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TEILDOKUMENT:




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Ursula Boos-Nünning
Gleichbehandlung durch Quotierung?
Strategien zur beruflichen Eingliederung junger Zuwanderer




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1. Der immer noch schwierige Weg in eine berufliche Ausbildung

Heute wie früher finden Jugendliche ausländischer Herkunft weitaus seltener als deutsche Jugendliche in eine berufliche Ausbildung, und noch seltener bekommen sie eine Stelle in dem von ihnen gewünschten Beruf. Heute wie früher werden die Gründe in der Person des oder der Jugendlichen (fehlende oder schlechte Schulabschlüsse, mangelhafte deutsche Sprachkenntnisse) gesucht (s. dazu Boos-Nünning 1996). Solche Begründungen mögen für einen Teil der Jugendlichen ausländischer Herkunft gelten; ein erheblicher Teil verfügt jedoch über die notwendigen Schulabschlüsse mit entsprechend guten Noten und Qualifikationen, ist zweisprachig und bikulturell aufgewachsen – und ist dennoch beim Zugang in eine berufliche Ausbildung und später in eine berufliche Tätigkeit gemessen an deutschen Jugendlichen benachteiligt. Anders als der überwiegende Teil der Darstellungen, die sich auf Jugendliche mit schlechten Bildungsabschlüssen und Voraussetzungen richten, soll hier der Frage nachgegangen werden, wie es denjenigen ergeht, die über die für die Aufnahme der Ausbildung oder für den Erhalt einer Stelle notwendigen Voraussetzungen verfügen. An drei Beispielen sollen (ausländer)spezifische Hindernisse deutlich gemacht werden. Dabei wird der Blick auf die einstellenden Organisationen und Einrichtungen und auf die Reaktionen der deutschen Gesellschaft gerichtet. Die Sichtweisen und Reaktionen der Jugendlichen ausländischer Herkunft selbst bleiben unberücksichtigt.

Erstes Beispiel: Diskriminierung aufgrund von Zuschreibungen

Ein Mädchen oder ein Junge ausländischer Herkunft sucht eine Ausbildungsstelle im dualen System, etwa im kaufmännischen Bereich. Immer

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dann, wenn sie sich um Stellen bewerben, die auch für deutsche Jugendliche attraktiv sind, haben sie nur geringe Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Der Grund liegt im Auswahlverfahren der Betriebe und in den Auswahlkriterien der Ausbilder und Ausbilderinnen. Einzelne Studien belegen, daß ethnische Diskriminierung auch und gerade bei schulisch gut qualifizierten Jugendlichen ausländischer Herkunft stattfindet (s. Universität Bremen – KUA 1997).

Die ethnische Diskriminierung wird durch unterschiedliche Sachverhalte legitimiert. Es werden die Mechanismen herausgestellt, die diese Jugendlichen hinter deutschen zurückstehen lassen, so z. B. die fehlende bzw. geringere Einbindung der Jugendlichen und ihrer Familien in soziale Netzwer-
ke, die den Bewerbern bessere Ausgangsbedingungen verschaffen, und die Auswahlkriterien der Betriebe, die soziale Hintergrundmerkmale und soziale Orientierungen (z. B. Aussehen, Integrationsbereitschaft) berücksichtigen (vgl. König 1991; Schaub 1991). Betriebe sind interessiert, homogene Arbeitsgruppen zu bilden, damit die Reibungsverluste gering bleiben. Je abgeschlossener Jugendliche ausländischer Herkunft aufwachsen, desto eher sehen und betonen sie die Gefahr, daß diese berufs- und ausbildungsrele-
vante Qualifikationen, die nicht ausschließlich oder nicht überwiegend durch die Schule vermittelt werden, nicht erlernt haben. Dadurch werde – so die Betriebe - die Übernahme in eine Ausbildung erschwert oder verhindert. Durch die Ausklammerung von Bewerbern und Bewerberinnen, die über vom Betrieb erwartete soziale (Hintergrund)Variablen nicht verfügen oder von denen Störungen erwartet werden, sucht der Betrieb die Reibungsverluste so gering wie möglich zu halten. Jugendlichen ausländischer, insbesondere solcher türkischer Herkunft werden solche störenden Sozialisationsfaktoren und durch sie bedingtes Verhalten unterstellt, insbesondere unzureichende Kenntnis der deutschen (Betriebs)Kultur (wegen der fehlenden Einbindung der Jugendlichen und ihrer Familien in deutsche soziale Netzwerke) und das Fehlen von Fertigkeiten, die außerhalb der Bildungsinstitutionen erwerbbar sind. Außerdem werden aufgrund der Zugehörigkeit zu einer anderen Kultur spezifische Schwierigkeiten erwartet (z. B. Überziehung des Urlaubs, Verweigerung von Tätigkeiten, Nichtakzeptanz von Arbeitszeiten, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen).

