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Ben Koolen
Die Integrationspolitik der niederländischen Regierung


Diese Einführung in die niederländische Integrationspolitik stellt die Ziele und Aktivitäten der niederländischen Regierung dar. Der entscheidende Faktor bleibt aber außer Betracht: Die Bemühungen und Handlungen der Menschen verschiedener Herkunft, die im täglichen Miteinander die Gesellschaft bilden und gemeinsam die Träger des Integrationsprozesses sind. Behörden und staatliche Stellen können mit ihrer politischen Tätigkeit steuern, abbremsen und stimulieren; sie können aber nie die Verantwortlichkeit der Bürger für ihr Zusammenleben übernehmen.

1.

Die niederländische Integrationspolitik für ethnische Minderheiten beruht auf der Anerkennung der Tatsache, daß die Migranten nicht mehr zurückkehren werden und ihren ständigen Wohnsitz in den Niederlanden haben. Sie sind bei der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft und der ihrer Nachkommen auf die niederländische Gesellschaft angewiesen. Dies hat die Regierung bereits 1980 aufgrund eines Gutachtens des niederländischen Wissenschaftlichen Rates für die Regierungspolitik (WRR) festgestellt. Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Ausländerbeauftragte der deutschen Regierung, Heinz Kühn, seinen Bericht über die Lage der in Deutschland lebenden Ausländer. Die niederländische Regierung vertrat die Auffassung, daß die Niederlande kein Einwanderungsland in dem Sinne sein kann, daß Zuwanderung unverzichtbar für die Bevölkerungs- und Arbeitsmarktpolitik ist. Dennoch war unübersehbar, daß die Niederlande, obwohl unerwünscht, faktisch ein Einwanderungsland geworden war.

Aus diesen Fakten hatte die niederländische Regierung die Konsequenz gezogen, daß einerseits die Zuwanderungspolitik restriktiv bleiben sollte, andererseits die neuen Mitbewohner der Gesellschaft die gleichen Chancen wie die anderen Einwohner haben sollten. Mit einer Rückkehr in die Her-

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kunftsländer dieser Bevölkerungsgruppen rechnete die Regierung nicht mehr. Dies war kein sinnvoller Ausgangspunkt der Politik mehr. In einem ausführlichen Bericht („Minderhedennota" 1983) wurde diese Politik dargestellt und vom Parlament genehmigt. Die Notwendigkeit der Koordination dieses Politikfeldes führte zu der Entscheidung, den Innenminister mit dieser Aufgabe zu betrauen.

2.

Um welche Zuwanderergruppen handelt es sich? Zuerst sind die sogenannten ausländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen zu nennen; dazu kamen die Bevölkerungsgruppen aus den ehemaligen oder heutigen Gebieten in Übersee des Königreiches; und schließlich diejenigen, die aufgrund internationaler Verträge (Flüchtlinge, Sinti und Roma, Staatenlose) Zugang zur niederländischen Gesellschaft bekommen haben.

Die Bezeichnung „Ausländer" für die Zielgruppen der Minderheiten- und Integrationspolitik paßte nicht in die niederländischen Verhältnisse. Viele Zuwanderer hatten schon die niederländische Staatsangehörigkeit, z.B. diejenigen, die aus den niederländischen Kolonialgebieten kamen. Aber auch jene, die mit fremdem Paß kamen, leben heute überwiegend legal in den Niederlanden und werden für immer in unserer Gesellschaft leben. Sie sind mit Ausländern, die nur einen kurzen Aufenthalt haben, nicht zu vergleichen. Sie sind auf dem Weg zur niederländischen Staatsbürgerschaft.

