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[Seite der Druckausg.: 9 (Fortsetzung)]


2. Zum Begriff der illegalen Migration: Was bedeutet illegal?


Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Rechtsnormen kurz erläutert, deren Bruch dazu führt, daß bestimmte Formen der Einreise, des Aufenthalts und der Beschäftigung unrechtmäßig und damit illegal sind. Daran anschließend folgt eine Darstellung der Konsequenzen dieser Rechtsdefinitionen.

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2.1 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der illegalen Migration
[Siehe dazu ausführlicher Aurnhammer 1996, von Pollern 1996, Marschall 1994.]

Ausländer, die im Bundesgebiet leben, bedürfen grundsätzlich einer Aufenthaltsgenehmigung, die regelmäßig bei den zuständigen Ausländerbehörden zu beantragen ist (§3 Ausländergesetz - AuslG). Wollen sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, muß zudem in den meisten Fällen eine Arbeitserlaubnis beim betreffenden Arbeitsamt eingeholt werden. Mindestvoraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ist dabei ein gültiger Aufenthaltstitel.

In bestimmten Fällen wird, trotz gültiger Aufenthaltsgenehmigung, keine Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme ausgestellt (vgl. §10 AuslG). Beispielsweise müssen Personen, die als

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Familienangehörige zu einem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer gemäß §§17 bis 22 AuslG zuziehen, in der Regel eine Frist abwarten, bis sie eine Arbeitserlaubnis erhalten. Eine Sperrfrist für eine Arbeitsgenehmigung gilt auch für Asyl-antragsteller, solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen (vgl. §61 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG).

Abbildung 1 soll verdeutlichen, wie Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht verknüpft sind. Besitzt eine Person einen Aufenthaltstitel sowie eine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt, so liegt kein Regelverstoß vor (normkonformes Verhalten). Der rechtmäßige Besitz einer Arbeitserlaubnis ohne Aufenthaltsgenehmigung ist in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen; die Arbeitsämter prüfen vor Ausgabe einer Arbeitsgenehmigung den ausländerrechtlichen Status (d.h. der Fall einer legalen Arbeit bei illegalem Aufenthalt ist unmöglich). Wie bereits oben angesprochen, gibt es Fallkonstellationen, in denen ein Ausländer trotz Aufenthaltsgenehmigung keine Genehmigung zur Arbeitsaufnahme erhält; arbeitet er trotzdem, ist die Erwerbstätigkeit trotz gültigem Aufenthaltsrecht illegal. Hat darüber hinaus die Person keinen legalen Aufenthaltsstatus, so liegt eine "doppelte Illegalität" vor - im Sinne des Ausländergesetzes und des Arbeitsrechts.

Abbildung 1:

Die Verknüpfung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht


Aufenthalt

Arbeit

legal

illegal

legal

normkonformes Verhalten

ausgeschlossen

illegal

illegal beschäftigt

"doppelte Illegalität"



Dieses Gutachten beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Fällen, in denen sowohl der Aufenthalt als auch die Erwerbstätigkeit illegal sind. Des weiteren werden die Konstellationen der illegalen Ausländerbeschäftigung bei legalem Aufenthaltstitel beleuchtet.

Illegaler Aufenthalt:

Für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik Deutschland ist die legale Einreise des Ausländers eine unbedingt notwendige Voraussetzung (§8 Abs.1 AuslG). Zur legalen Einreise benötigt ein Ausländer im Regelfall - falls kein Befreiungstatbestand nach der Durchführungsverordnung des Ausländergesetzes vorliegt (Bürger bestimmter Nationen sind aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen davon befreit) - gemäß §3 Abs. 1 und 3 AuslG einen Sichtvermerk (Visum). Verstößt ein Ausländer gegen diese Rechtsnormen, liegt ein Fall von illegaler

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Einreise bzw. illegalem Aufenthalt vor. Das Ausländerrecht sieht im Falle der versuchten illegalen Einreise folgende Sanktionen vor:

  • Ein Ausländer, der ohne entsprechenden Sichtvermerk in die Bundesrepublik Deutschland einreisen will oder keinen Befreiungstatbestand geltend machen kann, muß an der Grenze zurückgewiesen werden (§60 AuslG).
  • Ein illegal eingereister Ausländer ist gemäß §61 Abs.1 AuslG innerhalb von sechs Monaten nach dem illegalen Grenzübertritt zurückzuschieben.

