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TEILDOKUMENT: [Seite der Druckausg.: 57 ] Peter F. van Loo
Einführung In dieser Einführung werde ich mich darauf beschränken, die hauptsächlichen Merkmale und Trends des Rentensystems der Niederlande zu skizzieren. Meine Ausführungen werden in drei Teile unterteilt sein. Zuerst werde ich einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung des niederländischen Sozialversicherungssystems geben. Dieser wird das Rentensystem in einen Gesamtzusammenhang stellen. Als Zweites will ich Ihnen die wichtigsten Merkmale des niederländischen Rentensystems erklären, das Drei-Säulen-System, wie wir es nennen. Drittens werde ich die Elemente der ersten Rentensäule herausarbeiten, der vom Staat bereitgestellten Grundversorgung, und ich werde die speziellen Maßnahmen behandeln, die innerhalb der Ersten Säule wegen der Probleme der alternden Gesellschaft in den Niederlanden ergriffen worden sind. 1. Der historische Zusammenhang Der erste Teil der Sozialversicherung in den Niederlanden wurde im Jahr 1901 verabschiedet. Dieses Gesetz sah eine Versicherung gegen Einkommensverlust im Falle eines Arbeitsunfalls vor. Es war ein eher bescheidener Start, der lediglich einige wenige Sektoren absicherte, in denen es häufig zu Unfällen kam. Das Gesetz von 1901 folgte dem deutschen Beispiel, als Bismarck die Notwendigkeit erkannte, etwas gegen die als Folge der Industriellen Revolution gestiegenen Risiken zu unternehmen. In den Jahren bis 1940 geschah nicht mehr viel. Dies war Folge der andauernden Meinungsverschiedenheiten zwischen den politischen Parteien, wer denn eine Sozialversicherung einführen sollte: die Regierung oder die beiden Seiten der Wirtschaft, nämlich die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände gemeinsam. Nebenbei bemerkt, diese Debatte dauert bis heute an. [Seite der Druckausg.: 58 ] Am Ende des Zweiten Weltkriegs verzeichneten die Niederlande gegenüber dem Rest von Europa in Bezug auf die Sozialversicherung einen weiten Rückstand. Die Situation wurde in den folgenden 30 Jahren grundlegend geändert, weitestgehend auf der Grundlage der Ideen von Lord Beveridge in Großbritannien. In dieser Phase wurden drei Gruppen gesetzlicher Sozialversicherungssysteme in den Niederlanden eingeführt, die bis heute existieren:
2. Überblick über das Drei-Säulen-System Das Drei-Säulen-System in den Niederlanden ist weitestgehend nach den Strukturen dieser drei gesetzlichen Sozialversicherungssysteme organisiert. Bevor ich mich ausführlicher mit der Ersten Säule beschäftige, werde ich Ihnen einen Überblick über das gegenwärtige Drei-Säulen-System geben. [Seite der Druckausg.: 59 ] Die Erste Säule Die Erste Säule besteht aus einer einheitlichen Staatsrente, mit einem Rentenalter von 65 Jahren für Frauen und Männer, deren Höhe auf das gesetzliche Mindesteinkommen bezogen ist. Die Erste Säule ist ein typisches staatliches Sozialversicherungssystem: Sie beruht auf dem Umlageverfahren und gewährt allen Einwohnern eine Altersversicherung. Jeder, der zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr 50 Jahre in den Niederlanden gelebt hat, erhält die Höchstrente. Für die Jahre, die man nicht in den Niederlanden gelebt hat und daher nicht versichert war, werden 2% pro Jahr von der Höchstrente abgezogen. Dies ist bei Wanderarbeitern häufig der Fall. Die Erste Säule der Rente ist keiner Bedürftigkeitsüberprüfung unterworfen. Wenn, aus welchen Gründen auch immer, das Gesamteinkommen