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[Seite der Druckausg.: 113]


Angelika von Schaper
Qualitätssicherung im ambulanten Bereich aus der Sicht der Diakonie-Sozialstation Moers


Ich stelle Ihnen die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbandes der Diakonie-Sozialstationen Lintfort-Moers-Rheinberg vor zum Thema „Qualitätssicherung im ambulanten Bereich der Pflege".

Vier Aspekte stehen im Mittelpunkt:

  1. Qualitätssicherung setzt internes Qualitätsmanagement voraus.
    D.h., eine hochwertige Pflegeleistung will gemanaget sein!

  2. Qualität entwickelt sich im Zusammenwirken aller am Pflegeprozeß Beteiligten.
    Wie Sie wissen, ist ja der Pflegeprozeß das Kernstück patientenorientierter Qualitätssicherung. Hier gibt es noch viel zu tun.

  3. Qualität entsteht durch Fachlichkeit, Hermeneutik und Management.
    Fachlichkeit als Stand der Künste;
    Hermeneutik als sinnverstehendes Handeln;
    Management als planende Haltung.

  4. Selbst- und Fremdüberprüfung ermöglichen Bestätigung und Optimierung der Qualität.
    Es geht oft darum, bewußt zu machen, wie gut die Qualität in der Praxis schon ist.


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1. Qualitätssicherung setzt internes Qualitätsmanagement voraus

MitarbeiterInnen unserer vier Stationen des Verbandes haben gemeinsame Grundlagen und Strategien für das Qualitätsmanagement entwickelt.

Beteiligt waren die Leitung, Stellvertretung, andere Pflegefachmitarbeiterinnen, Zentralverwaltung und Geschäftsführung.

[Seite der Druckausg.: 114]

Um den Qualitätsprozeß effektiv einzuleiten, hatten wir zwei externe Berater, die mit uns in kompakter Form die Grundlagen des Qualitätsmanagement bearbeitet haben.

In diesem Prozeß fanden wir rasch unsere Stärken und unsere Entwicklungsschwerpunkte heraus.

Als gemeinsame Grundlage des Qualitätsprozesses definierten wir:

  • Vertrauenskultur

  • Qualitätsbewußtsein

  • Prozeßorientierung.

Vertrauenskultur ist wichtig, deshalb, weil nur auf der Basis von Vertrauen Qualität auf Dauer möglich wird.

Qualitätsbewußtsein, d.h. gemeinsam und systematisch über die erbrachte Dienstleistung - Pflege, Hauswirtschaft und Begleitung - nachdenken.

Prozeßorientierung: Hier setzen wir in der Tradition der japanischen Qualitätstheoretiker Deming und Ishikava auf ständige Verbesserung der Prozesse und Abläufe in Qualitätszirkeln, Übergaben und Standardgruppen.

Ich gehe noch einmal auf die Vertrauenskultur ein:

In einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Pflegenden, Patienten und Angehörigen ist es möglich, Wünsche, Verbesserungsvorschläge und Beschwerden zu äußern. Beschwerden werden ernst genommen, Lösungsmöglichkeiten gemeinsam gefunden. Wünsche werden in die Pflegeplanung aufgenommen und weitestgehend berücksichtigt.

Zu Qualitätsbewußtsein: Das war bei allen Beteiligten erkennbar vorhanden.

In Punkto Sprache ging es darum, daß MitarbeiterInnen lernen zu definieren, was Pflege leistet und was eine angemessene Dienstleistung am Stand der Künste ausmacht.

Prozeßorientierung erwächst aus der Überzeugung, daß sich Qualität nicht in erster Linie erprüfen läßt. Qualität gilt es zu entwickeln. Darüber gibt es in der Fachwelt absolute Einigkeit.

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Aus den Grundlagen von Vertrauenskultur, Qualitätsbewußtsein und Prozeßorientierung ergaben folgende praktische Schritte den Aufbau unseres Qualitätsmanagementsystems.

Schon bevor wir uns systematischer mit Qualität befaßten, konkretisierten wir unser Dienstleistungsverständnis in dem Slogan „Ambulante Pflege für Leib und Seele" als einer umfassenden Pflege und Begleitung, verankert im Leitbild der Diakonie.

Unsere Dienstleistungsziele sind: Angemessenheit, Sicherheit und Transparenz. Wir lösen diesen Anspruch ein, indem wir eine geplante und reflektierte Dienstleistung erbringen.

Ein Meilenstein unseres internen Qualitätsmanagement ist die flächendeckende Einführung und Umsetzung des Pflegeprozesses seit 1993.

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2. Qualität entwickelt sich im Zusammenwirken aller am
Pflegeprozeß Beteiligten


Angehörige und weitere Bezugspersonen, Ärzte und Therapeuten, Pflegefachpersonen, Hauswirtschafterinnen und Pflegehelferinnen gestalten gemeinsam den Pflegeprozeß.

Was heißt hier gemeinsam gestalten?