In Kleinbetrieben, insbesondere im Handwerk und in freien Berufen, spielen außerdem vermutete Kundeninteressen eine Rolle. Diese Antizipation kann

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sich dann positiv auswirken, wenn Personen mit spezifischen sprachlichen Qualifikationen und Hintergrundkenntnissen gewünscht werden (z. B. in der Anwalt- oder Arztpraxis). Negativ wirkt sich hingegen die Befürchtung aus, daß Auszubildende ausländischer Herkunft von den Kunden nicht akzeptiert werden. Hinzu kommt das Bedenken, daß bei Jugendlichen ausländischer Herkunft wegen zu geringer deutscher Sprachkenntnisse und wegen zu geringer Schulkenntnisse der theoretische Teil der Ausbildung Schwierigkeiten bereiten und sich negative Erfahrungen mit einem oder einer Auszubildenden ausländischer Herkunft dahingehend auswirken könnten, daß Auszubildende ausländischer Herkunft grundsätzlich abgelehnt werden. Solange deutsche Auszubildende zur Verfügung stehen, die über bessere Voraussetzungen bzw. weniger „negative Merkmale" verfügen, besteht für den Ausbilder kein Grund, auf Auszubildende ausländischer Herkunft zurückzugreifen. Die – aus seiner Sicht – mit einer solchen Einstellung verbundenen Risiken lassen sich ohne weiteres vermeiden. Als wesentliche Bedingung für den Erfolg der Ausbildung und daher auch als Maßstab für den Zugang zu einer Ausbildungsstelle wird selbst bei Betrieben, die den vorherigen Überlegungen nicht folgen, die „Integration" angesehen. Erwartet werden eine weitestgehende Anpassung und Signale für eine Anpassungsbereitschaft, gemessen an der Beherrschung der deutschen Sprache, an den Kleidungsgewohnheiten und am Verhalten. Nahezu jede Abweichung kann zur Ablehnung führen.

Zweites Beispiel: Diskriminierung aufgrund betrieblicher Organisation und Tradition

Im Zugang zu einer Ausbildung in einem Großbetrieb spielen Zuschreibungen eine weniger große Rolle. Aber auch und gerade hier finden Jugendliche ausländischer Herkunft weniger Berücksichtigung als deutsche Jugendliche. Viele Großbetriebe haben keine oder kaum Auszubildende ausländi-
scher Herkunft. Organisierte Diskriminierung in Großbetrieben vollzieht sich weitgehend sprachlos und – so läßt sich ergänzen – selbstverständlich.

Bommes (1996, S. 4) ermittelt, daß die Jugendlichen bei der Wahl der Ausbildungsstelle in einem Großbetrieb häufig in familiäre Traditionen eintreten und daß der Betrieb vor allem solche Jugendliche rekrutiert, deren Vater, Mutter oder andere Verwandte im selben Betrieb tätig sind. Ein erheblicher

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Teil der Ausbildungsstellen wird aufgrund von „guten Worten" und Wünschen Vorgesetzter, des Betriebsrates oder von Kollegen, also über informelle Beziehungen, vergeben. Sie resultieren auf Traditionsbindung bei den Ausbildungsstellen-Suchenden auf der einen und bei den Großbetrieben auf der anderen Seite und begründen in ihrem Verlauf eingespielte, routinisierte und schweigend akzeptierte Inklusionsverhältnisse. Jugendliche ausländischer Herkunft bleiben ausgeschlossen. Sie bzw. ihre Eltern waren nicht dabei, als sich Traditionen der Regelung der Inklusionsverhältnisse herausbildeten und einspielten. Weder die (fehlende) Qualifikation der Jugendlichen ausländischer Herkunft noch Diskriminierung, die sich auf Rassismus und Vorurteile zurückführen ließ, liefern demnach zureichende Erklärungen für den Ausschluß von Ausbildungsstellen. „Einbezogen werden die, die beim Aufbau der Netze die Einkoppelung ermöglichen, dabei waren. Solche Netze funktionieren aber auch nur, wenn sie zugleich wirksam ausschließen. Wirksamkeit ist hier aber vor allem gewährleistet durch sprachlos eingespielte Verhältnisse hinter den Stellwänden der offiziellen Darstellungen von Berufen und ihren Grundlagen. Solche Beschreibungen der Inklusionsverhältnisse als Ergebnis von Leistung und Qualifikationen verstellen die zentralen Mechanismen der Rekrutierung und ermöglichen so ihre Fortsetzung. Betriebliche Kernbelegschaften verteidigen in den etablierten Inklusionsverhältnissen ihre Stellungen (werden dabei auch schon mal rassistisch) und verschlechtern in dieser Verteidigung die Position all derjenigen, die draußen sind." (Bommes 1996, S. 42).

Drittes Beispiel: Die Erschwerung des Zugangs zu einer beruflichen Ausbildung durch institutionelle Diskriminierung

In einigen Berufen – insbesondere im sozialen Bereich – erfolgt eine Diskriminierung von Stellensuchenden ausländischer Herkunft aufgrund der Einstellungsbedingungen der Träger. Dieses soll am Beispiel der Erzieher und Erzieherinnen dargestellt werden. Die Erzieherinnen - überwiegend sind es Frauen - werden in der Berufsfachschule für Sozialpädagogik ausgebildet. Eingestellt werden sie vom Träger der jeweiligen Kindertagesstätten. Der Anteil der in Nordrhein-Westfalen tätigen Erzieherinnen mit ausländischem Paß ist sehr gering: Er stieg von 1,6% 1992 auf 2,4% 1994.

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Daraus könnte geschlossen werden, daß Mädchen ausländischer Herkunft an diesem Ausbildungsberuf wenig Interesse hätten. Gestützt wird eine solche Überlegung durch den Sachverhalt, daß sich 1994/95 nur 211 Mädchen türkischer Herkunft in dieser Ausbildung befanden und daß die Zahlen zwar ansteigen, aber keineswegs der Zahl der Kinder mit türkischem Paß entsprechen. Diese Überlegung steht allerdings im Gegensatz zu der Bevorzugung, die eine schulische Ausbildung, insbesondere die an Fachschulen, von seiten der Mädchen ausländischer Herkunft erfährt. Ein Blick auf die Statistik zeigt, daß sie überwiegend Fachschulen öffentlicher Träger besuchen. Fachschulen oder auch Kollegschulen öffentlicher Träger haben einen weitaus höheren Anteil von Schülerinnen ausländischer Herkunft als die mit konfessionellen, insbesondere katholischen Trägern.