unterhalb des Existenzminimums liegt, kann man Sozialhilfe, die dritte Gruppe der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme, erhalten. Die Sozialhilfe unterliegt einer Bedürftigkeitsüberprüfung. Ich werde mich später ausführlicher mit der Ersten Säule und ihren jüngsten Reformen befassen, aber zunächst möchte den Überblick über die drei Säulen beenden. Die Zweite Säule Die Zweite Säule besteht aus Betriebsrenten, die in Zusammenhang mit der Arbeit stehen. Betriebsrenten werden als eine Form des Lohns betrachtet und sind deshalb Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) unterworfen. Aus diesem Gesichtspunkt kann es deshalb keine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber geben, den Arbeitnehmern gegenüber eine Verpflichtung hinsichtlich einer Rente einzugehen. Beachten Sie bitte, dass die Zweite Säule der Rente in den Niederlanden, die Betriebsrente, eine private, nicht gesetzliche Vereinbarung ist, im Gegensatz zu der Versicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und Berufsunfähigkeit. Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung für einen Arbeitgeber gibt, eine Betriebsrente anzubieten, sind mehr als 90% der niederländischen Arbeitnehmer durch eine Zusatzrente geschützt. Nur für 2% der Arbeitnehmer werden durch den Arbeitgeber überhaupt keine Betriebsrenten zur Verfügung gestellt. Die übrigen niederländischen Arbeitnehmer, die nicht in eine [Seite der Druckausg.: 60 ] Zusatzversorgung einzahlen (8%), sind entweder jünger als 25 Jahre oder Teilzeitbeschäftigte im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten. Viele der Betriebsrenten bieten eine Bruttorente, die 70% des Endgehaltes entspricht, etwa Dreiviertel der Beschäftigten verfügt über einen Rentenplan, der auf dem Endgehalt basiert. Aber andere Vereinbarungen sind ebenfalls möglich, zum Beispiel durchschnittslohnbezogene Renten oder Renten, die auf feststehenden Beiträgen beruhen. Um 70% des Endgehaltes oder des Durchschnittslohnes zu erhalten, müssen die Versicherten die volle Zahl der erforderlichen Beiträge, meistens 40 Versicherungsjahre, vorweisen können. Beachten Sie bitte, dass diese angestrebte Höhe der Renten die staatliche Rente der Ersten Säule mit einschließt. Die Zweite Säule enthält ebenfalls die Hinterbliebenenrenten (Renten für Witwen, Witwer und Waisen) und gelegentlich auch die Berufsunfähigkeitsrente. Die Rente in der Zweiten Säule muss auf der Basis einer Kapitaldeckung finanziert werden. Dies wird von dem Renten- und Sparprämiengesetz (PSA) so vorgeschrieben. Im Gegensatz zu der gesetzlichen Rente baut jede Person mehr oder weniger ein eigenes Kapital in einem Rentenfonds auf. Des Weiteren enthält das PSA zusätzliche Anforderungen, um die Rentenanwartschaft der Beschäftigten sicherzustellen. Ein wichtige Bestimmung ist, dass das PSA vorschreibt, die angelegten Gelder hauptsächlich außerhalb der Unternehmen zu investieren. Die buchmäßigen Rücklagen sind auf 5% der Deckung begrenzt. Die Investitionen müssen solide sein. Rentenfonds sind hinsichtlich der Anlage ihrer Mittel nicht beschränkt. Das einzige, worauf das Versicherungsaufsichtsamt achtet, ist, ob der Fonds nach dem Prinzip des klugen Manns verfährt. Das bedeutet zum Beispiel, dass Rentenfonds ihre Investitionen über verschiedene Unternehmen, verschiedene Branchen und Länder zu streuen haben, ohne zu viele Risiken einzugehen. Der Beitrag wird normalerweise zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Weise