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[Seite der Druckausg.: 29(Fortsetzung)]


5. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Der Vergleich der Struktur und Kultur der politischen Kommunikation hat gezeigt, daß das Verhältnis von Politik und Medien in den USA durch eine starke Ausrichtung an den Logiken und Regeln der Massenmedien geprägt ist, während in der Bundesrepublik (bisher noch) eher politisch motivierte Handlungsorientierungen vorherrschen. Diese grundlegende Differenz manifestiert sich sowohl hinsichtlich der Normen des gegenseitigen Umgangs und entsprechender Regelverstöße als auch der Kommunikationsrollen und Zielsetzungen der politischen Öffentlichkeitsarbeit.

Für die USA läßt sich zeigen, daß die Geschäftsgrundlage des Umgangs von politischen Sprechern und Journalisten die journalistischen Professionsnormen sind. Dabei stehen sich beide Seiten distanziert und mit dem Wissen um ihre professionelle Rolle gegenüber, d.h. es herrscht eine Übereinstimmung über die (zum Teil auch gegensätzlichen) Interessen und Ziele. Konflikte in diesem Verhältnis treten dann auf, wenn die sozialen Normen verletzt werden. D.h. die professionelle Zusammenarbeit steht nicht zur Disposition, wohl aber ist der persönliche Umgang zwischen politischen Sprechern und Journalisten gestört.

Im Gegensatz dazu geht es bei der Zusammenarbeit von Journalisten und politischen Sprechern in Deutschland um die „emotionale" Integration, d.h. um die Stabilisierung eines Vertrauensverhältnisses, das den Austausch von Informationen gegen öffentliche Aufmerksamkeit gewährleisten soll. Diese Art des Nahverhältnisses erlaubt die Zusammenarbeit, ohne daß politische Sprecher ihre politischen Interessen verhehlen und ohne daß die politische Unabhängigkeit der Journalisten in Zweifel gezogen werden müßte. Bei einem derartigen „Harmonieverhältnis" treten Konflikte dann auf, wenn vermeintlich professionelle Regeln verletzt werden, d.h. die Akteure kritisieren sich gegenseitig als schlechte Journalisten oder unfähige Pressesprecher, stellen die persönliche Beziehung aber nicht in Frage.

Die normativen Orientierungen und Werte der Akteure der politischen Kommunikation in beiden Ländern sind im Kontext der strukturellen Bedingungen des politischen Systems und des Mediensystems zu interpretieren. Das Regierungssystem und die Strukturen der Interessenvermittlung in den USA machen die Strategie des „going public" zum dominanten Antriebsmoment der Regierungskommunikation. Dagegen legen die Voraussetzungen einer Parteiendemokratie die Regierung auf Kommunikationsstrategien fest, bei denen es um die symbolische Legitimation bereits ausgehandelter Entschei-

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dungen vor dem Wahlvolk geht. In beiden Ländern sind die Medien eine strategische Größe, wenn es darum geht, diese unterschiedlichen Kommunikationsziele zu erreichen.

Die Orientierungen der Journalisten und politischen Sprecher zeigen, daß beide Gruppen sehr wohl wissen, wie die Bedingungen des Mediensystems und die Erfordernisse der Nachrichtenproduktion in der Regierungskommunikation eingesetzt werden. Die Stärke des Fernsehens in der lokalen Berichterstattung in den USA in Verbindung mit kritischen, politisch nicht nach klaren ideologischen Präferenzen einzuordnenden nationalen Qualitätszeitungen kennzeichnen die politisch relevante Medienlandschaft in den USA. Die strategischen Kalküle in Deutschland beziehen sich indessen auf politisch profilierte Qualitätszeitungen mit klarer Meinungsführerschaftsfunktion. In beiden Ländern werden diese Strukturen für das Themenmanagement und die Ziele der politischen Kommunikation genutzt.

Angesichts der hohen Konkurrenz der Medien um Publikumsanteile in beiden Ländern werden die Anforderungen der Nachrichtenproduktion, insbesondere die Suche und der Wettbewerb unter Journalisten um möglichst aktuelle Exklusivinformationen, beim Newsmanagement antizipiert. Politische Sprecher machen sich diese Konstellation zunutze, indem sie interne Informationen gezielt in die Medien „durchsickern" lassen. Insbesondere für Deutschland gilt, daß der Wert einer politischen Botschaft in dem Maße steigt, indem damit politische Bewertungen verbunden werden können. Diese Bewertungen orientieren sich vor allem an der Frage der Konflikthaftigkeit eines Sachverhaltes im politischen Prozeß und in der parteipolitischen Auseinandersetzung. Die im Juli 2000 von der Regierung Schröder durchgesetzte Steuerreform ist hierfür ein gutes Beispiel: Die Konflikthaftigkeit der Zustimmung von unionsmitregierten Bundesländern ist in der Berichterstattung wichtiger als die Steuerreform selbst.

