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Peter König, Ursula Mehrländer
Zusammenfassung


Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nicht bedroht. Globalisierung beinhaltet nicht nur Risiken, sondern bietet auch Chancen für Beschäftigung und Wohlstand. Aber der Wandel unserer Gesellschaft erfordert dennoch neue Strukturen sozialer Sicherung. Zu diesem Fazit kam die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Köln zum Thema „Globalisierung und nationale Sozialpolitik". Der Vorsitzende der Stiftung, Ministerpräsident a.D. Holger Börner, begrüßte auf dieser internationalen Konferenz mehr als 400 hochrangige Gäste aus der Politik, der Wirtschaft, den Gewerkschaften und aus Verbänden. Im Vordergrund der Konferenz stand die Frage, welche Perspektiven sich aus dem Prozeß der Internationalisierung und Globalisierung für den Sozialstaat ergeben.

In seinem Vortrag legte der Vorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, dar, daß die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland wie in ganz Europa nicht in der Globalisierung liegt. Im Gegenteil: Die Exportüberschüsse Deutschlands mit den wachstumsstarken Ländern Asiens zeigen vielmehr, daß Deutschland Arbeitslosigkeit exportiert hat. Arbeitslosigkeit in Deutschland ist in erster Linie auf die verfehlte Geld- und Fiskalpolitik der vergangenen Jahre zurückzuführen. Was wir brauchen, ist ein Umdenken in diesen Politikbereichen: Die Geldpolitik darf nicht mehr, wie bisher, ausschließlich auf Preisstabilität ausgerichtet sein. Von ihr müssen vielmehr wieder im Wechselspiel mit der Fiskalpolitik und durch Erzielung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes Wachstumssteigerungen mit deutlichen beschäftigungswirksamen Impulsen ausgehen. Wenn diese innovative Politik verfolgt wird, dann bietet Globalisierung für uns große Chancen.

Veränderte makroökonomische Bedingungen sind eine ganz entscheidende Voraussetzung für eine politische Veränderung, die durch weitere Aktivitäten ergänzt werden müssen, um den Sozialstaat auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten. Hierauf ging Wolfgang Clement, ehemaliger Wirtschaftsminister und jetziger Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalens, ein: Die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitsformen und -zeiten führt zu einer weiteren Erosion des Normalarbeitsverhältnisses. Außer-

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dem steigt die Anzahl der Selbständigen und Bezieher von Vermögenseinkommen. Diese Entwicklung stellt die bisherigen Finanzierungsgrundlagen der sozialen Sicherung vor außerordentlich große Probleme. Er schlug vor, der veränderten Situation u.a. mit neuen Finanzierungsansätzen (z.B. Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen), Arbeitszeitregelungen und Qualifizierungsmaßnahmen Rechnung zu tragen.

Anhand konkreter Beispiele aus Unternehmen Ostdeutschlands führte Dr. h.c. Lothar Späth, Vorsitzender der JENOPTIK AG an, daß sich die junge Generation bereits auf diese Situation einzustellen beginnt: Sie haben mehrere Jobs, flexible Arbeitszeiten sind an der Tagesordnung, und eine Beteiligung an dem Produktivkapital ist für einige bereits Bedingung für eine Zusammenarbeit. Deutschland müsse sich nach seiner Auffassung schneller an diese Veränderungen anpassen.

Bei einer innovativen Umgestaltung des Sozialstaates ist aus der Sicht von Wolfgang Thierse, MdB, folgendes zu berücksichtigen: In jeder Gesellschaft gibt es zentrale Werte. Sie sind Grundlage für erfolgreiches Handeln. Diese zentralen Werte unserer Gesellschaft - und dazu gehören in Deutschland Solidarität und Gerechtigkeit - müssen wieder in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft gestellt werden. Die Revitalisierung dieser Werte stehe nicht im Gegensatz zur Ökonomie. Im Gegenteil: Erst beide zusammengenommen haben den wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand in Deutschland erbracht. Die Bedeutung kultureller Dimensionen in der Diskussion über Globalisierung und Wohlstand wurde auch vom Vorsitzenden des schwedischen Gewerkschaftsbundes, Bertil Jonsson, unterstrichen: In Schweden wird Globalisierung als Bedrohung der Demokratie empfunden, insbesondere im Hinblick auf die von den Finanzmärkten ausgehenden Gefahren.

Wie auf die Veränderungen in unseren Nachbarländern reagiert wird, erläuterte der niederländische Minister für Soziales und Arbeit, Ad Melkert:

Durch Lohnzurückhaltung, Flexibilisierung von Arbeitsformen und -zeiten sowie einer Straffung sozialer Leistungen konnte in den Niederlanden die Zahl der Arbeitslosen deutlich reduziert werden. Hierbei ist vorbildlich: Der Erfolg auf dem Arbeitsmarkt kam nur durch einen Konsens von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften zustande. Bezogen auf die Politik in den Niederlanden führte Dr. Heiner Flassbeck, DIW Berlin, aus: Die bisherige Praxis hat gezeigt, daß sich durch Lohnzurückhaltung und Senkung der Sozialabgaben dauerhaft keine Wettbewerbsvorteile erzielen lassen. Im Gegenteil:

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Wenn dies von allen Ländern Europas verfolgt wird, dann droht die Gefahr einer Deflation mit der schwerwiegenden Folge weiter steigender Arbeitslosigkeit. Dennoch ist nach Einschätzung von Karl Hermann Haack, MdB, nicht zu übersehen, daß der Erfolg des niederländischen Modells auch auf einer größeren Zielgenauigkeit sozialer Leistungen beruht: Geholfen wird dort, wo Bedürftigkeit besteht.

Über diese auf Europa bezogene Diskussion hinaus wurde nach der Rolle von Sozialstandards auf internationaler Ebene gefragt. Während Dr. Hans-J. Barth, Prognos AG, aufgrund von Sozialstandards nachteilige Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern sowie auf deren Handel mit Industrieländern befürchtet, teilte Dr. Wilhelm Adamy, Deutscher Gewerkschaftsbund, diese Einschätzung nicht:

Sozialstandards würden Wohlstand und Gerechtigkeit in allen Ländern fördern.

In Zukunft wird sich die Welt noch viel stärker und schneller verändern. Zu dieser Schlußfolgerung kam Prof. David Rothkopf, Kissinger Associates:

U.a. wird die Bedeutung der Nationalstaaten relativiert, die Informationstechnologie wird eine noch viel größere Rolle spielen und Unternehmen werden noch standortungebundener sein als heute. Zukunftsweisende Arbeitsplätze werden nur dort entstehen, wo innovative makroökonomische Bedingungen geschaffen werden und in Bildung und Ausbildung sowie Infrastruktur investiert wird. Auf diese Chance muß Politik eingehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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