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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 93 ]


M. Verena Brombacher Steiner
Die Zweite Säule der Altersvorsorge
in der Schweiz


Mit der Verankerung des so genannten „Drei-Säulen-Prinzips„ in der schweizerischen Bundesverfassung wurde der Schutz im Falle von Alter, Tod (Hinterlassenschaft) und Invalidität 1972 auf die folgenden drei Säulen gestellt:

  • eine obligatorische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die gesamte Wohnbevölkerung, deren Renten den Existenzbedarf angemessen decken sollen,

  • obligatorische berufliche Vorsorge für alle Arbeitnehmer bzw. eine freiwillige Vorsorge für Selbstständigerwerbende, welche zusammen mit den Leistungen der Ersten Säule die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen soll, und

  • eine individuelle Selbstvorsorge, welche der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen durch Maßnahmen der Fiskal- und Eigentumspolitik fördern soll.

Die einzelnen „Säulen„ gab es allerdings schon vor diesem Zeitpunkt. Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) wurde 1948 in Kraft gesetzt; die dazugehörende Invalidenversicherung (IV) folgte 1960. Formen der betrieblichen Vorsorge finden sich bereits im letzten Jahrhundert und die individuelle Selbstvorsorge ist wohl die Urform jeder Vorsorge.

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1. Die Erste Säule – eine existenzsichernde Grundversicherung

Sie setzt sich zusammen aus der eigentlichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) und den kantonalen Systemen von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV.

a) Die AHV/IV

In der AHV/IV sind obligatorisch versichert alle natürlichen Personen, die in der Schweiz ihren zivilrechtlichen Wohnsitz haben oder dort eine Erwerbstätigkeit ausüben (z.B. Grenzgänger, Saisonarbeiter, Kurzaufenthalter). In

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gewissen Fällen kann die Versicherung auch bei Wohnsitz im Ausland weitergeführt werden.

Die Versicherten sind beitragspflichtig, sobald sie eine Erwerbstätigkeit ausüben (frühestens ab 1. Januar des der Vollendung des 17. Altersjahres folgenden Jahres; auf jeden Fall ab 1. Januar des der Vollendung des 20. Altersjahres folgenden Jahres). Arbeitnehmer entrichten derzeit zusammen mit ihrem Arbeitgeber je 4,9% ihres gesamten Lohnes an AHV und IV (d.h. ohne obere Beitragsgrenze), Selbstständigerwerbende 9,2% ihres Erwerbseinkommens (ebenfalls ohne obere Beitragsgrenze, aber mit sinkender Beitragsskala bis auf 4,2% für niedrige Jahreseinkommen).

Für Nichterwerbstätige (dazu gehören nebst Hausfrauen/Hausmännern auch Studenten, Bezüger von Invaliden- oder Hinterlassenenrenten sowie Arbeitslose) beginnt die Beitragspflicht am 1. Januar des Jahres nach Vollendung des 20. Altersjahres und dauert bis zum Erreichen des Rentenalters. Die Beiträge bemessen sich nach den sozialen Verhältnissen der Versicherten und betragen zwischen Sfr. 378.– und Sfr. 9'800.– pro Jahr.

Verschiedene Versichertengruppen sind von der Beitragspflicht befreit. So bezahlen minderjährige Versicherte keine Beiträge (ausgenommen bei Erwerbstätigkeit nach dem 17. Altersjahr). Ferner gelten bei nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten die eigenen Beiträge als bezahlt, wenn der (erwerbstätige) Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages (d.h. Sfr. 756.–) bezahlt hat.

Um Anspruch auf eine ordentliche Rente der AHV/IV zu erheben, müssen dem Berechtigten Beiträge für mindestens ein volles Jahr angerechnet werden können. Ausländer, mit deren Heimatstaat kein Abkommen besteht, müssen zudem ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben.

Anspruch auf Altersrenten haben Männer nach Vollendung des 65. und Frauen nach Vollendung des 62. Altersjahres. Das Rentenalter für Frauen wird übrigens im Jahr 2001 auf 63 und im Jahr 2005 auf 64 Jahre erhöht. Männer und Frauen können unter unterschiedlichen Umständen und mit unterschiedlicher Kürzung ihre Altersrente bis um zwei Jahre vorbeziehen. Sie können aber auch den Beginn des Rentenbezugs um höchstens fünf Jahre hinausschieben mit entsprechendem Zuschlag. Die volle Altersrente beträgt derzeit minimal Sfr. 1005.– und maximal Sfr. 2010.– pro Monat.