Gelingt es jedoch einem ausländischen Migranten, ohne Aufenthaltsgenehmigung (oder Duldung) im Bundesgebiet zu leben, ist die Person hinsichtlich ihres Aufenthalts illegal. Der illegale Aufenthalt ist in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Straftatbestand verbunden:

  • Abs.1 Nr.1 AuslG stellt den Aufenthalt ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet unter Strafe. In Satz 2 des §92 Abs. 1 findet sich das Verbot des Aufenthalts ohne gültigen Paß. Satz Nr.6 stellt unter Berufung auf §58 Abs.1 AuslG [§58 Abs.1 AuslG bestimmt unter welchen Umständen die Einreise eines Ausländers unerlaubt ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Ausländer die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung oder den erforderlichen Paß nicht besitzt (vgl. Ott 1994).]
    explizit die illegale Einreise unter Strafe. Der Strafrahmen für die in Absatz 1 des §92 AuslG genannten Vergehen reicht von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr.
  • Der zweite Absatz des §92 AuslG sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu 3 Jahren vor, wenn ein Ausländer nach einer Ausweisung oder Abschiebung erneut in der Bundesrepublik Deutschland angetroffen wird. Das gleiche Strafmaß wird einer Person angedroht, die "unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen, oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht" (§92 Abs.2 Nr.2). [Ein typischer Anwendungsfall dieser Regelung ist die sog. Scheinehe. Durch unrichtige Angaben bei der Eheschließung hat diese nur einen formellen Charakter. Bloßer Zweck der Heirat ist, einer Person ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen; die Eheschließenden haben dabei keine Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. Aurnhammer 1996: 67f.).]

Im Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (Inkrafttreten 1. Dezember 1994) wurde das Ausländergesetz vor allem in den sog. Schleppertatbeständen verschärft. Der Gesetzgeber sah sich angesichts der zunehmenden Berichte über Einschleusungen von Menschen aus dem Ausland und angestiegenen Zahlen bei der illegalen Einreise (siehe 6.) dazu veranlaßt. Neu ins Ausländergesetz eingefügt wurden dabei die §§92a und 92b. Während §92a AuslG die Anstiftung und Hilfeleistung zur illegalen Einreise und zum Einschleusen von Ausländern berührt (Höchststrafe: 5 Jahre Freiheitsentzug), sieht §92b AuslG bei gewerbs- und bandenmäßigem Einschleusen Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren vor. [Zahlreiche der nach diesen Rechtsnormen eingeleiteten Gerichtsverfahren werden in der Regel eingestellt. Die Einstellungen geschehen meist aus folgenden Gründen (vgl. Aurnhammer 1996: 44): - zu geringe Schuld des Angeklagten; - Ausreise der Beschuldigten häufig vor Eröffnung des Hauptverfahrens; - abermaliges Untertauchen der Angeklagten in die Illegalität.]

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Nicht nur das Ausländerrecht beinhaltet Normen, die mit der illegalen Migration in Verbindung stehen. Auch das bundesdeutsche Asylrecht bezieht sich im Kontext der mißbräuchlichen Asylantragstellung auf den Tatbestand der illegalen Einreise sowie auf gewerbs- und bandenmäßige Schlepperdelikte (§§84, 84a AsylVfG).

