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TEILDOKUMENT: [Seite der Druckausg.: 7 ] Die Diskussion über die Altersvorsorge erweckt den Anschein einer endlosen Debatte. Ein Blick auf die Geschichte der Reformen zeigt, dass einmal gefundene Lösungen keinen dauerhaften Bestand haben können. Der Grund: Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen haben sich national wie weltweit ständig geändert, so dass immer wieder neue Anpassungen erforderlich waren und auch zukünftig immer wieder sein werden. Das gilt für Deutschland ebenso wie für seine Nachbarländer. Überall ist zu beobachten, dass nach neuen Wegen gesucht wird. Die Veranstaltung ging zwei Fragestellungen nach:
Welche Wege werden in den Ländern Europas gegangen, die das finanzpolitische Problem lösen sollen? Die vorliegenden Statements der Referenten und Referentinnen lassen den Schluss zu, dass die Reformen zwecks Lösung dieses Problems zwei Tendenzen erkennen lassen:
Trotz aller Unterschiedlichkeiten der Systeme im Einzelnen besteht in den Ländern Europas ein zunehmender Trend zu Mischsystemen. Mit dieser Ausrichtung wird das Ziel verfolgt, nicht nur Risiken zu diversifizieren, sondern auch einen ausgewogeneren Lastenausgleich zwischen den Generationen zu erreichen. Außerdem soll dem Einzelnen bei seiner Rentenentscheidung mehr Flexibilität und Wahlfreiheit eingeräumt werden. Diese Mischung besteht in erster Linie aus den Elementen Steuer- und Umlagefinanzierung sowie Kapitaldeckung. Insofern ist es durchaus berechtigt, von einer Annäherung der Altersvorsorgesysteme im Hinblick auf ihre Strukturelemente zu sprechen. Allerdings ist die Gewichtung dieser Elemente in den einzelnen Länder sehr unterschiedlich. In Großbritannien, der Schweiz und den Niederlanden hat Kapitaldeckung bei der Finanzierung der Altersvorsorge einen weitaus größeren Stellenwert als in Schweden und Deutschland. Schweden hat die teilkapitalgedeckte Altervorsorge jetzt als ergänzendes Element eingeführt, in Deutschland stehen wir offensichtlich kurz davor. Den zuvor genannten Finanzierungsarten stehen folgende Leistungsbereiche gegenüber:
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freiwillig, sind fast alle Arbeitnehmer auf dieser Basis abgesichert. In Schweden und Deutschland erfolgt die Finanzierung dieser Leistungen durch das Umlageverfahren. Lebensstandardsichernde Leistungen erhalten in allen Ländern i.d.R. nur Erwerbstätige bzw. deren Hinterbliebenen. In fast allen der o.g. Länder wird ein Versorgungsniveau von ca. 70% durch die Kombination der verschiedenen Säulen angestrebt. Ob dies aber erreicht wird, hängt von vielen Bedingungen ab, wie z.B. der Anzahl der Erwerbsjahre oder der Höhe der freiwilligen Leistungen als Ergänzung zu den obligatorischen Beiträgen zur kapitalgedeckten Altersvorsorge. Schweden ist bei der Beantwortung dieser Frage einen neuen Weg gegangen: Die Beiträge im Rahmen des Umlageverfahrens sind dauerhaft auf 16% festgelegt. Sowie die Gefahr besteht, dass aus dem laufenden Beitragsaufkommen die errechneten Renten nicht finanziert werden können, erfolgt eine automatische Kürzung der Rentenzahlungen. Ziel ist es, die demographische und wirtschaftliche Entwicklung in Einklang zu bringen. Von besonderem Interesse für die Rentenreform in Deutschland ist die Einführung kapitalgedeckter Elemente. Nicht in jeder Hinsicht ist die Kapitaldeckung mit positiven Erfahrungen verbunden. Sie hat, wie aber auch die anderen Finanzierungsarten, oft zwei Seiten: Wie bereits oben angeführt, hat in Großbritannien