Statistiken mit Daten über „Einheimische" und „Ausländer" sind nicht in der Lage, die tatsächliche Situation widerzuspiegeln. Auch das Wort „Migrant" ist irreführend. Es bezieht sich auf eine Person, die noch in Bewegung ist, die Einwanderung ist aber endgültig und unumkehrbar. Wie der WRR vorgeschlagen hat, wählte die Regierung „ethnische Minderheiten" als „terminus technicus" für die Zielgruppen ihrer Politik. Es handelt sich um Minderheitengruppen, deren soziale, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Unterpriviligierung auch mit ihrer „fremden" Herkunft (Ethnie) zu tun hat. Dabei enthält das Wort „Minderheiten" auch einen demokratischen Hintergrund: Die Mehrheit soll die Minderheiten berücksichtigen und ihnen Rechte gewähren. Grundsätzlich geht es in der Demokratie um ein gerechtes Teilen der Macht. Minderheiten sind ein integraler Bestandteil der

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niederländischen Gesellschaft. Deshalb wird die niederländische Regierung im Rahmen des Übereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten die ethnischen Minderheiten auch als „nationale Minderheiten" anerkennen: Dies heißt, auch sie gehören zur „Nation". Ziel der Integrationspolitik ist die Förderung einer neuen Gesellschaftsordnung, in der jeder Mitbürger frei partizipieren und seine Rechte und Pflichten ungestört ausüben kann.

3.

Wo stehen wir heute in der Integrationspolitik, fast 20 Jahre später? In vielen Bereichen kann von einer wesentlichen Verbesserung der sozialen Lage gesprochen werden, z.B. auf dem Wohnungsmarkt, bei der Gewährung gleicher Rechte und dem Abbau rechtlicher Ungleichbehandlungen. Viele „Ausländer", vor allem auch Türken und Marokkaner, haben die niederländische Staatsangehörigkeit erworben. 30% bis 40% haben einen niederländischen Paß. Die zahlenmäßig relativ kleinen ethnischen Gruppen sind fast nahtlos in der Gesellschaft aufgegangen. Es zeichnet sich inzwischen eine starke Differenzierung, sowohl zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen als auch innerhalb dieser Gruppen ab. In jeder ethnischen Gruppe gibt es erfolgreiche Einwanderer, die vollständig in den verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen partizipieren; andererseits gibt es aber auch Zuwanderer, die mit ihrer neuen Umgebung noch nicht zurechtkommen; schließlich existiert eine zahlenmäßig sehr starke mittlere Gruppe, die ihren Weg in der niederländischen Gesellschaft noch sucht. Die aus der Türkei stammenden Einwanderer haben in einigen Kreisen in Ansätzen eine Art „Diaspora" gebildet, in der noch sehr starke Loyalitäten zum Herkunftsland bestehen. Diese Tendenz wird durch die modernen Kommunikationsmittel noch verstärkt.

Die niederländische Regierung sorgt sich um die Effektivität ihres Schulwesens für Schüler, die zu den größeren ethnischen Minderheiten gehören. Dabei geht es in erster Linie um die Gruppen türkischer und marokkanischer, weniger um die mit surinamischer Herkunft. Wissenschaftliche Untersuchungen haben festgestellt, daß viele türkische und marokkanische Kinder ihre Schullaufbahn mit unzureichenden Kenntnissen der niederländi-
schen Sprache beginnen und dieser Rückstand im Laufe der Erziehung in

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der Grundschule nicht wettgemacht werden kann. Die Ursache liegt nicht in fehlender oder unzureichender Intelligenz: Im Fach Mathematik sind diese Schüler ebenso erfolgreich wie andere Schüler. Ein entscheidender Faktor für den Schulerfolg ist, ob die Eltern imstande sind, ihre Kinder zu unterstützen und für das Leben in der niederländischen Gesellschaft zu befähigen. Bemerkenswert sind die im Durchschnitt günstigeren Schulergebnisse der Mädchen. Sie nützen ihre Chancen in der Schule besser aus als Jungen.

Die Regierung sorgt sich auch um die Lage der Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt. Zwar ist die Arbeitslosigkeit der türkischen und marokkanischen Mitbürger stark gesunken; der Mechanismus „last in, first out" wird sie aber voraussichtlich bei einer zukünftigen wirtschaftlichen Rezession erneut benachteiligen. Viele Jugendliche aus den ethnischen Minderheiten beenden ihre Schullaufbahn ohne Qualifikation und haben deswegen relativ geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und dies, obwohl die Betriebe zur Zeit Arbeitskräfte suchen. Diese erfolglosen Jugendlichen gehören zur sog. „Zwischengeneration", die nur teilweise das niederländische Schulwesen besucht hat. Ihnen droht eine gesellschaftliche Marginalisierung. Bemerkenswert ist aber auch die zunehmende Zahl von Betrieben, deren Eigentümer aus den ethnischen Minderheiten kommen. Es gibt vor allem viele türkische Unternehmer.

