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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 9 (Fortsetzung)]
Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Rechtsnormen kurz erläutert, deren Bruch dazu führt, daß bestimmte Formen der Einreise, des Aufenthalts und der Beschäftigung unrechtmäßig und damit illegal sind. Daran anschließend folgt eine Darstellung der Konsequenzen dieser Rechtsdefinitionen.
2.1 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der illegalen Migration
Ausländer, die im Bundesgebiet leben, bedürfen grundsätzlich einer Aufenthaltsgenehmigung, die regelmäßig bei den zuständigen Ausländerbehörden zu beantragen ist (§3 Ausländergesetz - AuslG). Wollen sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, muß zudem in den meisten Fällen eine Arbeitserlaubnis beim betreffenden Arbeitsamt eingeholt werden. Mindestvoraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist dabei ein gültiger Aufenthaltstitel. In bestimmten Fällen wird, trotz gültiger Aufenthaltsgenehmigung, keine Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme ausgestellt (vgl. §10 AuslG). Beispielsweise müssen Personen, die als [Seite der Druckausg.: 10 ] Familienangehörige zu einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer gemäß §§17 bis 22 AuslG zuziehen, in der Regel eine Frist abwarten, bis sie eine Arbeitserlaubnis erhalten. Eine Sperrfrist für eine Arbeitsgenehmigung gilt auch für Asyl-antragsteller, solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen (vgl. §61 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG). Abbildung 1 soll verdeutlichen, wie Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht verknüpft sind. Besitzt eine Person einen Aufenthaltstitel sowie eine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt, so liegt kein Regelverstoß vor (normkonformes Verhalten). Der rechtmäßige Besitz einer Arbeitserlaubnis ohne Aufenthaltsgenehmigung ist in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen; die Arbeitsämter prüfen vor Ausgabe einer Arbeitsgenehmigung den ausländerrechtlichen Status (d.h. der Fall einer legalen Arbeit bei illegalem Aufenthalt ist unmöglich). Wie bereits oben angesprochen, gibt es Fallkonstellationen, in denen ein Ausländer trotz Aufenthaltsgenehmigung keine Genehmigung zur Arbeitsaufnahme erhält; arbeitet er trotzdem, ist die Erwerbstätigkeit trotz gültigem Aufenthaltsrecht illegal. Hat darüber hinaus die Person keinen legalen Aufenthaltsstatus, so liegt eine "doppelte Illegalität" vor - im Sinne des Ausländergesetzes und des Arbeitsrechts. Abbildung 1: Die Verknüpfung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht
Dieses Gutachten beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Fällen, in denen sowohl der Aufenthalt als auch die Erwerbstätigkeit illegal sind. Des weiteren werden die Konstellationen der illegalen Ausländerbeschäftigung bei legalem Aufenthaltstitel beleuchtet. Für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik Deutschland ist die legale Einreise des Ausländers eine unbedingt notwendige Voraussetzung (§8 Abs.1 AuslG). Zur legalen Einreise benötigt ein Ausländer im Regelfall - falls kein Befreiungstatbestand nach der Durchführungsverordnung des Ausländergesetzes vorliegt (Bürger bestimmter Nationen sind aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen davon befreit) - gemäß §3 Abs. 1 und 3 AuslG einen Sichtvermerk (Visum). Verstößt ein Ausländer gegen diese Rechtsnormen, liegt ein Fall von illegaler [Seite der Druckausg.: 11 ] Einreise bzw. illegalem Aufenthalt vor. Das Ausländerrecht sieht im Falle der versuchten illegalen Einreise folgende Sanktionen vor:
Gelingt es jedoch einem ausländischen Migranten, ohne Aufenthaltsgenehmigung (oder Duldung) im Bundesgebiet zu leben, ist die Person hinsichtlich ihres Aufenthalts illegal. Der illegale Aufenthalt ist in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Straftatbestand verbunden:
Im Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (Inkrafttreten 1. Dezember 1994) wurde das Ausländergesetz vor allem in den sog. Schleppertatbeständen verschärft. Der Gesetzgeber sah sich angesichts der zunehmenden Berichte über Einschleusungen von Menschen aus dem Ausland und angestiegenen Zahlen bei der illegalen Einreise (siehe 6.) dazu veranlaßt. Neu ins Ausländergesetz eingefügt wurden dabei die §§92a und 92b. Während §92a AuslG die Anstiftung und Hilfeleistung zur illegalen Einreise und zum Einschleusen von Ausländern berührt (Höchststrafe: 5 Jahre Freiheitsentzug), sieht §92b AuslG bei gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren vor. [Zahlreiche der nach diesen Rechtsnormen eingeleiteten Gerichtsverfahren werden in der Regel eingestellt. Die Einstellungen geschehen meist aus folgenden Gründen (vgl. Aurnhammer 1996: 44): - zu geringe Schuld des Angeklagten; - Ausreise der Beschuldigten häufig vor Eröffnung des Hauptverfahrens; - abermaliges Untertauchen der Angeklagten in die Illegalität.] [Seite der Druckausg.: 12 ] Nicht nur das Ausländerrecht beinhaltet Normen, die mit der illegalen Migration in Verbindung stehen. Auch das bundesdeutsche Asylrecht bezieht sich im Kontext der mißbräuchlichen Asylantragstellung auf den Tatbestand der illegalen Einreise sowie auf gewerbs- und bandenmäßige Schlepperdelikte (§§84, 84a AsylVfG).