Kapitaldeckung gegenüber der Umlagefinanzierung in quantitativer Hinsicht einen größeren Stellenwert. Aber: Ein so großer Kapitalstock, der vorwiegend aus Anlagen in Aktien besteht, ist mit einem hohen Risiko verbunden, denn wenn es zu starken Kursverlusten kommt, werden sich die Rentenleistungen (Renditen) auf ein Minimum reduzieren. Dies ist eine Folge der Größe des Kapitalsstocks verbunden mit einem hohen Anlagerisiko. Dies spricht allerdings nicht grundsätzlich gegen Kapitaldeckung, sondern stellt den Umfang in Verbindung mit dem Anlagerisiko in Frage. In der Schweiz dagegen findet eine weitaus größere Diversifizierung der Anla- [Seite der Druckausg.: 10 ] gen statt, so dass dort nicht mit gleich großen Risiken zu rechnen ist wie bei den Kapitalanlagestrategien in Großbritannien. Eine Übergewichtung der Kapitaldeckung birgt aber auch noch andere Risiken in sich: Wenn Pensionsfonds immer mehr Geld in den Finanzmarkt fließen lassen, dann wird das Angebot größer als die Nachfrage. Langfristig gesehen muss deshalb so einige Prognosen grundsätzlich mit sinkenden Renditen gerechnet werden. Bei einer Einführung kapitalgedeckter Altersvorsorge sind aber auch noch andere Erfahrungen aus europäischen Ländern von Bedeutung:
Der in dieser Broschüre abgedruckte Beitrag der OECD legt den Schluss nahe, dass es zwar ganz zentral um die Lösung fiskalischer Probleme gehen [Seite der Druckausg.: 11 ] muss, aber diese Perspektive ist zu eng, weil daraus neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme entstehen werden: Während es in früheren Jahren eine lange Phase der Erwerbstätigkeit und eine vergleichsweise kürzere Ruhestandsphase gab, hat sich dieses Verhältnis heute umgekehrt. Wird diese Entwicklung fortgeschrieben, könnte sich in den Ländern der OECD infolge des demographischen Wandels die Produktivität halbieren. Außerdem werden durch das frühe Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben nicht nur Ressourcen (Qualifikationen) vergeudet, es entstehen daraus auch kurz- und langfristige Anpassungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt. Das frühe Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben muss i.d.R. durch zusätzliche Steuermittel finanziert werden, die den Staatshaushalt belasten. Diese Mittel seien aber dringend für andere Aufgaben notwendig, z.B. für Bildung und Forschung. Darüber hinaus entspricht die heutige relativ starre Relation von Bildungs-, Erwerbs- und Ruhestandsphasen nicht mehr den Ansprüchen aller Bevölkerungsgruppen. Bereits bei der Lösung fiskalischer Probleme sollte deshalb eine Perspektive gewählt werden, die diesen Herausforderungen Rechnung trägt. Das Fazit der OECD lautet, dass zwar einerseits die Dauer der Erwerbstätigkeitsphase flexibel gestaltet werden sollte, um den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden, aber andererseits aus o.g. Gründen finanzielle Anreize für einen vorzeitigen Ruhestand zu beseitigen wären. Der längere Verbleib der Arbeitnehmer im Erwerbsleben lässt sich aber nur dann realisieren, wenn zwecks Anpassung der Erwerbstätigen an veränderte Qualifikationsanforderungen Investitionen in das Humankapital erfolgen. Die Vorschläge der OECD gehen damit in die Richtung einer integrierten Wirtschafts- und Sozialpolitik. Welche Länder den Vorschlägen der OECD gefolgt sind, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Erste Ergebnisse hierzu werden in ca. einem Jahr erwartet, wenn entsprechende Untersuchungsergebnisse der OECD vorliegen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001 |