Ein Problem sieht die Regierung in der andauernden Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Die Gesetzgebung in diesem Bereich ist in den Niederlanden relativ weit fortgeschritten. Der Rechtsschutz der Betroffenen ist sehr weitgehend, und die Sanktionsmöglichkeiten ausreichend. Die Medien haben in diesem Zusammenhang eine relativ positive Funktion. Dies verhindert aber nicht, daß Vorurteile lebendig bleiben und im Verborgenen ihren Einfluß geltend machen. Sie wirken sich aus im alltäglichen Leben und, oftmals auch in verdeckter Form, bei der Besetzung von Arbeitsstellen.

Probleme sieht die Regierung weiterhin in der Integration neuer Migrantengruppen, die in den 90er Jahren über das Asylverfahren einen legalen Status in den Niederlanden erworben haben. Diese Neuankömmlinge haben noch einen langen Weg bis zur Gleichberechtigung und Gleichstellung vor sich. Wir können von ihnen lernen, daß Integrationsprozesse nicht linear und automatisch erfolgen. Das Problem der Integration stellt sich mit neuen

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Einwanderern immer wieder von neuem. Die Tatsache, daß die Niederlande ein Einwanderungsland sind, erfordert deshalb eine vielseitige, kontinuierliche und konsequente Integrationspolitik.

4.

Kennzeichen der Integrationspolitik sind:

  • Die Integrationspolitik hat ihre Grundlage in § 1 der niederländischen Verfassung: „Alle, die sich in den Niederlanden aufhalten, werden in gleichen Fällen gleich behandelt. Niemand darf wegen seiner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Anschauungen, seiner Rasse, seines Geschlechtes oder aus anderen Gründen diskriminiert werden." Das Prinzip der gleichen Behandlung, unabhängig von Unterschieden in Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Lebensüberzeugung ist das Leitmotiv niederländischer Integrationspolitik.
  • Die Politik der Regierung richtet sich sowohl an die ethnischen Minderheiten als auch an die „autochthone" Mehrheit. Die Konzentration auf die „Einwanderung der Ausländer" ist prinzipiell einseitig und deshalb ein falsches Signal, denn die Mehrheit muß sich ebenso wie die Minderheit den neuen Bedingungen einer multiethnischen Gesellschaft anpassen. Die Minderheiten sind aufgerufen, die niederländische Gesellschaft mit ihren Gesetzen und Spielregeln grundsätzlich zu akzeptieren, als Bürger ihre Verantwortung einzulösen und dazu beizutragen, daß die niederländische Gesellschaft eine moderne, friedliche Gemeinschaft bleibt. Auch sind sie gefordert, eigene Vorurteile zu korrigieren und sich die zur gesellschaftlichen Partizipation nötigen Kompetenzen anzueignen: die niederländische Sprache, Kenntnisse der Gesellschaft, ausreichende Fachbildung, politische Informationen.
  • Die autochthone Mehrheit ist ebenfalls aufgerufen, Vorurteile zu korrigieren und jede Form von Diskriminierung abzubauen und zu bekämpfen. Sie ist gefordert, tolerant und flexibel im Umgang mit gesellschaftlichen Normen und Werten zu sein und die gleichberechtigte Teilhabe der neuen Mitbürger an gesellschaftlichen Gütern wie z.B. Gesundheit, Ausbildung, Wohnen, Arbeit, politische Mitbestimmung, niederländische

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    Kultur, Wirtschaft, Künste und schließlich auch die Teilhabe an der Geschichte des Landes anzuerkennen.