Wie bereits oben erwähnt, benötigen Ausländer, die eine Erwerbsbeschäftigung ausüben wollen, neben einer aufenthaltsrechtlichen Genehmigung eine arbeitsrechtliche Erlaubnis (Arbeitserlaubnispflicht nach §19 Arbeitsförderungsgesetz - AFG); ausgenommen davon sind u.a. Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
[Weitere Ausnahmen bilden beispielsweise Angehörige von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, Personen mit einer Aufenthaltsberechtigung nach §27 AuslG sowie Jugendliche, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und geboren sind.]
Das Arbeitsförderungsgesetz sieht im Bereich der illegalen Ausländerbeschäftigung folgende Sanktionen vor (vgl. u.a. Marschall 1994: 177ff.):
Häufig nutzen die Arbeitgeber die Situation der illegal beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer aus. Die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer kann so auch Straftatbestände erfüllen: [Handelt zudem eine Person gegen ein in der Aufenthaltsgenehmigung expliziertes Verbot der Erwerbstätigkeit, macht sie sich nach §92 Abs.1 Satz 3 AuslG strafbar. Strafbar ist auch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit während eines genehmigungsfreien Kurzaufenthalts (vgl. von Pollern 1996: 176).]
Auch für Asylantragsteller gilt in der Bundesrepublik Deutschland, daß sie eine Erwerbstätigkeit nur mit einer Arbeitserlaubnis ausüben dürfen. Seit dem 1. April 1993 gilt: solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, [Es besteht die Pflicht, die ersten drei Monate in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§47 AsylVFG).] dürfen sie keiner Beschäftigung nachgehen (§61 AsylVfG). Darüber hinaus treten Rechtsverstöße und illegale Praktiken im Rahmen genehmigter Arbeitsverhältnisse mit Ausländern auf; es lassen sich folgende Mißbrauchsarten unterscheiden:
Weitere Probleme ergeben sich aus der Tätigkeit sog. Scheinselbständiger aus EU-Staaten auf deutschen Baustellen. Dabei melden Einzelpersonen ein Gewerbe an, um dann als angeblicher Subunternehmer zu agieren; tatsächlich liegt aber ein Fall von Arbeitnehmerüberlassung vor (Deutscher Bundestag 1996: 34). [Seite der Druckausg.: 15 ]
2.2 Implikationen der rechtlichen Definition von Illegalität
Im Vordergrund der folgenden Bemerkungen stehen jene ausländischen Zuwanderer, die kein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet - im Sinne des Ausländerrechts - besitzen. Gemeinsames Kennzeichen dieser Menschen ist, daß sie sich aufgrund der fehlenden Aufenthaltsgenehmigung rechtswidrig - d.h. illegal - in der Bundesrepublik Deutschland befinden. Damit ist ein Straftatbestand erfüllt, weshalb diese Migranten auch einer strafrechtlichen Verfolgung von seiten der Behörden ausgesetzt sind. Qualitativ orientierte Feldstudien in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Cyrus 1995a, 1995b) und in Österreich (vgl. Hofer 1993a, 1993b) bestätigen, daß der fehlende aufenthaltsrechtliche Titel (oder die fehlende Duldung) faktisch bestimmend für fast die gesamte Lebensführung der Migranten ist; die Angst vor der Entdeckung ihrer Illegalität und die damit verbundene psychische Belastung ist für sie konstitutiv. Bei jedem sozialen Kontakt, bei der Wohnungs- oder Jobsuche muß mit der Möglichkeit der Entdeckung durch die staatlichen Behörden und mit der Ausweisung gerechnet werden (vgl. auch 4.). Der Begriff "illegal" wird im folgenden anderen, verwandten Termini vorgezogen, da die jeweiligen (ausländer-)rechtlichen Bestimmungen eines Staates die Kontextbedingungen für die Lebenswelt von Zuwanderern definieren - insbesondere, wenn sie illegal sind. Andere, verwandte Begriffe, wie irreguläre, unkontrollierte, klandestine oder undokumentierte Migration geben nicht wieder, daß sich diese Zuwanderergruppe von anderen Typen staatlich legalisierter Migration (Repatriierungsberechtigte, Flüchtlinge, Familienzusammenführung etc.) im Kern dadurch unterscheidet, daß alleinig ihr Aufenthalt im Zielland einen Rechtsverstoß darstellt; dadurch stehen sie außerhalb der "Rechtsgemeinschaft". In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, daß die rechtliche Definition