geteilt, dass der Arbeitgeber 2/3 und der Arbeitnehmer 1/3 der Beiträge zahlt. Der Beitrag variiert meistens zwischen 8 und 14% der Prämienfundierung (das Einkommen oberhalb des Niveaus der Staatsrente). Manchmal ist die Beitragshöhe niedriger, weil die Ertragsrate des investierten Kapitals des Rentenfonds sehr hoch ist. Es gibt sogar Beispiele für einen Null-Beitrag. Hier sehen wir einen der hauptsächlichen Vorteile des Rentensystems und der niederländischen Wirtschaft in diesen Zeiten: Die Arbeitskosten können niedrig gehalten werden. [Seite der Druckausg.: 61 ] Das Rentenalter ist in den meisten Fällen 65 Jahre. Die meisten Betriebsrenten sind mit einem Index gekoppelt, sei es Lohnsteigerung oder Preissteigerung. Diese Indexierung ist normalerweise an Bedingungen geknüpft. Der Vorstand eines Rentenfonds muss die Renten entsprechend der Lohn- oder Preissteigerung anpassen, es sei denn, die finanzielle Situation ist sehr schlecht, zum Beispiel als Folge schlechter Vermögenserträge. Schließlich: Die Beiträge für eine Betriebsrente können von der Steuer abgezogen werden. Die Renten sind als Einkommen zu versteuern. Dies kann bis zur einer Gewinnrate von 2% pro Jahr maximiert werden. Das heißt, ein Versicherter kann in 35 Jahren bis zu 70% der Höchstrente aufbauen, mit Unterstützung der Steuerbehörden. Die Dritte Säule Die Dritte Säule bedarf nur wenig Erklärung. Sie besteht aus einer individuellen Lebensversicherung und Kapitalversicherungen von Versicherungsunternehmen. Die Regierung kann lediglich beeinflussen, bis zu welcher bestimmten Höhe die Beiträge steuerlich absetzbar sind. Gegenwärtig liegt die steuerlich absetzbare Grundprämie für jeden Steuerpflichtigen bei mindestens 2,704 EURO. Um die Kosten dieser populären erleichterten Versicherungsmöglichkeit zu kontrollieren, hat die Regierung angekündigt, die Höhe (des Steuerabzugs) auf 70% des Endgehaltes zu begrenzen. Die Dritte Säule ist vollständig kapitalgedeckt. Die Versicherten können individuelle Vereinbarungen treffen, die ihren persönlichen Bedürfnissen entgegenkommen. Zum Beispiel, wenn es aus irgendwelchen Gründen bei der Zweiten Rentensäule zu einem Fehlbetrag kommt, können sie diese Lücke innerhalb der Dritten Säule schließen. Zahlen Zur Illustration der Geldmenge, die innerhalb der drei Säulen bewegt wird, möchte ich Ihnen die Statistik vorstellen. In der Zweiten Säule, dem kapitalgedeckten Zusatzrentenfonds, ist das gesamte Sparaufkommen mehr als 100% des Bruttosozialprodukts. In der Dritten Säule, der individuellen Versicherung, ist der Gesamtbetrag der Spareinlagen etwa 20% des Bruttosozialprodukts. Um Ihnen eine Vorstellung von der Größenordnung der aus- [Seite der Druckausg.: 62 ] gezahlten jährlichen Leistungen zu geben: Der Gesamtbetrag der Leistungen unter der Ersten Säule ist 5,5% des Bruttosozialprodukts. Der Gesamtbetrag der Zusatzversorgung ist fast 4% des Bruttosozialprodukts. Die Gesamtleistung unter der Dritten Säule entspricht 0,7% des Bruttosozialprodukts. Die erste Säule: ein umfassender Überblick und jüngste Reformen Wie erwähnt, ist die Erste Säule der Alterssicherung in den Niederlanden, das Allgemeine Rentengesetz (AOW), das einzige gesetzliche Rentensystem. Jeder, der in den Niederlanden zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr gelebt hat, hat einen Rentenanspruch. Die Versicherung basiert auf dem Wohnsitzprinzip, unabhängig von der Nationalität des Versicherten. Das Rentenalter ist für Männer und Frauen gleichermaßen 65 Jahre. Ein wichtiges Merkmal ist, dass die Rentenleistungen einheitlich und an den Mindestlohn gekoppelt sind. In der Ersten Säule erhält jeder die gleiche Rente. Lediglich die Zusammensetzung des Haushalts (Alleinstehender oder Paar) beeinflusst die Höhe der Rente. Die gegenwärtigen Rentenhöhen (Stand 1. Juli 1999) sind wie folgt:
