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Simone Fey-Hoffmann
Statement zur Gesprächsrunde:
Langzeitarbeitslosigkeit und Ausgrenzung - Was können wir tun, um die Reintegration zu fördern?


„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung von Nachteilen hin."

Seit 1994 ist mit der Formulierung des Art. 3 (2) GG eindeutig die Aufforderung zur aktiven Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen Gleichberechtigungsgrundsatz und der tatsächlichen Lage der Frauen verbunden. Tatsächlich hat aber die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt in der „Bündnisdebatte" keine Rolle gespielt.

Erst das „Frauenbündnis" gegen Sozialabbau des bundesweiten feministischen Bündnisses und des Deutschen Frauenrates sowie auf Landesebene das „Frauenbündnis NRW" haben eingefordert, die Interessen von Frauen zu berücksichtigen und in ein Bündnis für Arbeit miteinzubeziehen.

So begrenzt die Einflußmöglichkeiten kommunalen Handelns in diesem Politikfeld auch sein mögen, auch hier gilt: „Arbeitsplätze sichern und neue schaffen, Arbeitslosigkeit bekämpfen und Erwerbsarbeit gerecht verteilen, sind nicht nur zentrale Fragen einer aktiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, sondern immer auch gleichzeitig eine, wenn nicht die zentrale Frage einer aktive Gleichstellungspolitik, ..." [Fn.1: AsF Bundesvorstand Nr. 20, Mai 1996, im Vorwort: Petra Weis, Bündnis für Arbeit und Frauen.]

Soweit die Kommune arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch handelt, bedarf es eines kommunalen „Frauenbündnisses für Arbeit". Gerade die in kleineren und mittleren Großstädten häufig noch männlich dominierte Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sollte durch ein Frauenbündnis eine frauen- und gleichstellungspolitische Richtung bekommen.

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Langzeitarbeitslose Frauen in Leverkusen - eine besondere Zielgruppe?

Personen, die ein Jahr und länger arbeitslos sind, werden von der Bundesanstalt für Arbeit als Langzeitarbeitslose bezeichnet. Statistisch nicht erfaßt werden damit Frauen, die von Sozialhilfe leben (z.B. Alleinerziehende während des Erziehungsurlaubes), die nach der Familienphase noch nicht arbeitsuchend gemeldet sind, aber arbeiten möchten; Frauen in ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen (hohe Dunkelziffer) und Frauen in Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Frauenbeschäftigung vollzieht sich in Leverkusen unter dem „Affenbrotbaum" einer monostrukturierten Chemieindustrie, die für die frauenspezifisch ausgebildeten Frauen weniger Beschäftigung bietet als andernorts. So weist Leverkusen im Vergleich zu NRW eine unterdurchschnittliche Frauenerwerbstätigkeit auf (42,8% : 39,1%).

Inwieweit die durch den hohen Anteil gut verdienender Facharbeiter geprägte konservative Ideologie „Meine Frau hat es nicht nötig zu arbeiten" empirisch nachweisbar ist, kann nur vermutet werden. Der Verdacht wird durch zahllose Beratungsgespräche mit berufsrückkehrwilligen Frauen im Frauenbüro erhärtet.

1995 beträgt der Frauenanteil an den Arbeitslosen 10,7% (Bundesdurchschnitt 9,2%). Der Vermittlungsanteil in Arbeit beträgt nur 37,1%, obwohl er nach AFG bei mindestens 44,9% hätte liegen müssen. [Fn.2: Arbeitsamt Bergisch Gladbach 11/96 : Der Frauenarbeitsmarkt 1995.]
An Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren Frauen im Arbeitsamtsbezirk 1995 mit 50,1% beteiligt.

Daß die Änderungen des Arbeitslosenhilfereformgesetzes (1.7.1996) und - falls der Entwurf beschlossen wird - die neue Form des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) zur weiteren Verschlechterung der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt beitragen, ist unstrittig:

Die Gruppe der Frauen, die auf Transferleistungen (insbesondere Sozialhilfe) des Staates angewiesen sein wird, wird durch die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes noch wachsen. Die Verlagerung des Arbeitslosenversicherungsschutzes auf die Ebene individuell-bedarfsorientierter Für-

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sorgeleistungen führt zu einer immer stärker werdenden Belastung kommunaler Haushalte.

Spätestens an dieser Stelle sollte die Notwendigkeit einer kommunalen Beschäftigungspolitik deutlich werden. Statt individueller Fürsorge sollten strukturelle Maßnahmen und Projekte Frauen eine Erwerbstätigkeit eröffnen und langfristig kommunale Haushalte entlasten.