Illegale Beschäftigung:

Wie bereits oben erwähnt, benötigen Ausländer, die eine Erwerbsbeschäftigung ausüben wollen, neben einer aufenthaltsrechtlichen Genehmigung eine arbeitsrechtliche Erlaubnis (Arbeitserlaubnispflicht nach §19 Arbeitsförderungsgesetz - AFG); ausgenommen davon sind u.a. Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union. [Weitere Ausnahmen bilden beispielsweise Angehörige von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, Personen mit einer Aufenthaltsberechtigung nach §27 AuslG sowie Jugendliche, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und geboren sind.]
Seitdem die Bundesregierung im Jahr 1973 einen Anwerbestopp beschlossen hat, wird die Arbeitserlaubnis nur noch in Ausnahmefällen an ausländische Neuzuwanderer erteilt.

Das Arbeitsförderungsgesetz sieht im Bereich der illegalen Ausländerbeschäftigung folgende Sanktionen vor (vgl. u.a. Marschall 1994: 177ff.):

  • Bei einer von den Arbeitsämtern nicht genehmigten, d.h. illegalen Beschäftigung eines Ausländers, verhalten sich sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber nach §229 Abs.1 AFG ordnungswidrig, was mit einer Geldbuße geahndet wird. §229 Abs.3 AFG sieht Geldbußen für Arbeitgeber von bis zu 100.000 DM vor, Arbeitnehmer werden mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 DM bedroht. [Wenn ausländische Arbeitnehmer im Rahmen einer Leiharbeit ohne Arbeitserlaubnis angetroffen werden, gelten für alle Beteiligten die gleichen Sanktionen; gemäß §16 Abs.1 AÜG liegt auch hier eine Ordnungswidrigkeit vor.]

Häufig nutzen die Arbeitgeber die Situation der illegal beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer aus. Die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer kann so auch Straftatbestände erfüllen: [Handelt zudem eine Person gegen ein in der Aufenthaltsgenehmigung expliziertes Verbot der Erwerbstätigkeit, macht sie sich nach §92 Abs.1 Satz 3 AuslG strafbar. Strafbar ist auch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit während eines genehmigungsfreien Kurzaufenthalts (vgl. von Pollern 1996: 176).]

  • Beschäftigt ein Arbeitgeber wiederholt Nichtdeutsche ohne Arbeitserlaubnis in großem Umfang ("mehr als fünf Arbeitnehmer mindestens 30 Tage") oder zu sog. ausbeuterischen Bedingungen ("Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu den Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer stehen, die die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben"), liegt eine Straftat gemäß §227a AFG vor; diese kann mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis maximal 5 Jahre geahndet werden. Liegt ein Verleih von ausländischen Arbeitskräften ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis und ohne Verleiherlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit vor, gilt

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    dies auch als Straftat. Gemäß §15 Abs.1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren gegen einen Verleiher ausgesprochen werden; im Falle des gewerbsmäßigen Handels mit ausländischen Arbeitskräften oder bei grobem Eigennutz kann das Strafmaß fünf Jahre Freiheitsentzug betragen (§15 Abs.2 AÜG). Die Strafen für einen Entleiher, der ausländische Leiharbeitnehmer ohne erforderliche Arbeitserlaubnis beschäftigt, regelt §15a AÜG.

Auch für Asylantragsteller gilt in der Bundesrepublik Deutschland, daß sie eine Erwerbstätigkeit nur mit einer Arbeitserlaubnis ausüben dürfen. Seit dem 1. April 1993 gilt: solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen, [Es besteht die Pflicht, die ersten drei Monate in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§47 AsylVFG).] dürfen sie keiner Beschäftigung nachgehen (§61 AsylVfG).

Darüber hinaus treten Rechtsverstöße und illegale Praktiken im Rahmen genehmigter Arbeitsverhältnisse mit Ausländern auf; es lassen sich folgende Mißbrauchsarten unterscheiden:

