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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 7 ]


Peter König
Zusammenfassung


Die Diskussion über die Altersvorsorge erweckt den Anschein einer endlosen Debatte. Ein Blick auf die Geschichte der Reformen zeigt, dass einmal gefundene Lösungen keinen dauerhaften Bestand haben können. Der Grund: Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen haben sich – national wie weltweit – ständig geändert, so dass immer wieder neue Anpassungen erforderlich waren und auch zukünftig immer wieder sein werden. Das gilt für Deutschland ebenso wie für seine Nachbarländer. Überall ist zu beobachten, dass nach neuen Wegen gesucht wird.

Die Veranstaltung ging zwei Fragestellungen nach:

  1. Geht es bei der Reform der Altersvorsorgesysteme in erster Linie um die Lösung eines finanzpolitischen Problems, das angesichts des demographischen Wandels mit nachteiligen Auswirkungen auf die Lohnstückkosten entsteht und die Erwerbstätigen durch hohe Beitragszahlungen sowie die staatlichen Haushalte durch Zuschüsse aus Steuermitteln belastet? Antworten auf diese Fragen geben die Vorträge der Repräsentanten aus den hier ausgewählten Ländern: Deutschland, Schweden, Niederlande, Schweiz und Großbritannien.

  2. Bei der zweiten Frage ging es um eine Antwort darauf, ob es Zielsetzungen gibt, die zwar auch den finanzpolitischen Ansatz beinhalten, aber darüber hinaus noch weitere Aspekte in die Betrachtung mit einbeziehen. Dieser Frage widmet sich vor allem der Beitrag des Repräsentanten der OECD.

Welche Wege werden in den Ländern Europas gegangen, die das finanzpolitische Problem lösen sollen? Die vorliegenden Statements der Referenten und Referentinnen lassen den Schluss zu, dass die Reformen zwecks Lösung dieses Problems zwei Tendenzen erkennen lassen:

  • Entweder werden Rentenbezüge gekürzt oder, was häufiger der Fall zu sein scheint, es müssen für gleichbleibende Leistungen mehr Arbeitsjahre nachgewiesen werden. Hinzu kommen Bestrebungen, Rentenanpassungen nicht zu stark steigen zu lassen.

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  • In den hauptsächlich umlagefinanzierten Systemen wird Kapitaldeckung als neues Element eingeführt.

Trotz aller Unterschiedlichkeiten der Systeme im Einzelnen besteht in den Ländern Europas ein zunehmender Trend zu Mischsystemen. Mit dieser Ausrichtung wird das Ziel verfolgt, nicht nur Risiken zu diversifizieren, sondern auch einen ausgewogeneren Lastenausgleich zwischen den Generationen zu erreichen. Außerdem soll dem Einzelnen bei seiner Rentenentscheidung mehr Flexibilität und Wahlfreiheit eingeräumt werden. Diese Mischung besteht in erster Linie aus den Elementen Steuer- und Umlagefinanzierung sowie Kapitaldeckung. Insofern ist es durchaus berechtigt, von einer Annäherung der Altersvorsorgesysteme im Hinblick auf ihre Strukturelemente zu sprechen. Allerdings ist die Gewichtung dieser Elemente in den einzelnen Länder sehr unterschiedlich. In Großbritannien, der Schweiz und den Niederlanden hat Kapitaldeckung bei der Finanzierung der Altersvorsorge einen weitaus größeren Stellenwert als in Schweden und Deutschland. Schweden hat die teilkapitalgedeckte Altervorsorge jetzt als ergänzendes Element eingeführt, in Deutschland stehen wir offensichtlich kurz davor.

Den zuvor genannten Finanzierungsarten stehen folgende Leistungsbereiche gegenüber:

  • Grund-/Mindestsicherung
    Sie hat existenzsichernden Charakter und wird in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz nach dem Umlageverfahren finanziert, in Schweden aus Steuermitteln. Die Bedingungen für die Erlangung dieser Altersbezüge sind in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich geregelt. Sie hängen z.B. davon ab, ob eine Erwerbstätigkeit vorlag oder Bedürftigkeit besteht. In Deutschland gibt es eine Grundsicherung im Rahmen des Rentensystems (noch) nicht. Es ist hier zu berücksichtigen, dass in Deutschland die bedürfnisabhängige Sozialhilfe die Funktion einer Existenzsicherung hat.