Der Stellenwert politischer PR ist natürlich dann höher wenn, wie in den USA, das Zustimmungsmanagement für politische Ziele fast ausschließlich über eine medienorientierte Form der Kommunikation stattfindet. Die Inszenierung von politischen Inhalten in ihrer Verbindung mit Personen ist damit quasi der politische Prozeß der USA. Die Medien sind in dieser Konstellation die entscheidende strategische Ressource für politische Handlungsfähigkeit, ihre Regeln sind die Regeln der Politikformulierung und -durchsetzung. Da Medien indessen Organisationsziele verfolgen, bei denen die kommerziellen Interessen im Mittelpunkt stehen, entwickelt sich im System der politischen Kommunikation eine professionalisierte Umgangssprache, die ein Gemengelage aus aufmerksamkeitsgenerierenden Nachrichtenwerten und persönlichen Prominenzfaktoren von Politikern mit einfachen Botschaften zu verbinden sucht. Nur in diesem Kontext ist zu verstehen, daß sich die Akteure der politischen Kommunikation distanziert und in einem ambivalenten und zirkulären Katz- und Maus-Spiel gegenüberstehen und politische Öffentlichkeitsarbeit auf die unbedingte Medienpräsenz zielt.

In Deutschland sind dagegen die politischen Konstellationen so stark, daß neben die Medienlogik eine relativ dominate politische Logik tritt. Die politischen Opportunitäten in der Bundesrepublik sind nach wie vor durch die traditionell starke und auch verfassungsrechtlich verankerte Rolle der politischen Parteien gekennzeichnet. Die Durchsetzung politischer Programme ist das Ergebnis von komplexen Aushandlungsprozessen und Kompromissen in den Fraktionen und Parteigremien, die erst im Laufe der Verhandlungen von Bemühungen durch die Generierung von Unterstützung in den Medien begleitet wird. In einer Situation, in der ein wichtiger Teil der Medien - mindestens aber das öffentlich-rechtliche Fernsehen - mit Gemeinwohlansprüchen konfrontiert ist, und die wichtigsten Qualitätszeitungen (partei)politische Profilierungen aufweisen, entwickelt sich im System der politischen Kommunikation eine politische Umgangssprache, bei

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der sich parteipolitische Positionierungen und journalistische Aufmerksamkeitsfaktoren verbinden. In diesem Sinne ist eine Botschaft erfolgversprechend in bezug auf die Medienaufmerksamkeit, wenn in ihr der politische Inhalt, die politische Position des Sprechers und die Profilierung des Mediums konvergieren. Nur vor diesem Hintergrund macht es Sinn, daß politische Sprecher und Journalisten gerade solche sozialen Normen aufrechterhalten, die ihre Nähe stabilisieren, daß das Verhältnis als überwiegend harmonisch eingeschätzt wird und politische Absichten die Maxime der Öffentlichkeitsarbeit darstellen.

Die beschriebenen Grundkonstellationen der politischen Kommunikation markieren die Situation Mitte der 90er Jahre. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann man feststellen, daß in der Bundesrepublik ein Wandlungsprozeß begann, der insbesondere auf die Haltung von Journalisten zurückgeht. Vor dem Hintergrund der Strukturveränderungen im Medienbereich, insbesondere der zunehmenden Bedeutung der kommerziellen Medien, die einen starken Konkurrenzdruck unter den Medien hervorruft, ist plausibel, daß Journalisten sich in ihrer Beobachtung politischer Sprecher, ihren Handlungsdispositionen und in ihrem Selbstbild verändern. Jedenfalls kann man erkennen, daß für Journalisten in Deutschland die strukturellen Aspekte des politischen Prozesses in den Hintergrund treten, während medienzentrierte Anforderungen der Darstellung von Politik bedeutsamer werden.