Die Arbeit von Martensen (1996), die auf der Auswertung von Statistiken und Experten- und Expertinneninterviews beruht, geht von Zugangsbarrieren bei dem Übergang in eine Berufsfachschule für Sozialpädagogik aus. Gründe seien die Verallgemeinerung von Defizitfeststellungen bei Mädchen ausländischer Herkunft, insbesondere hinsichtlich des Bildungsniveaus und der kulturellen Muster. Eine Lösung - so scheint es - wird in einer Empfehlung für die Ausbildung zur Kinderpflegerin gesehen; hier beträgt der Ausländerinnenanteil über 10%. Die Schulen selegieren die Mädchen: 1993 war die Durchfallquote der Mädchen ausländischer Herkunft in den Fachschulen öffentlicher Träger - für die anderen liegen keine Zahlen vor - deutlich höher als die der deutschen Mädchen: 40% der Mädchen ausländischer Nationalität blieb ohne Abschluß (deutsche: 10%). Eine weitere Barriere besteht im Übergang in eine Berufstätigkeit. Trotz der geringen Zahl der Absolventinnen in NRW liegt die Arbeitslosenquote der Erzieherinnen nicht-deutscher Herkunft mit 10,64 % deutlich über der der deutschen Erzieherinnen.

Die Gründe verweisen auf die Bedeutung der Freien im Vergleich zu den öffentlichen Trägern im Bereich der Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen. Zwei Drittel der Kindergartenplätze werden von Freien Trägern gestellt. Auf die Träger bezogen, gehören (1994) 80% der freien Wohlfahrtspflege an, davon wiederum sind 80% konfessionelle Träger. Demnach ist eine erhebliche Zahl aller Einstellungen von Erzieherinnen von konfessionellen Trägern vorgenommen worden. Martensen führt dazu aus: „Die gravierendsten Merkmale der kirchlichen Träger auf dem Arbeitsmarkt

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sind die Anforderungen an ihre Mitarbeiter, die über die sonst üblichen Formalqualifikationen als Einstellungskriterium hinausgehen, wie das Kriterium der Konfessionszugehörigkeit und der persönlichen Lebensumstände des Arbeitnehmers. Infolgedessen werden Bewerber und Angestellte aufgrund ihres Glaubens oder einer zweiten Eheschließung nicht eingestellt oder gar entlassen. Die konfessionellen Träger stellen nur Bewerber und Bewerberinnen ein, die der Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen (ACK-Klausel) zuzuordnen sind und ihre Ausbildung an einer konfessionellen Fachschule absolviert haben." Diese Zugangsbedingungen sperren Erzieherinnen muslimischer Religion institutionell aus. Auf diesen Punkt wird in den Expertengesprächen in der Untersuchung von Martensen (1996,
S. 100 f.) deutlich hingewiesen.

Die Einstellungsbarrieren und die ablehnende Haltung seitens der Träger und der Kindergärten hat zwei Konsequenzen:

  • In der Berufsberatung wird muslimischen Mädchen wegen der Dominanz konfessioneller Träger von einer Ausbildung zur Erzieherin abgeraten (ebenda S. 83 f.);
  • Die Mädchen ausländischer Herkunft ändern ihre Ausbildungswünsche wegen der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten und entscheiden sich nicht für diesen Tätigkeitsbereich.

Der Kreislauf ist geschlossen: Weil durch die Einstellungsbedingungen der Träger Mädchen mit muslimischer Religion von dem Beruf der Erzieherin weitgehend (in zwei Drittel aller Kindergärten in Nordrhein-Westfalen) ausgeschlossen sind, rät die Berufsberatung ab, und die Mädchen wenden sich anderen Berufen zu. Falls dann aber Erzieherinnen mit zweisprachiger und bikultureller Kompetenz gesucht werden, wird auf das fehlende (lokale) Angebot verwiesen.

Diese Form der institutionellen Benachteiligung besteht in vielen sozialen Berufen. Das im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerte Subsidaritätsprinzip und die daraus abgeleitete Bevorzugung der Freien Träger der Jugendhilfe und die Bedeutung der Kirchen und kirchlichen Organisationen gerade auch in Nordrhein-Westfalen schränkt den Arbeitsmarkt für Mädchen ausländischer Herkunft in den ihnen zugängigen und von ihnen akzeptierten Berufen ganz entscheidend ein. Die berufspolitische Bedeutung

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des Vorranges der Freien Wohlfahrtspflege gegenüber den kommunalen und staatlichen Einrichtungen ist bisher kaum thematisiert worden. Der Deutsche Caritasverband und das Diakonische Werk der EKD als die christlichen Einrichtungen unter den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege stellen mit (1992/93 ganz Deutschland, s. Boeßenecker 1995, S. 16) über 730.000 Beschäftigten wichtige Arbeitgeber im sozialen Bereich dar. Sie halten weitestgehend an den vorne angesprochenen Ex- und Inklusionskriterien fest. Diese schaffen enorme Beeinträchtigungen im Zugang zu sozialpädagogischen Berufsfeldern für nichtchristliche Stellensuchende. Diese führen zu einer institutionellen Diskriminierung.