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Die beiden Renten eines Ehepaares können maximal 150% des Höchstbetrages der Altersrente, d.h. Sfr. 3015.– im Monat betragen. Zu den Renten kommen, je nach Fall, noch Zusatzrenten für die (nicht bzw. noch nicht rentenberechtigte) Ehefrau (teils auslaufend) und so genannte Kinderrenten.

Anspruch auf Witwen- und Witwerrenten haben Personen, die im Zeitpunkt der Verwitwung ein oder mehrere Kinder haben; unter gewissen Umständen werden geschiedene Personen einer Witwe oder einem Witwer gleichgestellt. Zusätzlich können Witwen, die keine Kinder haben, vorläufig noch Witwenrenten beziehen, wenn sie das 45. Altersjahr zurückgelegt haben und mindestens fünf Jahre verheiratet waren; diese Regelung läuft aus. – Witwen- und Witwerrenten betragen 80% der entsprechenden Altersrente, d.h. minimal Sfr. 804.– und maximal Sfr. 1608.– im Monat.

Kinder, deren Vater oder Mutter gestorben ist, haben bis zur Vollendung des 18. Altersjahres (im Falle einer Ausbildung längstens bis zur Vollendung des 25. Altersjahres) Anspruch auf eine Waisenrente. Sind beide Eltern gestorben, erhalten sie zwei Waisenrenten. Einfache Waisenrenten belaufen sich in der Regel auf 40% der entsprechenden Altersrente, d.h. minimal Sfr. 402.– und maximal Sfr. 804.– im Monat.

Anspruch auf Invalidenrenten haben Personen, die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall während einer voraussichtlich bleibenden oder längeren Zeit eine Erwerbsunfähigkeit von mindestens 40% aufweisen und die bei Eintritt der Invalidität versichert sind. Je nach Invaliditätsgrad gibt es ganze, halbe oder Viertelsrenten. Dabei gilt der Grundsatz: „Eingliederung vor Rente„. Die Beträge der Invalidenrenten sind gleich wie die der Altersrenten; für jung Invalidierte gelten besondere Vergünstigungen.

Dazu gibt es insbesondere in der IV bedeutende medizinische, schulische und berufliche Eingliederungsmaßnahmen (auch für Kinder), Hilflosenentschädigungen und Hilfsmittel sowie die so genannten Kollektivleistungen zur Förderung der Invalidenhilfe.

AHV- wie IV-Renten werden nach Maßgabe der Beitragsjahre und aufgrund des durchschnittlichen Jahreseinkommens berechnet.

Die Beitragsdauer ist vollständig, wenn eine Person während gleich vielen Jahren Beiträge geleistet hat wie die Versicherten ihres Jahrgangs. Dabei werden als Beitragszeiten angerechnet:

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  • Zeiten, während denen eine Person Beiträge gezahlt hat;

  • Zeiten, während denen der Ehepartner einer nichterwerbstätigen Person Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrags gezahlt hat;

  • Zeiten, für die Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften gutgeschrieben werden konnten.

Ist die Beitragsdauer vollständig, so wird eine Vollrente gewährt; ist die Beitragsdauer nicht vollständig, so gelangt eine Teilrente zur Auszahlung.

Das durchschnittliche Jahreseinkommen setzt sich zusammen aus:

  • Erwerbseinkommen (das sind die Einkommen, auf denen Beiträge bezahlt wurden; bei Nichterwerbstätigen werden die Beiträge in Erwerbseinkommen umgewandelt; Einkommen von Ehegatten während der gemeinsamen Ehe werden geteilt und je zur Hälfte den beiden Ehegatten angerechnet – so genanntes Splitting);

  • Erziehungsgutschriften (für Jahre, in denen Versicherte die elterliche Gewalt über eines oder mehrere Kinder bis zum 16. Altersjahr ausüben, wird eine Gutschrift von jeweils drei jährlichen Mindest-Altersrenten angerechnet);

  • Betreuungsgutschriften (für Jahre, in denen in gemeinsamem Haushalt lebende Verwandte, die in einem gewissen Grade hilflos sind, betreut werden, besteht ein Anspruch auf Betreuungsgutschrift in der gleichen Höhe wie die Erziehungsgutschrift).