  • Lebensstandardsicherung
    Der quantitativ größte Teil der finanziellen Leistungen zwecks Sicherung des Lebensstandards wird in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz durch Kapitaldeckung erwirtschaftet. In Großbritannien und der Schweiz sind Beitragszahlungen in die kapitalgedeckte Altersvorsorge obligatorisch. In den Niederlanden besteht diese Verpflichtung zwar nicht, aber de facto, d.h.

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    freiwillig, sind fast alle Arbeitnehmer auf dieser Basis abgesichert. In Schweden und Deutschland erfolgt die Finanzierung dieser Leistungen durch das Umlageverfahren. Lebensstandardsichernde Leistungen erhalten in allen Ländern i.d.R. nur Erwerbstätige bzw. deren Hinterbliebenen.

  • Ergänzende Leistungen
    In Schweden wird das Versorgungsniveau aus dem umlagefinanzierten System durch eine zusätzliche teilkapitalgedeckte Finanzierung angehoben. Beitragszahlungen sind hier Pflicht. In Deutschland scheint die Einführung dieser Finanzierungsart auf freiwilliger Basis geplant zu sein, wobei niedrigere Einkommensbezieher steuerlich gefördert werden sollen. In beiden Ländern soll durch diese ergänzende Vorsorge ein Beitrag zur Lebensstandardsicherung erreicht werden.

In fast allen der o.g. Länder wird ein Versorgungsniveau von ca. 70% durch die Kombination der verschiedenen Säulen angestrebt. Ob dies aber erreicht wird, hängt von vielen Bedingungen ab, wie z.B. der Anzahl der Erwerbsjahre oder der Höhe der freiwilligen Leistungen als Ergänzung zu den obligatorischen Beiträgen zur kapitalgedeckten Altersvorsorge. Schweden ist bei der Beantwortung dieser Frage einen neuen Weg gegangen: Die Beiträge im Rahmen des Umlageverfahrens sind dauerhaft auf 16% festgelegt. Sowie die Gefahr besteht, dass aus dem laufenden Beitragsaufkommen die errechneten Renten nicht finanziert werden können, erfolgt eine automatische Kürzung der Rentenzahlungen. Ziel ist es, die demographische und wirtschaftliche Entwicklung in Einklang zu bringen.

Von besonderem Interesse für die Rentenreform in Deutschland ist die Einführung kapitalgedeckter Elemente. Nicht in jeder Hinsicht ist die Kapitaldeckung mit positiven Erfahrungen verbunden. Sie hat, wie aber auch die anderen Finanzierungsarten, oft zwei Seiten: Wie bereits oben angeführt, hat in Großbritannien Kapitaldeckung gegenüber der Umlagefinanzierung in quantitativer Hinsicht einen größeren Stellenwert. Aber: Ein so großer Kapitalstock, der vorwiegend aus Anlagen in Aktien besteht, ist mit einem hohen Risiko verbunden, denn wenn es zu starken Kursverlusten kommt, werden sich die Rentenleistungen (Renditen) auf ein Minimum reduzieren. Dies ist eine Folge der Größe des Kapitalsstocks verbunden mit einem hohen Anlagerisiko. Dies spricht allerdings nicht grundsätzlich gegen Kapitaldeckung, sondern stellt den Umfang in Verbindung mit dem Anlagerisiko in Frage. In der Schweiz dagegen findet eine weitaus größere Diversifizierung der Anla-

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gen statt, so dass dort nicht mit gleich großen Risiken zu rechnen ist wie bei den Kapitalanlagestrategien in Großbritannien.

Eine Übergewichtung der Kapitaldeckung birgt aber auch noch andere Risiken in sich: Wenn Pensionsfonds immer mehr Geld in den Finanzmarkt fließen lassen, dann wird das Angebot größer als die Nachfrage. Langfristig gesehen muss deshalb – so einige Prognosen – grundsätzlich mit sinkenden Renditen gerechnet werden.

