, weil eine derartige Informationspolitik die politischen Durchsetzungschancen präsidentieller Politikinititiven eher beeinträchtigen würde. Ziel der Kommunikation der Regierung ist es daher, der politisch-ideologischen Auseinandersetzung in und zwischen den Parteien keine Munition zu liefern und als quasi „überparteiliche" Institution möglichst geschlossen zu agieren und zu kommunizieren. Inner- und zwischenparteilicher Streit gehört daher nicht zu den Themen, mit denen sich in den USA positive Medienpräsenz initiieren ließe.

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4.3. Ziele und Handlungsrepertoires der politischen Öffentlichkeitsarbeit

Die Outputseite des Systems der politischen Kommunikation besteht in den Leistungen der Öffentlichkeitsarbeit und der Verarbeitung ihrer Botschaften im Journalismus. Die politische Öffentlichkeitsarbeit markiert den mehr oder weniger professional-

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isierten Handlungsbereich der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Die grundlegenden Konstellationen der Interaktion von politischen Sprechern und Journalisten spitzt sich hier zu, denn dieser Funktionsbereich bildet das Forum des kontinuierlichen Tausches von Information gegen Publizität und nur wenn dieser Tausch reibungslos funktioniert, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sowohl politische Sprecher als auch Journalisten ihre Kommunikationsziele erreichen.

Die strukturellen Ausgangskonstellationen der politischen Kommunikation der jeweiligen Regierung legen nahe, daß die politische Öffentlichkeitsarbeit einen unterschiedlich bedeutsamen Stellenwert im Leistungsprogramm der Kommunikationspolitik der Regierungen in der Bundesrepublik und den USA hat. Dies läßt sich zunächst dadurch plausibilisieren, daß in den USA politische Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der gezielten informationelle Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die Massenmedien eine conditio sine qua non ist. D.h. Die Durchsetzung von Regierungsinitiativen im Kongreß ist in fundamentaler Weise vom Erfolg der politischen Öffentlichkeitsarbeit abhängig. Dies gilt, wie bereits an mehreren Stellen argumentiert, nicht für die Durchsetzung von Entscheidungen der bundesdeutschen Regierung im parlamentarischen System. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, daß die politische Öffentlichkeitsarbeit oder politische PR auch in der Wahrnehmung der Akteure der politischen Kommunikation in den USA als bedeutender und wichtiger gilt als in der Bundesrepublik.

Ein zweiter Aspekt, der für die hier vermutete zentralere Bedeutung der politischen Öffentlichkeitsarbeit in der Regierungskommunikation in den USA spricht, ist der in beiden Ländern unterschiedliche Professionalisierungsgrad von PR allgemein und von politischer PR im besonderen. Damit ist die Verberuflichung der PR-Branche im Sinne typischer Professionsmerkmale wie standardisierter bzw. kanonisierter Qualifikationen und Kompetenzen sowie die berufsständische Verankerung der Branche und ihrer Beschäftigten. Die Unterschiede im Professionalisierungsgrad der PR-Branche zwischen der Bundesrepublik und den USA zeigt sich zunächst schon in dem Verhältnis von PR-Praktikern und Journalisten: In den USA standen Anfang der 90er Jahre 130.000 Journalisten insgesamt 150.000 PR-Leuten gegenüber, in der Bundesrepublik ist das Verhältnis genau umgekehrt: Hier werden 20.000 PR-Praktiker und 40.000 Journalisten gezählt (Rolke 1999: 437).

Da über die genaue Zahl der in der politischen PR Beschäftigten keine Daten vorliegen, kann man über die Unterschiede in diesem Bereich nur spekulieren. Plausibel ist jedoch die Annahme, daß sich die Länderunterschiede hinsichtlich des generellen Verhältnisses auch in diesem Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit widerspiegeln, wenn nicht sogar noch prekärer zuspitzen. Qualitative Studien im Bereich der politischen Kommunikation gehen jedenfalls davon aus, daß die politische PR sowohl was das politische Beratungsgeschäft, die strategische politische Kommunikation von Amtsinhabern und Regierungen sowie die Wahlkampfführung in den USA einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht hat (Ruß-Mohl 1999, Manheim1997, Sabato 1981). Dagegen ist für die Bundesrepublik von einer Unterprofessionalisierung der PR insgesamt sowie der politischen PR im speziellen auszugehen.