Sämtliche Renten werden in der Regel alle zwei Jahre an die Lohn- und Preisentwicklung durch eine Neufestsetzung des Rentenindexes angepasst. Wenn allerdings der Konsumentenpreisindex innerhalb eines Jahres um mehr als 4% steigt, so findet vorher eine Anpassung statt.

Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren durch die Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber einerseits und Subventionen von Bund und Kantonen anderseits. Letztere richten sich nach den jährlichen Ausgaben der Versicherung und betragen insgesamt 20% bei der AHV und 50% bei der IV.

Ein Zentraler Ausgleichsfonds gleicht kurzfristig die Schwankungen zwischen Einnahmen und Leistungen aus und dient gleichzeitig als Reserve.

AHV und IV werden unter Mitwirkung der Arbeitgeber durch öffentlichrechtliche Institutionen, die vom Bund, den Kantonen und, auf freiwilliger

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Basis, von Berufsverbänden der Arbeitgeber und Selbstständigerwerbenden errichtet wurden, durchgeführt. Diese Institutionen, die so genannten Ausgleichkassen, stehen unter der Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung. Für die Belange der IV (insbesondere Abklärung der Invalidität, der Eingliederungsmaßnahmen usw.) gibt es noch besondere IV-Stellen in den Kantonen.

Alle Einnahmen (Beiträge) und Ausgaben (Renten) werden auf drei Stufen (Arbeitgeber – Ausgleichskassen – zentraler Ausgleichsfonds) ausgeglichen, wobei zwischen den einzelnen Stufen nur per Saldo abgerechnet wird.

b) Die kantonalen Ergänzungsleistungen zur AHV/IV

Gemäß Verfassung sollen die Renten der AHV/IV den Existenzbedarf betagter und behinderter Menschen oder von Hinterlassenen angemessen decken. Ist dies wegen besonderer Umstände nicht der Fall, so können die Kantone durch die Gewährung der so genannten Ergänzungsleistungen dazu beitragen. Die Kantone sind eigentlich nicht zur Ausrichtung solcher Leistungen verpflichtet; wenn sie dies jedoch tun, so finanziert der Bund einen Teil ihrer Aufwendungen durch Subventionen. Aufgrund eines Bundes-Subventionsgesetzes, das die materielle Regelung der Ergänzungsleistungen weitgehend festlegt, haben alle 26 Kantone der Schweiz entsprechende kantonale Regelungen erlassen.

Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben in der Regel Bezüger von AHV- oder IV-Renten mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz. Ausländer, Flüchtlinge und Staatenlose müssen eine Mindestwohndauer in der Schweiz nachweisen.

Die Ergänzungsleistungen sind beitragsunabhängige Bedarfsleistungen, welche das Mehr an Ausgaben, welches eine Person im Verhältnis zu ihren Einnahmen hat, abdecken sollen. Oder anders gesagt: Diese Leistungen haben eine Auffüllfunktion, indem sie das anrechenbare Jahreseinkommen einer Person bis zum garantierten Mindesteinkommen auffüllen. Dabei können natürlich nicht alle Ausgaben berücksichtigt werden, weil es ja nur um die Deckung des Existenzbedarfs geht. Das Gesetz enthält eine Liste der zu berücksichtigenden Einnahmen und Ausgaben (z.B. allgemeiner Lebensbedarf, Mietzins, Beiträge an Versicherungen, Unterhaltsbeiträge usw.) und legt Höchstbeträge fest.

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Es werden einerseits die jährlichen Ergänzungsleistungen ausbezahlt und anderseits Krankheits- und Behinderungskosten vergütet. Die Höhe der Ergänzungsleistung selbst entspricht dem Ausgabenüberhang und kann bei Personen, die zu Hause wohnen, höchstens den Betrag von Sfr. 48'240.– und bei Personen, die in einem Heim wohnen, höchstens den Betrag von Sfr. 28 805.– im Jahr erreichen.