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2. Der Versuch einer Einordnung

Diskriminierung von ausreichend oder gut qualifizierten Jugendlichen hat verschiedene Ursachen. Einige wurden hier aufgezeigt. Diskriminierung hat Konsequenzen. Das erste Ergebnis solcher Prozesse sind die geringen Ausbildungsquoten von Jugendlichen ausländischer Herkunft trotz Verbesserung der schulischen Voraussetzungen. Das zweite Ergebnis stellt das enge Berufsspektrum von Jugendlichen ausländischer Herkunft dar: Die Jungen lernen Kraftfahrzeugmechaniker, Elektro- sowie Gas- und Wasserinstallateur, Maler und Lackierer sowie Industriemechaniker; die Mädchen lernen Friseurin, Arzt- sowie Zahnarzthelferin oder Kauffrau im Einzelhandel, seltener im Groß- und Außenhandel, weil ihnen andere Berufe nicht offenstehen. In den als attraktiv angesehenen Ausbildungsberufen, vor allem im öffentlichen Dienst, sind sie kaum vertreten: 1995 waren nur 2,9 % der Auszubildenden nichtdeutscher Nationalität. Auch was die Aufnahme einer Arbeit anbetrifft, haben Menschen mit ausländischem Paß im öffentlichen Dienst schlechte Karten: der Anteil der erwerbsfähigen Ausländer an der Bevölkerung beträgt 15 % und der der erwerbstätigen 11 %, im öffentlichen Dienst sind jedoch nur 7 % Ausländer beschäftigt, und zwar – nur belegt für den kommunalen Sektor – überwiegend in Arbeiterpositionen und im Reinigungsbereich, zuständig – wie es in einer Veröffentlichung heißt – für die deutsche Sauberkeit. In der Verwaltung außerhalb des Gesundheitsbereichs sind Angestellte mit ausländischem Paß selten (Lill 1996, S. 62, s. Ausländerbeauftragte des Landes Bremen 1996).

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Auf der Grundlage der Daten des Sozio-Ökonomischen-Panels wird zudem ermittelt, daß Ausländer im stärkeren Maße als Deutsche von einer Nichtübereinstimmung zwischen ihren erworbenen und den für die Tätigkeit erforderlichen Qualifikationen betroffen sind. Dieses gilt – wenn auch deutlich abgeschwächt – auch für die Jugendlichen ausländischer Herkunft, die die deutsche Schule besucht haben (Szydik 1996, S. 668 f.). Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit ausländischem Paß haben nicht nur beim Schulbesuch und bei der Berufsausbildung schlechtere Chancen, sondern auch beim Zugang in eine ihrer Qualifikation entsprechenden Position auf dem Arbeitsmarkt. Dieses läßt sich für die Nationalitäten, die über eine höhere Anzahl gut qualifizierter Personen verfügen (z. B. Spanier) eindeutiger belegen als für Gruppen mit einer geringeren Anzahl (z. B. Türken). „Da für Ausländer relativ wenige anspruchsvolle Stellen zur Verfügung stehen, dürften ethnische Gruppen mit relativ vielen gut Ausgebildeten aber besonders viele Überqualifizierte aufweisen." (Szydik 1996, S. 673). Ausländische Arbeitskräfte und auch Jugendliche ausländischer Herkunft sind daher weitaus häufiger als deutsche in einem Arbeitsmarktsegment tätig, das schlechtere Arbeitsbedingungen, geringere Einkommen und größere Beschäftigungsrisiken aufweist als ein Großteil der sonstigen Tätigkeiten. Alle Darstellungen und Untersuchungen belegen, daß – nach wie vor – Ausländer und Ausländerinnen in den beruflichen Bereichen überrepräsentiert sind, in denen es sich um einfache Tätigkeiten handelt, die geringe Qualifikationen voraussetzen. In Tätigkeitsbereichen mit höherer Qualifikation sind sie deutlich unterrepräsentiert (s. Räthzel 1995). Auch bei den Jugendlichen sind keine entscheidenden Aufwärtsbewegungen zu vermerken (s. dazu Seifert 1994): Sie sind gegenüber den einheimischen Jugendlichen auch dann benachteiligt, wenn sie die deutsche Schule besucht haben und über entsprechende Schulabschlüsse verfügen. Die Verbesserung der schulischen Voraussetzungen vergrößert nicht notwendigerweise die Chancen auf eine attraktive Ausbildungsstelle, und die Erhöhung der Qualifikation durch eine Ausbildung ermöglicht nicht unbedingt den Zugang zu einer besseren beruflichen Position.

Die schon zitierte Bremer Studie (Universität Bremen-KUA 1997, S. 75 ff.) weist die Betonung von ökonomisch-zweckrationalen Diskriminierungsmotiven als verengt betriebswirtschaftlich gesehen zurück und verweist auf gesellschaftliche Erklärungsansätze. Die drei vorne geschilderten Beispiele

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verweisen auf solche gesellschaftlichen Mechanismen, die junge Menschen ausländischer Herkunft im Zugang zu Ausbildung und Beruf diskriminieren.