Die Argumente der politischen Bedeutung der Kommunikationspolitik sowie der unterschiedliche Stand der Professionalisierung sprechen insgesamt dafür, auch unterschiedliche Prioritäten und Orientierungsmuster der Akteure der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik und den USA zu vermuten. Schaubild 5 zeigt die in den Leitfadengesprächen mit politischen Sprechern und Journalisten geäußerten Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit. Angegeben ist jeweils der prozentuale Anteil pro Gruppe, die das im Schaubild angeführte Ziel nennt. In beiden Ländern stimmen die

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Akteure weitgehend darin überein, daß die politische Öffentlichkeitsarbeit mit der Zielsetzung des Themenmanagementes verbunden ist und daß es in politischer Hinsicht um die Durchsetzung politischer Entscheidungen geht.

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Das Themenmanagement gegenüber den Medien kann man als Primärziel der politischen Öffentlichkeitsarbeit bezeichnen, das in beiden politischen Kommunikationskulturen unstrittig ist. Auch innerhalb der beiden Länder stimmen Journalisten und politische Sprecher darin überein, daß das Themenmanagement des wichtigste Ziel politischer Öffentlichkeitsarbeit ist. Dies bedeutet, daß sich eine gemeinsame Wahrnehmung über die grundsätzlichen Funktionen der politischen Öffentlichkeitsarbeit herausgebildet hat und darüber, daß die Interaktion von politischen Sprechern und Journalisten dazu dient, mit spezifischen Thematisierungen die Aufmerksamkeit des Publikums zu generieren. Diese Übereinstimmung in beiden Ländern könnte man als Basiskonsens der Gruppen begreifen, die der kontinuierlichen Interaktion zugrundeliegt.

Darüber hinaus läßt die Differenzierung in einzelne Ziele aber erkennen, daß die US-amerikanischen Befragten fast durchweg stärker auf medienorientierte Ziele fixiert sind als die deutsche Vergleichsgruppe. Für die US-amerikanischen Akteure der politischen Kommunikation bestehen die nach dem Themenmanagement am häufigsten genannten Ziele in der direkten Beeinflussung der Medienmeinung. In der Sicht der US-Amerikaner geht es bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit darum, sowohl die Themen als auch die Meinungen in den Medien zu steuern. Nicht verwunderlich ist deshalb auch, daß die Reaktion auf die Medienagenda und die Generierung von Aufmerksamkeit und Betroffenheit in den USA als wichtigere Ziele gelten als in der Bundesrepublik. Schließlich unterscheiden sich die US-Amerikaner noch darin, daß Öffentlichkeitsarbeit sehr viel häufiger als in Deutschland mit politischem Marketing gleichgesetzt wird. Dieser Befund bestätigt, daß die politische Kommunikationskultur in den USA nicht nur im Hinblick auf die Rollen und Normen der politischen Kommunikation, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Outputorientierungen überwiegend medienorientiert ist, während politische Zielsetzungen in den Hintergrund treten.

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Schaubild 5 zeigt auch, daß die deutschen Akteure der politischen Kommunikation sehr viel deutlicher und eindeutiger auf Aspekte der Beeinflussung des politischen Prozesses fixiert sind, d.h. es geht bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit nicht nur um die Medien, sondern insbesondere darum, politische Unterstützung zu generieren, Akzeptanz für das Regierungshandeln zu schaffen und die Leistungsfähigkeit der Regierung zu demonstrieren. Genauso wichtig in der politischen Öffentlichkeitsarbeit wie die Beeinflussung der Medienmeinung ist für die deutschen Akteure ist die Beeinflussung der Bürgermeinung. Dies ist insofern konsequent, als öffentliche Meinung in der Bundesrepublik sowohl mit Bürger- als auch Medienmeinung gleichgesetzt wird und daß sich die deutschen Akteure nicht allein auf die Beeinflussung der Medienmeinung verlassen wollen, wenn es um politische und kommunikative Konkurrenzen und Marktvorteile geht. Bemerkenswert ist bei den auf die Beeinflussung des politischen Prozesses bezogenen Ziele der politischen Öffentlichkeitsarbeit, daß die Beeinflussung der Beziehung zwischen politischen Akteuren fast keine Rolle zu spielen scheint. Dies kann man so interpretieren, daß die auf organisatorischer und institutioneller Ebene verankerten Beziehungsstrukturen und die informellen Kontakte in Deutschland als weitaus wichtiger für politische Entscheidungen wahrgenommen werden als die Leistungen und das Ergebnis politischer Öffentlichkeitsarbeit.

Faßt man die Ergebnisse des Ländervergleichs zusammen, so ergänzen die Orientierungen politischer Sprecher und Journalisten im Hinblick auf die politische Öffentlichkeitsarbeit noch einmal, daß die amerikanische politische Kommunikationskultur deutlich medienorientierter ist als die deutsche. Die Orientierungen, die man in der Bundesrepublik findet, weisen dagegen auf eine stärkere Ausrichtung der politischen Kommunikationskultur auf den politischen Prozeß hin: Die Medien sind hier nur ein Aspekt der Beeinflussung der öffentlichen Meinung, mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger ist hier, daß der Output der politischen Kommunikation in bezug auf den Zustimmungsgewinn der Bürger nicht zuletzt im Blick auf die politischen Konkurrenzen bewertet wird.