Personen, die älter als 65 Jahre sind, haben zusätzlich einen Anspruch auf Urlaubsbeihilfe in Höhe von 8% der Jahresrente, die im Mai ausbezahlt wird. Beachten Sie bitte, dass Rentner hinzuverdienen können, ohne dass dies Auswirkungen auf die Rente hat. Die Rente unterliegt in keiner Weise einer Bedürftigkeitsprüfung. Falls ein AOW-Rentner einen Partner hat, der jünger als 65 Jahre ist, hat er Anspruch auf eine zusätzliche Beihilfe in Höhe von 50% des Netto-Min- [Seite der Druckausg.: 63 ] destlohns zusätzlich zu seiner regulären AOW-Rente von 50% des Netto-Mindestlohns. Jedoch wird jedes arbeitsbezogene Einkommen des jüngeren Partners von der zusätzlichen Beihilfe abgezogen. Mit Beginn des Jahres 2015 wird die AOW keine zusätzlichen Beihilfen mehr ausbezahlen. Personen, die mit einem jüngeren Partner ohne Einkommen zusammenleben, müssen selbst darauf achten, wie die Lücke durch eventuelle zusätzliche private Vorsorge geschlossen wird. Das gesetzliche Mindesteinkommen, auf das sich die AOW-Rente bezieht, ist seinerseits an die durchschnittliche tarifvertragliche Entwicklung der Löhne (CAO) gekoppelt. Der Entwicklung des gesetzlichen Mindesteinkommens folgend werden die AOW-Renten zweimal im Jahr angepasst, am 1. Januar und am 1. Juli. Jedoch ist es nach dem Gesetz zur bedingten Aufhebung der Indexierung (WKA) unter bestimmten Bedingungen möglich, die Anpassung auf unbestimmte Zeit auszuschließen und die AOW-Rente einzufrieren oder mit einem niedrigeren Prozentsatz als die Löhne anzuheben. Die Bedingung ist, dass, falls das Verhältnis der Inaktiven zu den Aktiven zu sehr ansteigt, die Indexierung der AOW-Rente nicht automatisch der Entwicklung der tarifvertraglichen Löhne zu folgen braucht. Gegenwärtig entfallen auf 100 arbeitende Personen etwa 76 Personen, die nicht arbeiten und eine Rente beziehen. Wenn dieses Verhältnis über 83% ansteigt, folgt die gesetzliche Rente nicht mehr länger automatisch der Indexierung durch die Lohnerhöhung. In diesem Fall kann die Regierung selbst über die Anpassung der gesetzlichen Rente entscheiden. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre hat die Regierung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Bestimmung der automatischen Indexierung außer Kraft gesetzt. Seit 1996 ist die Koppelung zwischen der AOW-Rente und dem gesetzlichen Mindestlohn wiederhergestellt. Beachten Sie bitte, dass die Formel für die Koppelung der AOW an die Indexierung mit dem Netto-Mindestlohn in Zukunft zwei Möglichkeiten zur Kostenkontrolle der AOW bereitstellt. Die erste ist, dass, falls die Beiträge zur AOW ansteigen müssen, der Netto-Mindestlohn zurückgeht und damit auch die Leistungen unter der Ersten Säule. Das bedeutet, dass ein Anstieg der Kosten, zum Beispiel aufgrund der Alterung, automatisch gedämpft wird. Eine zweite Ausweichmöglichkeit ist die Tatsache, dass die Indexierung des Mindestlohns an die Lohnentwick- [Seite der Druckausg.: 64 ] lungen in den Tarifverträgen nicht zwangsläufig ist, wie gerade erklärt wurde. Personen, die nicht die ganze Zeit zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr versichert waren (weil