Eine erste Erklärung findet sich in dem Bild, das von Jugendlichen ausländi-scher Herkunft besteht und das sich nicht nur bei Ausbildern und Ausbilderinnen und potentiellen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen verfestigt hat. Diese Gruppe wird als defizitär wahrgenommen; es besteht nahezu Einigkeit darüber, was sie alles nicht kann oder über welche Fähigkeiten sie nicht verfügt: Sie beherrschten die deutsche Sprache, insbesondere die Fachsprache, weniger als deutsche Jugendliche, sie besäßen Mängel in der Fach-
theorie und ihnen fehle kulturelles Hintergrundwissen. Vor allem besäßen sie eine andere Kultur und einen anderen familiären Hintergrund (zu den Bildern der Ausbilder s. Boos-Nünning 1994). Es geht in diesem Zusammenhang nicht um die Frage, ob es sich bei den Schilderungen der Ausbilder – ähnliche liegen von anderen Berufsgruppen vor – um reale Probleme, um Verallgemeinerungen von Einzelerfahrungen oder um zugeschriebene Verhaltensweisen handelt. Es interessiert nur, daß Jugendliche ausländischer Herkunft beim Übergang in die berufliche Ausbildung wie auch in der beruflichen Ausbildung selbst nur unter zwei Aspekten gesehen werden. Eine Gruppe – und dies im Verständnis der Ausbilder und Ausbilderinnen ist zahlenmäßig die größere – wird als defizitär in der oben beschriebenen Weise charakterisiert. Gegen diese Gruppe wird eine andere positiv abgegrenzt, die keine Probleme mache und habe und ohne weiteres in eine berufliche Ausbildung übernommen werden könne. Die Jugendlichen seien „wie Deutsche". Für die erste Gruppe sollen kompensatorische Hilfen entwickelt werden, wie z. B. eine soziale Betreuung im Betrieb zur Verbesserung der beruflichen und sozialen Integration, zusätzlicher Unterricht zum Abbau sprachlicher und fachspezifischer Defizite während der Ausbildung, Hilfen bei der außerschulischen Sozialisation bzw. bei der Überwindung familiärer Schwierigkeiten. Das Bild vom Jugendlichen ausländischer Herkunft als mit Defiziten behaftet und fremd (und damit unberechenbar) ist weit verbreitet.

Die zweite Erklärung richtet sich auf die Schließung der Arbeitsmärkte aufgrund langjähriger Traditionen, die die zugewanderten Gruppen nicht berücksichtigen. Der Zugang zu hoch bewerteten Arbeitsstellen, auch zu Ausbildungsstellen in einem Großbetrieb, wird durch die Einbindung in soziale Netzwerke erleichtert oder sogar erst ermöglicht. Jugendlichen ausländi-

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scher Herkunft, deren Eltern nicht über Beziehungen im deutschen Kontext verfügen, die weder Macht noch Einfluß haben, fehlt der Zugang zu den Strategien, die die eigene Position verbessern helfen. Der Zutritt zu den Netzwerken ist Migranten und ihren Kindern und Kindeskindern verwehrt. Auch der Zugang zu Tätigkeiten in Verwaltungen und Einrichtungen erfolgt nicht selten aufgrund von Kontakten und Beziehungen und nicht ausschließlich und in erster Linie aufgrund der vorgewiesenen Qualifikation.

Der in Deutschland bedeutsame Arbeitsmarkt für soziale Dienste – so die dritte Erklärung - sperrt die Jugendlichen nicht-christlicher Religion partiell aus. Der Mechanismus wurde am Beispiel des Berufes der Erzieherin belegt. Ähnliches gilt für in Erziehungsberatungsstellen oder für in der Kinder- und Jugendarbeit tätige Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen, Psychologen und Psychologinnen und Absolventen und Absolventinnen anderer Fächer. Die historisch gewachsene Einbindung der Verbände in das Staatssystem – als Korporatismus bezeichnet – wird zur Inklusionsstrategie für die Einheimischen und führt zur Exklusion für einen erheblichen Teil der Eingewanderten. Seine rechtliche Verankerung findet der Ausschluß im Subsidiaritätsprinzip, das der freien Wohlfahrtspflege Vorrang vor staatlichen und kommunalen Einrichtungen einräumt. Da es sich bei den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege zu einem erheblichen Teil um christliche Verbände handelt, bleiben die nicht-christlichen Einwanderer außen vor.

Entweder bleiben die Kinder und Kindeskinder der Einwanderer institutionell ausgesperrt, oder ihnen wird dank Traditionen oder auf der Grundlage von Entscheidungen im Bewerbungsprozeß der Zugang zu Positionen verwehrt, auf die sich deutsche Jugendliche mit ähnlichen Voraussetzungen erfolgreich bewerben. Diese Prozesse führen im Ergebnis zu einer Gesellschaft, in deren gehobenen Positionen und erst recht in deren Spitzenposi-
tionen die eingewanderten Gruppen so gut wie nicht vertreten sind, weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Vielmehr bleiben die „Ausländer" – so sie denn Arbeit haben – in den unteren Positionen. Die Deutschen bleiben gleichzeitig in den mittleren und gehobenen Positionen unter sich. Kinder und Kindeskinder von Einwanderern sind weder in den Spitzen von Politik oder Verbänden vorzufinden; selten haben sie mittlere (Leitungs)positionen inne, es sei denn in den eigenen ethnischen Communities oder in „Ausländervertretungen". Die Inklusions- und Exklusionsstrategien der deutschen Einrichtungen verhindern den Zugang oder – falls dieser

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doch ermöglicht wird – den Aufstieg in der Institution, nicht selten indem die Zuständigkeit auf Migrationsfragen und auf den Kontext der Migranten und Migrantinnen eingeschränkt wird. Immer häufiger und deutlicher reklamieren die gut ausgebildeten jungen Migranten der dritten Generation die gut bezahlten, bisher Deutschen vorbehaltenen Positionen des tertiären Sektors (so Jaschke 1996, S. 235).

