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[Seite der Druckausg.: 16 (Fortsetzung)]


3. Entstehung und Formen von Illegalität


In diesem Kapitel steht die aufenthaltsrechtliche Form der Illegalität im Zentrum der Betrachtung. Denn beim "Entstehen der Illegalität" liegt meist zuerst ein Verstoß gegen das Paß- oder Ausländerrecht vor, bevor arbeitsrechliche Normen gebrochen werden. Zunächst ist es daher sinnvoll darzulegen, wie und auf welchem Wege ein Nichtdeutscher in der Bundesrepublik Deutschland leben kann, ohne die notwendige rechtliche Erlaubnis dafür zu haben. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels wird eine Typologie erarbeitet, die die jeweiligen migrationsspezifischen Hintergründe der Migranten berücksichtigt.

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3.1 Wege in die Illegalität

Die Illegalität von Ausländern muß nicht immer - wie häufig angenommen wird - Folge eines illegalen Grenzübertritts sein. Es existieren zahlreiche Wege und Möglichkeiten, wie eine nichtdeutsche Person in die Illegalität geraten kann. Grundsätzlich lassen sich drei Haupteinstiegswege in die aufenthaltsrechtliche Illegalität für die Bundesrepublik Deutschland unterscheiden (vgl. dazu auch Vogel 1994: 9f.):

1. Illegalität durch einen illegalen Grenzübertritt:

Darunter fällt der illegale, unregistrierte Grenzübertritt

  • über die sog. grüne Grenze,
  • über die sog. blaue Grenze (Seegrenze) und
  • versteckt in Hohlräumen von PKWs, LKWs, Bussen, Güter- und Personenzügen sowie von Flugzeugen. [Unter diese Kategorie des illegalen Grenzübertritts fällt auch der Durchbruch mit Kraftfahrzeugen an Grenzübergängen. ]

In zunehmendem Maße erfolgt der illegale Grenzübertritt mit Hilfe von professionellen Schleuserorganisationen.

2. Illegalität durch eine sog. scheinlegale Einreise:

Indem gefälschte oder verfälschte Grenzübertrittsdokumente am Grenzübergang vorgelegt werden, erfolgt die Einreise der betreffenden Personen scheinbar legal; d.h. die Legalität der Einreise wird dem Kontrollbeamten erfolgreich vorgetäuscht.

3. Illegalität durch legale Einreise mit anschließend illegal werdendem Aufenthaltsstatus
- ohne daß ein illegaler Grenzübertritt vorliegt.

Darunter lassen sich folgende Fälle fassen:

  • die visumsfreie Einreise als Tourist oder als Geschäftsreisender mit zeitlicher Überschreitung der für den Aufenthalt genehmigten Dauer (meist drei Monate);
  • die legale Einreise mit Sichtvermerk (z.B. mit Besuchs-, Touristen- oder Studentenvisum) mit Verstoß gegen die Visabedingungen (z.B. zeitliche Überschreitung); [Die beiden ersten Fälle werden im angelsächsischen Raum als "visa-overstayer" bezeichnet.]
  • die legale Einreise (z.B. mit Visum oder auch visumsfrei) mit Erwirkung einer Aufenthaltsgenehmigung durch Fälschung eines Dokuments (z.B. einer Geburtsurkunde), durch die Bestechung einer Amtsperson (z.B. in einer Ausländerbehörde) oder durch vorsätzlich falsche Angaben (z.B. bei der Eheschließung);
  • das Nichtbefolgen einer ausländerrechtlichen Aufforderung zur Ausreise nach Beendigung eines legalen Aufenthalts (Ausweisung) durch "Untertauchen" im Bundesgebiet (z.B. Asylantragsteller nach endgültiger Ablehnung).

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Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß es nicht nur einen illegalen Zugang von Migranten gibt, sondern auch Aus-, Weiter- und Rückwanderung von illegal aufhältlichen Personen; in den mittel- und osteuropäischen Staaten, insbesondere in Polen, Tschechien und Ungarn ist ein neues Migrationsphänomen entstanden: die Transitmigration (Wallace/Chmouliar/Sidorenko 1995: 50ff.). Höchstwahrscheinlich wandern Personen, die mit den Gegebenheiten der Illegalität in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurecht kommen, (unregistriert) wieder in ihr Heimatland zurück. Ferner berichten die Grenzpolizeien davon, daß beispielsweise in die Bundesrepublik Deutschland illegal eingeschleuste Tamilen nach Großbritannien weitergeschleust werden.