  • "Illegale Beschäftigung wird nicht selten mit der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Verbindung gebracht, die auf der Grundlage der Werkvertragsarbeitnehmer-Vereinbarungen (Hervorhebung durch die Verfasser) mit den mittel- und osteuropäischen Staaten und der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind" (Deutscher Bundestag 1996: 34f.). Basis dieser Regelungen sind bilaterale Regierungsvereinbarungen, die eine Kooperation zwischen einem deutschen und einem ausländischen Unternehmen zur Erstellung eines Werkes im Bundesgebiet regeln; dabei greifen die ausländischen Subunternehmer auf eigene Arbeitskräfte zurück. Es werden jährlich Beschäftigungskontingente festgelegt; im Jahr 1996 arbeiteten circa 47.000 ausländische Werkvertragsarbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie dürfen bis zu drei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland für eine bestimmte genehmigte Tätigkeit und einen Betrieb arbeiten. Nach Ablauf der vorgesehenen Dauer ist eine anschließende Aufenthaltszeit von gleicher Länge im Heimatland des Werkvertragsarbeitnehmers notwendig, um eine erneute Genehmigung zu erhalten (Zwangsrotation). Die Arbeitnehmer müssen nach deutschen Tarifen entlohnt werden. Beiträge zur Sozialversicherung müssen nicht in der Bundesrepublik Deutschland gezahlt werden, weshalb diese Arbeitnehmer gegenüber den deutschen Arbeitskräften niedrigere Lohnkosten verursachen. Die Mehrzahl der Werkvertragsarbeitnehmer ist im Bausektor tätig.

    Folgende Verstöße gegen diese Werkvertragsregelung lassen sich identifizieren: [Ähnlich wie bei den Werkvertragsarbeitnehmern stellt sich die Situation der sog. Saisonarbeitnehmer (Kurzzeitgebundene Beschäftigte) dar. Im Zuge dieses Programms treten Verstöße gegen geltendes Arbeitsrecht, wie Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit und Unterbezahlung, auf (Cyrus 1995a: 34f.).]

    • Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis,
    • Unterbezahlung (unterhalb des deutschen Tariflohnes),
    • nicht genehmigte Einsatzorte und Tätigkeiten sowie
    • die Verletzung von Arbeitsnormen (Arbeitsschutz, Arbeitszeiten).

    [Seite der Druckausg.: 14 ]

  • Ein weiterer Unterfall der Ausländerbeschäftigung, in dem ein Mißbrauchspotential steckt, ist die sog. Arbeitnehmerüberlassung; d.h. der gewerbsmäßige Verleih (ausländischer) Arbeitskräfte durch den Arbeitgeber (Verleiher) an einen Dritten (Entleiher) im Bundesgebiet. Dieser Arbeitskräfteverleih ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zulässig und bedarf grundsätzlich der Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit (Artikel 1 AÜG). Für den Baubereich ist die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung allerdings seit dem 1. Januar 1982 weitestgehend verboten (§12a AFG). [Dieses Verbot wurde erlassen, "(...) weil auf Baustellen Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber gemeinsam und gleichzeitig tätig werden, so daß dort die Einhaltung der Erlaubnispflicht nur schwer kontrolliert werden kann. Dieses Teilverbot hat das Bundesverfassungsgericht am 6. Oktober 1987 für verfassungsgemäß erklärt" (Langer-Stein 1988: 14).]
    Dennoch lassen sich laut dem "Achtem Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes" ausgeklügelte Mißbrauchsmöglichkeiten erkennen. So läßt sich häufig feststellen, daß durch sog. Scheinwerkverträge eine faktische Arbeitnehmerüberlassung verschleiert wird; d.h. durch den Scheinwerkvertrag zwischen Arbeitskräfteverleihern und -entleihern wird zwar schriftlich die Erbringung eines Werkes vereinbart, tatsächlich aber wird das Personal ganz normal verliehen (Deutscher Bundestag 1996: 32ff.).