Die Leistungen werden durch die Kantone und die Gemeinden aus dem öffentlichen Haushalt getragen. Der Bund leistet daran Subventionen, die je nach der Finanzkraft des Kantons 10 bis 35% der betreffenden kantonalen Ausgaben betragen.

Die Ergänzungsleistungen gehören nicht in den Bereich der Fürsorge. Sie sollen eine Abhängigkeit von der Fürsorge vermeiden.

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2. Die Zweite Säule – Ergänzende Sicherung des Lebensstandards

Auch die berufliche Vorsorge (BV) besteht – wie die erste Säule – aus zwei Teilen: der obligatorischen und einer möglichen überobligatorischen Versicherung.

Gemäß Verfassungsauftrag soll die Zweite Säule auf der Ersten Säule aufbauen und, zusammen mit dieser, die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen. Das entsprechende Bundesgesetz bringt nur eine garantierte Minimalvorsorge. Es ist aber jeder Vorsorgeeinrichtung im Rahmen ihrer gesetzlich garantierten Autonomie bezüglich Leistungen, Finanzierung sowie Organisation freigestellt, höhere Leistungen anzubieten (sog. überobligatorische Vorsorge). Die obligatorische berufliche Vorsorge wird dahingehend interpretiert, dass AHV/IV-Renten mit den Leistungen der beruflichen Vorsorge zusammen rund 60% eines nach oben plafonierten Bruttoeinkommens ausmachen sollen. Das System befindet sich (bis 2025) noch in der Einführungsphase, weshalb dieses Leistungsziel allein mit der obligatorischen Vorsorge zur Zeit nicht immer erreicht wird.

a) Die obligatorische berufliche Versicherung

Die berufliche Vorsorge ist für alle Arbeitnehmer obligatorisch, sobald diese einen Jahreslohn von mehr als Sfr. 24'120.– (sog. Koordinationsabzug oder

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unterer Grenzlohn, entspricht der doppelten jährlichen AHV-Mindestrente) verdienen. Das trifft auf über 80% aller Arbeitnehmer zu. Selbstständigerwerbende können sich der Versicherung freiwillig anschließen. Aus seiner Ergänzungsfunktion zur AHV/IV ergibt sich für das nach BV-Obligatorium zu berücksichtigende Einkommen die Notwendigkeit auch einer oberen Grenze. Der obere Grenzlohn entspricht dem dreifachen unteren Grenzlohn (Sfr. 72'360.–) und damit dem maximalen rentenbildenden Einkommen bei der AHV. Der versicherte (sog. koordinierte) Lohn entspricht derzeit somit höchstens Sfr. 48'240.–.

Die Leistungen werden in der Regel als Renten ausgerichtet; bei geringen Leistungen oder wenn dies vom Kassenreglement vorgesehen wird, ist auch eine Kapitalabfindung möglich. 1996 betrug eine jährliche BV-Rente (im Durchschnitt aller Rentenarten) Sfr. 19'819.– und die durchschnittliche Altersrente Sfr. 25'027.–. Rund 5% der Fälle wurden mit einer durchschnittlichen Kapitalsumme von Sfr. 93'000.– abgefunden.

Die Altersrenten werden Männern ab dem 65. und Frauen ab dem 62. Altersjahr gewährt. Die Reglemente der Pensionskassen können allerdings einen Rentenvorbezug frühestens fünf Jahre vor diesem gesetzlichen Rentenalter sowie gleiches Rentenalter für Männer und Frauen vorsehen. In diesem Fall kommt es infolge des kleineren Altersguthabens und eines gekürzten Umwandlungssatzes zu einem niedrigeren Rentenbetrag.

Beim Tod des versicherten Arbeitnehmers oder des Rentenbezügers gibt es Hinterlassenenleistungen an Witwen, die beim Tod des Ehegatten für ein oder mehrere Kinder zu sorgen haben oder 45 Jahre alt sind und mindestens fünf Jahre verheiratet waren, sowie an die Kinder des Verstorbenen.