von Illegalität - wie alle Rechtsnormen - einem zeitlich-historischen Wandel unterliegt. Die Illegalität wird also wesentlich von der herrschenden Rechtslage bestimmt; es gibt keine Illegalität a priori. Durch die Verschärfung bestehenden Rechts können bestimmte Praktiken, die einst legal waren, "illegalisiert" werden. Durch eine Rechtsänderung wird beispielsweise die Zulässigkeit des Nachzugs von Familienmitgliedern eingeschränkt (z.B. Einführung einer Altersbeschränkung für nachreisende Kinder). Reist nun nach der Rechtsetzung ein nicht mehr nachzugsberechtigtes Familienmitglied trotzdem ein, so ist sein Aufenthalt unter den neuen rechtlichen Bedingungen illegal. Anders als in anderen westlichen Industriestaaten bestehen für illegal aufhältliche Migranten in der Bundesrepublik Deutschland keine Aussichten auf Legalisierung ihres Aufenthalts. Im Gegensatz zu Frankreich, den USA oder Italien hat die Bundesrepublik Deutschland keine sog. Legalisierungsprogramme (auch als Regularisierungsprogramme bezeichnet) durchgeführt; dabei wird einigen illegal im Land lebenden Migrantengruppen (z.B. wenn sie eine bestimmte Dauer im Land leben) formal ein Aufenthaltsrecht zugesprochen. Migranten ohne Aufenthaltsrecht müssen in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Fall - spätestens wenn sie staatlicherseits entdeckt werden - die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen. Faktisch kann nur durch eine Eheschließung mit einem deutschen Ehepartner oder mit einem ausländischen Partner, der einen gesicherten Aufenthaltstitel hat, ein Aufenthaltsrecht erworben werden (§§23, 25 AuslG). [Seite der Druckausg.: 16] Die rechtliche Situation der Illegalität hat zur Folge, daß Migranten in der Illegalität hinsichtlich ihrer Lebensentwürfe keinen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland planen können; eine Verfestigung oder ein über Jahre dauernder Aufenthalt im Land scheint unter diesen Bedingungen beinahe ausgeschlossen. Aus den oben genannten qualitativen Untersuchungen weiß man, daß die Rückkehroption deshalb auch häufig Bestandteil der Lebensplanung der Migranten ist. Dennoch scheint manchmal eine (wenig Erfolg versprechende) Asylantragstellung der letzte Ausweg zu sein, um den Aufenthalt zu verlängern. Zu diesen staatlichen Maßnahmen der Unterbindung einer dauerhaften Niederlassung gehört auch, daß Personen ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland kein Recht auf sozialpolitische Transferleistungen haben; in der Regel entrichten sie auch keine Einkommenssteuer und Sozialabgaben. [Dagegen ist es beispielweise in den USA - aufgrund fehlender Amtshilfe und der mangelhaften zwischenbehördlichen Kooperation - üblich, daß "illegals" Sozialabgaben und Steuern entrichten. Politisch läßt sich daraus auch ein Recht auf Legalisierung des Aufenthalts ableiten; deshalb sind in den USA "illegals" durchaus bereit, Steuern und Abgaben an den Staat zu bezahlen.] Ausnahmen davon scheint es trotz einer ausgebauten ordnungsstaatlichen Erfassung und Kooperation zu geben. [Vogel (1996b: 12f.) schildert, daß ein Brasilianer kurzfristig mit der Lohnsteuerkarte eines regulär in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Bekannten arbeitete sowie, daß sich Befragte bei einer privaten Krankenkasse versichern konnten.] Wie bereits festgestellt, geht ein großer Teil der Ausländer, die sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, einer Erwerbsbeschäftigung nach - für viele ist dies der alleinige Zweck ihres Aufenthalts; sie sind im Sinne des bundesdeutschen Arbeitsrechts als illegal Beschäftigte anzusehen. Bei Betrachtung der oben dargestellten möglichen Rechtsverstöße gegen das Ausländer- und Arbeitsrecht, zeigt sich, daß es verschiedene Grade (oder Stufen) von Illegalität gibt. So ist ein formaler Verstoß einer legal im Bundesgebiet lebenden Person gegen das Arbeitserlaubnisrecht nicht als sehr schwerwiegend zu bewerten, im Gegensatz zum professionellen Einschleusen und Ausbeuten; begrifflich wird beides allerdings als illegales (rechtswidriges) Verhalten bezeichnet. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000 |