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3.2 Typen und Formen des illegalen Aufenthalts

Bei genauerer Betrachtung der Personen, die im Sinne des Aufenthaltsrechts illegal sind, zeigt sich ein äußerst heterogenes Bild. Hinsichtlich des Einstiegs in die Illegalität, aber auch aufgrund der unterschiedlichen Wanderungsmotive, Ursachen, der (geplanten) Dauer des Aufenthalts und der Lebenslagen, muß von einer breitgefächerten Vielfalt an Lebensformen in der Illegalität ausgegangen werden. So lassen sich mindestens 18 spezifische Muster von Migrationen bezüglich der migrationsspezifischen Hintergründe beobachten.

Folgende Fallkonstellationen, die im Kontext der illegalen Ausländerbeschäftigung von besonderer Relevanz sind, können identifziert werden (Fall 1- 6): [Folgende Typologie ist als eine induktiv-empirische - nicht immer ganz trennscharfe - Kategorisierung zu verstehen (vgl. auch Uihlein 1994).]

1. Zahlreiche Arbeitskräfte reisen zum Zwecke der illegalen Beschäftigungsaufnahme mit einem Touristenvisum oder auch sichtvermerksfrei in die Bundesrepublik Deutschland ein. Manche von ihnen verlassen nach Ablauf der erlaubten Aufenthaltsdauer (meist drei Monate) das Land und verstoßen so nur gegen das Beschäftigungsverbot für Touristen; andere Arbeitkräfte verbleiben dagegen länger als aufenthaltsrechtlich erlaubt im Bundesgebiet (Arbeitstouristen).

2. Daneben gibt es ausländische Arbeitnehmer, die, bevor ihr Aufenthalt illegal wurde, einen legalen, aber zeitlich beschränkten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Es handelt sich dabei hauptsächlich um ehemalige Werkvertrags- und Saisonarbeitnehmer, die nach Ablauf der für die Beschäftigung vorgesehenen Aufenthaltsdauer häufig die Neigung haben, wiedereinzureisen oder zur erneuten Beschäftigungsaufnahme im Land zu verbleiben. [Darunter fallen beispielsweise auch ausländische Arbeitnehmer mit einer zeitlich begrenzten Ausnahmearbeits- und Aufenthaltserlaubnis, wie z.B. Lehrkräfte zur Erteilung muttersprachlichen Unterrichts und Spezialitätenköche.]
Aufgrund der schon zu Zeiten des legalen Arbeitsaufenthalts geflochtenen sozialen Netze und der erworbenen Kompetenzen im Gastland wird die Illegalität für sie leichter organisierbar. Cyrus (1995a) beschreibt dieses Muster in seinem Aufsatz mit dem programmatischen Titel "Vom Werkvertrag zur Schwarzarbeit". Durch die vorhandenen sozialen Netze wird zudem anderen illegalen Arbeitskräften der Zugang und Aufenthalt erleichtert (wie z.B. unter Punkt 1und 3 beschrieben).

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3. Hinzu treten Arbeitskräfte - vornehmlich aus Ost- und Mitteleuropa -, die illegal die Grenze überschreiten oder mittels gefälschter Dokumente in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, um gezielt eine illegale Beschäftigung aufzunehmen.

4. Das Aufenthaltsrecht verlieren auch Personen, die mit einem Visum zum Zwecke des Studiums einreisen und nach Ablauf der zeitlichen Visumsgültigkeit im Land verbleiben; auch diese Migranten nehmen häufig eine illegale Beschäftigung auf.