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Höchstes Sozialhilferisiko tragen Alleinerziehende

Das Risiko, langfristig über ein nur unzureichendes Einkommen zu verfügen und auf öffentliche Fürsorge angewiesen zu sein, trifft besonders Frauen als Alleinerziehende. Sie verbleiben im Durchschnitt länger in dieser Einkommenssituation als andere Haushaltsformen, in Leverkusen sind das durchschnittlich 33 Monate. Hinzu kommen Wohnungsprobleme für viele Alleinerziehende, die zudem auch noch auf die gesamte Vorurteilsquote der Vermieter treffen.

Spätestens seit der Bund sich wohnungspolitisch aus dem Sozialmietbau zurückgezogen hat und die Bindungsfristen für ältere (= billigere) Sozialwohnungen auslaufen, stehen immer mehr Alleinerziehende vor dem Problem, keinen adäquaten Wohnraum zu finden. Einelternteil-Familien gehören ebenso zur Risikogruppe überschuldeter Haushalte, da sich deren Unterhalt fast ausschließlich aus Transferleistungen zusammensetzt. Fallen Wohngeld, Unterhalt oder Kindergeld weg, ist die Gesamtfinanzierung der Familie gefährdet.

Eine Studie über die „Situation junger alleinerziehender Frauen in Leverkusen" hat gezeigt, daß gerade junge Frauen von diesem Problemgeflecht betroffen sind. In der Regel führt die Schwangerschaft zum Abbruch der Ausbildung und oftmals zum zunächst vorläufigen Ende sämtlicher Berufsplanung. Hier wird eine wichtige Dimension eines wesentlichen Spannungsfeldes dieser jungen Frauen angesprochen: Die ersten Lebensjahre ihrer Kinder sind gleichzeitig die wichtigsten beruflichen Aufbaujahre für sie selbst. In der Folge bedeutet es, daß ledige junge Mütter im Vergleich zu anderen Frauen eine geringere berufliche Qualifikation und entsprechend schlechte Ausgangspositionen für den Arbeitsmarkt haben.

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Bundesweit sind 15,7% der alleinerziehenden Sozialhilfeempfängerinnen unter 25 Jahre, in NRW sind es 12% und in Leverkusen sind es 26,3%.

31% der sozialhilfebeziehenden alleinerziehenden Frauen waren bei der Geburt des ersten Kindes zwischen 15 und 21 Jahre. [Fn.3: Vgl. Frauenbüro Stadt Leverkusen: Zur Situation junger alleinerziehender Frauen in Leverkusen, Juli 1995.]

Die Studie, die im Auftrag des Frauenbüros erarbeitet wurde, macht Vorschläge zu einer vernetzten Betrachtung der unterschiedlichen Problemlagen von Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und sozialen/gesundheitlichen Notlagen.

Leverkusen sollte sein kommunal- und beschäftigungspolitisches Handeln stärker an folgenden Punkten ausrichten:

  • Lebenslagenorientierung statt Institutionen-(Gesetzes-)orientierung,

  • Sozialraumorientierung statt Zentralismus,

  • neue Formen der Beratung statt Maßnahmendenken,

  • Vielfalt in der Trägerstruktur mit frauenspezifischer Ausrichtung (frauengerechte Qualifizierungs- und Lernformen, Kinderbetreuung, Personal mit Kenntnissen über die Lebenslagen der Frauen etc.).

Mit dem Aufbau einer kommunalen Beschäftigungsförderung könnten Ansätze für die spezielle Zielgruppe Frauen als Alleinerziehende (Langzeitarbeitslose) erprobt werden. Allerdings bedarf es der institutionellen Vernetzung, z.B. in einem Koordinierungskreis.

Dem Koordinierungskreis sollten angehören: Arbeitsamt, Bildungsträger, Sozialamt, Jugendamt, Wirtschaftsförderungsamt, Gewerkschaft, Rechtsamt, Kammern, darüber hinaus - fallbezogen - auch Bauförderungsamt und Wohnungsbaugesellschaften. Der Koordinierungskreis soll Maßnahmen entwickeln, die unter Berücksichtigung der in den Einzelgesprächen erhobenen Situation der Sozialhilfeempfängerinnen geeignet sind, ihnen Alternativen der Lebensplanung frühzeitig aufzuzeigen oder anzubieten. Dabei ist entscheidend, daß von den Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichen Institutionen aufgezeigt wird, was sie leisten und was sie nicht leisten können. Gleichzeitig muß die Bereitschaft bestehen, neue For-

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men von Maßnahmen zu erproben und in den jeweiligen Institutionen durchzusetzen (z.B. Ausbildung in Teilzeitarbeit, ggf. Gewährung von Sozialhilfe auch in Ausbildungsverhältnissen).

Der Koordinierungskreis muß zur Finanzierung anvisierter Maßnahmen zusammenwirken, um ein aufeinander abgestimmtes Gesamtpaket zu erstellen.

Die Tagung zum Bündnis für Arbeit in der Kommune ist dazu ein erster wichtiger Schritt, der hoffentlich in der Folge in konkreten beschäftigungspolitischen Anträgen und Entscheidungen seine Fortsetzung findet.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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