Werden die Gründe für die Exklusion der Zugewanderten nochmals hinterfragt, so wird über die durch rechtliche Vorgaben bedingte institutionelle Diskriminierung und die durch generalisierte Bilder von den eingewanderten Fremden bedingte Ablehnung hinaus, auf das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den eingewanderten Bevölkerungsgruppen auf der einen und auf die (fehlende) Einwanderungspolitik in Deutschland auf der anderen Seite einzugehen sein. Ein erheblicher Teil der (west)deutschen Bevölkerung hat das Zusammenleben mit den eingewanderten Gruppen nicht akzeptiert. Seit Untersuchungen vorliegen, machen sie Ablehnung oder Reser-
ven gegenüber ausländischen Arbeitskräften deutlich (Schönwalder 1991;
s. auch Silbermann / Hüsers 1995), stets erklärt ein Teil (1964: ein Drittel der Befragten, ebd., S. 2), die Gastarbeiter seien ein schwieriges Problem für uns, schon 1967 fand sich eine Mehrheit von 67 Prozent, die der Ansicht waren, es seien zu viele Gastarbeiter gekommen. Fremdenfeindliche oder fremdenablehnende Denkmuster und Einstellungen sind selbstverständlicher Teil von Alltagsdeutungen, und sie werden von einem erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung für legitim gehalten. Als Gründe für die Ablehnung werden weniger die Konkurrenz um Arbeitsplätze als vielmehr die Fremdheit der Einwanderer, ihre Mentalität, das Anderssein angeführt. Fremdes Aussehen (Haut- und Haarfarbe) verstärkt die Abwehrhaltungen. Manches spricht dafür, daß das Niveau fremdenfeindlicher Einstellungen in der Bevölkerung in Abhängigkeit weniger vom Zuzug selbst als von Krisenerfahrungen und von öffentlicher Thematisierung eines angeblichen „Ausländerproblems" schwankt. Dieses verweist auf den Anteil, den die Politik und die öffentliche Thematisierung auf das Bewußtsein hat. Ein Land, dessen Politiker bestreiten, daß es ein Einwanderungsland sei (und damit nicht nur die zukünftige Zuwanderung, sondern immer auch die Einwanderung im Rahmen von Arbeitsmigration und Flucht meinen), kann Einwanderern keine zureichenden Perspektiven bieten. Vor allem aber schafft es ein falsches Bewußtsein bei der deutschen Bevölkerung und in

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den deutschen Organisationen und Einrichtungen. Es wird suggeriert, daß die Frage der beruflichen Integration und des beruflichen Aufstiegs der Einwanderer nur diese selbst beträfe. Die Exklusionsstrategien und -mechanismen werden nicht als Problem des Zusammenlebens von Deutschen und eingewanderter Minderheit eingeordnet.

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3. Schaffung von Gleichbehandlung als politisches Ziel

Junge Menschen ausländischer Herkunft sind beim Zugang in die Berufsausbildung und in den Arbeitsmarkt aufgrund ethnischer Diskriminierung benachteiligt. Gerechtigkeit für diese Gruppe bedeutet das Schaffen von Bedingungen, die ihnen den Zugang zu qualifizierten Berufen in gleicher Weise wie deutschen Jugendlichen sichern. Es geht um die Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund in allen Positionen und auf anderen Ebenen und eine Verringerung der Zugangsbarrieren. Die wirken, wie in den Beispielen dokumentiert wurde, sprachlos, subtil und selbstverständlich.

Was kann getan werden, um den Anteil von Jugendlichen ausländischer Herkunft zu verringern, die trotz guter schulischer Qualifikation keine Ausbildungsstelle oder die trotz Ausbildung oder Studium keine Arbeitsstelle erhält? Keine Lösung stellt für diese Gruppe die in dem überwiegenden Teil der Veröffentlichungen vertretene Vorstellung dar, den Abstand zu den deutschen Jugendlichen durch kompensatorische Maßnahmen zu verringern (s. Bendit 1997). Förderunterricht, ausbildungsbegleitende Hilfen nutzen Jugendlichen mit Defiziten, nicht aber der großen Zahl derjenigen, die trotz guter Qualifikation wegen der Exklusionsstrategien und den in der deutschen Gesellschaft vorhandenen Fremdheitsdefinitionen ausgesperrt bleibt (s. Winkel 1993). Auch die Verbesserung der Beratung ist für diese Jugendlichen nicht vonnöten: sie wissen durchaus, welche Berufe sie lernen und welche Stellen sie innehaben möchten; ihnen fehlen allein die Zugangsmöglichkeiten.