Bei einer Einführung kapitalgedeckter Altersvorsorge sind aber auch noch andere Erfahrungen aus europäischen Ländern von Bedeutung:

  • Es muss bedacht werden, dass individuelle Alterskonten offenbar größere Kosten für Verwaltung und Werbung verursachen als kollektive. Dies wird insbesondere an den Vorträgen aus Großbritannien (individuelle Konten) und Schweden (kollektive Konten) deutlich.

  • In vielen Ländern Europas scheint es sich bewährt zu haben, die betriebliche Altersvorsorge auszubauen und damit auch die Sozialpartner stärker in die Verantwortung einzubeziehen. Unterschiede zwischen den Ländern bestehen in erster Linie darin, ob die Versorgung auf der Basis einzelner Unternehmen organisiert wird oder auf Branchenebene. In Deutschland werden beide Möglichkeiten am wenigsten genutzt. In dem vorliegenden Vortrag zur Rentenreform Deutschlands wird jedoch deutlich, dass die Sozialpartner bei der Einführung einer teilkapitalgedeckten Altersvorsorge insbesondere im Rahmen von Tarifverträgen eine bedeutende Rolle spielen könnten.

  • Nicht zuletzt spielt die Aufklärung und Beratung der Bevölkerung bei der Implementierung kapitalgedeckter Verfahren eine ganz entscheidende Rolle, wie das Beispiel Schwedens, aber auch Großbritanniens zeigt. Unzureichende Aufklärung und Beratung können nicht nur die Umsetzung von Reformen erheblich beeinträchtigen, sie können auch zu Fehlentscheidungen der Erwerbstätigen (z.B. durch die Wahl ungünstiger Anlagen) führen, die gravierende Nachteile für ihre Altersvorsorge mit sich bringen und die Politiker zu aufwendigen Korrekturmaßnahmen herausfordern, wollen sie sich nicht den massiven Unwillen der Betroffenen auf sich ziehen.

Der in dieser Broschüre abgedruckte Beitrag der OECD legt den Schluss nahe, dass es zwar ganz zentral um die Lösung fiskalischer Probleme gehen

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muss, aber diese Perspektive ist zu eng, weil daraus neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme entstehen werden: Während es in früheren Jahren eine lange Phase der Erwerbstätigkeit und eine vergleichsweise kürzere Ruhestandsphase gab, hat sich dieses Verhältnis heute umgekehrt. Wird diese Entwicklung fortgeschrieben, könnte sich in den Ländern der OECD infolge des demographischen Wandels die Produktivität halbieren. Außerdem werden durch das frühe Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben nicht nur Ressourcen (Qualifikationen) vergeudet, es entstehen daraus auch kurz- und langfristige Anpassungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt. Das frühe Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben muss i.d.R. durch zusätzliche Steuermittel finanziert werden, die den Staatshaushalt belasten. Diese Mittel seien aber dringend für andere Aufgaben notwendig, z.B. für Bildung und Forschung. Darüber hinaus entspricht die heutige relativ starre Relation von Bildungs-, Erwerbs- und Ruhestandsphasen nicht mehr den Ansprüchen aller Bevölkerungsgruppen. Bereits bei der Lösung fiskalischer Probleme sollte deshalb eine Perspektive gewählt werden, die diesen Herausforderungen Rechnung trägt. Das Fazit der OECD lautet, dass zwar einerseits die Dauer der Erwerbstätigkeitsphase flexibel gestaltet werden sollte, um den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden, aber andererseits aus o.g. Gründen finanzielle Anreize für einen vorzeitigen Ruhestand zu beseitigen wären. Der längere Verbleib der Arbeitnehmer im Erwerbsleben lässt sich aber nur dann realisieren, wenn zwecks Anpassung der Erwerbstätigen an veränderte Qualifikationsanforderungen Investitionen in das Humankapital erfolgen.

Die Vorschläge der OECD gehen damit in die Richtung einer integrierten Wirtschafts- und Sozialpolitik. Welche Länder den Vorschlägen der OECD gefolgt sind, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Erste Ergebnisse hierzu werden in ca. einem Jahr erwartet, wenn entsprechende Untersuchungsergebnisse der OECD vorliegen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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