  • Bürgerschaft ist ein Schlüsselwort zum Verstehen der niederländischen Integrationspolitik. Ein Angehöriger einer ethnischen Minderheit ist, auch ohne niederländische Staatsangehörigkeit, kein Außenseiter. Er wächst in die Bürgerschaft hinein. Bürgerschaft ist ein sozialer Begriff: Er beinhaltet die aktive Akzeptierung der Gleichwertigkeit jedes Mitbürgers. Ob Interaktion gelingt, zeigt sich im alltäglichen Leben: im Wohnbezirk, auf der Straße, im Laden, auf der Arbeitsstelle oder in der Schule. Die Wirklichkeit einer demokratischen Gesellschaft zeigt sich im Alltag.
  • Die Regierungspolitik in den Niederlanden zeichnet sich von Anfang an durch einen breiten Konsens der verschiedenen politischen Strömungen aus. Es gibt keine wesentlichen Unterschiede in der Zielsetzung zwischen den demokratischen Parteien. Alle sind sich darin einig, daß es keine Alternative zur Integrationspolitik gibt. Erzwungene Assimilation wird generell abgelehnt. Dieser Konsens beinhaltet auch, daß diese Ziele nur durch dauerhafte Anstrengungen erreicht werden können.
    Es kann ein Nachteil sein, wenn Grundsatzfragen nicht frühzeitig und ausreichend diskutiert werden. So ist erst zu Beginn der 90er Jahre der große Einfluß der religiösen und weltanschaulichen Vorstellungen der Angehörigen ethnischer Minderheiten auf Erfolge in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt „entdeckt" worden. Diese Lebenseinstellungen bestimmen sowohl bei der Mehrheit als auch bei der Minderheit sehr stark Zukunftsbilder, Ambitionen und Orientierungen.
  • Erst in den letzten Jahren hat sich eine intensive Diskussion in den Medien entwickelt über die Frage, ob die multikulturelle Gesellschaft nicht allein als Tatsache, sondern auch als ein politisches Muster, eine politische Zielvorstellung, für unsere Gesellschaft gelten kann. Es stellt sich die Frage, ob das eigene kulturelle Erbe der Minderheitengruppen dem Druck der Mehrheitskultur gewachsen ist und in welchem Maß die Behörden für das Beibehalten der Minderheitenkulturen verantwortlich sind.
  • Die Regierungspolitik ist nicht auf sich alleine gestellt. Sie kann ohne die Mitarbeit anderer Behörden, Institutionen und Organisationen, vor allem

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    auch der Organisationen der ethnischen Minderheiten selbst, nicht erfolgreich sein. Die Kommunen sind nicht nur die erste Ebene für die Gestaltung zwischenmenschlicher Interaktionen, sondern auf dieser Ebene setzen auch grundsätzlich die Bemühungen und Unterstützungsleistungen für gesellschaftliche Integrationsprozesse an. Die Regierungspolitik ist dazu komplementär und subsidiär.

  • Politik ist nicht glaubwürdig, wenn sie nicht konsequent durchgeführt wird. Ein Beispiel hierfür ist, daß eine multiethnische Gesellschaft auch eine multiethnische Verwaltung benötigt. Die niederländischen Behörden geben sich viel Mühe, Mitglieder ethnischer Minderheiten für den öffentlichen Dienst anzuwerben, und zwar nicht nur auf den niedrigen Positionen. Vor 15 Jahren wurde ein Gesetz so geändert, daß auch Nicht-Niederländer als Beamte ernannt werden können. Die Ministerien berichten dem Parlament jährlich, wieviele Beamte aus ethnischen Minderheiten kommen und welche Positionen sie einnehmen; auch Betriebe mit mehr als 35 Angestellten haben die gesetzliche Pflicht, den Betriebsräten hierüber einen Bericht abzuliefern.
  • In hohem Maße ist Integrationspolitik auch Großstadtpolitik. 60% der Marokkaner und Türken und mehr als 70% der Surinamer und Antilleaner wohnen in den größeren Städten unseres Landes. In den vier größten Städten gehören 20% bis 25% der Bevölkerung zu ethnischen Minderheiten. Diese konzentrieren sich dann wiederum in bestimmten Stadtvierteln (es gibt aber kaum Stadtviertel, in denen die Mehrzahl der Bewohner ethnischen Minderheitengruppen angehören). In der jetzigen Regierung ist ein Minister für die Koordinierung der Großstadt- und Integrationspolitik zuständig.

5.