An dieser Stelle bleibt zu diskutieren, ob in zahlreichen der geschilderten Fälle, in denen die Beschäftigung wesentliches Moment der Zuwanderung ist, überhaupt ein auf Dauer angelegter Zuwanderungsprozeß vorliegt. Ein Daueraufenthalt dürfte auch angesichts der restriktiven ausländer- und arbeitsrechtlichen Normen, die eine soziale Verfestigung illegal Aufhältlicher kaum zulassen, nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein. Vielmehr treten aufgrund geänderter Rahmenbedingungen (Fall des Eisernen Vorhangs, Revolution im Transport- und Kommunikationsbereich) neue Formen der Migration auf, die man als Pendelmigration, zeitlich begrenzte Form der Zuwanderung (mit Rückkehrperspektive) oder illegales Grenzgängertum bezeichnen könnte.

5. Bei der illegalen Pendelmigration handelt es sich durchaus um einen eigenständigen Migrationstyp; dabei pendeln Arbeitssuchende aus dem nahen Ausland für einen Kurzaufenthalt - z.T. mehrmals in der Woche - legal über die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland, um vor allem illegal einer Beschäftigung nachzugehen. Cyrus (1995b) meint sogar, daß die Pendelmigration eine Alternative zum "herkömmlichen", dauerhaften illegalen Aufenthalt in Berlin wurde; aufgrund der Nähe Berlins zur polnischen Grenze, hat sich dort dieses Muster der Migration etabliert. Es "(...) scheitert die umfassende Kontrolle der Zuwanderung aus Polen schon daran, daß polnischen Staatsangehörigen eine visafreie Einreise zumeist ohne Ausweiskontrolle möglich ist" (Cyrus 1995b: 46).

Die Pendelmigration ist eindeutig ökonomisch motiviert und arbeitsmarktfixiert. So ergaben die Untersuchungen von Morokvasic (1994), daß pendelnde Polen nach Deutschland kamen, um hier mit einer Arbeit ihre ökonomische Situation zu verbessern, ohne jedoch die familiären und kulturellen Beziehungen in der Heimat aufzugeben. [Bei im Dienstleistungsbereich tätigen polnischen Frauen wurde eine Art des Job-sharings festgestellt: "Fünf Frauen etablieren ein eigenes Rotationssystem, so daß sie abwechselnd im Westen arbeiten und nach Hause fahren können. Die Familienpflichten und die Arbeit in Polen waren maßgeblich für den Wanderrhythmus, der in der Gruppe der Polinnen abgesprochen wurde und nie von den Arbeitgeber/innen bestimmt war" (Moroksavic 1994: 183).]
Typischerweise manifestiert sich die Pendelmigration in zwei Formen: als Arbeitnehmer und Handeltreibende (vgl. Morokvasic 1994). [Die Frage, ob sich mit dieser Migration von Polen nach Berlin auch ein eigenständiger "Transnationaler Sozialer Raum" (Pries 1996) konstituiert, kann an dieser Stelle nicht näher erörtert werden. Unter "Transnationalen Sozialen Räumen" werden "(...) ‘soziale Verflechtungszusammenhänge’ verstanden, die geographisch-räumlich (...) ‘de-lokalisert’ und nicht nur transitorischer Natur sind, eine wichtige Referenzstruktur sozialer Positionen und Lebensstile darstellen und über den Sozialzusammenhang von Nationalgesellschaften hinausweisen" (Pries 1996: 456). Diese Migration zeigt Merkmale, wie verdichtete Migrationsnetzwerke, ein kreislaufmäßiges Kommen und Gehen von Menschen, Informationen und Gütern, die auf einen sich als neue soziale Realität entwickelnden "Transnationalen Sozialen Raum" hindeuten.]

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6. Eine weitere Sondergruppe auf einem sich dem staatlichen Zugriff weitgehend entziehenden Sektor des Arbeitsmarkts stellen ausländische Frauen dar, die im Bereich der Prostitution arbeiten. In zahlreichen dokumentierten Fällen werden ausländische Frauen häufig gegen ihren eigenen Willen oder mit falschen Versprechungen in die Bundesrepublik Deutschland gelockt und zur Prostitution gezwungen. Einige reisen legal mit Visum ein - beispielsweise mit einem Künstlervisum als Tänzerinnen oder als Au-pair-Beschäftigte - andere werden in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust. Zahlreiche dieser Frauen geraten so in eine extreme Abhängigkeit von Schleuser- und Zuhälterbanden (z.B. Abnahme des Passes). Kennzeichnend für diese Personengruppe ist, daß sie in hohem Maße (zwangs-)mobil ist, um zum einen der Aufdeckung zu entgehen. Zum anderen scheint der mittlerweile internationalisierte Frauenhandel diesen Austausch aus "Geschäftsgründen" zu intendieren; Prostitution läßt sich fast überall ausüben (vgl. u.a. Siegler 1996, Bundesminister für Frauen und Jugend 1991: 162ff.).