Bei Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit (im Sinne der IV) von mindestens 50% entsteht Anspruch auf eine Invalidenleistung. Für die vorzeitigen Leistungen werden fiktive Altersgutschriften für bis zum Rentenalter fehlende Jahre zugerechnet.

Die Berechnung der Leistungen erfolgt aufgrund von sog. Altersgutschriften, die für jeden Versicherten auf einem individuellen Alterskonto eingetragen werden. Diese Gutschriften bestehen aus einem vom Alter abhängigen Prozentsatz des koordinierten Lohnes (sog. Umwandlungssatz, zwischen 7 und 18%) plus Zins (4% Mindestzins, seit 1985 unverändert). Die BV-Altersrente wird alsdann in Prozenten des Altersguthabens berechnet, das

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der Versicherte bei Erreichen des Rentenalters erworben hat. Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz beträgt heute unabhängig von Geschlecht und Zivilstand 7,2% und bezieht sich auf das Rücktrittsalter 65 Jahre für Männer und 62 Jahre für Frauen.

In der Zweiten Säule unterliegen nur Invaliden- und Hinterlassenenrenten zwingend einer Anpassung an die Preisentwicklung und genießen damit einen gewissen Inflationsschutz. Diese Verpflichtung fällt jedoch weg, sobald das Rentenalter erreicht wird. Es steht dann im Ermessen der jeweiligen Pensionskasse, ob sie eine Anpassung vornehmen will oder nicht. Zahlreiche Vorsorgeeinrichtungen haben sich dazu in ihren Reglementen auf freiwilliger Basis verpflichtet.

Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung, welcher der Arbeitgeber angeschlossen ist. Das Gesetz schreibt dazu lediglich vor, dass die Beiträge zulasten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehen sollen und dass die Summe der Beiträge des Arbeitgebers mindestens gleich hoch sein muss wie die Summe der Beiträge des Arbeitnehmers. Im Allgemeinen liegen die Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zwischen 7 und 18% des koordinierten (versicherten) Lohnes. Der durchschnittliche Beitragssatz dürfte etwa 9 bis 10% betragen.

Die Versicherung wird durch eine Vielzahl einzelner Vorsorgeeinrichtungen von unterschiedlichster Größe und Struktur durchgeführt. 1996 gab es rund 11'600 kollektive Vorsorgeeinrichtungen bei Versicherungsgesellschaften, autonome Einrichtungen mit oder ohne Rückversicherung, teilautonome Einrichtungen usw. mit extrem ungleicher Zahl von Versicherten. Jede dieser Einrichtungen kann sich in der Rechtsform einer Stiftung, Genossenschaft oder öffentlich-rechtlichen Einrichtung weitgehend frei organisieren.

Jede Vorsorgeeinrichtung versichert die Risiken Alter, Tod und Invalidität nach einem eigenen Leistungsplan und regelt die Finanzierung dieser Leistungsziele auf ihre Art, wobei sie für die Erbringung der von ihr angebotenen Leistungen selbst verantwortlich ist. Die Einnahmen beruhen hauptsächlich auf den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Erträgen aus der Anlage des Vermögens und den Mutationsgewinnen bei Austritten (Deckungskapitalien, die nicht mehr verwendet werden). Im Übrigen gilt grundsätzlich das Kapitaldeckungsverfahren. Allerdings wird gelegentlich für gewisse Leistungen, wie Teuerungsausgleich oder Maßnahmen für die Eintrittsgeneration, auch eine Art Umlageverfahren gewählt.

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Der Arbeitnehmer kann die Vorsorgeeinrichtung nicht wählen. Diese wird durch den Arbeitgeber bestimmt. Für Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber sich keiner Vorsorgeeinrichtung angeschlossen hat, gibt es eine besondere Auffangeinrichtung. Diese führt auch die freiwillige Versicherung durch.