Die Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit sind ein konsequenter Ausdruck der Kommunikationskultur im jeweiligen Land. Bei einem insgesamt niedrigen sozialen Vertrauen und einem eher ambivalenten Verhältnis von politischen Sprechern und Journalisten in den USA müssen sich die Kommunikationsanstrengungen politischer Sprecher darauf konzentrieren, diese „Schwachstelle" bei der Durchsetzung politischer Botschaften zu bearbeiten. Dies geschieht durch eine professionelle und auch normativ abgesicherte Anpassung an die Vorgaben und Regeln des Mediensystems. Die Betonung politischer Ziele der Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesrepublik erscheint indessen als konsequente Strategie der politischen Kommunikation in einem Verhältnis von politischen Sprechern und Journalisten, das sich auf einen gemeinsamen Konsens und die Herstellung von Nähe durch die gegenseitige Betonung von sozialen Werten charakterisieren läßt.

Während Journalisten und politische Sprecher in beiden Ländern auf der Basis eines gemeinsamen Grundverständnisses von politischer Öffentlichkeitsarbeit als Themenmanagement operieren, zeigt sich indessen, daß diese Akteure jenseits dieser Übereinstimmug unterschiedliche Prioritäten haben. Die klare Ausrichtung auf politische Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland kommt vor allem dadurch zustande, daß die politischen Sprecher ausschließlich auf politische Ziele, insbesondere auf die Generierung politischer Unterstützung und Akzeptanz der Regierung fixiert sind. Die deutschen Journalisten teilen zwar die Wahrnehmung, es gehe bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit um politische Unterstützung für die Regierung, sie sind in ihren übrigen Einstellungen den US-amerikanischen Akteuren aber näher als den deutschen

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Öffentlichkeitsarbeitern. In den USA stimmen sowohl Journalisten als auch politischer Sprecher darin überein, daß die Intentionen politischer Öffentlichkeitsarbeit überwiegend in den Zielsetzungen des politischen Marketings und der Beeinflussung der Medienmeinung bestehen. Die politische Kommunikationskultur in den USA zeichnet sich also dadurch aus, daß es eine hohe Übereinstimmung zwischen den politischen Sprechern und den Journalisten gibt, die sich vor allem auf die Medienfixierung der Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit bezieht.

Dagegen zeichnet sich die deutsche politische Kommunikationskultur in bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit durch eine geringere Kohärenz aus. Vielmehr wird deutlich, daß die deutschen Journalisten den US-amerikanischen Journalisten und Sprechern sehr viel ähnlicher sind als den deutschen politischen Sprechern. Da sich die Übereinstimmung insbesondere auf die Priorisierung medienorientierter Ziele bezieht, kann man fast schon von einer „Amerikanisierung" der deutschen Korrespondenten sprechen. Das heißt, die Ähnlichkeit der Orientierungen der deutschen Journalisten mit den US-amerikanischen Akteuren sorgt dafür, daß sich auch die deutsche politische Kommunikationskultur im Hinblick auf die Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit „amerikanisiert". Umgekehrt kann man diesen Befund auch so interpretieren, daß die politischen Sprecher in Deutschland hinter der „Amerikanisierung" zurückbleiben, da sich ihre Wahrnehmung der politischen Öffentlichkeitsarbeit nach wie vor an Kategorien der politischen Auseinandersetzung orientiert. Für diese Gruppe geht es bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit nur mittelbar um die Medien, d.h. das Themenmanagement ist klar Mittel zum Zweck der Generierung politischer Akzeptanz und Unterstützung.

Fragt man nach den konkreten Techniken und Handlungsrepertoires, die eingesetzt werden, um die Medien zu beeinflussen, so findet man nur graduelle Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen Ansatz und der deutschen Vorgehensweise. Schaubild 6 zeigt die Handlungsrepertoires der Medienbeeinflussung, die in den Gesprächen mit politischen Sprechern und Journalisten hervorgehoben wurden. Danach dominieren in der Bundesrepublik herkömliche Techniken der politischen Öffentlichkeitsarbeit: Konven tionelle Pressearbeit, direkte Kontakte zu und Privilegien für Journalisten sowie die Berück sichtigung handwerklicher Standards bei der Generierung politischer Botschaften werden in Bonn als die wichtigsten Mechanismen der Medienbeeinflusung wahrgenommen. Diese Techniken spielen auch in den USA eine Rolle.