Darüber hinaus lassen sich noch weitere Kategorien von Migranten ohne Aufenthaltsrecht identifizieren, die nicht in erster Linie aus Gründen der Arbeitsaufnahme zuwandern. Dennoch sind sie in kurz- oder mittelfristiger Sicht für den (illegalen) Arbeitsmarkt auch von Relevanz. Hierunter fallen Personengruppen, deren Gründe für die Illegalität ihres Aufenthalts im Bereich Ehe, Familie und Partnerschaft zu finden sind:

7. Das bundesdeutsche Ausländerrecht läßt nur bestimmte Gruppen von Drittausländern zum sog. Familiennachzug zu (§§17-20 AuslG); so haben über 16 Jahre alte Kinder von ausländischen Migranten, aber auch die Eltern, Großeltern oder Geschwister der Migranten kein Nachzugsrecht in die Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund der meist engen Einbindung der illegal aufhältlichen Familienmitglieder in das soziale Netz der Familie, darf angenommen werden, daß diese Gruppe in sozial relativ sicheren Verhältnissen lebt und nicht sehr auffällig ist. Bei Familienangehörigen von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Drittausländern ohne Nachzugsberechtigung scheint ein Potential für illegale Zuwanderung zu bestehen, da circa 5 Millionen Drittausländer in der Bundesrepublik Deutschland leben. "Für den illegalen Familiennachzug kommen insbesondere Staatsbürger aus der Türkei und der Nachfolgestaaten des zerfallenen Jugoslawien in Frage, weil sie die größten ausländischen Minderheiten stellen, die keine EG-Privilegierung genießen" (Röseler/Vogel 1993: 14).

8. In diesem Kontext von illegaler Migration und Partnerschaft ist auch das Problem Homosexueller zu nennen, die eine eheähnliche Beziehung mit einem nicht zuzugsberechtigten Partner unterhalten (vgl. Vogel 1996b: 9). Die Regelungen des Ehegattennachzugs gelten hier nicht.

9. Da das Aufenthaltsrecht eines ausländischen Ehepartners während der ersten Ehejahre an den deutschen Ehepartner gekoppelt ist, verlieren sie im Falle einer frühen Ehescheidung ihren ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Viele dieser Migranten ziehen es - trotz einer behördlichen Ausreiseaufforderung - vor, illegal im Bundesgebiet zu bleiben (z.B. da sie im Heimatland mit der Schande einer gescheiterten Ehe nur schwerlich leben könnten). Der Verlust des Aufenthaltsrechts tritt bei derzeitiger Rechtslage ein, wenn die betreffende Person weniger als drei Jahre verheiratet war (§19 AuslG).

10. Darüber hinaus gibt es Migranten, die zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts eine sog. Scheinehe eingehen. Hierbei handelt es sich um Eheschließungen, die zwischen einem nicht aufenthaltsberechtigten Ausländer und einem deutschen Staatsangehöri-

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gen oder einem ausländischen Ehepartner mit Aufenthaltstitel einzig zu dem Zweck eingegangen werden, um ersterem zu einem dauerhaften Aufenthaltsrecht zu verhelfen; häufig werden diese Heiraten durch "Agenturen" gegen Gebühr vermittelt. [Dabei werden Preise von bis zu 20.000 DM vom "Klienten" für die Heiratsvermittlung verlangt (Süddeutsche Zeitung, 5.9.1996); z.T. wird die Eheschließung mit Prostituierten, Frauen aus der Drogenszene oder Männern aus dem Obdachlosenmilieu organisiert.]
Um Nachforschungen bundesdeutscher Ausländerbehörden diesbezüglich zu umgehen - es handelt sich hier nach gängiger Rechtsauffassung um eine Straftat gemäß §92 AuslG, da im Zusammenhang mit dieser Art von Heirat falsche Angaben gemacht werden -, finden diese Eheschließungen häufig auch im Ausland statt (vgl. u.a. Bundesminister für Frauen und Jugend 1991: 111ff.).