Ich möchte an dieser Stelle drei Beispiele für „best practices" der Integrationspolitik aufzeigen:

I. Das Gesetz zur Eingliederung von Neuankömmlingen

Am 30. September 1998 ist ein Gesetz in Kraft getreten, welches Neuzuwanderern, die von Staaten außerhalb der EU oder der EFTA einwandern, den Besuch eines einjährigen Kurses zur Pflicht macht. Dieser hat das Ziel,

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die niederländische Sprache zu fördern, die Kenntnisse über die Niederlande zu verbessern und den Zuwanderern eine Orientierung auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es geht um die Förderung der Fähigkeit zur Selbsthilfe. Der Staat subventioniert durchschnittlich 600 Kursstunden. Der Kurs endet mit einer Abschlußprüfung. Die Absolventen dieses Kurses müssen keinen Sprachtest mehr durchführen, wenn sie die niederländische Staatsangehörigkeit beantragen. Wer ohne Grund den Kurs vorzeitig beendet, kann mit Sanktionen belegt werden.

II. Das Projekt zur Bekämpfung der Jugendkriminalität von Angehörigen ethnischer Minderheiten

Besonders Jugendliche mit marokkanischer und niederländisch-antilleanischer Herkunft sind in der niederländischen Gesellschaft stark marginalisiert. Viele von ihnen verlassen vorzeitig die Schule ohne Abschluß. Dies führt häufig dazu, daß sie auffällig werden und kriminelle Handlungen zeigen. In Zusammenarbeit von mehreren Ministerien und sieben Kommunen ist ein Projekt entwickelt worden, das die Freizeitgestaltung, Selbstdisziplinierung und individuelle Begleitung zum Ziel hat. Die Eltern der Jugendlichen und ihre eigenen Minderheitenorganisationen werden eingeschaltet.

III. Das Gesetz zur Konsultierung der Minderheitenvertretungen

Dreimal im Jahr tagt der für die Koordinierung der Großstadt- und Integrationspolitik zuständige Minister mit den sieben Dachverbänden ethnischer Minderheitengruppen. Themen sind integrationspolitische Angelegenheiten. Neue Pläne werden vom Minister frühzeitig diesen Dachverbänden zur Beratung vorgelegt. Die Dachverbände selbst haben das Recht, eigene Überlegungen und Konzepte der Regierung und dem Parlament zu präsentieren. Die Dachverbände repräsentieren viele Organisationen mit unterschiedlichen politischen und lebensanschaulichen Interessen. Vertreten sind Organisationen der Antilleaner und Arubaner, Flüchtlinge, Marokkaner, Molukker, Südeuropäer, Surinamer und Türken. Niederländische Wohlfahrtsverbände sind keine Mitglieder dieses Gremiums.

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6.

Der erste Bericht des neuen Ministers für Großstadt- und Integrationspolitik an das Parlament trug den Titel „Chancen bekommen, Chancen ergreifen". Meines Erachtens kommt es auf das „Chancen ergreifen" an. Die Politik kann nur die Bedingungen schaffen, Möglichkeiten anbieten, Hindernisse abbauen, Entwicklungen stimulieren und abbremsen und die Partizipation fördern. Die Entscheidung, die „Chancen zu ergreifen", liegt aber bei den 280.000 Surinamern, den 275.000 Türken, den 230.000 Marokkanern, den vielen Flüchtlingen und den anderen Mitgliedern der ethnischen Minderheiten selbst. Auch die 15 Millionen autochthonen Niederländer müssen ihren Beitrag leisten.

Ob die niederländischen Bemühungen um Integration ein Modell für andere Länder sein können, kann ich nicht beantworten. Unsere Konzeption bemüht sich, einzelne Elemente aufeinander abzustimmen und eine einheitliche Zielsetzung zu verfolgen. Aber es gibt in diesem Bereich keinen garantierten Erfolg. Auch in den Niederlanden bleibt noch viel zu tun. Die niederländische Integrationspolitik ist sicherlich kein Exportartikel. Jedes politische Konzept wird wesentlich von der Geschichte und der Kultur des jeweiligen Landes bestimmt. Jede Gesellschaft muß ihre eigenen Probleme definieren und ihre eigenen Chancen nutzen. Gleichzeitig haben aber die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Aufgabe, sich gemeinsam auf Grundprinzipien zu verständigen, damit auch die Mitglieder ethnischer Minderheiten in Zukunft die vollen Rechte der europäischen Bürgerschaft genießen.

[Seite der Druckausg.: 56 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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