Bezieht man die Befunde des Vergleichs auf die am Anfang des Gutachtens aufgeworfene Frage nach der Konvergenz zwischen deutschen und US-amerikanischen Stilen der politischen Kommunikation, so muß man zu einer ambivalenten Einschätzung kommen. Einerseits sind Mitte der 90er Jahre nach wie vor eindeutige Unterschiede in der grundsätzlichen Ausrichtung der Struktur und Kultur der politischen Kommunikation der beiden Länder festzustellen. Anderseits sind auch in der Bundesrepublik Tendenzen zu erkennen, die eine Entwicklung im Sinne einer Modernisierung nicht mehr ausschließen. Betrachtet man zunächst die Strukturbedingungen der politischen Kommunikation, so hat die Kommerzialisierung und Ausdifferenzierung des Mediensystems sicherlich dazu beigetragen, daß die medienorientierte Logik der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik an Bedeutung gewinnt. Da sich die gemeinwohlorientierten öffentlich-rechtlichen Systeme in der politischen Kommunikation wegen des Gebots der Ausgewogenheit neutralisieren und einem Anpassungsprozeß an die kommerziellen Kanäle unterworfen sind, werden die genuin politischen Aspekte in der Berichterstattung in den Hintergrund gedrängt. Dies läßt sich sowohl an der formalen Darstellung von Politik, der Visualisierung politischer Prozesse, der Vermischung von Unterhaltung und Information und der Personalisierung erkennen. Auch im Printmediensektor sind neue Konkurrenverhältnisse und Differenzierungen zu beobachten, die es wahrscheinlich machen, daß Zeitschriften und Zeitungen ihre (partei)politischen Profilierungen zu Gunsten einer größeren vermuteten Marktnähe aufgeben. Ein Beispiel dafür wäre etwa die Reaktion des Wochenmagazins DER SPIEGEL auf die Konkurrenz Focus oder der Wochenzeitung DIE ZEIT auf die Konkurrenz von Die Woche. In diesem Sinne ist es ein Paradox, daß ökonomische Konkurrenzprozesse eine Konvergenz der Medien einleiten und gleichzeitig im Rahmen dieser Konvergenz die Regeln der politischen Kommunikation verändern.

Die Politikberichterstatter in den Medien scheinen auf diese Prozesse bereits Mitte der 90er Jahre zu reagieren. Jedenfalls lassen sich im Hinblick auf die Wahrnehmung der Ziele und des Handelns in der Öffentlichkeitsarbeit Tendenzen feststellen, daß sie – wie ihre US-amerikanischen Kollegen - die Kommunikation von Politik unter medieninduzierten Aufmerksamkeitskriterien betrachten. Politische Sprecher versuchen dies zwar in ihren Kalkülen zu berücksichtigen, scheinen gleichwohl aber noch an politischen Regeln,

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an der Stabilisierung personaler Netzwerke und den traditionellen Handlungsrepertoires der Verlautbarungspolitik festzuhalten. Interessant wird auf Seiten der politischen Sprecher sein, inwieweit sie ihre Zielsetzungen und Handlungsrepertoires durch Anpassungsleistungen an die Erwartungen der Journalisten verändern und ihre Strategien des Themenmanagementes im Sinne des politischen Marketings ergänzen. Jedenfalls würde eine stärkere Medienzentrierung der politischen Kommunikation auf der Regierungsseite die institutionellen Aspekte der Regierungskommunikation in den Hintergrund drängen. Diese Entwicklung ist umso wahrscheinlicher in einer Situation, in der die politische Kultur durch abnehmende Parteibindungen und Parteimitgliedschaften charakterisiert werden kann und die Parteien selbst Schwierigkeiten haben, ihre politischen Profile in der Öffentlichkeit zu markieren.

In diesem Sinne ist die politische Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland im Wandel, sie zeigt Tendenzen einer Annäherung an medienzentrierte Stile der politischen Kommunikation. Ob dies letztlich zu einer Modernisierung der politischen Kommunikation im Sinne der eingangs zitierten Amerikanisierung führt, dürfte entscheidend davon abhängen, ob sich die institutionellen Strukturen der politischen Kommunikation auf der Seite des politischen Systems verändern. In den USA hat die Auslagerung der Rekrutierung politischen Personals aus den Parteien, d.h. die Einführung von Vorwahlen in der überwiegenden Zahl der Bundesstaaten, und die Aufgabe wichtiger Funktionen der politischen Willensbildung dem modernen medienorientierten Publicity-Prozeß einen kräftigen Schub verliehen und damit die bereits strukturell angelegte Medienorientierung der politischen Kommunikation verstärkt. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Bundesrepublik anzunehmen, daß Amerikanisierungstendenzen in der politischen Kommunikation in dem Maße zunehmen, in dem die politischen Parteien ihre Funktionen in dem Sinne neu definieren, daß sie sich aus der Personalrekrutierung und Willensbildung zurückziehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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