sie nicht die ganzen Jahren in den Niederlanden gelebt haben), haben einen Abschlag von der Rente hinzunehmen. Für jedes fehlende Versicherungsjahr wird die Rente um 2% gekürzt. Die ist gegenwärtig bei 10% der Leistungsempfänger der Fall, die meisten sind Wanderarbeiter. Personen, die keinen Anspruch auf eine volle AOW-Rente haben und keine zusätzlichen Sozialleistungen bekommen, können Sozialhilfe (Algemene bijstandswet, ABW) erhalten. Personen, die die Voraussetzungen für eine obligatorische Versicherung nicht erfüllen, weil sie im Ausland leben, können sich freiwillig in der AOW versichern. Ein frühzeitiger Ruhestand oder eine Verschiebung der Rente ist unter den Bestimmungen des AOW nicht möglich. Die Beiträge zur AOW werden von jedem bezahlt, der ein steuerpflichtiges Einkommen hat. Die Prämie ist 17,9% des steuerpflichtigen Einkommens bis zu einem Maximum von 22.000 EURO pro Jahr. Das bedeutet, dass Bezieher höherer Einkommen mehr als Bezieher niedriger Einkommen bezahlen, obwohl sie die gleichen Leistungen erhalten (etwa 7.000 EURO). Die Erste Säule hat daher umverteilende Elemente. Die AOW ist insbesondere wichtig für Personen mit niedrigem oder keinem Einkommen und keiner oder nur geringer Betriebsrente. Sie schützt sie vor Armut. Die Beiträge werden vom Arbeitgeber vom Gehalt einbehalten und anschließend an die Finanzbehörden abgeführt. Selbstständige werden von den Finanzbehörden zur Steuer veranlagt und müssen die Beiträge direkt an die Finanzverwaltung abführen. Die Finanzverwaltung sorgt dafür, dass die Mittel an die Verwaltung der AOW-Renten, die Sozialversicherungsbank (SVB), weiterfließen, die für die Auszahlung an die Rentenempfänger zuständig ist. Personen, die über kein Einkommen verfügen, müssen keine Beiträge zahlen. Sie erwerben jedoch Rentenanwartschaften. Die SVB ist eine unabhängige Verwaltung, das bedeutet, dass sie nicht ein Teil des Arbeits- und Sozialministeriums (SZW) ist oder irgendeiner anderer Abteilung. Der Vorstand der SVB besteht aus dem Präsidenten und zwei Vize-Präsidenten. Der Vorstand wird durch den Verwaltungsrat der SVB bestellt, der sich aus [Seite der Druckausg.: 65 ]
zusammensetzt, wobei eine Drittel-Parität gewahrt ist. Die SVB ist ebenfalls zuständig für die Verwaltung von zwei weiteren Sozialversicherungen, dem Allgemeinen Hinterbliebenen Gesetz (ANW) und dem Allgemeinen Kindergeld Gesetz (AKW). Das Sozialministerium hat keine Befugnis, sich direkt in die Durchführung des AOW oder irgendeiner anderer von der SVB verwalteten Sozialversicherung einzuschalten. Weil jedoch der Sozialminister politisch für die Sozialversicherung und ihre Ausführung zuständig ist, wird von der SVB erwartet, dass sie vollen Einblick in ihr Verwaltungshandeln gewährt. Die SVB unterliegt der Aufsicht durch die Aufsichtsbehörde für die Sozialversicherung (CTSV). Die CTSV überwacht ebenfalls die Verwaltung der gesetzlichen Arbeitnehmerversicherungen, die durch eine Reihe anderer Verwaltungseinrichtungen durchgeführt werden. Wie die SVB ist auch die CTSV eine unabhängige Behörde, die kein Teil des Sozialministeriums oder einer anderen Regierungsabteilung ist. Die Geschäftsleitung der CTSV wird durch den Verwaltungsrat bestellt, der aus drei von dem Sozialministerium ernannten Mitgliedern besteht. Die gesetzliche Rentenversicherung wird durch ein Umlageverfahren finanziert. Mit anderen Worten, die Renten, die für Personen über 65 Jahre in jedem Jahr ausbezahlt werden, werden durch die erhobenen