Allerdings werden hier jene Techniken der Medienbeeinflussung stärker betont, die zum Handlungsrepertoires eines professionellen strategischen News Managementes gehören: Die Beachtung medieninterner Nachrichtenfaktoren bei der Produktion von Botschaften sowie Mittel der strategischen Kommunikation wie z.B. Ereignisinszenierungen haben in Washington einen höheren Stellenwert als in Bonn. Damit bestätigt sich für die USA vielfach geäußerte These, daß die Modernisierung der technischen Mittel der modernen Medienkommunikation sowie die Herausbildung eines modernen Öffentlichkeitsprozessses mit der Konsequenz verbunden ist, daß traditionell enge persönliche Beziehungen zwischen politischen Sprechern und Journalisten durch moderne Marketingmethoden und durch die strategisch durchgeplante Kommunikationspolitik ergänzt wird. In Deutschland hingegen bilden die persönlichen Beziehungen zwischen politischen Sprechern und Journalisten nach wie vor die wichtigste Ressource bei der Beeinflussung der Medien.

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Schaubild 6: Handlungsrepertoires der Medienbeeinflussung (Prozentwerte)

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Schaubild 6 unterscheidet bei den Handlungsrepertoires der Medienbeeinflussung danach, inwieweit das Handeln direkt auf die Medien gerichtet ist („externe Steuerung") und inwieweit diese externe Steuerung durch interne Regeln und Koordinierungsmechanismen abgesichert ist („interne Steuerung"). In den USA geht es bei dieser Koordination und Kontrolle um gezielte Techniken der Abschottung gegenüber „lästigen" Fragen von Journalisten bzw. eine zum Teil perfekte Orchestrierung der Zugangschancen von Mitgliedern des Pressekorps zu Regierungsinformationen. In der Bundesrepublik sind damit Absprachen der Ressortsprecher in der Koalitionsregierung gemeint, bei denen es darum geht, wer welche Fraktionsbeschlüsse vor der Bundespressekonferenz kommentiert. Diese Absprachen blieben in der Kohl-Regierung meistens wirkungslos. Da die politische Öffentlichkeitsarbeit der Regierung immer von Koalitionskonstellationen beeinflußt wird, ist sie innerhalb der Regierung ein Streitgegenstand. Häufig geht es dabei nicht die Inhalte, sondern um die symbolische Präsentation von politischen Schwerpunktsetzungen und die Profilierung einzelner Regierungsmitglieder.

Betrachtet man die Einschätzungen der Handlungsrepertoires insgesamt, so bestehen trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen hohe Übereinstimmungen der Akteure in beiden Ländern. Politische Sprecher und Journalisten in der Bundesrepublik gleichen sich in der Struktur und Gewichtung der Argumente über die relevanten Techniken der Medienbeeinflussung. Sowohl Journalisten als auch Öffentlichkeitsarbeiter in Deutschland sind stark auf die konventionelle Pressearbeit und ihre direkten Netzwerke fixiert.

Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß sich in der Beurteilung der Handlungsrepertoires starke Übereinstimmungen von politischen Sprechern in Deutschland und den USA ergeben. Die Wahrnehmungen gleichen sich insbesondere durch die von allen Sprechern geteilte Betonung von konventionellen Techniken der Pressearbeit. Dies ist ein Hinweis dafür, daß moderne Techniken strategischer Kommunikation und Inszenierung von Politik in den Medien die herkömlichen Methoden der Medienbeeinflussung nicht ersetzen, sondern ergänzen. Die Modernisierung politischer Öffentlichkeitsarbeit besteht also darin, daß die Handlungsrepertoires breiter werden. Aus den USA kann man mit

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anderen Worten lernen, daß moderne politische Öffentlichkeitsarbeit auf das setzt, was in der Sprache des Marketings als Kommunikationsmix bezeichnet wird. Diese Techniken sind in den USA bereits Realität und zusammen mit der dort stärker betriebenen internen Nachrichtenpolitik kann man sicherlich von einer höheren Professionalisierung der Kommunikation des Weißen Hauses sprechen. In der Bundesrepublik dagegen spielte sich die Kommunikation der Regierung Kohl immer noch im Bereich der traditionellen Verlautbarungspolitik und persönlicher Kontakte zwischen Pressesprechern und Journalisten ab. Gleichwohl zeigen die Befunde, daß auch in Deutschland Aspekte der strategischen Kommunikation und Inszenierung von Politik im Vormarsch sind. Dies bedeutet, daß man trotz unterschiedlicher Strukturen und Normen der politischen Kommunikation in bezug auf die politische Öffentlichkeitsarbeit immerhin von Tendenzen einer Modernisierung oder gar Amerikanisierung der politischen Kommunikation sprechen kann.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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