  • Nicht nur im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Drittausländern treten Probleme des Verstoßes gegen das deutsche Arbeitsrecht auf; auch bei der Beschäftigung von EU-Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland kommt es zu Mißständen. Firmen aus der Europäischen Union können kontingentfrei Werkverträge mit deutschen Unternehmen abschließen und eigene Arbeitskräfte, [Dabei kann auch Personal aus Nicht-EU-Staaten in der Firma eingesetzt werden (z.B. albanische Bauarbeiter in einer italienischen Firma).] die zu sehr niedrigen Löhnen arbeiten, einsetzen. Insbesondere im Baubereich werden ausländische Beschäftigte von Subunternehmen eingesetzt, während einheimische Arbeitskräfte arbeitslos wurden. Die Politik reagierte darauf mit dem sog. Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AentG); dieses "Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen" ist nach langen Verhandlungen zwischen Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen am 1. März 1996 in Kraft getreten. Danach sind alle Firmen, die im Inland Bauleistungen erbringen - unabhängig vom Ort ihres Firmensitzes - verpflichtet, die vorgegebenen Arbeitsbedingungen einzuhalten (§1 Abs.1 AentG). Für die Arbeitnehmer des Baugewerbes bedeutet dies, daß der im Tarifvertrag vereinbarte Mindestlohn an alle in- und ausländische Beschäftigte ausgezahlt werden muß; derzeit (Tarifvertrag vom 19.2.1997) haben sie einen einklagbaren Rechtsanspruch auf 15,64 DM brutto pro Stunde in den östlichen Bundesländern und 17,- DM im Westen.

Weitere Probleme ergeben sich aus der Tätigkeit sog. Scheinselbständiger aus EU-Staaten auf deutschen Baustellen. Dabei melden Einzelpersonen ein Gewerbe an, um dann als angeblicher Subunternehmer zu agieren; tatsächlich liegt aber ein Fall von Arbeitnehmerüberlassung vor (Deutscher Bundestag 1996: 34).

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2.2 Implikationen der rechtlichen Definition von Illegalität

Im Vordergrund der folgenden Bemerkungen stehen jene ausländischen Zuwanderer, die kein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet - im Sinne des Ausländerrechts - besitzen. Gemeinsames Kennzeichen dieser Menschen ist, daß sie sich aufgrund der fehlenden Aufenthaltsgenehmigung rechtswidrig - d.h. illegal - in der Bundesrepublik Deutschland befinden. Damit ist ein Straftatbestand erfüllt, weshalb diese Migranten auch einer strafrechtlichen Verfolgung von seiten der Behörden ausgesetzt sind.

Qualitativ orientierte Feldstudien in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Cyrus 1995a, 1995b) und in Österreich (vgl. Hofer 1993a, 1993b) bestätigen, daß der fehlende aufenthaltsrechtliche Titel (oder die fehlende Duldung) faktisch bestimmend für fast die gesamte Lebensführung der Migranten ist; die Angst vor der Entdeckung ihrer Illegalität und die damit verbundene psychische Belastung ist für sie konstitutiv. Bei jedem sozialen Kontakt, bei der Wohnungs- oder Jobsuche muß mit der Möglichkeit der Entdeckung durch die staatlichen Behörden und mit der Ausweisung gerechnet werden (vgl. auch 4.).

Der Begriff "illegal" wird im folgenden anderen, verwandten Termini vorgezogen, da die jeweiligen (ausländer-)rechtlichen Bestimmungen eines Staates die Kontextbedingungen für die Lebenswelt von Zuwanderern definieren - insbesondere, wenn sie illegal sind. Andere, verwandte Begriffe, wie irreguläre, unkontrollierte, klandestine oder undokumentierte Migration geben nicht wieder, daß sich diese Zuwanderergruppe von anderen Typen staatlich legalisierter Migration (Repatriierungsberechtigte, Flüchtlinge, Familienzusammenführung etc.) im Kern dadurch unterscheidet, daß alleinig ihr Aufenthalt im Zielland einen Rechtsverstoß darstellt; dadurch stehen sie außerhalb der "Rechtsgemeinschaft".

In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, daß die rechtliche Definition von Illegalität - wie alle Rechtsnormen - einem zeitlich-historischen Wandel unterliegt. Die Illegalität wird also wesentlich von der herrschenden Rechtslage bestimmt; es gibt keine Illegalität a priori. Durch die Verschärfung bestehenden Rechts können bestimmte Praktiken, die einst legal waren, "illegalisiert" werden. Durch eine Rechtsänderung wird beispielsweise die Zulässigkeit des Nachzugs von Familienmitgliedern eingeschränkt (z.B. Einführung einer Altersbeschränkung für nachreisende Kinder). Reist nun nach der Rechtsetzung ein nicht mehr nachzugsberechtigtes Familienmitglied trotzdem ein, so ist sein Aufenthalt unter den neuen rechtlichen Bedingungen illegal.