Neben einer eher durch die Erwerbsbeschäftigung und durch den Wunsch nach zwischenmenschlichem (familialem) Zusammenleben induzierten Migration gibt es eine Form der Illegalität, die in engem Kontext zu Asyl und Flucht steht. Diese Migranten sind deshalb nicht ohne Belang für das Beschäftigungssystem, auch wenn die - manchmal auch nur formalen - Gründe der Migration Flucht vor Krieg und politische Verfolgung sind:

11. Rechtskräftig abgelehnten und zur Ausreise verpflichteten Asylbewerbern gelingt es, die ausländerrechtliche Ausreiseverpflichtung zu umgehen, in die Illegalität unterzutauchen und so im Bundesgebiet zu verbleiben.

12. Aber auch schon während des Asylverfahrens verschwinden zahlreiche Antragsteller aus dem Wahrnehmungskreis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Ausländerbehörden. Über Asylantragsteller, die ihr Asylverfahren nicht mehr betreiben, kann nur spekuliert werden: entweder reisen sie unregistriert aus der Bundesrepublik Deutschland aus oder sie tauchen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität unter. Da sie in dieser Situation keine staatlichen Transferleistungen mehr erhalten, ist anzunehmen, daß sie einer illegalen Erwerbstätigkeit nachgehen.

13. Auch dürfte sich eine Zahl offiziell nicht registrierter Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Menschen, die keine sonstige Aufenthaltserlaubnis (bzw. Duldung) für die Bundesrepublik Deutschland erhielten oder auch keine Verwandten hatten, die zur Übernahme aller anfallenden Kosten bereit waren (Kostenübernahmeerklärung), sahen häufig nur die Möglichkeit der illegalen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland; soziale Netzwerke erleichtern dabei den illegalen Aufenthalt - immerhin leben circa 1 Million Bürger jugoslawischer Herkunft in der Bundesrepublik Deutschland. Es bleibt zu mutmaßen, ob es einem Teil, der zur Rückkehr verpflichteten (Bürger-)Kriegsflüchtlinge aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien gelingt, unterzutauchen und dauerhaft ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu leben.

Zu den geschilderten Formen und Typen der illegalen Migration treten weitere Muster der Illegalität hinzu:

14. Auch ist es möglich, daß Ausländer, die lange Zeit legal in der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben und einer Ausreiseverpflichtung (z.B. nach einem strafrechtlichen Delikt) nicht nachkommen, versuchen, in die ausländerrechtliche Illegalität unter-

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zutauchen; auch diese Personen werden jeden Kontakt mit den staatlichen Behörden vermeiden, um nicht aufgegriffen und abgeschoben zu werden.

15. Aufgrund der erleichterten oder auch ganz weggefallenen Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Vertrags-Staaten kann sich ein illegal in einem der Staaten (z.B. in Frankreich) lebender Ausländer ohne größere Hindernisse auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begeben; diese Person gilt damit auch als illegal eingereist und illegal im Sinne des Aufenthaltsrechts. Die Motivlagen dieser Migration können dabei unterschiedlich sein (z.B. Arbeitsaufnahme).

16. Auch scheint sich in den letzten Monaten ein Potential an illegal zuwanderungswilligen Deutschstämmigen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zu entwickeln. Aufgrund der Verschärfung der Zuwanderungsbestimmungen und der Einführung von Sprachtests für Spätaussiedler schleichen sich Betrug und illegale Praktiken ein. Es wird von Urkundenfälschungen und falschen Erklärungen von im Bundesgebiet lebenden Spätaussiedlern berichtet (vgl. Sieverdingbeck 1997). Es stellt sich auch hier die Frage, ob soziale Netzwerke unter den zugewanderten Spätaussiedlern die Voraussetzungen für eine illegale Migration aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion (auch von Nicht-Deutschstämmigen) schaffen.