Beiträge der Personen, die jünger als 65 Jahre sind, in demselbem Jahr aufgebracht. Die Gesamtkosten der gesetzlichen Rente beliefen sich im Jahr 1997 auf 35 Milliarden Gulden, das entspricht etwa 5,5% des Bruttosozialprodukts. Aufgrund des Alterungsprozesses wird mit einem Anstieg der Ausgaben auf 7% des Bruttosozialprodukts bis zum Jahr 2035 gerechnet. Wie in den meisten europäischen Ländern stellt das Altern ein ernsthaftes Problem dar. In vielen internationalen Konferenzen über Renten und Sozialversicherung, wie zum Beispiel auf der EU-Konferenz über die Finanzierung der Sozialen Sicherheit in Helsinki im November 1999, betrachten viele Redner die Konsequenzen des Älterwerdens für die Finanzierung der Sozialversicherung als die wichtigste Frage. Das niederländische Drei-Säulen-System [Seite der Druckausg.: 66 ] wird dabei oft als ein Weg bezeichnet, um auch in der Zukunft ein hohes Rentenniveau zu garantieren. Prozentsatz der über 65-Jährigen an der Gesamt-Bevölkerung
Wegen dieser Alterungsproblematik hat die Regierung einige Maßnahmen ergriffen, um die gegenwärtigen gesetzlichen Rentenregelungen für zukünftige Generationen sicherzustellen:
Die Erwerbsbeteiligung in den Niederlanden bleibt relativ gering (53%, 1997) verglichen mit dem europäischen Durchschnitt (57%, 1997). Das gilt insbesondere für die Gruppe der Älteren (5565 Jahre: 30% der Erwerbspersonen, 1998). Die Steigerung der Erwerbsbeteiligung bleibt eines der Hauptthemen der niederländischen Regierungspolitik. Dazu werden drei Instrumente benutzt:
Um die Finanzierung der AOW zu verbessern, hat die Regierung die Beiträge auf 18,25% der Grundlage für die Prämienberechnung erhöht. Ein even- [Seite der Druckausg.: 67 ] tuell entstehendes Defizit wird durch das allgemeine Steueraufkommen abgedeckt. Dies soll verhindern, dass die Beiträge der jüngeren Generation zu sehr ansteigen. Des Weiteren hat sich die Regierung entschieden, einen Rentenfonds zu schaffen, um den zeitweiligen Kostenanstieg aufgrund der Problematik des Alterns zu finanzieren. Dadurch wird ein kapitalgedecktes Element in das gesetzliche Rentensystem eingeführt. Die Schaffung eines AOW-Rentenfonds stellt eine spezielle Interpretation der allgemeinen Einstellung dar, die Kosten der Alterung durch das Mittel des Schuldenabbaus abzudecken. Der Rentenfonds stellt in der Tat darauf ab, die Ausgabenspitze des gesetzlichen Rentensystems durch Kapitalbildung zu finanzieren:
Die Gründung eines Rentenfonds macht nur dann Sinn, wenn er auch eine erhebliche Größenordnung erreichen darf. Da der Fonds Zinserträge abwirft, wird die Geschwindigkeit, mit der der Fonds aufgefüllt wird, sich auch auf die mögliche Größe auswirken. Im Jahr 2020 wird die Spareinlage des AOW-Rentenfonds 3 Milliarden EURO betragen. Jedes Jahr wird der Beitrag zum Rentenfonds mit 1,1 Millionen EURO steigen (beginnend mit 2,1 Milliarden [Seite der Druckausg.: 68 ] EURO). Bis zum Jahr 2020 wird der Staat etwa 138 Milliarden EURO in den Fonds transferiert haben. Der Fonds wird ebenfalls durch die frei werdenden Mittel für die Zinsbedienung der Staatsschulden aufgefüllt werden. Vom Jahr 2020 an kann die Regierung Mittel aus dem Fonds herausziehen. Diese beiden Maßnahmen können ausreichen, wenn die Erwerbsbeteiligung groß genug ist. Die niederländische Regierung hält zu diesem Zeitpunkt eine Anhebung des Rentenalters oder eine Kürzung der gesetzlichen Renten für nicht notwendig. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001 |