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[Seite der Druckausg.: 1-2 = Titel ]
[Seite der Druckausg.: 3-4 = Inhalt]
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Einführungsrede

Sehr geehrte Herren Minister, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde! Zu der internationalen Fachtagung „Globalisierung und nationale Sozialpolitik" heiße ich Sie willkommen. Ich freue mich, daß Sie der Einladung unserer Stiftung so zahlreich gefolgt sind.

Mit dieser Fachtagung greifen wir ein Thema auf, daß höchste Aktualität besitzt: Bei der Herausforderung „Globalisierung und nationale Sozialpolitik" geht es im Kern um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die Lebensqualität unserer Bevölkerung. Beides gehört untrennbar zusammen. Hohe Wettbewerbsfähigkeit und hohe Lebensqualität machen zusammengenommen erst den Erfolg aus.

Das immer engere Zusammenwachsen der Welt durch weltweite Industrialisierung, offenen Handel und neue Kommunikationsformen ist nichts Neues. Diese wirtschaftlichen Entwicklungen waren - wie heute - auch immer wieder mit politischen und sozialen Umbrüchen verbunden. In Westeuropa haben sie nach dem Zweiten Weltkrieg zu demokratischen Staatsformen geführt und den modernen Sozialstaat begründet. Beides steht in einem Wechselbezug. Das eine sichert das andere.

Das gilt auch für Deutschland: Auf Demokratie und Sozialstaat können wir stolz sein. Aber es besteht kein Anlaß zur Selbstzufriedenheit. Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Wohlfahrtsstaaten Europas haben eine andere Qualität erreicht. Sie stellen neue, veränderte Herausforderungen an uns, denen wir uns stellen.

Es geht nicht mehr nur darum, Handel mit Waren zu betreiben. Längst sind Dienstleistungen und modernste Technologien hinzugekommen. Und Finanzmärkte umspannen die ganze Welt. Neu ist auch die hohe Geschwindigkeit, mit der diese Prozesse ablaufen. Und das Tempo steigt weiterhin rapide an. Neu ist aber auch die Veränderung der politischen Landschaft in diesem Jahrzehnt. Der Übergang von staatlicher Planwirtschaft ehemals sozialistischer Staaten zu sozialer Marktwirtschaft und Demokratie nach westlichem Vorbild hat die Welt erheblich verändert. Für uns Deutsche war Anfang der neunziger Jahre damit die Chance zur Wiedervereinigung verbunden.

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Das zeigt: Globalisierung ist eben nicht nur ein wirtschaftlicher Prozeß. Globalisierung hat auch politische Dimensionen und verändert die Lebenssituation der Bevölkerung.

Es besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, daß wir uns diesen weltweiten Veränderungen nicht entziehen können: Wir handeln längst nicht mehr als autonomer Nationalstaat. Deutschland ist unwiderruflich in den europäischen Integrationsprozeß einbezogen und wirkt hieran aktiv mit. Wir haben intensive wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Ländern anderer Kontinente. Dies alles müssen wir berücksichtigen, wenn wir unser heutiges Thema diskutieren.

In der öffentlichen Diskussion über angemessene Antworten auf die Zukunftsfragen gehen die Meinungen stark auseinander. Auf die einzelnen Aspekte werden die Redner auf dieser Tagung eingehen.

Aber ich möchte an dieser Stelle betonen: Das Problem liegt nicht allein in den wirtschaftlichen Entwicklungen. Es liegt in den Orientierungen und Maßstäben, die wir mit wirtschaftlichem und wirtschaftspolitischem Handeln verbinden. Wenn wir kreativ und umsichtig sein wollen, müssen wir uns auf die Kräfte besinnen, die uns erfolgreich gemacht haben und das, was uns Sicherheit, Wohlstand und Gerechtigkeit gebracht hat. Dazu gehört auch unser Sozialstaat und unsere Fähigkeit zum Konsens.

Eines steht aber auch fest: Wir dürfen uns dabei der notwendigen und zum Teil weitgreifenden gesellschaftlichen Erneuerung nicht verschließen. Wir sind der Meinung, daß nicht nur die mit Globalisierung verbundenen Risiken, sondern insbesondere die damit verbundenen Chancen gesehen werden sollten.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat im Rahmen des Gesprächskreises Arbeit und Soziales ein einschlägiges Projekt durchgeführt mit einem Team von wirtschaftswissenschaftlichen und sozialpolitischen Experten.

Der Bundestagsabgeordnete Rudolf Dreßler hatte sich vorgenommen, heute über die Ergebnisse dieser Arbeit zu Ihnen zu sprechen. Aber er kann wegen eines Autounfalls leider nicht teilnehmen. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus baldige Genesung.

An dieser Stelle begrüße ich den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Thierse, der sich dankenswerterweise bereit erklärt hat, zu der Thematik der heutigen Veranstaltung vorzutragen.

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Gleichzeitig möchte ich allen Rednern und Moderatoren der Tagung dafür danken, daß sie unserer Einladung gefolgt sind.

Wir sind gespannt auf die Stellungnahmen zum Thema „Globalisierung und nationale Sozialpolitik".

Ich freue mich, daß wir hiermit auch Gelegenheit haben werden, mit unseren ausländischen Freunden aus den Niederlanden, Schweden und der Schweiz sowie den USA über diese Fragen zu sprechen.

Lassen Sie mich zum Schluß ein Wort Willy Brandts aufgreifen, der der Stiftungsarbeit eng verbunden war. Er hat am 7. April 1983 im Kreis vieler internationaler Freunde der Stiftung folgendes gesagt, was meines Erachtens noch heute Gültigkeit hat:

„Ein neues Jahrhundert steht bevor und mit ihm die Chance für eine neue Zivilisation. Könnten wir nicht heute damit anfangen, einen Grundstein zu legen für jene neue Gemeinschaft, die sich auszeichnen sollte durch möglichst vernünftige Beziehungen zwischen Menschen und Staaten, um eine Welt zu schaffen, in der Frieden herrscht und in der möglichst alle teilhaben an der allgemeinen Wohlfahrt, an Gerechtigkeit, Freiheit und sozialer Sicherheit?"

In diesem Sinne wünsche ich uns einen guten Verlauf der Tagung und interessante Diskussionen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

November 1997

Holger Börner
Ministerpräsident a.D.
Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung


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