Die Einbringung interkultureller Vorstellungen in die Berufsbildung und in den beruflichen Bereich würde eher weiterhelfen, würde aber ein heute kaum vorstellbares radikales Umdenken verlangen. Jugendliche ausländischer Herkunft müßten dann als Potential angesehen, ihre Ausbildung als

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Option für Deutschland im Hinblick auf das zukünftige Europa betrachtet werden. Der notwendige Perspektivenwechsel verlangt, daß die Kompetenz der Jugendlichen ausländischer Herkunft in der Berufsausbildung berücksichtigt und positiv bewertet und aufgegriffen würde. Die Zweisprachigkeit, das Vermögen, sich in zwei Kulturen zu bewegen, die Fähigkeit, Identität unter den Bedingungen der Migration entwickelt zu haben, würden dann als Potential erkannt und für die Ausbildung und die berufliche Tätigkeit nutzbar gemacht werden (s. dazu Boos-Nünning 1994). Solche Änderungen in den Sichtweisen sind nicht zu erwarten, solange Menschen mit Migra-
tionshintergrund auf die unteren beruflichen Positionen verwiesen bleiben. Und es ist nicht zu erwarten, daß das hier geforderte Umdenken unter den Bedingungen der inferioren Stellung der Ausländer in Deutschland erfolgt. Änderungen, die die Rechtsstellung der Ausländer durch die Erleichterung der Einbürgerung mit der Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit bzw. der sogenannten Kinderstaatsangehörigkeit verbessern, stellen nur eine notwendige, aber keine zureichende Voraussetzung für eine Verbesserung dar, da die vorne geschilderten Diskriminierungsformen auch deutschen Staatsbürgern ausländischer Herkunft oder muslimischer Religion gelten. Dennoch bildet die rechtliche Gleichstellung und die rechtliche Sicherheit die Grundlage für die im folgenden geschilderten rechtlich-politischen Maßnahmen: Antidiskriminierungsgesetze und Quotierung bei der Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst.

Der Diskriminierungsschutz von Ausländern oder von ethnischen Minderheiten ist in Deutschland weitaus weniger entwickelt als in den meisten Industrienationen (s. dazu Nickel 1996, S. 17). Die Bundesrepublik Deutschland hat immerhin 1969 das internationale Übereinkommen zur Beseitigung von Rassendiskriminierung unterzeichnet und sich ausdrücklich zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik verpflichtet. Probleme liegen in der Ausführung, und zwar vor allem in zwei Punkten: in dem Fehlen einer Umsetzung, etwa in Form eines Antidiskriminierungsgesetzes (ebenda, S. 25), und in Defiziten im Rechtsschutz bei Diskriminierungen im privaten Bereich. Es wird beklagt, daß mit Ausländern oder ausländisch aussehenden Deutschen keine Miet- oder Arbeitsverträge abgeschlossen werden und daß bereits in den Stellen- oder Wohnungsanzeigen Ausländer als Bewerber ausdrücklich ausgeschlossen werden (ebenda, S. 31). Der Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz bindet den Gesetzgeber und die staatlichen Instanzen sowie die Gerichte.

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Schutz gegen Diskriminierung durch Privatpersonen ist nur bei strafbarem Verhalten vorhanden. Diskriminierungen im Arbeitsbereich sowohl beim Abschluß des Arbeitsvertrages (s. dazu Goldberg u. a. 1995; Räthzel 1995; Rieker 1991) als auch am Arbeitsplatz selbst (s. dazu Gillmeister u. a. 1989; Freyberg 1994) lassen sich nur ahnden, wenn der Grund für die Abweisung in Erfahrung gebracht werden kann.

Auch um die Anteile von Jugendlichen ausländischer Herkunft in entsprechenden beruflichen Positionen zu erhöhen, werden seit langem Lösungsansätze vorgestellt und diskutiert. Für den öffentlichen Dienst wird empfohlen, rechtliche und administrative Zugangsbarrieren zu verringern, um Ausbildende und Angestellte nicht-deutscher Herkunft gezielt zu werben, dieses in Stellenanzeigen und Ausschreibungen auszudrücken, sie für Bewerbungen zu ermutigen und sie vorrangig einzustellen. Die Zweisprachigkeit der Zugewanderten und ihre interkulturellen Kompetenzen sollen als Qualifikationsmerkmal berücksichtigt werden, ebenso ihre Mobilitätserfahrung oder die ihrer Eltern. Ähnliche Forderungen richten sich an die Freien Träger (s. Lill 1996, S. 67 f.) und an private Arbeitgeber. Diese Appelle haben nichts oder wenig bewirkt.

Das Antidiskriminierungsgebot muß daher – soll es je wirkungsvoll sein – durch eine Quotierungsvorschrift ergänzt bzw. erweitert werden. Erst diese sichert die Repräsentanz von Personen mit Migrationshintergrund in allen Positionen. Vorschläge dazu hat Lill vorgestellt (1996, S. 68). Neben dem öffentlichen Dienst sind auch die Freien Träger in die Regelungen einzubeziehen. Bei den verbandlichen und politischen Gremien wird die Forderung nach einer paritätischen Besetzung der Führungspositionen und –ämter auf allen Ebenen erhoben.

Vorrangiges Ziel der Quotierung ist nicht die Verbesserung der beruflichen und politischen Situation dieser Gruppe und erst recht nicht die Verbesserung der beruflichen Situation und damit der Lebensperspektiven der einzelnen Person mit Migrationshintergrund, sondern das Präsentmachen und das Präsentwerden der ethnischen Minderheiten im beruflichen und öffentlichen Leben. Strukturelle Ungleichheiten, die durch Exklusionsstrategien entstanden sind und ständig neu entstehen, können nicht durch pädagogische Maßnahmen und selbst nicht durch Antidiskriminierungsverordnungen aufgehoben werden. Sie verlangen Zugänge, die geschlossen sind, durch

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politische Setzungen zu öffnen. Quotierung dient daher nicht der (individuellen) Gerechtigkeit, aber sie dient dem inneren Frieden in Deutschland und sichert die Zukunft in dieser sich längst als multikulturell darstellenden Gesellschaft.