17. Ob es illegal aufhältliche Migranten im Zusammenhang mit der jüdischen Kontingentflüchtlingszuwanderung aus der früheren Sowjetunion (seit 1991) in der Bundesrepublik Deutschland gibt, ist umstritten. Dennoch gibt es Hinweise, daß zahlreiche dieser Migranten nicht jüdischer Herkunft seien und ihre Herkunftsnachweise gefälscht hätten. Andererseits sollen Personen jüdischer Abstammung illegal in der Bundesrepublik Deutschland leben, weil sie ihre ethnische Herkunft nicht in ausreichendem Maße nachweisen konnten. "Wer die notwendigen Nachweise nicht besitzt (...) muß in die Illegalität abtauchen" (DER SPIEGEL, 35/1995: 62).

18. In einer Grauzone hinsichtlich des Begriffs "Migration" befindet sich das Phänomen der illegalen Einreise, die nur zu dem Zwecke der Begehung einer Straftat im Zielland stattfindet. Straftäter, die ein Delikt in der Bundesrepublik Deutschland begangen haben, werden die legale Ein- und Ausreise tendenziell vermeiden, da für sie die Kontrollen an den Grenzen auch ein hohes Aufdeckungsrisiko bergen. Hierbei dürfte es sich eher um eine (neue) Form mobiler Kriminalität aufgrund der zunehmenden Motorisierung und der erleichterten Einreisemöglichkeiten handeln; auch zeigt das Phänomen Merkmale des "normalen" Schmugglertums.

Aus dieser Kategorisierung der Muster illegaler Migration, wird deutlich, daß es sich um ein Phänomen handelt, das sich aus einzelnen, teils sehr unterschiedlichen sozialen Teilphänomenen zusammensetzt; es existiert also nicht "das (eine) typische Muster illegaler Migration", so daß diese Migranten keine homogene Bevölkerungsgruppe darstellen. Es kann hier festgehalten werden, daß es in der Bundesrepublik Deutschland ein komplexes, weites Spektrum an illegalen Lebensformen gibt. Jede dieser identifizierbaren sozialen Lebenslagen hat ihre eigenen Ursachen, Ausprägungen und migrationsspezifischen Hintergründe. Beschreibungen und Erklärungen erfassen daher meist nur Teilbereiche dieser Vielfalt.

Bei der Betrachtung der Gründe und des Zustandekommens der Illegalität ist eine empirische Studie des Caritas-Verbandes von besonderem Interesse (Schäfers 1995). Dabei

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wurden 1995 bundesweit 310 einschlägige Beratungsstellen, Bahnhofsmissionen und spezialisierte Rechtsanwälte zu ihrem Kontakt mit illegal aufhältlichen Ausländern befragt. Da diese Untersuchung nur die bei der Caritas um Hilfe suchenden Migranten erfaßt, ist sie nicht repräsentativ für die gesamte Population ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland; dennoch liefern Ergebnisse aus dieser Studie wertvolle empirische Hinweise.

Die Umfrage ergab, daß zwei Drittel der Einrichtungen regelmäßig und in großer Zahl von illegalen Ausländern um Hilfe gebeten wurden; die insgesamt mitgeteilte Zahl von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht in der Beratung betrug mehr als 5.700 Personen. Hinsichtlich der Dauer des illegalen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland reichten die Angaben von wenigen Tagen bis zu fast zehn Jahren; die meisten Angaben zur Verweildauer lagen jedoch bei einigen Monaten. Von besonderem Interesse waren die Gründe, weshalb die um Hilfe suchenden Personen keinen Aufenthaltsstatus bzw. keine Duldung hatten. Circa ein Viertel der Befragten gab an, daß ihr Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen war und sie deshalb ihr Aufenthaltsrecht verloren hätten. Ungefähr 20 von Hundert hatten keine Möglichkeit mehr, ihr Touristenvisum oder ihren Aufenthaltsstatus zu verlängern. Jeder zwanzigste Klient der Caritas war ein untergetauchter Ausländer, der nach einer Straftat oder Haft rechtskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde. Die anderen in der Untersuchung erhobenen Kategorien lassen sich den oben genannten Muster der Migration nicht eindeutig zuordnen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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