Verlässt der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber und damit dessen Vorsorgeeinrichtung, bevor ein Vorsorgefall eingetreten ist, so hat er Anspruch auf die so genannte Austrittsleistung. Diese Leistung entspricht, je nach Vorsorgeeinrichtung, entweder dem Sparguthaben und Deckungskapital oder dem Barwert der erworbenen Leistungen. Sie wird dem Versicherten bei Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis bzw. in eine neue Vorsorgeeinrichtung als Eintrittsleistung gutgeschrieben. Wird die Austrittsleistung nicht zum Übertritt in eine andere Kasse verwendet (z.B. wegen Aufgabe der Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit), so muss das Geld auf ein gesperrtes Konto oder eine gesperrte Versicherungspolice einbezahlt werden. Nur wenn die anspruchsberechtigte Person die Schweiz endgültig verlässt oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und der obligatorischen Versicherung nicht mehr unterliegt, kann die Leistung vorzeitig in bar ausgezahlt werden.

Gelder der Zweiten Säule können übrigens zum Ausbau der Dritten Säule herangezogen werden. Wenn nämlich der Versicherte Wohneigentum zum eigenen Bedarf erwerben möchte, so kann er seinen Anspruch auf Vorsorgeleistungen verpfänden oder einen Betrag bis zur Höhe der Austrittsleistung vorbeziehen. Allerdings wird dadurch sein künftiger Leistungsanspruch entsprechend gekürzt.

Die Vorsorgeeinrichtungen, die oft paritätisch verwaltet werden, legen ihr Vermögen selbst an, unter Berücksichtigung von Sicherheit, Ertrag, angemessener Risikoverteilung und Liquidität. Das Gesetz enthält detaillierte Vorgaben bezüglich zulässiger Anlagen sowie Anlagebegrenzungen. Wird eine Vorsorgeeinrichtung zahlungsunfähig, so stellt ein durch Beiträge aller Vorsorgeeinrichtungen finanzierter Sicherheitsfonds die Leistungen der gesetzlich garantierten Minimalvorsorge sicher. Er richtet auch Zuschüsse an Vorsorgeeinrichtungen aus, die eine ungünstige Altersstruktur der Versicherten aufweisen.

b) Die überobligatorische Versicherung

Die Pensionskassen müssen mindestens die nach dem Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge vorgesehenen Leistungen versichern. Sie können

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jedoch in ihren Reglementen einen Versicherungsschutz vorsehen, der über die obligatorische Mindestvorsorge hinausgeht, indem sie auch den Lohn über der Obergrenze versichern.

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3. Die Dritte Säule – Individuelle Selbstvorsorge

Bei der Dritten Säule unterscheiden wir einerseits die so genannte gebundene Selbstvorsorge und anderseits die eigentliche freie, private Vorsorge.

a) Die gebundene Selbstvorsorge

Sie steht Arbeitnehmern und Selbstständigerwerbenden offen und gestattet ein steuerlich begünstigtes Sparen. Lohnbezüger können auf freiwilliger Basis pro Jahr bis zu 8% des oberen Grenzbetrags für den koordinierten Lohn (derzeit Sfr. 5'731.–) vom steuerbaren Einkommen abziehen, wenn sie dieses Geld auf ein besonderes Sperrkonto bei einer Bankstiftung oder auf eine besondere Versicherungspolice bei einer Versicherungseinrichtung einzahlen.

Selbstständigerwerbende, die in der Regel keine Zweite Säule haben, können unter den gleichen Bedingungen pro Jahr bis zu 20% ihres Erwerbseinkommens, höchstens aber 40% des oberen Grenzbetrags für den koordinierten Lohn (derzeit Sfr. 28'656.–) vom steuerbaren Einkommen abziehen.

Die einbezahlten Beträge bleiben bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles gesperrt und können im Altersfall frühestens fünf Jahre vor Erreichen des AHV-Rentenalters ausgezahlt werden. Anspruchsberechtigt ist der Vorsorgeunternehmer und bei dessen Tod seine direkten Erben sowie, wenn solche nicht vorhanden sind, jede vom Versicherten bezeichnete Person.

Unter gewissen Umständen ist eine vorzeitige Auszahlung möglich.

b) Die freie Selbstvorsorge

Hier stehen unzählige Möglichkeiten offen, die sich natürlich nach dem hierfür verbleibenden Einkommen richten. Dazu gehören in erster Linie Lebensversicherungen, Wertschriften- oder Immobilienbesitz usw. Eine eigentliche staatliche Förderung dieses Bereichs ist derzeit nicht vorgesehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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