Bereits beim Erstbesuch fließen die persönlichen und familiären Vorstellungen, Gewohnheiten und Beschwernisse in die Erhebung des Pflegebedarfs und die Abstimmung der Pflegeerbringung ein.

Wir machen regelmäßig Pflegevisiten vor Ort bei den Patienten und Angehörigen durch die leitende Pflegefachkraft aber auch durch andere Pflege- und Hauswirtschaftsmitarbeiterinnen in Form von kollegialer Beratung.

Die Vertreterinnen aller Berufsgruppen, Krankenpflege, Altenpflege, Familienpflege, Hauswirtschaft und Pflegehilfe bringen ihre Erfahrungen und speziellen Sichtweisen ein.

Im Zusammenwirken mit dem Netzwerk des Klienten entsteht dann das, was wir ein ganzheitliches Angebot nennen.

[Seite der Druckausg.: 116]

Im Rahmen dieser Pflegevisiten und auch im Alltag in den standardisierten Dienstübergaben findet eine Einschätzung der Kundensicht und auch zum Teil Kundenbefragung statt.

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3. Qualität entsteht durch Fachlichkeit, Hermeneutik und
Management


Fachlichkeit wird in der Praxis weiterentwickelt und unter anderem dadurch gesichert, daß Fachliteratur gelesen wird. Wir haben fünf verschiedene Fachzeitungen abonniert. Es gibt Zuständigkeiten, wer welche Zeitung liest. Für uns relevante Aufsätze werden für alle fotokopiert. Da, wo sich die Pflegepraxis verändern sollte, wird das in der Dienstbesprechung miteinander vereinbart und schriftlich festgehalten.

Ich weise auf die Bedeutung systematischer Fortbildungsplanung hin. Sie ist bei uns bezogen auf die Patienten, die wir vornehmlich versorgen, zumeist Menschen mit Schlaganfall, Parkinson, Depression und dementiellen Erkrankungen.

Hermeneutik als sinnverstehendes Handeln und Denken in der Pflegebeziehung ist bei uns ein Schwerpunktthema. Es geht darum, die Sprache dementiell erkrankter Menschen zu verstehen.

Wichtig im ambulanten Feld ist außerdem, den Familiencodex zu kennen und nicht wertend in positiver Weise zu untersützten.

Unter Management verstehen wir hier die Kunst, Pflege auf diesem Niveau möglich zu machen.

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4. Selbst- und Fremdüberprüfung ermöglichen Bestätigung und Optimierung der Qualität

Selbstüberprüfung betreiben wir kontinuierlich über die Evaluation der Pflegeprozesse und -ergebnisse, Entwicklung von Kriterien für Zeitmanagement und Prioritätensetzung. Sie erfolgen in gemeinsamer Reflexion. Die Kunst ist es, die richtigen Prioritäten zu setzen und diese in einer angemessenen Zeit zu erbringen. Daneben geht es darum, kontinuierlich und achtsam das Wie der Dienstleistungserbringung zu überprüfen. Unser Schwerpunkt liegt bisher noch in der Selbstüberprüfung.

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Wir entwickeln schrittweise Instrumente zur Fremdüberprüfung innerhalb des internen Qualitätsmanagements, z.B. gegenseitiges Auditing der Fachpflegepersonen in unseren vier Stationen.

Im Bereich der Strukturqualität erfolgt Konkretisierung der Pflegekonzepte, der Ausbau des Risikomanagements und die Weiterführung der Standardisierungsinitiativen.

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Was wäre hilfreich für die Praxis?

  • Weiterentwicklung eines Standards zur Überprüfung der Einstufung.

Eine gute pflegerische IST-Situation darf meines Erachtens nicht in jedem Fall zur Aberkennung der Pflegestufe führen.

Es gilt Maßstäbe zu entwickeln, die unterscheiden lassen zwischen einer Verbesserung der Gesamtsituation des Pflegebedürftigen und einer Situation, in der ständige Pflege und Begleitung der Pflegeeinrichtung und der Familie die Verbesserung bewirken.

Ständige Verunsicherung in der Frage finanzieller Absicherung des Risikos Pflegebedürftigkeit führt jedoch zur Verunsicherung der Pflegebedürftigen und wirkt sich damit negativ auf das Vertrauen und die Pflegebeziehung aus.

  • Gemeinsame Bemühungen um den gemeinsamen Kunden

Gestaltung des Kontaktes zwischen Pflegeeinrichtung und MDK sollte nicht dem Zufall überlassen sein. Sinnvoll wäre hier ein Standard dahingehend, gemeinsame Bemühungen bewußt zu gestalten.

Eine angemessene Versorgungssituation der Pflegebedürftigen muß ein gemeinsames, erklärtes Ziel sein.

  • Qualitätsarbeit kostet Geld

Bei ständiger Verdichtung der Pflegearbeit sollen und müssen sich MitarbeiterInnen persönlich und fachlich weiterentwickeln. Das ist ein Anspruch, der Zeit und Geld kostet.

Qualitätsarbeit muß daher als Kostenfaktor in die Vergütungsverhandlungen eingehen.

[Seite der Druckausg.: 118 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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