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Literatur

Ausländerbeauftragte des Landes Bremen (1996): Vor allem zuständig für die deutsche Sauberkeit. Ausländische Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, Bremen

Bade, Klaus J. (Hrsg.) (1994): Das Manifest der 60. Deutschland und die Einwanderung, München

Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer (Hrsg.) (1997): In der Diskussion: Integration oder Ausgrenzung? Zur Bildungs- und Ausbildungssituation von Jugendlichen ausländischer Herkunft, Mitteilungen Nummer 7, Bonn

Bendit, René (1997): „Wir wollen so unsere Zukunft sichern". Der Zusammenhang von beruflicher Ausbildung und Lebensbewältigung bei jungen Arbeitsmigranten in Deutschland, Aachen

Boeßenecker, Karl-Heinz (1995): Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der BRD. Eine Einführung in Organisationsstruktur und Handlungsfelder, Münster

Bommes, Michael (1996): Ausbildung in Großbetrieben. Einige Gründe, warum ausländische Jugendliche weniger Berücksichtigung finden. In: Kersten, Ralph / Kiesel, Doron / Sargut, Sener (Hrsg.): Ausbilden statt Ausgrenzen. Jugendliche ausländischer Herkunft in Schule, Ausbildung und Beruf, Frankfurt / Main, S. 31 – 44

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Boos-Nünning, Ursula (1996): Zur Beschäftigung von Jugendlichen ausländischer Herkunft. Chancen und Möglichkeiten der Weiterentwicklung. In: Kersten, Ralph / Kiesel, Doron / Sargut, Sener (Hrsg.): Ausbildung statt Ausgrenzen. Jugendliche ausländischer Herkunft in Schule, Ausbildung und Beruf, Frankfurt / Main, S. 71 – 94

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Freyberg, Thomas v. (1994): Ausländerfeindlichkeit am Arbeitsplatz. Zur Untersuchung ethnischer Konflikte zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten. In: Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Studien zur aktuellen Entwicklung, Frankfurt a. M. / New York, S. 129 – 166

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König, Peter (1991): Bereitschaft von Betrieben, ausländische Jugendliche auszubilden oder einzustellen. In: Nieke, Wolfgang / Boos-Nünning, Ursula (Hrsg.): Ausländische Jugendliche in der Berufsausbildung. Auf dem Weg zur Chancengleichheit, Opladen, S. 63 – 84

König, Peter / Ammann, Wolfgang / Mehrländer, Ursula (1988): Berufswahl und handwerkliche Berufsausbildung türkischer Jugendlicher. Ergebnisse eines Modellprojektes, Bonn

Lill, Dagmar (1996): „Vor allem zuständig für deutsche Sauberkeit" – Ausländische Beschäftigte im öffentlichen Dienst. In: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung. Integration und Konflikt. Kommunale Handlungsfelder der Zuwandererungspolitik, Bonn, S. 57 – 69

Martensen, Kirsten Ute (1996): Ausbildung und Beschäftigung ausländischer Erzieherinnen in Kindergärten in Nordrhein-Westfalen. Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster (Westf.)

Nickel, Rainer (1996): Rechtlicher Schutz gegen Diskriminierung – Ein Leitfaden, hrsg. vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt

Räthzel, Nora (1995): Migranten und Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt – Formen der Diskriminierung. In: IZA 314, S. 26 – 33

Rieker, Peter (1991): Unverständnis - Verständnis - Mißverständnis. Schwierigkeiten beim Zugang junger Ausländer zur Berufsausbildung. Berlin

Schaub, Günther (1991): Betriebliche Rekrutierungsstrategien und Selektionsmechanismen für die Ausbildung und Beschäftigung junger Ausländer, Berlin / Bonn

Schmal, Andreas (1994): Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zwischen Bevölkerungsgruppen und Regionen. In: Montada, Leo (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit, Frankfurt / New York, S. 87 – 106

Schönwalder, Karen (1991): Zu viele Ausländer in Deutschland? Zur Entwicklung ausländerfeindlicher Einstellungen in der Bundesrepublik. In: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Heft 112: Über Minderheiten, 4, S. 1 – 11

Schulte, Axel (1997): Was tun gegen die Diskriminierung von Immigranten in Westeuropa? In: Die Brücke 94, S. 67 – 70

[Seite der Druckausg.: 89]

Seifert, Wolfgang (1995): Die Mobilität der Migranten. Die berufliche, ökonomische und soziale Stellung ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Eine Längsschnittanalyse mit dem Sozio-Ökonomischen Panel 1984 – 1989, Berlin

Silbermann, Alphons / Hüsers, Francis (1995): Der „normale" Haß auf die Fremden. Eine sozialwissenschaftliche Studie zu Ausmaß und Hintergründen von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, München

Szydik, Marc (1996): Ethnische Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In: Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 658 – 676

Universität Bremen – KUA (1997): Kooperation Universität-Arbeiterkammer Bremen: Berufliche Mobilitätsbarrieren und Integration. Zur Situation der (Im)Migranten im Bildungs- und Beschäftigungssystem des Landes Bremen. Eine Strukturdatenauswertung, Bremen

Winkel, Rolf (1993): Legenden statt Empirie: Selektive Wahrnehmungen bestimmen die „amtliche" Berichterstattung über die Ausbildungssituation ausländischer Mädchen. In: Gewerkschaftliche Bildungspolitik Nr. 12, S. 287 – 292

[Seite der Druckausg.: 90 = Leerseite]


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