Anders als in anderen westlichen Industriestaaten bestehen für illegal aufhältliche Migranten in der Bundesrepublik Deutschland keine Aussichten auf Legalisierung ihres Aufenthalts. Im Gegensatz zu Frankreich, den USA oder Italien hat die Bundesrepublik Deutschland keine sog. Legalisierungsprogramme (auch als Regularisierungsprogramme bezeichnet) durchgeführt; dabei wird einigen illegal im Land lebenden Migrantengruppen (z.B. wenn sie eine bestimmte Dauer im Land leben) formal ein Aufenthaltsrecht zugesprochen. Migranten ohne Aufenthaltsrecht müssen in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Fall - spätestens wenn sie staatlicherseits entdeckt werden - die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen. Faktisch kann nur durch eine Eheschließung mit einem deutschen Ehepartner oder mit einem ausländischen Partner, der einen gesicherten Aufenthaltstitel hat, ein Aufenthaltsrecht erworben werden (§§23, 25 AuslG).

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Die rechtliche Situation der Illegalität hat zur Folge, daß Migranten in der Illegalität hinsichtlich ihrer Lebensentwürfe keinen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland planen können; eine Verfestigung oder ein über Jahre dauernder Aufenthalt im Land scheint unter diesen Bedingungen beinahe ausgeschlossen. Aus den oben genannten qualitativen Untersuchungen weiß man, daß die Rückkehroption deshalb auch häufig Bestandteil der Lebensplanung der Migranten ist. Dennoch scheint manchmal eine (wenig Erfolg versprechende) Asylantragstellung der letzte Ausweg zu sein, um den Aufenthalt zu verlängern.

Zu diesen staatlichen Maßnahmen der Unterbindung einer dauerhaften Niederlassung gehört auch, daß Personen ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland kein Recht auf sozialpolitische Transferleistungen haben; in der Regel entrichten sie auch keine Einkommenssteuer und Sozialabgaben. [Dagegen ist es beispielweise in den USA - aufgrund fehlender Amtshilfe und der mangelhaften zwischenbehördlichen Kooperation - üblich, daß "illegals" Sozialabgaben und Steuern entrichten. Politisch läßt sich daraus auch ein Recht auf Legalisierung des Aufenthalts ableiten; deshalb sind in den USA "illegals" durchaus bereit, Steuern und Abgaben an den Staat zu bezahlen.] Ausnahmen davon scheint es trotz einer ausgebauten ordnungsstaatlichen Erfassung und Kooperation zu geben. [Vogel (1996b: 12f.) schildert, daß ein Brasilianer kurzfristig mit der Lohnsteuerkarte eines regulär in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Bekannten arbeitete sowie, daß sich Befragte bei einer privaten Krankenkasse versichern konnten.]

Wie bereits festgestellt, geht ein großer Teil der Ausländer, die sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, einer Erwerbsbeschäftigung nach - für viele ist dies der alleinige Zweck ihres Aufenthalts; sie sind im Sinne des bundesdeutschen Arbeitsrechts als illegal Beschäftigte anzusehen. Bei Betrachtung der oben dargestellten möglichen Rechtsverstöße gegen das Ausländer- und Arbeitsrecht, zeigt sich, daß es verschiedene Grade (oder Stufen) von Illegalität gibt. So ist ein formaler Verstoß einer legal im Bundesgebiet lebenden Person gegen das Arbeitserlaubnisrecht nicht als sehr schwerwiegend zu bewerten, im Gegensatz zum professionellen Einschleusen und Ausbeuten; begrifflich wird beides allerdings als illegales (rechtswidriges) Verhalten bezeichnet.


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